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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hämato-Onkologie: erhöhte emotionale Belastung?



Atropin
22.11.2014, 20:20
Ich bin in der Weiterbildung zur Internistin (incl. Ausflug in die Radio) und muss mich almählich für eine Subspezialisierung/ Allgemeine Ausbildung entscheiden. Am ehesten bin ich am allgemeinen Internisten interessiert, hab aber meine Zweifel bzgl. Niederlassung/ Zukunftsaussichten. Alternativ spiele ich gedanklich die Pro und Contras verschiedener Richtungen durch (möchte langfristig in die Niederlassung). Aktuelle beschäftigt mich die Hämato-Onko besonders. Da frage ich mich aber...

wie kommt ihr mit der emotionalen Belastung zurrecht die todkranke Krebs-Patienten (insb. junge Patienten) mit sich bringen? Ich habe immer das Gefühl dass es emotional etwas anderes ist chronisch kranke Patienten (vielleicht mit ähnlichen Prognosen) zu behandeln als Krebskranke. Sollte ich die Finger davon halten wenn ich die Befürchtung habe der Psych. Belastung nicht stand halten zu können? (Ich sollte dazu vielleicht erwähnen dass es in meiner Familie viele Krebstote gab, meine Mutter ist vor wenigen Jahren verstorben). Gibt es andere, die vielleicht persönlich ebenfalls betroffen waren/sind und diesen beruflichen Weg gegangen sind?

THawk
23.11.2014, 00:48
Hast du denn mal im Rahmen deiner Rotationen auf der Onko gearbeitet? Wenn möglich würde ich mir einen eigenen Einblick verschaffen, ich glaube man merkt gerade dort sehr schnell ob man damit umgehen kann. War zumindest für mich so auf der Päd Onko.
Mir hat es Spaß gemacht, ich erlebe viel mehr tragische Geschichten auf der päd. ITS und auch mehr Tote. Aber da unterscheiden sich such einfach die pädiateische und die internistische onko.

Atropin
23.11.2014, 09:52
Danke für die Antwort!
Blöderweise muss ich mich direkt entscheiden. War bisher nie auf ner rein onkol. Station, habe aber natürlich Tumorpat. mitbetreut in der allg. Inneren als auch auf der Intensiv. Ich mochte die Arbeit einerseits weil es so eine schöne "allumfassende" Behandlung ist, die häufig sehr sensibel sein muss. Außerdem mag ich den Aspekt, das die Onkologie nicht Organbezogen ist. Das reizt mich am Fach, da ich schon eher der "Generalist" bin. Ich fand es jedoch sehr schwer junge, dem Tot geweihte Pat. zu betreuen. Das mag auch an meiner Vorgeschichte liegen, jedoch ist das vermutlich für jeden schwer...oder? Und so selten die Option zu haben jemanden zu heilen. Andererseits hat eine Herzinsuffizienz oder COPD oft auch keine bessere Prognose. Da ist es aber meist nicht so dramatisch. Oder empfinde ich das nur so?
Liebe Grüsse

THawk
23.11.2014, 10:26
Persönliche Meinung, natürlich wieder als Pädiater mit besseren Chancen in der Onko als ihr habt, aber trotzdem haben wir natürlich auch die nicht heilbaren Kinder: ich finde es wichtig und erfüllend, dass man den Patienten und Angehörigen eine möglichst gute medizinische und psychosoziale Betreuung bietet mit Augenmaß für das was gut und sinnvoll ist. Also auch wenn ich nicht heilen kann, kann ich dennoch viel gutes für die Familien tun. Das ist an der Stelle meine Motivation.

Verbaust du dir viel wenn du eine solche Stelle antrittst? Ist ja keine Verpflichtung auf Lebenszeit.

Atropin
23.11.2014, 12:00
Nee, ich verbau mir eigentlich nichts. Ich gehöre nur leider nicht zu denen die immer ein klares Ziel vor Augen hatten/haben was die berufliche Zukunft angeht...

Mich würde noch interessieren ob es hier jemanden gibt der persönlich betroffen ist und trotzdem oder gerade deshalb Onko macht...

Rico
23.11.2014, 14:31
Ich hab nur während meiner Rotation etwas gastroenterologisch-onkologisch gearbeitet und ich fand die Arzt-Patient-Beziehung bei dem Tumorpatienten deutlich angenehmer als ich es aus der kardiovaskulär-metabolischen Medizin gewohnt war. Irgendwie gab es mehr dieses Gefühl "gemeinsam gegen den Tumor" zu arbeiten (egal ob kurativ oder palliativ) und die Patienten waren auch motivierter (weil es für sie ja ums Ganze geht) und entsprechend dankbarer - verglichen jetzt mit dem ewigen "Abnehmen/Sport treiben/Aufhören zu rauchen" das ich sonst so praktiziere...

Das Alter... Klar hat es in der Onko nen Haufen junge Leute verglichen mit der Gesamtinneren. Aber ich hab jetzt irgendwie das Gefühl, die jungen Tumorpatienten laufen besser als die jungen Patienten, die sonst irgendwie internistisch krank sind. Ich mein, wer schon in jungen Jahren irgendeine fiese Vaskulitis, eine DCM oder ne Lungenerkrankung hat, der hat ja oft ne schlechtere Prognose als die gleichalte Tumorpatienten. Prozentual wird die Onkologie da sicher mehr zur Heilung bringen würde ich schätzen.

StellaMaris
24.11.2014, 17:24
Ich hatte während des PJs einen Nebenjob auf einer Palliativstation. In meiner Familie habe ich auch einen Krebstodesfall miterlebt und hatte deshalb auch am Anfang Bedenken, dass ich die Arbeit dort als zu belastend empfinden würde.
Zu meiner Überraschung war es dann aber gar nicht so, im Gegenteil hat mir die Arbeit sehr viel Spaß gemacht.
Klar war es auch manchmal schwierig, gerade bei jüngeren Patienten, aber ich habe erlebt, dass auch das Ermöglichen eines möglichst schmerz- und komplikationslosen Lebensendes und das Begleiten des Patienten dabei eine gute und sinnvolle Aufgabe sein kann. Und ich fand es spannend, wie unterschiedlich die Menschen mit ihrem nahenden Ende umgehen und wie sie auf ihr Leben zurückblicken. Das hat mich auch dazu gebracht, viel über meine eigene Lebensgestaltung zu reflektieren. Für mich war es ein in vieler Hinsicht sehr lehrreiches Jahr und ich könnte mir durchaus vorstellen, auch irgendwann mal ärztlich in der Palliativmedizin tätig zu sein.
Und ich denke, Häm/Onko ist von der emotionalen Belastung her vergleichbar mit Palliativ, dort hast du ja sogar auch noch die Möglichkeit, kurativ behandeln zu können.

Fr.Pelz
25.11.2014, 19:15
Ich hab nur während meiner Rotation etwas gastroenterologisch-onkologisch gearbeitet und ich fand die Arzt-Patient-Beziehung bei dem Tumorpatienten deutlich angenehmer als ich es aus der kardiovaskulär-metabolischen Medizin gewohnt war. Irgendwie gab es mehr dieses Gefühl "gemeinsam gegen den Tumor" zu arbeiten (egal ob kurativ oder palliativ) und die Patienten waren auch motivierter (weil es für sie ja ums Ganze geht) und entsprechend dankbarer - verglichen jetzt mit dem ewigen "Abnehmen/Sport treiben/Aufhören zu rauchen" das ich sonst so praktiziere...

Das Alter... Klar hat es in der Onko nen Haufen junge Leute verglichen mit der Gesamtinneren. Aber ich hab jetzt irgendwie das Gefühl, die jungen Tumorpatienten laufen besser als die jungen Patienten, die sonst irgendwie internistisch krank sind. Ich mein, wer schon in jungen Jahren irgendeine fiese Vaskulitis, eine DCM oder ne Lungenerkrankung hat, der hat ja oft ne schlechtere Prognose als die gleichalte Tumorpatienten. Prozentual wird die Onkologie da sicher mehr zur Heilung bringen würde ich schätzen.

Das seh ich aus der chirurgischen Richtung ganz ähnlich. Bei Tumorpatienten ist man eben nicht nur der "Aufschneider" der mal schnell die Varizen wegmacht oder den Blinddarm rausholt. Da sucht man permanent die GesamtStituation zu verbessern (Sozialdienst, Schmerztherapie), man koordinierte je nach (Zentrums-)Struktur die verschiedenen Disziplinen und hat vor allem ein anderes Verhältnis zum Patienten. Meiner Meinung nach besser, weil intensiver.

Und weil du jetzt nach dem persönlichen Aspekt fragst:Ich hab auch schon Lungen-Ca Patienten betreut und mein Opa ist daran gestorben - aber da denkt man ja im Alltag nicht dauernd dran. Wenn ich bei einem Patienten bin, bin ich dort ja in der Rolle der Ärztin und die Privatrolle steht im Hintergrund.

ehem-user-19-08-2021-1408
26.11.2014, 22:09
Ich habe leider eine etwas banale Frage.

Ich habe den Eindruck, dass bei onkologischen Patienten sich immer mehr Mühe gemacht wird.
Das Verhältnis von Fachpersonal/Bettenzahl ist in der Regel höher. Die Spannweite der therapeutischen und supportiven Angebote ist breiter. Ich persönlich habe auch das Gefühl, dass Patienten mit Tumoren immer mehr Mitgefühl und Fürsorge geschenkt wird als denen auf anderen (internistischen) Stationen.
Insbesondere komisch für mich ist das Ganze, da maligne Erkrankungen nicht die häufigste Todesursache sind.

"Hey, der Peter hatte letzte Woche nen Herzinfarkt" - "Muss wohl der ganze Stress sein!"
"Hey, beim Peter haben die letzte Woche Lungenkrebs diagnostiziert"" - "Oh nein, wie schrecklich! Die arme Familie!"
Könnt ihr auch dieses Gespräch andersrum vorstellen? Ich nicht.

Zur Fragestellung im ersten Beitrag:
Ich denke mal, wenn man genug Distanz zu den Patienten aufrecht erhält, wird man in jedem Fach emotional gleich dabei sein. Ob ein Fall schlimm empfunden wird, hängt vom individuellen Patienten ab und nicht besonders von der Fachrichtung (also Erkrankungsart).