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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : eingangsuntersuchung beim sturz



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monktorres
06.01.2015, 12:58
hallo. Ich wollte mal eure Meinung zu einer Behandlung /Diagnoseerstellung hören. Ich habe wohl die rosarote Familienbrille auf, um mir ein objektives Bild zu machen.

Folgender Fall: 84 Jährige Frau stürzt die letzte Treppenstufe hinunter. Beim Auffinden lag sie seitlich. Kopf ist auf dem Fliesenboden aufgekommen keine Platzwunde auch keine Bewusstlosigkeit. Beim Aufsetzten klagte die Patientin über starke Schmerzen im Rückenbereich. Der Rettungsdienst wurde informiert, dieser hob die Patientin mit einem Tragetuch an und verbrachte sie dann mit dem RTW ins ortsansässige Klinikum.

Die Patientin leidet unter Demenz insofern sind ihre eigenen Aussagen im Bezug auf Schmerzen und Unfallhergang nicht eindeutig. Dies wurde auch der zuständigen Ärztin mitgeteilt. Die Angehörigen waren bei der Untersuchung dabei. Es wurde darauf hingewiesen das die Patientin vor ca. 20 Jahren multiple Wirbelkörperfrakturen erlitt und bis zum heutigen Zeitpunkt unter starker Osteoporose leidet.

Ablauf der Untersuchung. Kontrolle der Pupillen diese war ohne Befund. Abtasten des Schulter und Thoraxbereiches. Abklopfen der Wirbelsäule. Eine Röntgenuntersuchung des Thorax wurde angeordnet. Den Anmerkungen von den Angehörigen im Bezug auf Röntgen des Beckenbereiches und den Bereich der unteren Wirbel wurde keine Beachtung geschenkt, da die ja bekanntlich demente Patientin in diesem Moment nicht über Schmerzen in diesem Bereich klagte.

Da eine Urinprobe abgegeben werden musste und die Patientin wegen den starken Schmerzen nicht aufstehen wollte (konnte), wurde dies mit einer Bettpfanne durchgeführt. Dabei gab die Patientin Schmerzschreie von sich.

Bei der Auswertung der Röntgenbilder konnte eine Fraktur im Thoraxbereich ausgeschlossen werden. Es wurde noch eine Sonographie des Abdomens durchgeführt, diese ergab auch keinen Befund.

Danach wurde die Patientin mit der Diagnose Thoraxprellung entlassen. Schmerzmittel wurden verordnet.

Während der gesamten Diagnostik beschäftigte sich kein Arzt mit dem Gangbild der Patientin.

Auf Grund des stark auffälligen Gangbildes und erheblicher Schmerzen wurde die Patientin am Folgetag erneut im Klinikum vorgestellt. Dem Wunsch der Angehörigen sich das auffällige Gangbild anzusehen, wurde zunächst nicht entsprochen, da die Auffälligkeit lediglich der Thoraxprellung zugeordnet wurde. Lediglich das Röntgen der LWS wurde noch angeordnet.

Die Auswertung der Röntgenbilder übernahm nunmehr noch ein dritter Arzt, der keinen akuten Befund hinsichtlich der LWS feststellen konnte. Ein erneuten Hinweis auf das Gangbild veranlasste den dritten Arzt nunmehr eine Gehprobe vorzunehmen, in deren Folge das Röntgen des Beckens angeordnet wurde. Die Auswertung des Röntgenbildes führte dann zu folgendem Befund : Fraktur vom oberen Schambeinast rechts bis knapp zur Symphyse. Fraktur vom unteren Schambeinast links. Infraktion der Massa lateralis rechts.

Was sagt ihr zu diesem Behandlungsverlauf ? Vor allem hätte die Diagnose schon früher gestellt werden können ? War die Entlassung am Vortag sachgerecht ?

Tut mir leid das der Text so lang und ausführlich geworden ist. Vielleicht liest ihn sich ja doch jemand durch.

Peter_1
06.01.2015, 13:33
Ich würde dazu sagen: unglücklich gelaufen, aber sicher auch sehr schwierig bei einer dementen Patientin aufgrund der eingeschränkten Anamnese. Ob das sachgerecht war? Im Internet nicht seriös zu beantworten, da keiner bei der Untersuchung dabei war. Anscheinend wurden ja Schulter und Wirbelsäule klinisch untersucht, vielleicht kam es ja zur Fokussierung auf die BWS weil beim Abklopfen nur dort eine Schmerzäusserung war? Menschen nicht einfach nur stupide durchzuröntgen ohne Hinweise der klinischen Untersuchung mit einzubeziehen ist ja durchaus sinnvoll. Ist denn auf das auffällige Gangbild am ersten Tag schon hingewiesen worden? Mit Gangbildern ist es immer so eine Sache, Angehörige können Veränderungen oft besser sehen, da sie vorher/nachher kennen (das Gangbild bei 84j. dementen Patienten ist ja eher selten normal), insofern war der Hinweis extrem wichtig und letztlich ist dem ja dann auch nachgegangen worden. Insgesamt unglücklich gelaufen, keine Frage, ob das nun aber fehlerhaft war wird wohl keiner so seriös beantworten können. Letztlich am wichtigsten:die korrekte Diagnose ist ja nun recht zeitnah erfolgt und der Patientin ist ausser den Schmerzen kein großer Schaden entstanden.

monktorres
06.01.2015, 13:44
Hallo schon mal Danke für die Antwort.

Anscheinend wurden ja Schulter und Wirbelsäule klinisch untersucht, vielleicht kam es ja zur Fokussierung auf die BWS weil beim Abklopfen nur dort eine Schmerzäusserung war?
Die Schmerzäußerung hat die Patientin im ganzen Rücken angegeben nicht nur BWS.

Ist denn auf das auffällige Gangbild am ersten Tag schon hingewiesen worden?
Nein das sie erst in Eigenheim selbstständig gegangen ist. Sie wurde mit Trage hineinbefördert und im Rollstuhl hinaus.

Ob kein großer Schaden entstanden ist kann man ja leider nicht beurteilen da der Transport zum Heim sicherlich nicht förderlich für die Fraktur war.

Ich persönlich finde es bei solch einem Fall sinnvoll den ganzen Bewegungsapparat zu untersuchen. Z.B Beweglichkeit der Extremitäten.

monktorres
06.01.2015, 13:44
Hallo schon mal Danke für die Antwort.

Anscheinend wurden ja Schulter und Wirbelsäule klinisch untersucht, vielleicht kam es ja zur Fokussierung auf die BWS weil beim Abklopfen nur dort eine Schmerzäusserung war?
Die Schmerzäußerung hat die Patientin im ganzen Rücken angegeben nicht nur BWS.

Ist denn auf das auffällige Gangbild am ersten Tag schon hingewiesen worden?
Nein das sie erst in Eigenheim selbstständig gegangen ist. Sie wurde mit Trage hineinbefördert und im Rollstuhl hinaus.

Ob kein großer Schaden entstanden ist kann man ja leider nicht beurteilen da der Transport zum Heim sicherlich nicht förderlich für die Fraktur war.

Ich persönlich finde es bei solch einem Fall sinnvoll den ganzen Bewegungsapparat zu untersuchen. Z.B Beweglichkeit der Extremitäten.

Lava
06.01.2015, 13:52
Eine Beckenringfraktur kann man schon feststellen, wenn man mal auf die Leisten drückt. Beim passiven Durchbewegen der Beine muss das nicht unbedingt weh tun (bei einer Schenkelhalsfraktur allerdings schon), so dass man das schonmal übersehen kann, wenn man nicht gezielt danach sucht. Dass man Patienten mit verheilten Beckenringfrakturen hat, von denen keiner je was wusste, kommt ja auch nicht selten vor.

Also wenn ich einen älteren und dementen Patienten bekomme, der mir nicht klar sagen kann, wo es weh tut, prüfe ich eigentlich schon mal grob ab, ob alle Extremitäten bewegt werden können. Und wenn ich an den Rücken dran komme, klopfe ich auch die Wirbelsäule ab.

Sacrumfrakturen übersieht man noch leichter. Die Schmerzen im Leistenbereich gibt der Patient ja häufig an, im Kreuzbereich nicht so. Deswegen ist meine alte Klinik mal dazu übergegangen, bei jedem Patienten mit vorderer Beckenringfraktur ein CT zu machen.

Im oberen Fall hätte man vielleicht stutzig werden können, da ja Angehörige dabei waren, die über die Mobilität der Patientin Auskunft geben konnten. Manchmal versuche ich, die Patienten aufstehen zu lassen. Und wenn sie das nicht können, guck ich nochmal genauer nach, woran es liegen könnte.

monktorres
06.01.2015, 13:59
Danke für die Antwort.
Abgesehen von den Schmerzen der Patientin beim auf die Leisten drücken hat sie auch starke Schmerzen beim bewegen der Beine. Also hätte man da aus meiner Sicht schon weitere Untersuchungen anordnen können. Das CT wurde auch drei Tage später in dem Klinikum durchgeführt.

Brutus
06.01.2015, 15:21
Willst Du jedem dementen Patienten, der gestürzt ist, ein Ganzkörper-CT machen?
Merke: demente Patienten schreien auch ganz gerne mal, wenn sie einfach nur bewegt werden. Weil sie nicht verstehen, was gerade gemacht wird, oder weil sie einen "Drehschwindel" bekommen, oder weil sie Schmerzen haben, wer weiß das schon?
Von daher würde ich mit der Maximaltherapie / Maximaldiagnostik auch eher zurückhaltend sein. Vernünftige körperliche Untersuchung und danach mit Sinn und Verstand Diagnostik! Und wie Lava schon sagte: es gibt genügend Patienten, die kommen mit alten Frakturen in dem Bereich, ohne zu wissen, dass da mal was war.
Frage: Hatte das CT denn eine Konsequenz? Also wurde aufgrund der CT-Untersuchung irgendwas gemacht, was ohne nicht gemacht wurde? :-nix

monktorres
06.01.2015, 16:17
Hatte das CT denn eine Konsequenz? Also wurde aufgrund der CT-Untersuchung irgendwas gemacht, was ohne nicht gemacht wurde?
Durch das Ct wurde erstmal eine dreiwöchige Stationärer Aufnahme und komplette Ruhestellung veranlasst.

Eine Verlegung in ein anderes Klinikum wurde durch den Stationsarzt abgelehnt, da die Patientin nicht transportfähig war. Insofern verwundert es die Angehörigen das am Tage der Erstbehandlung eine Entlassung per Privat P-KW satt finden konnte.

Willst Du jedem dementen Patienten, der gestürzt ist, ein Ganzkörper-CT machen?
Nein nicht jedem, aber wenn es genug Verdachtspunkte gibt halte ich es für erforderlich.

Coxy-Baby
06.01.2015, 16:31
Naja halt nicht optimal gelaufen, aber das wird immer passieren wenn man Kosten/Nutzen abwägt bei Diagnostik, man kann nicht jeden durchs CT rödeln. Da keiner von uns dabei war, ist es auch müssig darüber zu diskutieren. Und ohne jemandem zu Nahe treten zu wollen, aber ein Großteil der Angehörigen von Heimbewohnern, hat keine Ahnung wie es um Omi /Opi steht, was die da noch alles letztes Mal machen konnten, das muss man manchmal auch kritisch hinterfragen...

monktorres
06.01.2015, 16:40
Die Patientin ist keine Heimbewohnerin. Im Eigenheim wird sie von ihren Angehörigen betreut.

Coxy-Baby
06.01.2015, 16:47
da der Transport zum Heim sicherlich nicht förderlich für die Fraktur war.

Dann habe ich das falsch interpretiert.
Wie gesagt, da keiner dabei war sinnfreie Diskussion (IMHO).

Lava
06.01.2015, 16:49
Durch das Ct wurde erstmal eine dreiwöchige Stationärer Aufnahme und komplette Ruhestellung veranlasst.

Ganz toll. 3 Wochen Bettruhe.

Formal gesehen ist eine vordere Beckenringfraktur plus Sacrumfraktur natürlich eine instabile Situation, aber ich glaube, die Bettruhe schadet den Patienten eher als das es was nützt. In meiner alten Klinik haben wir die Patienten meistens trotzdem voll belasten lassen und wenn sie zu schmerzgeplagt waren haben sie eine Sacroplastie mit Schraube bekommen.

Feuerblick
06.01.2015, 16:52
Stellt sich auch die Frage, ob und wie man einen dementen Menschen im KH drei Wochen im Bett hält... :-nix

Coxy-Baby
06.01.2015, 16:53
5-Punkt-fixiert?

Lava
06.01.2015, 16:58
Indem man ihn sobald wie möglich in die Kurzzeitpflege abschiebt. Die haben auch nicht Bettruhe, sondern meistens Teil- oder Entlastung einer Beinachse. Was man natürlich als dementer Greis suuuuper hinkriegt :-keks

Feuerblick
06.01.2015, 17:00
Klaro! Und mehrfache Umgebungswechsel sind bei Demenz ja auch immer ganz großes Kino :-nix

monktorres
06.01.2015, 17:07
Die Patientin wurde nicht fixiert. Ist des Öfteren aufgestanden damit sie ihr Umgebung erkunden kann, da sie nicht wusste wo sie sich befindet. Dies ging anscheinend auch, wurde aber wieder untersagt da die Fraktur zu instabil sei. Nach der Bettruhe war eine Weiterbehandlung in der Geriatrie geplant, dies hat jedoch nicht funktioniert, da sich die Patientin mit einem ansteckenden Virus infiziert hatte. Dadurch bekam sie auch keinen Platz in der Kurzzeitpflege.

Peter_1
06.01.2015, 19:29
Nach der Bettruhe war eine Weiterbehandlung in der Geriatrie geplant, dies hat jedoch nicht funktioniert, da sich die Patientin mit einem ansteckenden Virus infiziert hatte. Dadurch bekam sie auch keinen Platz in der Kurzzeitpflege.
Gutes Beispiel für die Risiken einer Hospitalisierung bei Demenz (oder auch überhaupt im Alter). Die Königsfrage ist wie immer, hat unterm Strich der Patientin die Hospitalisierung genutzt? Immobilisation ist bei Demenz ja so ne Sache, ist ja kaum durchführbar und ausgesprochene Verbote bei wirklich dementer Patientin sind auch nicht wirklich sinnvoll.
Klar sollte man demente Patienten immer komplett klinisch (nicht per Bildgebung) untersuchen, aber auch da steckt der Fehlerteufel im Detail (s. Brutus Statement zum Thema Schmerzäusserung bei Demenz). Bei dementen Patienten sind Diagnosen prinzipiell oft schwerer zu stellen.
Wenn man sich den Verlauf ansieht, so ist kein Schaden entstanden, weder hat man eine OP verpasst/verzögert, noch sind bleibende Schäden durch die einen Tag verzögerte Diagnose entstanden.

monktorres
06.01.2015, 20:05
Das stimmt. Abgesehen von den Schmerzen ist kein Nachweisbarer Schaden entstanden. Ob die Fraktur anders aussehen würde, hätte man sie gleich diagnostiziert, kann man ja leider nicht feststellen.
Nicht nur gutes Beispiel für ältere Menschen, sondern allgemein für die Ansteckung im Krankenhaus. So haben sich bei der Patientin auch die Angehörigen Infiziert.

Brutus
06.01.2015, 20:17
Die Fraktur würde exakt so aussehen. Denn wie wir schon festgestellt haben, konnte man die Patientin nicht wirklich zur Bettruhe bewegen. Ob sie jetzt die Extremitäten aktiv (aufstehen) oder passiv (Tragestuhl) bewegt, ist egal.
Und da es überhaupt keine Konsequenz hatte...
Zu den Krankenhauskeimen: wenn sie einen Tag eher stationär geblieben wäre, hätte sie ihn wohl auch einen Tag eher bekommen. Und was heißt schon INFIZIERT? Wenn es einfach eine Besiedelung war, dann ist es für die Angehörigen (so gesund und immunkompetent) völlig egal, und für sie ist halt die Isolation blöd, weil noch weniger hilfreich bei Demenz und Bettruhe. Ansonsten ist es auch für sie irrelevant.
Und wenn es wirkliche eine Infektion wie Noroviren war, dann ist es halt doof gelaufen. Für die Patientin richtig doof, weil eben dement und mit Fraktur und will aufs Klo. Für die Angehörigen ebenfalls doof, weil krank. :-nix