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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notaufnahme: "BZ 211. Diabetes."



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Gesocks
27.09.2014, 19:33
Mal ein ganz süßes Falldebut aus famulantischem Tagesgeschäft. Nichts großes und definitiv kein fancy shit - Vorkliniker und Frisch-Kliniker sind eingeladen sich zu beteiligen; das kriegen wir sehr locker ohne ärztliche Hilfe hin! (In der Realität stand am Ende eine richtige Diagnose - Quatsch darf aber trotzdem korrigiert werden :-)))

Wir sind Famulant in der kardiologisch geführten Inneren Notaufnahme eines Maximalversorgers. Es ist gegen 21.00 und die Hütte hat richtig gebrannt. Die deftigen Notfälle sind langsam abgearbeitet, der Aufnahmeaktenstapel trieft dafür noch von mittwochnachmittaglichem Fußvolk. "Sollen wir mal die Aufnahme besprechen?" "Nö, grad echt keine Zeit, passt schon - mach' mal den nächsten, ist irgend'ne junge Patientin."

Alles klar. Die nächste Akte gehört zu einer 23 jährigen Patientin, kam per Selbsteinweisung. Drauf klebt ein Zettelchen: BZ 211. Diabetes. in GKP-Schülerinnen-Schrift. Der Ausdruck der kapillären BGA (geschah ohne unser Zutun weil Standard-Aufnahmeprozedere) bestätigt: BZ = 211 mg/dl, pH und Elektrolyte jeweils mitten im Referenzbereich. Kurzer Blick ins System zeigt einen unfallchirurgischen Brief: Vor ein paar Jahren traumatische Radiusfraktur, sonst keine Vorerkrankungen. Besagte Schülerin meint: "Die hat 211 Zucker, Diabetes ist nicht vorbekannt. Kriegt die jetzt Insulin?"

Rhiannon
27.09.2014, 19:36
Dann trau ich mich mal.

Mich würd erstmal interessieren, ob das ein Nüchternwert ist (wäre ja nachmittags wohl eher ungewöhnlich) und was sie in die Ambulanz treibt? Hat sie einfach zuhause aus Spaß an der Freude BZ gemessen und fand das nach googeln zu hoch? Oder hat sie irgendwelche Symptome?

Gesocks
27.09.2014, 19:50
Also erstmal ohne Insulin ins Zimmer!

Auf dem Bett sitzt eine normal konstituierte junge Frau, ob der Wartezeit einigermaßen angepisst: "Ich war heut morgen beim Hausarzt, der hat meinen Zucker gemessen und gesagt, ich soll vorbeikommen." - anscheinend nur eine mündliche Empfehlung; Einweisungsschein o.ä. gibt's nicht.
Nein, war keine Nüchternmessung.

Rhiannon
27.09.2014, 19:54
Die 211 waren ja unser aktueller Wert, richtig? Wie war denn der Wert morgens beim Hausarzt? Und weswegen war sie dort überhaupt vorstellig?

Gesocks
27.09.2014, 19:58
"Wegen Ausschlag war ich da, Kontrolltermin; den wollte er sich nochmal angucken."
Genau, die 211 mg/dl sind ca. eine Stunde alt. Den Morgenwert weiß sie nicht.

Thunderstorm
27.09.2014, 21:45
Hat sie für den Ausschlag (wo, warum, weshalb, was für ein Hautausschlag?) Glukokortikoide bekommen?
Wie sind die restlichen Vitalparameter, Elyte etc.?

bremer
27.09.2014, 22:47
Medikamente? Sonstige Diabetes verdächtige Symptome? (Polyurie, Polydipsie, Abgeschlagenheit ... )
Zur Sicherheit einfach mal nen OGTT machen, dann hat man Klarheit.

Gesocks
27.09.2014, 23:09
Sehr schön! :-))
Der Ausschlag präsentiert sich als (generalisiertes) makulöses Exanthem: Oberschenkel, Oberarme, Dekolleté und Rücken sind rot, die Wangen hat sie gut überschminkt. Hat sie vor drei Tagen morgens entdeckt und ist zum Hausarzt - der hat ihr Prednisolon 50 mg 1-0-0 und Dexamethason 8 mg 0-0-1 verschrieben. Prednisolon sollte sie direkt einmal in der Praxis nehmen und eben heute nochmal vorbei kommen. Das Exanthem ist derweil größer und "röter" geworden.
"Weshalb Ausschlag?" konnte sie gar nicht auf Anhieb beantworten, Allergien wurden verneint. Mit Umweg über "Sonstige Erkrankungen in letzter Zeit?" kamen wir aber zu einer eitrigen Tonsillitis und vom Hausarzt Amoxicillin für 7 d, hat sie dementsprechend vor drei Tagen abgesetzt.
Abgeschlagen fühlt sie sich nicht, müde ist sie seit zwei Wochen ständig, Polydipsie, Polyurie, Durst hat sie nicht.

Was machen wir damit, was meinen wir dazu? OGTT noch relevant?

Puls ist bei 120 bpm, RR irgendwas normales, keine Hypo- oder Hyperthermie. Elektrolyte in der kapillären BGA waren normal - brauchen wir was venöses?

bremer
27.09.2014, 23:33
Der Klassiker: Verdacht auf Arzneimittelexanthem bei mononukleose
Wie sind denn die Lymphknoten? Leber/Milz tastbar?
Eigentlich geht es der Patienten fast zu gut für Pfeiffersches Drüsenfieber..
Kein Fieber?

Gesocks
28.09.2014, 01:14
Sorry, ordentlich verspätet - da kam mir was dazwischen!

Top! :-top
Die Tonsillitis ging mit vergrößerten und schmerzhaften Halslymphknoten und Fieber einher, die ganze Geschichte besserte sich aber unter Amoxicillin sofort und war nach zwei Tagen ganz weg. Zur Zeit hat sie weder Fieber noch tastbare Halslymphknoten oder Milz, Leber ist auch nicht vergrößert.

Trotzdem Mononukleose bzw. was sonst? Und wie handhaben wir's mit dem Zucker?

SkYSkYSkY
28.09.2014, 11:31
Also es könnte ja auch ein Arzneimittelexanthem ohne Bezug zu einer Mononukleose sein. Ich würde aber vermuten, es war eine Mononukleose mit bakterieller Superinfektion. Für eine Mononukleose spräche auch die seit 2 Wochen bestehende Müdigkeit. Ich würde einfach noch ein großes Blutbild mit machen. Da sie sonst keine Symptome mehr hat, ist es ja aber auch relativ egal?

Das Antibiotikum ist ja schon abgesetzt worden. Die Kortikoide nimmt sie seit 3 Tagen? Hatte sie denn zusätzlich zu dem Exanthem noch andere z.B. allergische Symptome? Juckreiz, Dyspnoe?

Der Zucker könnte natürlich durch die Kortikoide bedingt sein. Könnte sich denn auch ein bisher unbekannter Typ 1 Diabetes demaskiert haben? Hier würde ich nochmal ein bisschen die Anamnese vertiefen. Außerdem hätte ich gerne einen Hba1c, Krea, Harnstoff. Aber ich halte es eher für unwahrscheinlich. E-Lyte haben wir ja schon und pH ist ja auch okay. Einmal vielleicht noch den Urin mit einem Stix checken.

Wenn sich zu dem Exanthem nichts neues ergibt, würde ich die Glukokortikoide absetzen und dann ein BZ-Tagesprofil machen. Ansonsten gibt es erstmal großzügig Kristalloide. Insulin würde ich nicht spritzen.

bremer
28.09.2014, 11:49
Ein Blutbild hätte ich auch gerne. Und noch ein EKG zur Sicherheit. Falls alles o.p.B. würde ich ihr strikte Bettruhe empfehlen, die Salben weglassen und ihr empfehlen, den Zucker ambulant in ein paar Tagen erneut messen zu lassen.

SkYSkYSkY
28.09.2014, 11:56
die Salben weglassen

Welche Salben? Ich denke, sie hat das systemisch bekommen.

bremer
28.09.2014, 12:03
Hab ich wohl nicht aufmerksam gelesen, wie auch immer. Jedenfalls die bösen Steroide mal weglassen ;-)

FirebirdUSA
28.09.2014, 23:55
Falls alles o.p.B. würde ich ihr strikte Bettruhe empfehlen, ...

die Bettruhe wegen der Mononukleose, klinisch hat sie sich doch aber schon wieder deutlich gebessert?

Was wollt ihr im Diff-BB sehen (hoffentlich keine vermehrten Monozyten, die haben die Patienten nämlich nicht und da kommt auch der Name nicht her!)?

SkYSkYSkY
29.09.2014, 06:45
Naja, ich würde es machen, um durch die eventuelle Lymphozytose vs. Granulozytose einen Hinweis auf die virale vs. bakterielle Genese zu bekommen. Aber letztendlich ist das, wie auch angedeutet, vielleicht auch gar nicht mehr so relevant, da sie sich klinisch ja bis auf das Exanthem beschwerdefrei präsentiert. Außerdem ist nach Glukokortikoidgabe die Aussage des BB aufgrund einer dadurch bedingten Leukozytose ja eh eingeschränkt. Aber würdest du bei einer Patientin, die vor kurzem noch eine irgendwie geartete Infektion hatte, gar kein BB machen?

Man könnte natürlich auch anfangen Antikörper zu bestimmen, aber das würde ich aufgrund fehlender Konsequenz auch nicht machen.

Ansonsten bleib ich dabei. Glukokortikoide absetzen und dann den Blutzucker als Tagesprofil messen. Ich würde das aber schon stationär machen, falls der BZ noch weiter entgleist.

bremer
29.09.2014, 10:01
die Bettruhe wegen der Mononukleose, klinisch hat sie sich doch aber schon wieder deutlich gebessert?

Was wollt ihr im Diff-BB sehen (hoffentlich keine vermehrten Monozyten, die haben die Patienten nämlich nicht und da kommt auch der Name nicht her!)?

Ihr Puls ist immer noch ordentlich und eine Mononukleose kuriert man nicht mal eben im Vorbeigehen aus; die Bettruhe ist ja auch nur eine Empfehlung, wenn sie sich fit fühlt, kann sie machen, was sie möchte.
Ein Diff-bb will ich gar nicht, mir reicht ein kleines bb; Routinekontrolle, ein komplizierter Verlauf kann schon mal die Blutreihen deutlich vermindern

THawk
29.09.2014, 10:17
[QUOTE=bremer;
Ein Diff-bb will ich gar nicht, mir reicht ein kleines bb; Routinekontrolle, ein komplizierter Verlauf kann schon mal die Blutreihen deutlich vermindern[/QUOTE]

Dann erklär mal was du im kleinen Blutbild für Veränderungen erwartest? Welche Blutreihen willst du vermindert sehen?

Wenn man eine EBV laborchemisch abklärt gehört auch ein differenziertes BB dazu. :-meinung Allein schon aus differentialdiagnostischen Erwägungen.

bremer
29.09.2014, 10:37
Dann erklär mal was du im kleinen Blutbild für Veränderungen erwartest? Welche Blutreihen willst du vermindert sehen?

Wenn man eine EBV laborchemisch abklärt gehört auch ein differenziertes BB dazu. :-meinung Allein schon aus differentialdiagnostischen Erwägungen.

Alle Reihen können vermindert sein. Ein differenziertes BB ist bei einem so klassischen Verlauf nicht nötig :-meinung

SkYSkYSkY
29.09.2014, 10:44
Also erwarten würde ich am Anfang eine Leukopenie und später eine Leukozytose mit Lymphozytose und Vorkommen von atypischen Lymphozyten. Werden diese eigentlich bei der automatischen Bestimmung erkannt, oder muss ich gezielt danach suchen?
Die Patientin hat aber Glukokortikoide bekommen, also ist das Ergebnis doch nicht gerade aussagekräftig, oder?

Wenn man die EBV-Infektion wirklich komplett abklären möchte, gehören ja auch die Antikörper, Transaminasen, AP, Bili etc. mit dazu. Da die Patientin ja aber wegen der Hyperglykämie da ist, außer der Müdigkeit keine Symptome einer EBV mehr hat, der Nachweis keine Konsequenzen hätte und das Exanthem damit hinreichend erklärt werden kann, würde ich das gar nicht machen wollen. Oder sehe ich das falsch?