PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pädiatrie: Sectio bei fetaler Tachykardie



Seiten : [1] 2 3 4 5

THawk
16.09.2014, 15:54
Hallo.
Ich denke, der Fall ist sowohl für Pädiatrie- und Gyn-interessierte Studenten als auch für die Pädiater / Intensivmediziner unter uns interessant. Also, wer hat Lust?

Du bist Assistenzarzt in einer ländlichen Kinderklinik, so ca. 30 Betten; perinataler Schwerpunkt. Es ist Samstag und du hast gut mit den Kindern in der Notfallambulanz zu tun, da rufen dich die Frauenärzte an. Sie machen eine eilige Sectio bei fetaler Tachykardie. Es ist üblich, dass der Kinderarzt bei Sectiones anwesend ist. Fragst du die Gynäkologen noch etwas oder gehst du gemütlich Richtung Sectio-Saal?

Solara
16.09.2014, 16:01
Was wissen die Gynäkologen denn sonst noch zu berichten, irgendwas interessantes über das Kind, welche Woche?
Irgendwelche Auffälligkeiten bei der Mutter? Und was machen Uterus und Plazenta? Hellp etc, was es da so alles gibt ...

Rhiannon
16.09.2014, 16:18
Mich würde - wie Solara - das Schwangerschaftsalter auf jeden Fall erstmal brennend interessieren. Und natürlich, ob bisher problemloser Schwangerschaftsverlauf oder schon irgendwelche Schwierigkeiten im Vorfeld (SIH, Gestationsdiabetes, die üblichen Pappenheimer....)

THawk
16.09.2014, 16:35
Okay, die Gynäkologen berichten folgendes:
39+2 SSW, heute beim amb. Gyn gewesen, dort im CTG die Tachykardie festgestellt worden. Daraufhin Einweisung in die Klinik, hier das CTG bestätigt. Durchgängig tachykard, keine Dezelerationen o.ä. Das vorangegangene CTG sei unauffällig gewesen. In der Schwangerschaft Nikotinabusus (weniger als zuvor), bis zum Beginn der Schwangerschaft noch Crystal, aber laut Mutter nicht weiter genommen. Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahrgenommen. Sonographisch geschätzte Gewichtsentwicklung normal.
Im kurzen Schall haben die Gynäkologen in der Klinik nichts auffälliges gesehen. Plazenta und Uterus sind beide da wo sie hingehören, Kind (noch) auch. Labor der Mutter ist noch ausstehend.

Was sind Differentialdiagnosen, die euch durch den Kopf gehen während ihr euren Erstversorgungs-Platz vorbereitet? Weitere Fragen an die Gynäkologen / Hebammen?

Rhiannon
16.09.2014, 16:49
Hmm, hatte die Dame denn nen Blasensprung (evtl auch hohen Blasensprung, so dass es nicht schwallartig abgegangen ist)? Ist evtl ein Amnicheck gemacht worden?
Wie lang dauert denn das Labor, dass wir vllt Entzündungswerte von der Mutter kriegen?
Mir fiele so als erstes ein beginnendes bzw sich ausbreitendes Amnioninfektionssyndrom ein.

Nessiemoo
16.09.2014, 16:52
Vielleicht noch ob es Geschwister gibt und ob bei denen irgendwelche Auffälligkeiten waren? Und Vorerkrankungen der Mutter?

AIE-75
16.09.2014, 16:53
Ich würde auch AIS im Hinterkopf behalten. Was machen die die Vitalzeichen der Mutter? Auch tachykard? Fieber? Hat die Dame ganz banal zu wenig getrunken?

annekii
16.09.2014, 16:54
Wie schnell tachykard ist es denn? Gab es eine ausführliche Feindiagnostik? War da was auffälliges? Wie lange ist die letzte Untersuchung/das CTG her? Kann man abschätzen, seit wann es so ist? War es eine Routineuntersuchung oder hatte sie Symptome?

Vermutlich wird hier bei nem Fallbeispiel was sehr schnelles sein ;) Ich denke an supraventrikuläre Tachykardie bei irgendwas mit Reentry. Wenn es sowas schnelles ist, dann würde ich parallel schon mal das EKG auf die Neo bringen lassen und den Hintergrund informieren.

THawk
16.09.2014, 17:17
Kein Blasensprung bekannt, ob Amnicheck gemacht wurde weiß ich nicht. An ein Amnioninfektionssyndrom haben sicherlich auch die Gyn's gedacht.
Die Hebammen schauen nochmal in den Computer, ah jetzt ja, das CRP der Mutter ist 12 mg/dl.

Die Mutter ist eine 4-Gravida, 2-Para, 2 Interruptiones. Die Kinder sind gesund. Die Mutter soweit auch; kein Fieber, Herzfrequenz etwas schnell, aber die ist auch aufgeregt. Heute morgen die normale Kontrolle und jetzt friemelt ihr der Anästhesist gerade die Nadel für die spinale in den Rücken. Da wäre ich auch etwas tachykard.
Nebenbei gesagt: Dass eine Dehydration der Mutter eine kindliche Tachykardie erklärt habe ich noch nicht gehört, da müsste es ihr schon verdammt dreckig gehen, vermute ich.

Zu den Fragen von annekii (sehr gut, was verstehen unsere Gyn's eigentlich unter Tachykardie?):
Herzfrequenz im CTG liegt so zwischen 250 und 290/min. Feindiagnostik gab es, war unauffällig (wobei ich hier langsam den Glauben an die FD verliere, wir haben in zwei Wochen drei pränatal nicht bekannte Herzfehler verlegt und ein Kind mit Lungenagenesie und begleitendem Herzfehler bei uns aufgenommen; alle mit FD!).
Das letzte CTG war, glaube ich, so 1-2 Wochen her. Weiß ich nicht genau. Beginn der Tachykardie bleibt unklar.

Also Annekii, die Schwester fragt nochmal nach: Soll ich wirklich den ganzen EKG-Wagen hier in den Kreißsaal rollen oder reicht es nicht auf Station wenn wir es wirklich brauchen. Und zweite Frage: Hintergrund anrufen oder nicht? (Du bist im 3. Jahr, die ganze Zeit in o.g. Krankenhaus, warst die letzten Wochen hospitieren in der Neo der benachbarten Uniklinik). Bereiten wir noch etwas anderes vor?

annekii
16.09.2014, 17:28
Bei uns wäre Hintergrund klar anzurufen bei solch einer Frequenz, von der wir nicht wissen, wie lange sie schon besteht. Es wird ja vermutlich auch einer gebraucht, der ein Echo kann.

Zum EKG bin ich unentschieden. Ich tendiere zu auf Station und erstmal nur Erstversorgung mit Monitor, der ja auch schon ansatzweise zeigt, was es ist.

Es gibt doch ne neue Regelung mit der Feindiagnostik. DIe nennt sich immer noch so, darf aber als quasi erweitertes systematisches Organscreening von jedem gemacht werden. Wir fragen daher immer ab, bei wem sie das gemacht haben. Und entspannen uns nur, wenn es unsere bekannten DEGUM II oder III-Ärzte sind.

Ach, und ich würde mir ne Schwester zur Erstversorgung dazuholen.

Brutus
16.09.2014, 17:29
Zugangsmöglichkeiten beim Kind: Viggos, im Notfall die EZ-IO.
EKG auf jeden Fall mit runter. Und ja, der Hintergrund soll mal aufstehen und auch mal an die Schüppe kommen.
250-290/min wäre mir zu schnell. Auch wenn ich mich mittlerweile an KCH-Frequenzen gewöhnt habe. ;-)

la Valentina
16.09.2014, 17:34
Würde auch noch das Ambubeutelchen und für ganz schlimm das Intubationsset bereitlegen. Wurde zuvor eine MBU gemacht?
Tox-Screen bei der Mutter? Sagen kann sie viel, aber ob sie nicht Vlt doch was eingeworfen hat? Und beim Kindchen nach Sectio dann auch bitte Tox-Screen.

THawk
16.09.2014, 17:50
Okay, na dann stellen wir uns mit unserer Schwester mal an die Erstversorgungseinheit.
Wir haben einen Perivent (http://www.fphcare.de/produkt/perivent/) zur Verfügung für CPAP und Maskenbeatmung, zur Beatmung einen Babylog. Großes EKG ist erstmal auf Station geblieben, wir haben den Monitor mit Pulsoxy und EKG im Kreißsaal stehen. Hintergrund ist auf dem Weg, braucht aber so 10-15 min.

Was stellt ihr euch am Perivent ein - welchen PEEP, PIP und FiO2?
Ihr sprecht mit der Schwester nochmal kurz das Vorgehen durch. An welche Extremität kommt das Pulsoxy? Was würdet ihr notfalls für einen Tubus nehmen zur Intubation. Mit Cuff oder ohne?
Und neben den Zugangsmöglichkeiten, die Brutus schon genannt hat, nehmen die Kinderärzte im Kreißsaal gerne (vor der EZ-IO) noch etwas anderes?

Bei der Frage nach der MBU erinnert dich die Hebamme, dass ja die Fruchtblase noch steht. Deshalb gibts keine. Tox-Screen der Mutter ist abgenommen.
Die Gyn's schneiden derweil, wenn uns die Fragen von oben klar sind, wird das Kind sicherlich auch bald kommen.

Lizard
16.09.2014, 18:00
Und neben den Zugangsmöglichkeiten, die Brutus schon genannt hat, nehmen die Kinderärzte im Kreißsaal gerne (vor der EZ-IO) noch etwas anderes?



Man könnte am schnellsten einen Zugang per Nabelvene etablieren, oder ?

annekii
16.09.2014, 19:14
Lustig, ich hab an das Equipment nicht gedacht, weil es immer da ist. Also Flexülenset mit passenden Verlängerungen, ein Set für einen NVK will ich natürlich in der Nähe haben.

Tubus in 2,5, 3 und 3,5, kein Cuff. Am ehesten 3, aber wegen Nikotin vielleicht doch auch falsch ausgemessenes kleingerauchtes Kind, daher die 2,5 in Reichweite.

PIP 20-22
PEEP 4-5
FiO2 21%

Pulsoxy kommt an rechte Hand (präduktal)

THawk
16.09.2014, 19:34
Okay, wunderbar.
Wir beginnen ebenfalls mit Raumluft wenn CPAP benötigt wird, allerdings eher mit einem PEEP von 6-8 cmH2O. Tubus-Auswahl ist gut. NVK liegt im Kreißsaal, notfalls können wir auch einfach eine blaue Flexüle körpernah in die Nabelvene stechen (das Gefäß, was auf 12 Uhr Richtung Kopf liegt; wäre Zugangsweg der zweiten Wahl wenn periphervenös nicht funktioniert).

Kind wird von Hebamme entgegengenommen und ihr hört schon, dass es kräftig schreit und entspannt euch ein wenig. Sie geht kurz zur Mama und legt es euch nach etwa einer halben Minute auf die Rea-Einheit. Ihr seht ein Mädchen, guter Tonus, schreit weiter, zentral noch leicht zyanotisch, peripher deutlich zyanotisch. Während die Schwester das Pulsoxy dran baut hört ihr mit dem Stethoskop nach der Herzfrequenz und merkt, dass die wirklich ganz schön schnell ist. Vielleicht so 260/min.
SpO2 präduktal nach 3 min 75%, nach 5min 85%. Währenddessen habt ihr stimuliert und in ein trockenes Tuch gewechselt. Die Hebamme kommt mit dem Nabelschnur-pH, dieser beträgt 7,26.

Und nun? Hättet ihr früher schon etwas anders machen wollen? Wie geht es weiter?

Muriel
16.09.2014, 19:46
Laienfrage: was genau meinst du mit stimuliert?

la Valentina
16.09.2014, 20:05
Laienfrage: was genau meinst du mit stimuliert?

Kind in Tuch wickeln und "reiben", oder?

Muriel
16.09.2014, 20:09
Aber was wird denn da stimuliert? Wenn das Kind da ganz apathisch gelegen hätte, verstünde ich es ja. Aber es war doch ganz agil. Und ich kann doch keine Zyanose wegrubbeln, oder?

THawk
16.09.2014, 20:09
Oh, sorry (Betriebsblindheit). Stimulieren bedeutet einfach nur, dass man's Kind abreibt um es abzutrocknen und vielleicht noch an den Füßen krabbelt. Abtrocknen und stimulieren ist bei gefühlten 95% der Sectiones alles was der Kinderarzt macht ;-) Und dann dem glücklichen Papa zum Nachwuchs gratulieren (immer noch ein geiler Job! :-D ).

Ergänzung: Das Stimulieren ist hier sicher nicht die Lösung des Problems. Aber man macht es einfach. Es bringt das Kind zum Schreien, damit (stellt man sich zumindest vor), dass man den Aufbau der funktionellen Residualkapazität unterstützt, das Fruchtwasser besser in das Lungengewebe aufgenommen wird, die Atmung gut einsetzt und die Kreißlaufumstellung beginnt. Viel entscheidender ist, dass man das Kind abtrocknet. Die Tücher aus dem Sectio-Saal sind kühl und feucht, das Kind kühlt rasch aus und kalte Kinder knorksen (d.h. haben eine gepresste Ausatmung als Zeichen der respiratorischen Anpassungsstörung).