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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Polypharmazie ohne Wechselwirkungen?



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Lissminder
15.11.2014, 23:21
Hallo Leute,
Polypharmazie wäre so schön, wären da nicht immer diese nervigen Wechselwirkungen. Ich habe den Eindruck, dass diese zu oft unterschätzt bzw. nicht beachtet werden. Polypharmazie ohne WW geht einfach nicht, aber man kann diese minimieren.
In der Apotheke sind wir es häufig, denen diese WW erst auffallen. Der Klassiker ist, dass der Patient zu drei verschiedenen Ärzten rennt und dabei von jedem irgendetwas verschrieben bekommt. Natürlich vergisst er auch ganz gerne mal auf die Frage, ob er sonst noch Medikamente nimmt, das Marcumar zu erwähnen.
Ich habe aber dennoch den Eindruck, dass viel zu wenig Beachtung auf mögliche WW und Interaktionen gelegt wird. Das schafft nicht nur Probleme für den Patienten, sondern erzeugt auch Kosten für Nachbehandlungen bei den Kassen.
Was denkt ihr darüber? Werden Wechselwirkungen unterbewertet?

Phosphorsalzperle
16.11.2014, 11:14
Ich versteh nicht ganz, worauf du damit hinaus willst. Polypharmazie bedingt erstmal Wechselwirkungen bzw. korrekt gesaht Interaktionen, das muss aber kein Ausschlusskriterium dafür sein. Es ist einfach nur wichtig, darüber Bescheid zu wissen.
Da kommt für mich auch die Rolle als Apotheker ins Spiel. Wir wissen auf dem Gebiet einfach mehr als die Ärzte, logisch wir studieren das auch Hauptsächlich.
Die Polypharmazie trifft dabei genau auf einen Querschnittsbereich zwischen Pharmazie und Medizin. Und dieser Querschnitt für noch unzureichend beachtet. Erste Versuche sind die Zusammenarbeit von Krankenhausapothekern und Ätzten oder umfangreiche Kundendatein in der Offizin. Aber da könnte noch viel mehr gemacht machen.

Relaxometrie
17.11.2014, 10:13
Werden Wechselwirkungen unterbewertet?
Ja.
Es gibt ja den Begriff der Polypragmasie, wonach die Wechsel- und Nebenwirkungen unübersichtlich oder sogar unberechenbar werden, sobald ein Patient sechs oder mehr Medikamente bekommt.
Außerdem gibt es auch immer wieder Zahlen über die durch eben diese unbedachte Polypharmazie ausgelösten Todesfälle. Aber wie werden diese Zahlen eigentlich erhoben, frage ich mich gerade.

Absolute Arrhythmie
17.11.2014, 19:29
http://www.3sat.de/page/?source=/nano/astuecke/126370/index.html
Doku zu dem Thema :-)

Miss_H
17.11.2014, 20:16
Doku zu dem Thema :-)

Hach der Wehling :-love Heute erst wieder live erlebt :)

McDübel
18.11.2014, 12:07
In der Apotheke sind wir es häufig, denen diese WW erst auffallen.

Und daher halte ich eine entsprechende Kundenbindung auch für nicht ganz unpfiffig. Vorteil für beide Seiten.

Minoo
18.11.2014, 22:02
Und daher halte ich eine entsprechende Kundenbindung auch für nicht ganz unpfiffig. Vorteil für beide Seiten.

jap ist doch perfekt :)

Miss_H
18.11.2014, 22:39
Ehrlich gesagt habe ich wenig Ahnung vom Pharmaziestudium. Aber lernt man da wichtige von unwichtigen WW zu unterscheiden? Ansonsten läuft es darauf hinaus, dass es von einem Computer geprüft wird und man quasi immer eine WW sobald man 2 Medikamente nimmt.

Lissminder
20.11.2014, 14:17
Außerdem gibt es auch immer wieder Zahlen über die durch eben diese unbedachte Polypharmazie ausgelösten Todesfälle. Aber wie werden diese Zahlen eigentlich erhoben, frage ich mich gerade.
gute Frage, aber die Zahlen können aus den besagten Todesfällen stammen. Solche Daten findet man zb in Kliniken und daraus kann dann eine Statistik erhoben werden.
Sind Im Grunde sechs oder mehr Medikamente demnach noch Kontrollierbar? Umso mehr Wirkstoffe verabreicht werden, desto höher auch die Zahl an Wechsel-/ Nebenwirkungen, die ggf auch unbekannt ist. Das Risiko steigt also exponentiell.

Gesocks
20.11.2014, 18:33
Gibt es da tatsächlich Meldezahlen? Die stelle ich mir ziemlich willkürlich vor, man stünde ja vor der Frage, wann ein Tod als "Tod durch Arzneimittelinteraktion" in die Statistik eingehen soll. Ich kann mir eher vorstellen, dass die Zahlen aus Kohorten- oder case-control-Studien kommen.

Hanno04
21.11.2014, 09:25
Ehrlich gesagt habe ich wenig Ahnung vom Pharmaziestudium. Aber lernt man da wichtige von unwichtigen WW zu unterscheiden? Ansonsten läuft es darauf hinaus, dass es von einem Computer geprüft wird und man quasi immer eine WW sobald man 2 Medikamente nimmt.

ja das lernt man. dafür studieren wir nämlich, was ein kleiner aber entscheidender Unterschied zu den pta's ist. datenbanken sind natürlich sehr hilfreich, aber auch nicht allumfassend. gerade wenn es um mehr als vier oder fünf wirkstoffe geht, sind diese auch schnell bzw. sagen dir, dass alle wirkstoffe interaktionen zeigen und daher nicht gleichzeitig gegeben werden können. da muss man aber individuelle nach nutzen-risiko abwägen.

Absolute Arrhythmie
21.11.2014, 09:32
Ketzerische Frage: wenn das ein PC-Programm kann, wozu braucht man dann Pharmazeuten?

Phosphorsalzperle
21.11.2014, 10:28
Ketzerische Frage: wenn das ein PC-Programm kann, wozu braucht man dann Pharmazeuten?

die Frage könntest dir auch selbst beantworten. Es muss doch auch Leute geben, die diese Programme mit Inhalt füllen, sie verstehen und hinterfragen können. ein Röntgengerät allein nützt auch nichts ohne Arzt, der es bedienen kann.
Ebenso ist es mit Datenbanken. Sie sind nur so schlau, wie derjeniger, der sie bedient.

Relaxometrie
21.11.2014, 10:34
Solche Daten findet man zb in Kliniken und daraus kann dann eine Statistik erhoben werden.
Welche Daten meinst Du genau? In der Todesursachenstatistik, die anhand der ärztlichen Todesbescheinigungen erstellt wird, gibt es die Todesursache "polypragmasiebedingt" auf jeden Fall nicht.

Phosphorsalzperle
21.11.2014, 10:42
Gibt es nicht? na das wäre doch mal ein schönes Promotionsvorhaben diese herauszuarbeiten. Ich denke, das würde einiges ans Licht bringen.
Bislang gehen solche Interaktionen oder Wechselwirkungen ans BfArM. Der Datenfundus dort dürfte auch einiges zu bieten haben.

Relaxometrie
21.11.2014, 11:02
Gibt es nicht?
Hab ich zumindest noch nie gehört, daß jemand als Todesursache "Medikamenteninteraktionen bei Polypharmazie" geschrieben hat. Selbst wenn der Verdacht nahe läge, würde dann "maligne Herzrhythmusstörungen bei vorbekannter KHK" oder irgendetwas anderes geschrieben, was die möglicherweise todesursächliche Medikamenteninteraktion irgendwie beschreibt. Aber eigentlich würde ich behaupten, daß man als totenscheinausfüllender Arzt erstmal gar nicht an eine Medikamenteninteraktion denkt.

Es ist nicht so, daß ich die Zahlen bezüglich der Todesfälle aufgrund von Medikamenteninteraktionen bezweifele. Aber erst durch diesen Thread ist mir klar geworden, daß ich nicht weiß, wie die Fälle ermittelt werden. Vielleicht kommen wir noch auf die Fährte :-)

Absolute Arrhythmie
21.11.2014, 11:14
die Frage könntest dir auch selbst beantworten. Es muss doch auch Leute geben, die diese Programme mit Inhalt füllen, sie verstehen und hinterfragen können. ein Röntgengerät allein nützt auch nichts ohne Arzt, der es bedienen kann.
Ebenso ist es mit Datenbanken. Sie sind nur so schlau, wie derjeniger, der sie bedient.

Guter Punkt! :-))

Phosphorsalzperle
21.11.2014, 11:35
Es ist nicht so, daß ich die Zahlen bezüglich der Todesfälle aufgrund von Medikamenteninteraktionen bezweifele. Aber erst durch diesen Thread ist mir klar geworden, daß ich nicht weiß, wie die Fälle ermittelt werden. Vielleicht kommen wir noch auf die Fährte :-)
stimmt ganz klar ist mir das auch nicht. Im Beipackzettel steht ja auch manchmal die Angabe diese WE führt bei 1: x Fällen zum Todesfall. Das muss auch datentechnisch erhoben worden sein. Also entweder direkt in den klinischen Studien oder nach Zulassung.
Komisch aber, dass Polypharmazie anscheinend nie als Todesursache auftaucht. Vielleicht will man sich damit auch absichern und sich der Todes- Verantwortlichkeit entziehen ?

Hanno04
21.11.2014, 12:03
in der pz online ist zu lesen:
Arzneimittelinteraktionen sind alles andere als ein »alter Hut«. Das US-amerikanische Institute of Medicine führt Arzneimittelinteraktionen als vierthäufigste Todesursache noch vor Lungenerkrankungen, Diabetes, Aids, Pneumonien und Autounfällen an (1).
In der Bundesrepublik Deutschland nimmt diese Todesursache zusammen mit den unerwünschten Arzneimittelwirkungen nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung (DGK) den fünften Rang ein.


es gibt anscheinend daten. ganz schön erschreckend, wieviel schaden AM anrichten können, die eigentlich dafür gemacht sind dem menschen zu helfen.

Minoo
21.11.2014, 12:31
Moin,
UAW's sind immer ein interessantes Thema. Für Ärzte gibt es wie für Apotheker die Meldepflicht von UAW. Dafür gibt es dann ein fertiges Formular, das ans BfArM oder an dein Arzneimittelkommission geht, die weiter für die Datenauswertung verantwortlich sind. Habe mir diesen Bogen gerade nochmal angeschaut. Und dort gibt es den Fall " UAW führt zum Tod"
Also wenn es schon nicht im Todesschein steht, dann gibt es hierüber die Möglichkeit.
zum Nachschauen: http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/UAW-Berichtsbogen.pdf