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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Antibiotika-Prognose- wann ist die Waffe stumpf?



luckyluc
04.12.2014, 10:21
Hallo zusammen,

ein nicht uninteressantes Thema wie ich finde, daher würde ich gerne eure Meinung dazu hören.

Ist die Expertenmeinung, dass wir nicht ewig über wirksame AB verfügen aufgrund der wachsenden Anzahl an resistenten Keimen nur Schwarzmalerei oder müssen wir uns dem düsteren Bild der Zukunft stellen?

Selbst wenn ein neues wirksames AB gefunden wird, vergehen ungefähr 10 -15 Jahre bis zu Marktreife. Was meint ihr, kann der Mensch den Wettlauf zwischen Mensch und Mikrobe gewinnen?

Brutus
04.12.2014, 11:33
Selbst wenn ein neues wirksames AB gefunden wird, vergehen ungefähr 10 -15 Jahre bis zu Marktreife. Was meint ihr, kann der Mensch den Wettlauf zwischen Mensch und Mikrobe gewinnen?
Verlieren wir diesen Kampf nicht alle irgendwann? ;-)

papiertiger
04.12.2014, 17:57
Naja, gibt ja jetzt schon den einen oder anderen Keim, wo Dir beim Blick aufs Resistogramm mal kurz schlecht wird.. an sowas sterben Leute, und das werden wohl auch nicht weniger sondern mehr werden.

Und wirklich viel "nach" kommt in Sachen Antibiotika ja nicht. Auf der anderen Seite hat man ja aber auch den Effekt, dass die Viecher ihre Resistenzen auch wieder verlieren, wenn sie ebendiese lange genug nicht benötigen - was dann dazu führt, dass Antibiotika, die eine Zeitlang bewusst "geschont" werden oder aus ganz anderen Gründen eher in den Hintergrund rücken plötzlich wieder wirksam werden.

Soweit ich das überblicke, würde ich sagen, dass Antibiotikaresistenzen ein sehr ernst zu nehmendes Problem sind, ich aber Endzeitszenarien ("Post-Antibiotika-Ära") für fehl am Platze halte.

Lissminder
04.12.2014, 18:44
Und warum kommt so wenig "nach"? Na weil es für ein Unternehmen kaum unattraktivere Arzneistoffe als Antibiotika gibt.
Finden sie eine hochwirksame Substanz, dann wird diese um Resistenzen zu vermeiden nur sparsamn eigesetzt. Heißt wenig Umsatz. Und selbst wenn es ein Standard-AB ist, beträgt die Einnahmedauer ca 10 Tage. Damit erreicht man alsi auch keine Kassenschlager.
Zu guter letzt besteht immer noch die Gefahr der Resistenzentwicklung gegen den Wirkstoff, was nach einer teuren Marktzulassung nicht wirklich reizvoll wirkt.
Ganz ehrlich: ich als Unternehmer würde auch nicht in die AB-Entwicklung investieren.

StuartProwerFaktor
05.12.2014, 08:14
Ich denke man wird in der Forschung hier und da neue Wege gehen müssen um das Problem anderweitig zu "lösen". So besteht das Problem bei Infektionen ja idR nicht primär in der Infektion selber sondern in den Viruelenzfaktoren der jeweiligen Keime. Soweit ich weiß ist das mittlerweile auch der ein oder andere Arzneistoff in Entwicklung. Wenn es beispielsweise gelänge ein Bakterium dazu zu bewegen - wie auch immer - weniger von seinem Toxin zu bilden, so wäre ja bein manchen Erkrankungen schon viel gewonnen. Vorteilhaft wäre dann auch, dass eine Resistenzbildung eher unwahrscheinlich wäre, da man durch solche Wirkstoffe keinen Selektionsdruck auf Bakterien ausübt.

Phosphorsalzperle
05.12.2014, 08:39
Wenn es beispielsweise gelänge ein Bakterium dazu zu bewegen - wie auch immer - weniger von seinem Toxin zu bilden, so wäre ja bein manchen Erkrankungen schon viel gewonnen. Vorteilhaft wäre dann auch, dass eine Resistenzbildung eher unwahrscheinlich wäre, da man durch solche Wirkstoffe keinen Selektionsdruck auf Bakterien ausübt.
wie genau ist das mit dem Selektionsdruck zu verstehen? Meinst du, dass Wirkstoffe, die primär eine Toxinausschüttung verhindern gleichzeitig weniger anfällig für eine Resistenzbildung sind? Korriliert dieser Zusammenhang zwangsläufig oder nur fakultativ? Nach meiner Einschätzung wäre ein wichtiger Schritt die AB-Forschung stärker staatlich zu subventionieren.

luckyluc
05.12.2014, 09:44
Ganz zuerst sollter der Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Tiermast verboten werden.
Ansonsten müssen wir uns über Resistenz auch nicht wundern. :-meinung

StuartProwerFaktor
05.12.2014, 09:51
Selektionsdruck meint, dass ein klassisch bakterizides Antiobiotikum zu einer für die Bakterien neuen Umweltbedingung führt --> Sprich alle Individuen die sensibel reagieren sterben in dieser Umgebung ab, die die nicht sensibel reagieren überlegen und vermehren sich (schlecht, da somit die Größe der resistenten Population zunimmt). Die resistente Population muss allerdings nicht zwingend die sein, die in natürlicher Umwelt besser zurecht kommt (die vermehrte Expression von beispielsweise ß-Lactamase wäre dann ja Energieverschwendung).

Der Vorteil eines AB, welches nicht die Bakterien selbst, sondern nur ihre Virulenz inhibiert würde ja keinen oder kaum einen Selektionsdruck erzeugen. Es ist beispielsweise für Clostridium botulinum ja nicht von Vorteil seinen Wirt über die Expression von Botulinumtoxin zu töten - den Rest würde dann halt das Immunsystem erledigen (das auch unter Antibiotikagabe den Hauptteil der Arbeit leistet).

Flemingulus
05.12.2014, 10:18
Und wirklich viel "nach" kommt in Sachen Antibiotika ja nicht.

In den letzten dreivier Jahren gabs jetzt zugegebenermaßen eher neue Resistenzen als neue Antibiotika. Aber das Geschäft mit ABs läuft halt zyklisch, es gibt immer mal wieder längere Pausen, wo keine echten Neueinführungen am Start sind und dann kommen wieder innovative ABs auf den Markt. Z. Zt. sind schon einige Kandidaten in der Pipeline, die im Kampf gegen Multiresistente Keime wieder eine neue Runde einläuten werden. Das seh ich also nicht besonders pessimistisch. :-)

Lissminder
05.12.2014, 10:29
Nur mal so eine grundlegende Überlegung zum gegenseitigen Wechselspiel:

Ist es nicht so, dass Parasiten, die ihren Wirt nicht schädigen, langfristig die besten Überlebenschancen haben: Sie gedeihen, weil es die Organismen tun, auf die sie angewiesen sind?

Evil
12.12.2014, 19:16
In den letzten dreivier Jahren gabs jetzt zugegebenermaßen eher neue Resistenzen als neue Antibiotika. Aber das Geschäft mit ABs läuft halt zyklisch, es gibt immer mal wieder längere Pausen, wo keine echten Neueinführungen am Start sind und dann kommen wieder innovative ABs auf den Markt. Z. Zt. sind schon einige Kandidaten in der Pipeline, die im Kampf gegen Multiresistente Keime wieder eine neue Runde einläuten werden. Das seh ich also nicht besonders pessimistisch. :-)
Gibt im aktuellen Internisten dazu einen interessanten Artikel, der im Wesentlichen auf diesem Vortrag fußt (gleicher Autor):
http://www.hivandmore.de/aktuell/2014-08/bogner_antibiotika.pdf

Phosphorsalzperle
18.12.2014, 09:25
habe gerade mal einen Blick auf den Artikel geworfen. Bezüglich der Resistenzen ist mir der Punkt zu den Effluxpumpen unklar. Ich dachte immer, dass es ausreicht wenn das Penicillin an die Zellwand gelangt, um wirken zu können. Das Target ist schließlich die Transpeptidase, die sich an der Zellwand befindet?
Oder muss das AB tatsächlich in die Zelle gelangen, um wirken zu können?