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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : TSH ... die alte Grenzwert-Leier



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Hoppla-Daisy
04.11.2014, 11:42
Der Titel macht es eigentlich klar, oder?

Ich meine, mich entsinnen zu können, dass der TSH-Grenzwert nach oben mit 4,30 µU/ml eigentlich zu hoch angesiedelt sei, und dass eine Hypothyreose auch bei niedrigeren Werten bereits vorhanden sei. Weiß da jemand von den endokrinologisch Tätigen unter uns vielleicht mehr?

Natürlich hab ich auch noch eine spezifische Frage :-)) :

Gesetzt den Fall, jemand (weiblich, 17 Jahre) weist typische Symptome auf, die auf eine Hypothyreose hinweisen (niedriger RR, Synkopenneigung bei körperlicher Betätigung, Gewichtszunahme, depressive Züge, stark verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, erhöhter Schlafbedarf und Einschlafneigung), ist aber mit den Werten noch so gerade im Normalbereich. Zusätzlich zeigen sich sonographisch Zeichen einer Hypothyreose (stark aufgelockertes Gewebe). Würdet ihr eine Thyroxin-Substitution befürworten?

Werte im einzelnen:

fT4: 1,04 ng/dl (Norm laut Labor 1,00 - 1,70 ng/dl)
fT3: 3,0 pg/ml (Norm 2,3 - 5,0 pg/ml)
TSH: 4,28 µU/ml (Norm 0,5 - 4,30 µU/ml)

Und ja, natürlich geht es um einen konkreten Fall, den ich anders sehe als der Hausarzt. Und eine zweite Meinung werden wir auch einholen. Mich würde dennoch eure Meinung interessieren. Ihr sollt also nicht den Arzt ersetzen :-))

Ich für meinen Teil bin ganz klar der Meinung, dass man in erster Linie - zumal wenn im Grenzbereich - keine Laborwerte, sondern eher die klinischen Symptome und den Sonobefund als richtungsweisend nehmen und somit eine Substitution einleiten sollte. Klar, vorher sollten schon noch AK abgenommen werden ;-).

Groetjes
die Ente

Rico
04.11.2014, 12:50
Die Kontroverse um das obere TSH-Limit rührt daher, dass mal einer festgestellt hat, dass ca. 95% der jungen, gesunden mit dem TSH unter 2,5 liegen (das hier (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=12625976) war glaub die Orginalpublikation, wenn ich das richtig aufgeschrieben hab, hab sie aber nie gelesen, weil ich nicht dran komme :-nix) - allerdings sind die, die drüber liegen auch nicht zwingend krank und vor allem im Alter steigt das TSH oft an ohne dass Hypthyreosesymtome bestehen (was den Normbereich nach oben zieht - und dazu führt, dass man langfristig wohl bei altersabhängigen Normwerten landen wird).
Es gibt eine gute Studie aus Leipzig, die nochmal streng geschaut hat und die kommt zu Normwerten zwischen 0,3 und 3,63µU/ml (New Reference Intervals for Thyrotropin and Thyroid Hormones Based on National Academy of (http://www.clinchem.org/content/51/8/1480.full.pdf)Clinical Biochemistry Criteria and Regular Ultrasonography of the Thyroid. Clinical Chemistry 51:8 (http://www.clinchem.org/content/51/8/1480.full.pdf)
1480 –1486 (2005) (http://www.clinchem.org/content/51/8/1480.full.pdf)).

Ich würde jetzt nicht soweit gehen, jeden mit einem TSH >2,5 als hypothyreot zu diagnostizieren, aber Du hast natürlich recht, dass es weniger um den nackten Laborwert als die Klinik geht.
Da man die Laborwerte aber auch nicht ganz in den Skat drücken kann, mache ich für mich als Praxiskompromiss, dass ich bei typischer Klinik, typischem Sonobefund (siehe unten) und mehrfach grenzwertigen TSH-Werten einen Therapieversuch anbiete.
TPO-Antikörper würd ich auch machen, sind aber letztlich nur nice to have: wenn positiv, dann hat man einen Grund mehr, negativ schließen sie leider eine Thyreoiditis nicht aus (seronegativer Hashimoto) - andere, nicht immunogene Formen der Hypothyreose es nicht - deshalb sind sie zum sicheren Ausschluss eines Substitutionsbedarfs nicht ausreichend.

Noch zur Sono: "aufgelockertes" - also inhomogenes - Gewebe ist sehr unspezifisch, das alleine wär mir ehrlich gesagt zu wenig. Bei einer Thyreoiditis (was ja die häufigste Ursache in jungen Jahren ist) würde ich echoarmes, gerne auch hypervaskularisiertes Parenchym erwarten und eine eher kleine Schilddrüse.

Hoppla-Daisy
04.11.2014, 13:19
Ne ziemlich kleine Schilddrüse hat sie wohl. Das hatte die Ärztin gesagt. Und wohl auch, dass sie verdächtig auf ne Hypothyreose aussähe. Leider war ich bei dem Termin nicht zugegen, so dass ich mich auf die laienhaft erinnerungslückigen Aussagen meiner Tochter verlassen muss ;-).

Und die Klinik ist sicher vorhanden. Der Leidensdruck meiner Brut ist auch schon beträchtlich ("Mama, ich kenn mich so nicht! Das bin ich doch nicht! Ich will wieder sein, wie ich war! Die Lehrer sagen mir dauernd, dass sie das Gefühl hätten, ich würde im Unterricht einpennen, und ich sollte doch mal früher ins Bett gehen. HAHA!!! Wird ja ein tolles Abi...."), weswegen ich das jetzt ein wenig forcieren muss, dass man da mal voran kommt.

Evil
04.11.2014, 13:26
Bring mir mal ihre Karte mit, dann mach ich ein Rezept fertig :-))

Hoppla-Daisy
04.11.2014, 13:28
Meinste, mein Schülerausweis (weil WC-Ente) zählt nicht? ;-)

Evil
04.11.2014, 15:15
Wenn Du es selber zahlen willst, schon :-D

Hoppla-Daisy
04.11.2014, 15:17
Lieb gemeint, aber ich denke, wir werden eine etwas näher gelegene zweite Meinung einholen ;-)

Wie handhabst du denn z. B. so einen Grenzfall, wo die Klinik schon deutlich ist?

Miss_H
04.11.2014, 15:19
Wenn Du es selber zahlen willst, schon :-D

Ich glaube die 17 Euro kann selbst eine WC-Ente aufbringen und in der Klinik gibt es die bestimmt billiger ;-)

Hoppla-Daisy
04.11.2014, 15:19
... und in der Klinik gibt es die bestimmt billiger ;-)
Sowas mach ich nicht! (Und das mein ich sehr ernst)

EVT
04.11.2014, 15:29
Kein Personalverkauf?

Warum kosten z.B. die von Henning bei N2 und N3 fast gleich viel? Und alle Dosierungen auch? Bei der guten Teilbarkeit..

Miss_H
04.11.2014, 15:39
Sowas mach ich nicht! (Und das mein ich sehr ernst)

Ich meinte da auch den Personalverkauf und nicht einfach mitgehen lassen.

Hoppla-Daisy
04.11.2014, 15:41
Äh, aber über den Personalverkauf gehen eigentlich nur rezeptfreie Medis

Eilika
04.11.2014, 16:21
Als Arzt bekomme ich hier alle Medis über den Personalverkauf. Nichtärztliche Mitarbeiter brauchen ggf. eben ein Rezept...

Evil
04.11.2014, 18:28
Lieb gemeint, aber ich denke, wir werden eine etwas näher gelegene zweite Meinung einholen ;-)

Wie handhabst du denn z. B. so einen Grenzfall, wo die Klinik schon deutlich ist?
L-Thyrox 50 als Startdosis, je nach Klinik spätestens nach 2 Monaten TSH-Kontrolle. Dann die Medikation anpassen, der Zielwert wäre für mich sowas um 1.
Erstaunlicherweise mache ich gerade bei solch grenzwertigen Fällen immer öfter die Erfahrung, daß der TSH-Wert zunächst sogar ansteigt, als ob die Schilddrüsenfunktion unter Substitution dann erst recht nachläßt.

roxolana
04.11.2014, 21:10
Der Endokrinologe, bei dem ich in Behandlung bin, benutzt den 2,5-Referenzwert. Gerade bei jungen Frauen ist das sehr sinnvoll, weil es mit der Fertilität ab 2,5 bergab und mit der Abortrate bergauf geht. Und wenn die Klinik dazu noch so eindeutig ist... worauf soll man dann noch warten?

Flemingulus
05.11.2014, 13:59
Der Endokrinologe, bei dem ich in Behandlung bin, benutzt den 2,5-Referenzwert. Gerade bei jungen Frauen ist das sehr sinnvoll, weil es mit der Fertilität ab 2,5 bergab und mit der Abortrate bergauf geht.

Ganz so eindeutig ist das nach derzeitiger Datenlage nicht:

Taylor et al. 2014 (PMID: 25057882):

The objective of the study was to determine the relationship between TSH levels and pregnancy outcomes in levothyroxine-treated women in a large community-based database. [...] Individuals with a first prescription of levothyroxine from 2001 through 2009 (n = 55 501) were identified from the UK General Practice Research Database (population 5 million). Of these, we identified 7978 women of child-bearing age (18-45 y) and 1013 pregnancies in which levothyroxine had been initiated at least 6 months before conception. [...] The risk of miscarriage was increased in women with TSH 4.51-10 mU/L [odds ratio (OR) 1.80, 95% confidence interval (CI) 1.03, 3.14)] and TSH greater than 10 mU/L (OR 3.95, 95% CI 1.87, 8.37) but not with TSH 2.51-4.5 mU/L (OR 1.09, 95% CI 0.61, 1.93).

=> Zumindest für die "Grauzone" mit Werten zwischen 2,5 und 4,5 mU/L gibt es unterschiedliche Daten zum Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines messbaren Risikos.

Hoppla-Daisy
05.11.2014, 14:14
Also Omma will ich noch nicht werden. Aber gut zu wissen, wie ich das verhindern könnte :grins:

EVT
05.11.2014, 14:39
Ich habe es so mitbekommen, dass der niedrige TSH (um 1) aufgrund der kognitiven Entwicklung des Kindes angestrebt wird.
Autoimmunschilddrüsenprobleme und Infertilität korrelieren.

Relaxometrie
05.11.2014, 14:42
Also Omma will ich noch nicht werden. Aber gut zu wissen, wie ich das verhindern könnte :grins:
Jaja, beim Personalverkauf erst einen auf seriös machen, und dann überlegen, der Tochter Placebo statt L-Thyroxin zu geben :-))

Rico
05.11.2014, 22:12
Der Endokrinologe, bei dem ich in Behandlung bin, benutzt den 2,5-Referenzwert. Gerade bei jungen Frauen ist das sehr sinnvoll, weil es mit der Fertilität ab 2,5 bergab und mit der Abortrate bergauf geht. In diesem Zusammenhang sei noch mal kurz darauf hingewiesen, dass die Behandlung einer Hypothyreose und eine Kinderwunschbehandlung zwei völlig unterschiedliche Therapien sind mit völlig unterschiedlichen Zielen, weshalb die Schlussfolgerung, dass man dass wegen des Stellenwerts in der Kinderwunschbehandlung auch allgemein empfehlen kann, so nicht einfach zu ziehen ist. Nicht alles, was eine Schwangerschaft ermöglicht/erleichtert kann automatisch als gut für alle Leute auch ohne Kinderwunsch angesehen werden.
Die ganzen Hormone, die man für das Herbeiführen einer Schwangerschaft einnimmt, nimmt man ja sonst auch nicht so für das persönliche Wohlbefinden.


Autoimmunschilddrüsenprobleme und Infertilität korrelieren.Aber hast Du nicht in nem anderen Thread mal propagiert, dass das Infertilitätsproblem da ein immunologisches sei (und bei Euch auch folglich immunsupprimierend/-modulierend? behandelt wird) und ein zusätzliches Phänomen zur Stoffwechsellage? Die Immunreaktion beeinflusst die Höhe des TSH ja eher nicht.