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Blaulichtgurke
07.09.2014, 19:13
Hallo!
Folgenden Einsatz, den ich selber mal vor nem halben Jahr erlebt habe, möchte ich euch mal präsentieren:
Ihr (RA+RS) werdet an einem schönen Samstag-Abend von der Leitstelle mit dem Stichwort "Verletzte Person" zu einem Feldweg in der Nähe eurer Wache geschickt, direkt neben einer Landstraße. Nach 2 Minuten Fahrt seid ihr da. Die Polizei ist ebenfalls vor Ort.
Ihr seht eine aufgeregte Spaziergängerin euch zu winken sowie zwei Polizeibeamte die neben einem in stabiler Seitenlage liegenden jungen Mann knien.
Die Polizei berichtet euch, dass der Mann am Boden liegend mit einer KoPlaWu auf diesem Weg von zwei Spaziergängern gefunden worden ist. Der Mann sei die ganze Zeit nicht ansprechbar. Da die Situation unklar war, wurde die POL ebenfalls informiert.
Dann mal los ;)

gnuff
07.09.2014, 20:23
ABCDE?

Blaulichtgurke
07.09.2014, 20:33
Normales Atemgeräusch rechts, links kein AG vorhanden, SpO2 91%, RR 170/100, HF 55/min SR. multiple Prellungen an Thorax, Abdomen, Becken, insbesondere die linke Seite weist mehr Hämatome und Schürfwunden auf als rechte. An den Extremitäten finden sich oberflächliche Wunden und ebenso Prellmarken. Zusätzlich eine Nasenbeinfraktur sowie eine gut 3cm lange, nicht mehr blutende KoPlaWu am Haaransatz. Pupillen bds weit und lichtreagibel. GCS von 3.

Chak
08.09.2014, 10:13
Also bei dem Zustands- und Verletzungsbild hätte ich gern ein NEF nachgefordert. Ansonsten bekommt er eine Cervikalstütze und wird möglichst schonend auf die Trage umgelagert (was habt ihr: Schaufeltrage/Vakuummatratze, Spineboard, wie liegt er überhaupt?), das ganze aber möglichst zügig. Wie hoch ist Atemfrequenz, gibt es Auffälligkeiten bei der Atmung? Und sonstige Auffälligkeiten, wie ist sein Erscheinungsbild und Zustand (nicht dass wir uns durch das Verletzungsbild von etwas anderem ablenken lassen)? Und geben seine Papiere irgendwelche Informationen her (z.B. aktuell relevante Erkrankungen, für die Polizisten auch Personendaten)?
Ach ja, etwas O2 und nachdem er umgelagert wurde eine Zugang mag er sicher auch ...

Und da die Polizisten inzwischen "frei" sind, sollen die sich mal etwas umschauen - wurde der auf'm Ackern von 'nem Traktor überfahren, gibt es evtl. im Umfeld Hinweise auf einen Unfall (im Graben liegendes Fahrrad, Bremsspuren auf der Landstraße, ...)?

Chak
08.09.2014, 10:21
Falls der NA nicht gerade um die Ecke ist (dann warten wir vorm Umlagern natürlich, falls er gleich intubieren möchte): wie steht ihr eigentlich zum Thema Larynxtubus o.dgl. durch RA in dieser Situation?

Blaulichtgurke
08.09.2014, 12:44
Also bei dem Zustands- und Verletzungsbild hätte ich gern ein NEF nachgefordert. Ansonsten bekommt er eine Cervikalstütze und wird möglichst schonend auf die Trage umgelagert (was habt ihr: Schaufeltrage/Vakuummatratze, Spineboard, wie liegt er überhaupt?), das ganze aber möglichst zügig. Wie hoch ist Atemfrequenz, gibt es Auffälligkeiten bei der Atmung? Und sonstige Auffälligkeiten, wie ist sein Erscheinungsbild und Zustand (nicht dass wir uns durch das Verletzungsbild von etwas anderem ablenken lassen)? Und geben seine Papiere irgendwelche Informationen her (z.B. aktuell relevante Erkrankungen, für die Polizisten auch Personendaten)?
Ach ja, etwas O2 und nachdem er umgelagert wurde eine Zugang mag er sicher auch ...

Und da die Polizisten inzwischen "frei" sind, sollen die sich mal etwas umschauen - wurde der auf'm Ackern von 'nem Traktor überfahren, gibt es evtl. im Umfeld Hinweise auf einen Unfall (im Graben liegendes Fahrrad, Bremsspuren auf der Landstraße, ...)?

NEF haben wir auch sofort nachgefordert, ebenso haben wir direkt ne Cervikalstütze drangebastelt. Er lag bereits in der stabilen Seitenlage, POL hat ihn in Rückenlage gefunden. Atemfrequenz war bei 10/min. Sonstige Auffälligkeiten an der Atmung gab es nicht, nur dass links kein Atemgeräusch auskultierbar war. POL hat Personalien gecheckt, Hinweise auf VE gab es nicht.
Während das NEF auf Anfahrt war haben wir sofort versucht zwei großlumige Zugänge zu legen, leider frustran, der war ziemlich zentralisiert... haben mindestens 5 mal gestochen. Das NEF kam dann auchzum Glück nach 4 Minuten. Der NA hat dann auch 2 mal versucht eine orangene Viggo zu legen, ebenfalls frustran.
Da es ein ziemlich verregneter Tag war haben wir ihn auch direkt mittels Schaufeltrage in den RTW verbracht.
Dort hat unser Doc nen EZ IO gelegt rechts an der proximalen Tibia, war erfolgreich.
Hat übrigens während der ganzen Prozedur O2 bei 12L Flow per Maske bekommen.
Polizei konnte nichts auffälliges in der Umgebung feststellen.

Chak
08.09.2014, 16:01
Also wenn's ein regnerischer und damit vermutlich kühler Tag ist (lag der etwa im Schlamm?), kommt der mir schonend aber zügig ins Fahrzeug. Wie sieht's mit seiner Temperatur aus, auch im Vergleich zentral-peripher?

Was für Optionen in Bezug aufs Krankenhaus haben wir? Wie weit sind die entfernt?

Zugang hat er jetzt intraossär in die Tibia, was möchte der NA da rein haben? Und Atemwegssicherung beim Guedel (ist natürlich drin, hatte ich nur vergessen zu erwähnen) belassen oder möchte der Doc intubieren?

Blaulichtgurke
08.09.2014, 18:06
Also wenn's ein regnerischer und damit vermutlich kühler Tag ist (lag der etwa im Schlamm?), kommt der mir schonend aber zügig ins Fahrzeug. Wie sieht's mit seiner Temperatur aus, auch im Vergleich zentral-peripher?

Was für Optionen in Bezug aufs Krankenhaus haben wir? Wie weit sind die entfernt?

Zugang hat er jetzt intraossär in die Tibia, was möchte der NA da rein haben? Und Atemwegssicherung beim Guedel (ist natürlich drin, hatte ich nur vergessen zu erwähnen) belassen oder möchte der Doc intubieren?


Zugegeben, die Temperatur haben wir nicht gemessen. Das nächste KH mit Traumazentrum ist in 10 Fahrtminuten unter SoSi erreichbar, das nächste, Uniklinikum in 30km.
Der NA hat insgesamt 0,1mg Fentanyl und 5mg Dormicum verabreicht. Wir habens auch beim Guedeltubus belassen, da unser Pat ja noch Spontanatmung hatte. (Doc wollte nicht zugeben dass er noch nicht so erfahren in der Intubation war) Die vom Schockraum haben dann intubiert.

Mich würd interessieren mit welcher Diagnose lieferst du den Pat im Schockraum ab?
Und was würdest du mit dem linken Lungenflügel machen? Punktion? Thoraxdrainage?

Brutus
08.09.2014, 18:32
Hmm. Wenn er nicht sicher intubieren kann, der Patient mit Güdel gut schnauft, warum in Gottes Namen gibt er dann 0,1mg Fenta und 5mg Dormicum? Gut, dass man damit niemand ernsthaft einschüchtern kann das Atmen einzustellen, ist schon richtig, aber in DER Situation reicht es doch sicher, dass die instabile Situation weiter eskaliert...
Andererseits war es vielleicht gar nicht sooo schlecht, dass nicht intubiert wurde, weil der Pneumothorax dann ganz schnell zu einem Spannungspneu wird, der erstens schnell erkannt und zweitens auch noch schnell therapiert werden muss... :-nix
Also zu dem Gesamtbild: Feldweg neben einer Bundesstraße. Multiple Prellmarken vor allem links, KoPlaWu und einen Pneu? bei Rippenserienfraktur? Gab es denn nach Aussage der POL einen Unfall auf der Bundesstraße? Sollen die mal nachfragen. Oder ist dort ein bekannter / berüchtigter Ort für Zuhälter / Nutten oder Glücksspiel? Sehen die Prellmarken eher wie nach einer zünftigen Schlägerei oder eher nach Verkehrsunfall aus?
Ich würde den erstmal im Auto nackisch machen und einen ordentlichen Bodycheck durchführen. Kopf haben wir die PlaWu mit einer amtlichen Bewußtlosigkeit, Stiffneck ist dran, AG li aufgehoben -> Pneu?`Thorax stabil? Rippenfrakturen? Prellmarken?
Wirbelsäule? Abdomen? Becken? Extremitäten?
Bislang würde ich anmelden: Polytrauma -> Pat. nach fragl. VU als Fußgänger, KoPlaWu, Bewußtlosigkeit, multiple Prellmarken, Pneu bei V.a. Rippenseriefraktur. Zu dem Rest fehlen mir noch die Angaben (Abdomen/Becken/usw.)
Eigentlich gehört der gescheit sediert, intubiert(!) eine Entlastungsdrainage li. und dann asap ins nächste KH...

WackenDoc
08.09.2014, 18:56
Immer diese Maximalmediziner.

Warum versucht der Schamane eigentlich ne orangene Viggo, wenn die RTW-Besatzung schon in mehreren Versuchen gar nichts bekommen hat?

Was machen eigentlich die Glubscherchen und wie sind jetzt Druck, Frequenz und Sättigung?

Ansonsten Heizung im RTW aufdrehen, Bodycheck,Güdel drin lassen. Wenn kein Hinweis auf Spannungspneu und die Sättigung über 90 bleibt, kann der meinetwegen so fahren- gerade wenn es nur 10min bis ins nächste geeignete Haus sind.
Es sei denn wir finden noch was Spannendes beim Bodycheck.

Wenn die Intubation jetzt nicht gerade so mein Ding ist, dann bin ich doch froh, dass er selber schnauft und versuch das doch nicht noch zu ändern.

Blaulichtgurke
08.09.2014, 21:49
Immer diese Maximalmediziner.

Warum versucht der Schamane eigentlich ne orangene Viggo, wenn die RTW-Besatzung schon in mehreren Versuchen gar nichts bekommen hat?

Was machen eigentlich die Glubscherchen und wie sind jetzt Druck, Frequenz und Sättigung?

Ansonsten Heizung im RTW aufdrehen, Bodycheck,Güdel drin lassen. Wenn kein Hinweis auf Spannungspneu und die Sättigung über 90 bleibt, kann der meinetwegen so fahren- gerade wenn es nur 10min bis ins nächste geeignete Haus sind.
Es sei denn wir finden noch was Spannendes beim Bodycheck.

Wenn die Intubation jetzt nicht gerade so mein Ding ist, dann bin ich doch froh, dass er selber schnauft und versuch das doch nicht noch zu ändern.


Pupillen sind beide weit, isokor und lichtreagibel. RR 120/70, HF 50/min und SpO2 unter 12L O2 bei 96%.
Beim Bodycheck zeigten sich nur o.g. Verletzungen.
Wir sind ohne Intubation und ohne Entlastungspunktion gefahren, auf der Fahrt hat sich nichts Wesentliches verändert.

Blaulichtgurke
08.09.2014, 21:54
@ Brutus:

Es gab keinen Hinweis auf eine Rippenserienfraktur, Thorax war stabil. Die POL ging von einem Unfall mit anschließender Fahrerflucht aus. Der Ort war eine Feldlandschaft, kein Ort wo sich groteske Gestalten tummeln.

Chak
08.09.2014, 22:40
Ist schon mutig, in zumindest etwas "anzuschießen", wenn er die Intubation mangels Sicherheit vermeiden wollte. Ich kenne einen RA, der hätte ihn für so eine Aktion postwendend aus'm Fahrzeug rausgesetzt :D
Da die Intubation schon vermieden werde, stand sicherlich jegliche Manipulation am Brustkorb außer Frage.
War er eigentlich nach wie vor komplett bewußtlos oder gab es irgendwelche Reaktionen oder Anzeichen, dass dem nicht so war?

Aus reiner Neugier: was habt ihr über den i.o. außer den Medis laufen lassen? Bzw. an die Docs hier: was würdet ihr laufen lassen?

Blieb er den Transport über stabil oder ergaben sich nochmal Änderungen an den Vitalwerten? Gibt's noch irgendwelche Erkenntnisse aus der Klinik, was er letztendlich für Verletzungen hatte und was v.a. für die fehlende Ventilation der linken Lunge verantwortlich war?

gnuff
09.09.2014, 08:25
...Bzw. an die Docs hier: was würdet ihr laufen lassen?...

Alles, gibt keine Einschränkungen im Notfall...

oder meintest Du welche Flüssigkeit auf die Situation bezogen? NaCl, Ringer... völlig egal... solange der Druck akzeptabel ist nur wenig davon...

grundewelle
09.09.2014, 13:08
Irgendwie komische Vitalwerte mit der 50er Frequenz und den beiden gemessenen Drücken...

Vielleicht irgendwas kardiales, ob Trauma oder Infarkt?! EKG normal?
BZ? Nicht, dass da später was peinliches rauskommt.

Zum Pneu: Wenn keine Spannungszeichen -> nicht entlasten, wenn doch -> entlasten (aber das sollte ja klar sein).
Zum Intubieren: Ich würd sagen, dass wenn man es schnell und routiniert hinbekommt -> ja, wenn nein -> Güdel und O2, ab und an mal reingucken und absaugen.

WackenDoc
09.09.2014, 16:59
Über einen IO-Zugang kann man alle gängigen Notfallmedikamente laufen lassen. Dosierung ist die gleiche wie bei i.v.

@Chak: Was du mit den Manipulationen am Brustkorb gemeint hast, habe ich nicht verstanden.
Entlastungspunktionen kann man auch bei nicht-intubierten und prinzipiell auch bei wachen Patienten machen.
Erste Maßnahmen bei Spannungspneu: Entlastungspunktion. dann überlegen, ob zwingend präklinisch noch ne Thoraxdrainage rein muss oder nicht.

Gibt es im Zivilen eigentlich Chest-Seals für offene Thoraxverletzungen?

Was mich etwas wundert: Am Anfang war er etwas bradykard und hyperton. Jetzt ist er normoton. Nach den ersten Werten hätte ich an Hirndruck gedacht, was auch zum Gesamtzustand des Patienten gepasst hätte.
Die Analgosedierung erklärt den jetzt niedrigeren Druck nicht.

Ist im EKG was Auffälliges?

grundewelle
09.09.2014, 18:58
Bestimmt der "Klassiker" mit übersehener internistischer Ursache für chirurgisches Notfallbild :-dance

Brutus
09.09.2014, 19:21
Irgendwie komische Vitalwerte mit der 50er Frequenz und den beiden gemessenen Drücken...
Finde ich eigentlich nicht. Der erste Wert war ja vor Medikation, daher noch unter "Streß"...
Dann hat da jemand Fenta und Dormicum reingeschüttet, und danach war der Druck eben niedrig... :-nix
Von daher würde mich das jetzt nicht wirklich wundern.


Zum Pneu: Wenn keine Spannungszeichen -> nicht entlasten, wenn doch -> entlasten (aber das sollte ja klar sein).
Zum Intubieren: Ich würd sagen, dass wenn man es schnell und routiniert hinbekommt -> ja, wenn nein -> Güdel und O2, ab und an mal reingucken und absaugen.
Hmmm. Ich finde, dass das der falsche Ansatz ist! Die Frage kann und darf nicht sein, ob man eine ITN schnell und routiniert hinbekommt, sondern ob der Patient einen Schnorchel braucht oder nicht!


Gibt es im Zivilen eigentlich Chest-Seals für offene Thoraxverletzungen?
Wenn, dann kenne ich sie nicht! :-nix


Was mich etwas wundert: Am Anfang war er etwas bradykard und hyperton. Jetzt ist er normoton. Nach den ersten Werten hätte ich an Hirndruck gedacht, was auch zum Gesamtzustand des Patienten gepasst hätte.
Die Analgosedierung erklärt den jetzt niedrigeren Druck nicht.
Warum nicht? Ich hätte es jetzt erstmal primär auf die Analgosedierung geschoben... Du nimmst dem Patienten den Streß und damit geht der Druck runter.

Ach so, zur Intubation. Jetzt mal unabhängig davon, ob man sicher ist, oder nicht: wir haben einen Patienten, der mutmaßlich ein höhergradiges SHT hat. Ausgangssättigung von 91%, mit einem aufgehobenen AG links. Selbst wenn jetzt die Sättigung unter 12l (!) O2 auf 96% steigt, heißt das ja nur, dass da reiner Sauerstoff irgendwie in die Alveolen gelangt. Ob allerdings der Atemantrieb und vor allem der Gasaustausch für o.g. Krankheitsbild ausreichend ist, wage ich mal zu bezweifeln. Und die Hyperkapnie dürfte bei dem SHT eine ungünstige Prognose bringen. Daher würde ich eine kontrollierte Beatmung mit einer Normoventilation bis milden Hyperventilation anstreben. Denn was bringt mir eine Sättigung von 96% bei einem pCO2 von >100mmHg? :nix

gnuff
09.09.2014, 19:55
Völlig richtig! GCS 3 ist eine klare Indikation für einen Tubus... niemand hat einen sicheren Atemweg mit GCS 3.

grundewelle
09.09.2014, 20:57
Natürlich spricht ja alles FÜR die ITN, ich denke da wird niemand was gegen sagen. Die Oxygenierung würde ich aber doch noch etwas höher als die reine Sicherung des Atemweges einstufen.

Bevor man doch den Patienten -im Falle eines nicht routinierten NA- versucht (!) zu intubieren und gegebenenfalls Kreislauf und/oder Hirndruck sabotiert, könnte man doch darüber nachdenken, ob man nicht LAMA, LT oder sogar einen Beutel in Kombination mit zackig losfahren anstrebt.

Versteht mich nicht falsch, die ITN ersetzt das natürlich nicht!