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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schweigepflicht beim Reinigungspersonal?



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Fr.Pelz
29.10.2014, 10:09
Ich hab offensichtlich laut Tagesspiegel nicht gut aufgepasst im Studium: http://www.tagesspiegel.de/berlin/sparkassenueberfall-in-mariendorf-blutspuren-am-tatort-und-die-aerzte-schweigen/10897540.html

Reinigungs- und anderes nicht-ärztliches,nicht-pflegerisches Personal hat keine Schweigepflicht? Warum nicht? Was ist mit den Leuten in der EDV, in der Verwaltung etc, dürfen die ungehindert Patientennamen und Diagnosen weitertratschen? Oder ist die Schweigepflicht beim "Rest"-Personal zwar nicht gesetzlich-, aber in den Krankenhäusern und Praxen wenigstens vertraglich festgelegt?

McBeal
29.10.2014, 10:43
Ich weiß, dass Praktikanten und Schüler bei uns eine Erklärung unterschreiben müssen und ich das in mindestens einer Famulatur auch musste. Beim Reinugungspersonal weiß ich das nicht.

LG
Ally

papiertiger
29.10.2014, 10:54
Im entsprechenden Gesetztestext (http://dejure.org/gesetze/StGB/203.html) ist das relativ allgemein gehalten, da steht, die "berufsmäßig tätigen Gehilfen" u.a. der Ärzte sind ebenfalls an die Schweigepflicht gebunden.

Zumindest bei der Ärztekammer Ba-Wü (https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/40merkblaetter/10merkblaetter/schweigepflicht.pdf) scheint man das aber so zu sehen, dass nur derjenige "berufsmäßig tätiger Gehilfe" im Sinne des Paragraphen ist, der direkt und unvermeidbar mit dem Patienten und seinen Daten zu tun hat - sprich, laut deren Merkblatt zur Schweigepflicht z.B. Hebammen, Schwestern, Ergotherapeuten, Verwaltungsangestellte die mit Erfassung von Patientendaten betraut sind etc., nicht aber Reinigungskräfte, Gärtner, etc. (gilt übrigens analog für Praktikanten und Auszubildende in den entsprechenden Bereichen)

Bleibt dann die Frage, ob man nun zB als Praxisinhaber oder als Stationsarzt tatsächlich verpflichtet ist, bevor die Reinigungskraft kommt alles wegzuräumen und wegzuschließen was möglicherweise personenbezogene Patientendaten enthalten könnte. Dürfte in letzter Konsequenz kaum praktikabel sein.

Ob allerdings dann eine (nicht straf- sondern nur arbeitsrechtlich relevante) Klausel im Arbeitsvertrag, dass der Mitarbeiter zB der Reinigungsfirma verpflichtet ist, entsprechende zufällig mitbekommene Geheimnisse zu wahren, reichen würde, um den an die Schweigepflicht gebundenen (also uns) von der Verpflichtung zu entbinden, die Daten entsprechend zu schützen (also doch wegschließen?) bezweifle ich.

Trojan
29.10.2014, 12:11
Bei mir müssen Putzkräfte, Praktikanten etc (feste Mitarbeiter sowieso) eine gesonderte juristisch geprüfte Erklärung unterschreiben.Wegschliessen ist schlecht praktikabel, da der Vorgänger und ich in der Anfangszeit noch mit Karteikarten gearbeitet haben. Jetzt ist alles nur noch in der EDV; auf die haben nur medizinische Stamm-Mitarbeiter Zugriff.

Fr.Pelz
29.10.2014, 12:21
Ahja, gut zu wissen. Ich schicke zwar die Reinigungskräfte immer raus bei der Visite, aber mehr so aus Gründen des ungestörten Gesprächs. Akten räum ich jetzt nicht weg, nur weil im Arztzimmer geputzt wird.

Das ist den Patienten sicher auch nicht bewusst, die fröhlich mit der Putzfrau über ihren Leidensweg schnattern...

Nessiemoo
29.10.2014, 21:12
Es gilt ja bei Schweigepflichtbruch dass es einen Vorsatz geben muss, also das man schon mit Absicht etwas erzählt hat. Wenn man in einem Arbeitszimmer (also da wo es gehört) etwas liegen lassen hat und jemand anders es gelesen hat und weitererzählt ist diese Person schuld und nicht du.

Ich nehme an, dass alle Leute im Krankenhaus eine betriebliche Schweigepflicht unterschreiben. Das ist zB auch bei Angestellten bei Versicherungen auch der Fall.

papiertiger
29.10.2014, 21:26
Da bin ich mir eben nicht so ganz sicher. Wenn man einmal in Eile zufällig eine Akte oder einen Brief offen liegen hat lassen, bestimmt. (Gibts auch ne IMPP-Frage zu ;-) ) Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass es beispielsweise für einen Praxisinhaber Konsequenzen haben könnte, wenn es zu einem Rechtsstreit in so einer Sache kommt und man ihm dann nachweisen kann, dass Akten nicht durch abschließbare Schränke gesichert waren sondern frei zugänglich. Oder das Briefe grundsätzlich erstmal in offene Ablagen einsortiert werden und dort auch mal über Nacht in Anwesenheit der Reinigungskraft liegen bleiben. Usw.

WackenDoc
29.10.2014, 21:37
Bei uns ist das recht streng geregelt- alles an Datenschutzpapieren muss vom Bearbeiter gegen unbefugten Zugriff geschützt werden.
Dazu gehört auch, dass wir eigentlich Reinigungskräfte beaufsichtigen sollen und sicherstellen, dass die keine Einsicht in Akten oder auf die Rechner bekommen.
Und die Problematik betrifft ja nicht nur Reinigungskräfte, sondern auch andere Patienten vor deren Augen Akten gesichert werden müssen oder auch das man bei Telefonaten, die man an der Anmeldung führt, entweder keine sensiblen Infos preis gegeben werden, wenn jemand mithört.
Oder auch ein Befund oder eine Akte die offen rum liegt.
Deswegen arbeiten wir auch viel mit Mappen, einem Einhängersystem für Akten von Patienten die auf Behandlung warten, Einzelbefunde sind mit dem Text nach unten abzulegen oder anderweitig zu schützen, die Tür zum Wartezimmer soll grundsätzlich geschlossen sein, keine zwei Patienten gleichzeitig am Tresen, Terminvereinbarungen bei Fachärzten in einem gesonderten Büro....
In einem Krankenhaus oder Praxen kann ich mir gut vorstellen, dass Reinigungskräfte vom Betrieb aus zur Schweigepflicht verpflichtet werden können, auch wenn sie gesetzesmäßig nicht zum entsprechenden Personenkreis gehören.

Antracis
30.10.2014, 22:01
Ich erinnere mich auch noch an eine heiße Diskussion im Rahmen einer Fortbildung zum Thema Ärztliche Schweigepflicht. Die Putzfrau ist natürlich - im Gegensatz zum Arzt - nicht durch eine Berufsordnung unter Schweigepflicht gestellt. Aber im Strafrecht wird es spannend, da der § 203 StGB bezüglich der Schweigepflicht von Ärzten ausführt, diesen "...stehen ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind."

Nach meiner Erinnerung gibt es dazu Grundsatzurteile, die Famulus und Pjler, aber auch Zivildienstleistende genauso wie die mitarbeitende Ehefrau einer Praxis oder beispielsweise eine Sekretärin oder MTA damit einbeziehen mit der Begründung, dass es sich um regelhaft im Behandlungsprozeß tätige Personen handelt und es darüberhinaus nicht praktikabel wäre, denen keinen Einblick in die Information zu geben.

Nicht erfasst waren dagegen beispielsweise der Krankentransportfahrer, die Putzfrau oder der Servicetechniker der Klinik, denen man folglich so wenig Einblick wie möglich in die Patientendaten geben muss. Diese Gruppen haben dementsprechend aber eine Verwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag. Die kann aber meines Wissens der Patient beispielsweise nur indirekt über den Behandlungsvertrag seitens des Krankenhauses oder der Praxis einklagen, und der Arbeitsgeber dann wieder gegenüber dem Arbeitnehmer. Aber da bin ich nicht sattelfest...

WackenDoc
31.10.2014, 13:39
Macht vom gesunden Menschenverstand her Sinn (ok, damit ist es wahrscheinlich juristisch falsch ;-) )

Ärzte und ihr Assistenzpersonal brauchen ja Zugriff auf sensible Patientendaten- sonst könnten sie ja nicht sinnvoll arbeiten.
Eine Putzfrau/Techniker/Servicemitarbeiter braucht für ihre Tätigkeit diese Kenntnis nicht.

Evtl. kann auch ein Patient den Arzt verklagen, wenn er nicht sichergestellt hat, dass die Putzfrau keinen Einblick bekommen konnte.

Markus-HEX
02.11.2014, 13:42
Eine Putzfrau/Techniker/Servicemitarbeiter braucht für ihre Tätigkeit diese Kenntnis nicht.
Sicherlich nicht vollumfänglich, aber prinzipiell brauchen alle Mitarbeiter eine Information, wenn es sich um infektiöse Patienten/Material handelt - insbesondere ja die Reinigungskraft, da diese ja auch im Desinfektionsprozess eingebunden ist.

Strodti
02.11.2014, 21:33
Ist doch eigentlich egal wie detailiert die Information ist. Selbst die Behandlung an sich stellt eine Information dar, die unter die Schweigepflicht fällt und es lässt sich ja nicht verhindern dass die Reinigungskraft beim putzen die Patienten sieht. Sonst müßte man auch Namensschildchen am Patientenbett abdecken und das macht doch keiner.

Miss_H
02.11.2014, 22:24
Sonst müßte man auch Namensschildchen am Patientenbett abdecken und das macht doch keiner.
Deshalb gibt es bei uns im Uniklinikum keine Namensschilder an den Betten...

Rico
02.11.2014, 22:29
Selbst die Behandlung an sich stellt eine Information dar, die unter die Schweigepflicht fällt und es lässt sich ja nicht verhindern dass die Reinigungskraft beim putzen die Patienten sieht. Sonst müßte man auch Namensschildchen am Patientenbett abdecken und das macht doch keiner.Nicht zu vergessen das Gesicht des Patienten...

Nurbanu
02.11.2014, 22:30
Und wie wisst ihr dann, wer da liegt? Für gewöhnlich wird doch oft umgeschoben. Und Patienten sind nicht immer geistig fit, da also nach dem Namen zu fragen bringt nicht viel.

EVT
02.11.2014, 22:32
Fake Namen. ;-) Ich habe gehört, dass sie das in Los Angeles machen.

Rico
02.11.2014, 22:32
Armbändchen mit Patientennamen und Barcode?

Was in der Neonatologie erprobt ist funktioniert auch in der Geriatrie.


Fake Namen. ;-) Ich habe gehört, dass sie das in Los Angeles machen.Das wiederum scheint mir eine ziemlich offensichtliche Fehlerquelle zu sein.
Man stelle sich die Freude des leicht dementen Mr. Miller vor, endlich das Bett gefunden zu haben auf dem auch Miller steht und nicht Smith. Leider fährt das Bett des echten Fake-Miller mit dem falschen-weil-richtigen Mr. Miller in den OP zur Hüft-TEP, wo man eigentlich Mr. Fake-Miller, der in echt Johnson heißt erwartet.
Da werd ich ja schon beim schreiben wuschig... :-oopss

EVT
02.11.2014, 22:34
Ich hatte immer ein Armband, auch ohne Demenz. :-)) Auch in der Uni.

Nurbanu
02.11.2014, 22:37
Naja, da hätte ich jetzt auch selbst drauf kommen können. *BrettvormKoppentfernt* Gibt es bei mir in der Klinik auch, allerdings tragen nicht alle Patienten eins. Anscheinend nehmen sie es sich selbst ab.

WackenDoc
02.11.2014, 22:47
Und als Psychiatriepatient läuft man dann beim Ausgang mit All-Inclusive-Bändchen durch die Stadt.