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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abbrechen und 6 Semester Studien- und Lebenszeit vergeuden?



Anoulie
17.01.2015, 01:07
Hallo Forum,

entschuldigt den langen Text. Eine Zusammenfassung findet ihr unten.

schon seit mindestens einem Jahr überlege ich immer wieder, ob ich das Medizinstudium überhaupt abschließen und später als Ärztin arbeiten möchte. Zur Zeit ist das Thema gerade wieder relativ akut. Meine Eltern sagen, "Kind, überleg dir das gut" und das tue ich auch, und ich dachte, ihr als Medizinstudenten in verschiedenen Abschnitten eures Studiums und eures Lebens könnt mir da eventuell ein paar neue Perspektiven aufzeigen.

Ich bin jetzt im fünften Semester und mein Leben ist eigentlich ziemlich gut. Ich habe liebe Freunde, coole Mitbewohnerinnen, interessante Hobbies, und ich mag meinen Studienort auch ganz gerne. Wenn jetzt nicht noch das Studium wäre... Ich schaffe es einfach nicht, mich hinzusetzen und zig Antibiotika auswendig zu lernen. Das scheint mir alles total sinnlos. Und weil ich weiß, dass ich eigentlich lernen müsste, mich aber nicht dazu aufraffen kann, sitze ich nur da, surfe ziellos im Internet und hasse mich selbst. (Das klingt für euch jetzt vielleicht ein bisschen depressiv -- für mich auch, vor allem, weil es mir schon länger so geht. Ich werde auch eine Therapie anfangen, sobald ein Platz frei wird.)

Im dritten Semester war das genau so, in den anderen Semestern konnte ich auch nicht so gut lernen, bin aber trotzdem ganz gut durchgekommen. Mein Physikum habe ich relativ gut bestanden, und in der Vorklinik musste ich (nur?) zwei Klausuren wiederholen.
Schaffen könnte ich das Studium bestimmt irgendwie; die Frage ist aber, ob es mir das wert ist und vor allem, ob ich danach 40 Jahre meines Lebens als Ärztin arbeiten möchte. Wenn ich jetzt schon depressive Symptome habe, wo ich noch nicht mal Verantwortung für Patienten übernehmen muss, wie wird das dann in der Facharztausbildung? Klar, ich kann nach dem Facharzt auch eine halbe Stelle in einer netten kleinen Praxis bekommen, aber dafür müsste ich mich erst mal durch die nächsten acht Jahre kämpfen. Und mal ehrlich -- so sehr interessiert mich Medizin jetzt auch nicht. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die schon im Kindergarten Unfallchirurg werden wollten, tatsächlich habe ich mich erst nach dem Abi für Medizin entschieden. Wenn mein Durchschnitt nicht für dieses Studium gereicht hätte, hätte ich das auch wahrscheinlich gar nicht gewählt. Klar, es ist richtig interessant und herausfordernd und abwechslungsreich, aber zu welchem Preis? Ich fühle mich, als würde mir meine ganze Energie und Kreativität genommen, und später dann meine Zeit, die ich lieber mit hypothetischen Kindern verbringen würde.

Außerdem möchte ich später eventuell im Ausland, z. B. den USA, leben (mein Freund ist US-Amerikaner) und dort wird unser Examen und unsere Facharztausbildung ja nicht anerkannt.

Wenn ich noch mal 18 sein und über meine Studienwahl nachdenken könnte, würde ich mich nicht mehr gezwungen fühlen, das Schwerstmögliche zu wählen, nur um mir selbst meine Intelligenz zu beweisen. Jetzt sind mir andere Sachen wichtiger. Ich möchte mich nicht nur über meine Karriere definieren. Ich möchte später neben meinem Beruf auch für meine Familie da sein, meinen Hobbies nachgehen und mich ehrenamtlich engagieren. Das hohe Gehalt und das Ansehen sind mir egal. Klar, (Job-)Sicherheit ist gut und wichtig, aber das bieten auch andere Studiengänge. Ich würde lieber etwas machen, das meinen Interessen entspricht, und die waren noch nie besonders naturwissenschaftlich, sondern eher sprachlich. Außerdem arbeite ich gern mit Jugendlichen und Menschen aus anderen Kulturen. Deswegen fände ich Deutsch als Fremdsprache ganz interessant, und wenn ich Medizin abbrechen und stattdessen das wählen würde, hätte ich nach weiteren 6 Semestern statt einer Approbation einen Bachelor, mit dem ich auch schon arbeiten könnte.

Allerdings müsste ich dann meinen Studienort wechseln und hätte die drei Jahre meines Medizinstudiums sozusagen verschwendet (denn ich kann ja erst zum Wintersemester ein anderes Studium anfangen; die Bewerbungsfrist zum Sommersemester ist gerade abgelaufen). Und ich mache mir Sorgen, dass ein Studienwechsel meine Probleme nicht löst, sondern dass es mir da genau so gehen wird. Außerdem verliere ich dann mein Stipendium und ich weiß nicht, ob ich dann wieder Bafög bekommen würde (hatte im 1. Semester Bafög, dann Stipendium).

Kurz gesagt:
- bin im 5. Semester und denke schon länger über Studienabbruch nach
- mein Leben ist ganz gut, ich kann mich aber nicht zum Lernen motivieren und fühle mich deshalb schlecht
- bin mir nicht mehr sicher, ob ich mein Leben lang Ärztin sein will, aufgrund des hohen Stressfaktors und des Zeitaufwands (möchte nicht immer ein Stück vorm Burn-out stehen)
- möchte meinen Beruf nicht zum Mittelpunkt meines Lebens machen, sondern lieber Zeit für Familie, Freunde, Hobbies haben, dafür lieber niedrigeres Gehalt/Jobsicherheit
- interessiere mich eher für Sprachen, Arbeit mit Jugendlichen/Internationalen; könnte mir Deutsch als Fremdsprache vorstellen
- habe aber Angst, dass ich das bereuen und meine Probleme mit dem Studieren dadurch nicht lösen könnte

Viele Grüße und Danke für eure Hilfe.

P.S. Ich weiß, dass viele Menschen jahrelang auf einen Studienplatz warten und alles in Bewegung setzen, um ihren Traum vom Medizinstudium zu erfüllen. Es tut mir Leid, dass das System Leute wie mir problemlos einen Platz verschafft, euch dafür aber benachteiligt. Mir ist klar, dass das Studium ein Privileg ist, und ich bin dankbar dafür, aber wenn ich das alles psychisch nicht schaffe und letztendlich meinen Beruf doch nicht ausüben kann, ist auch niemandem geholfen.

Schnecke89
17.01.2015, 02:14
Werd Lehrerin.

Matzexc1
17.01.2015, 08:06
Hallo.Ich sehe das Problem.Hier mal eine Antwort:

1.An diesem bescheuerten System bist nicht du Schuld sondern die Hornochsen von Politikern. Aber ich frage mich warum du noch das Physikum durchziehst wenn du schon vor längerem merkst das die Medizin nicht so dein Fall ist?

2.Du kannst nicht nur mit Patienten arbeiten,es gibt auch Jobs in der Forschung,der Industrie und eine Ärztin war Lehrerin an der Krankenpflegeschule.Es zwingt sich keiner nur mit Patienten umzugehen.

3.Ich selber denke auch ans auswandern und plane deshalb mit einer Kollegin das amerikanische Examen zu machen.Übrigens ihr Freund war auch US-Amerikaner und vor ein paar Monaten ging die Beziehung in die Brüche. Das US-Stex holen wir uns trotzdem.

4.Ich kenne genug Lehrerinnen.Und die alle haben keinen entspannten Job,zu Hause wird meistens noch stundenlang am Unterricht gefeilt. Wer sagt dir,dass ein anderes Studium besser ist?

5.Warum nimmst du dir nicht ein Urlaubssemester und gehst zur psychologischen Beratung der Uni? In Marburg haben das jetzt viele eingelegt.

Ich hoffe das hilft dir.
LG aus MR

ehemaliger User_25062015
17.01.2015, 14:05
Vielleicht ist ein Urlaubssemester keine schlechte Idee. Wenn du danach wieder Lust und Motivation hast, dann mach weiter. Wenn du allerdings dann auch keinen Bock mehr hast, würd ich nicht auf Teufel komm raus ein Studium beenden, das dich nicht mehr interessiert.

EVT
17.01.2015, 14:24
Antibiotika lernen fand ich auch doof. :-)
Hast du schonmal Famulaturen gemacht? Warum hast du mit Medizin angefangen? Dein guter Abischnitt wird ja nicht der einzige Grund gewesen sein oder? ;-)

Wie schon gesagt wurde, das amerikanische Examen kann man ablegen und dann für die Facharztausbildung in die USA gehen, aber Beziehungen enden auch schonmal und mit dieser Planung würde ich bis zum Studienende warten.
Mehr Zeit für Kinder hast du in den USA definitiv nicht, wenn du als Ärztin arbeiten willst.

Bei Lehramtsstudiengängen oder DaF musst du genau auf die Fächerkombi achten, sonst bekommst du gar keinen Job.
Vor einer Klasse zu stehen ist auch nicht gerade stressarm.

Aber wahrscheinlich liegt das Problem gar nicht am Studium selber, sondern an deiner gesundheitlichen Verfassung.

Mietzekatze
17.01.2015, 15:30
...würde ich mich nicht mehr gezwungen fühlen, das Schwerstmögliche zu wählen, nur um mir selbst meine Intelligenz zu beweisen.
Finde die zwei Fehler in diesem Satz...:-))

WackenDoc
18.01.2015, 08:37
Der Vorteil an der Medizin ist, dass man mit abgeschlossenem Studium viele verschiedene Möglichkeiten hat.
Ich hab mich auch eher durch´s Studium gequält und die klinische Weiterbildung war auch nicht so ganz mein Ding. Jetzt hab ich eine Nische gefunden, die mir Spass macht. Ist zwar eine etwas exotische Mischung und reich wird man dabei auch nicht, aber das finde ich nicht schlimm.

Alleine die Schwerpunkte der verschiedenen Fächer sind sehr unterschiedlich- vom stundenlangen Freipräparieren von kleinsten Strukturen wie z.B. in der HNO, über die Unfallchirurgie wo es bisweilen robuster zugeht als bei meinem Mechaniker in der Wekrstadt, bis zur Psychiatrie, wo man weniger handwerkliches Geschick braucht, oder auch die Innere mit einiger Routine aber durchaus detektivischen Fragestellungen.

Und darüber hinaus kann man in vielen verschiedenen Bereichen arbeiten- vom Spitzenforscher in irgendeinem Unter-unter-unter Fachgebiet bis zum Allrounder-Landarzt, vom Expeditionsarzt bis zum Labornerd, vom Notarzt bis zum Controller.

davo
18.01.2015, 08:50
Irgendwie finde ich deine "Alternativen" reichlich naiv. Um in den USA arbeiten zu können, musst du lediglich das US-Examen machen - als Lehrer ist es viel schwerer, dort einen Job (und eine Aufenthaltsgenehmigung) zu bekommen. Außerdem will man am Großteil der Schulen in den USA definitiv NICHT arbeiten.

Was ist denn jetzt eigentlich das Problem? Du bestehst ja anscheinend alle Prüfungen. Ich würde also vorschlagen weniger über das Studium nachzudenken, dir weniger Stress mit dem Lernen zu machen, usw. - mach einfach so weiter wie bisher, nur ohne dir andauernd selbst Stress zu machen, dann wirst du das Studium ja auch schaffen. Und für die Zeit danach: wieviel Stress man hat hängt IMHO _sehr_ stark davon ab, für welches Fach man sich entscheidet, und an welchem Krankenhaus man arbeitet. In der inneren Medizin beispielsweise arbeitet man während der Facharztweiterbildung in den USA im Durchschnitt nochmal deutlich mehr als in Deutschland. Aber es gibt auch Fächer wie Pathologie, wo die Arbeit ziemlich geruhsam ist, und man auch viel Freizeit und Privatleben haben kann. Man kann ja auch nach Schweden gehen, wo die Arbeitszeiten sehr strikt geregelt sind. Davon auszugehen, dass es als Lehrer grundsätzlich weniger stressig ist, halte ich für naiv.

Und wie wertvoll gutes Gehalt und hohe Jobsicherheit sind, merken viele erst dann, wenn sie beides längere Zeit nicht haben - also dann, wenns zu spät ist.

Anoulie
18.01.2015, 17:21
Danke für eure Antworten.

In den nächsten Monaten kann ich ja eh noch nichts entscheiden, und das ist wohl auch gut so, denn mein Zweifeln an meinem Studium und meinem späteren Beruf hat wohl mehr mit mir und meiner derzeitigen Stimmung zu tun als mit Medizin an sich. Deswegen habe ich auch das Physikum durchgezogen, @Matzexc1 -- im Sommer ging's mir super, und im Gegensatz zu vielen meiner Kommilitonen hat mich das ganze Lernen psychisch fast gar nicht mitgenommen. Da war's halt auch Sommer. Die Abbruchgedanken kommen eher in der kalten/dunklen Jahreszeit.
Ein Studienwechsel würde da also vermutlich auch nichts ändern. Und mit Deutsch als Fremdsprache gibt es halt fast keine Festanstellungen. Geringes Gehalt wäre ja okay, aber Krankenversicherung, bezahlten Urlaub usw. hätte ich schon ganz gern.

Psychologische Beratung der Uni ist eine gute Idee. Ich mache auch ab 2.2. eine Famulatur in einer Gemeinschaftspraxis, das ist bestimmt auch ganz gut, um mal den Alltag von Ärzten kennenzulernen, die nicht 60 Stunden/Woche in der Notaufnahme arbeiten.
Ich will schon auf jeden Fall mit Patienten arbeiten, das ist mir viel lieber als forschen o. Ä. Mein Problem ist eher das Gegenteil, dass ich später nicht nur wie ein Mechaniker für Menschen sein möchte ("Nehmen Sie diese Tabletten drei Mal täglich und kommen Sie in einer Woche wieder, wenn's nicht besser wird. Der Nächste, bitte"). Selbst als ich wegen V. a. Depression zu meiner Hausärztin gegangen bin, war ich in 10 Minuten mit einem Rezept für Psychotherapie und ein paar Adressen wieder draußen. Das kann ich mir später für mich nicht vorstellen. Aber WackenDoc hat schon recht: Es gibt so viele Möglichkeiten mit einem abgeschlossenen Medizinstudium. Da sind bestimmt auch interessante Sachen mit weniger Zeitdruck und Möglichkeit auf 20-30 Stunden/Woche dabei.

Mit den USA ist das so eine Sache. Auch wenn ich das Examen hier machen kann -- auf eine Facharztausbildung dort habe ich wenig bis gar keine Lust. Aber das kann ich ja (gemeinsam mit meinem Freund) auch später noch entscheiden und das ist ja kein Grund zum Studienabbruch. Falls wir dorthin gehen, könnte ich ja immer noch was anderes machen, je nachdem, wie's dann finanziell aussieht. Aufenthaltsgenehmigung wäre ja nicht so das Problem.

davo: Nicht so viel Stress machen klingt einfacher, als es ist. Im Moment ist es (vor allem im Wintersemester) so, dass ich während des Semesters nur das absolute Minimum mache (zu Pflichtveranstaltungen gehen und Seminare vorbereiten, wenn das explizit verlangt wird), dann ein paar Wochen vor den Klausuren Panik bekomme und relativ unstrukturiert/ineffizient mit dem Lernen anfange, mich dabei total fertig mache und dann knapp bestehe (65-70% bei 60%-Bestehensgrenze). Ich hab halt in der Schule nie wirklich zu Hause lernen müssen, aber da hatte ich auch nur Sprachen in den Leistungskursen und fast keine Naturwissenschaften.
Und dieses Semester schaffe ich es selbst vor den Klausuren nicht (12 Tage noch), mich hinzusetzen und zu lernen. Wie ich in dem anderen Thread geschrieben habe -- total blockiert. Dafür muss ich dann halt in den nächsten Semestern mehr tun. Wenn ich bis dahin therapeutische Hilfe habe, sollte das ja ganz gut klappen.

HannaLuisa
19.01.2015, 15:12
Liebe Anoulie,

diese Winterlöcher sind sehr häufig, von daher ist es sicher gut, dass du jetzt noch nichts entscheiden kannst.
Was Sprachen angeht und die tatsächliche Zeit mit Patienten - geht mir ähnlich.
Da wäre Psychiatrie teilzeit vielleicht was für dich. Aus Kliniken kenne ich einige Ärzte, die in der Weiterbildung auf Teilzeit sind, eben wegen Familie.
Ich könnte mir für mich vorstellen, in Obdachlosen/Asylunterkünften ehrenamtlich tätig zu sein, da hättest du auch deine Sprachen.
Für mich klingst du auch eher nach Winterdepression als Studiumdepression.

Alles Liebe
HannaLuisa

Snowcake
19.01.2015, 15:36
Hallo,
für mich klingen Deine Posts nicht nach jemandem der überzeugt hinschmeißen will, sondern vielmehr nach jemandem, der momentan unter einer Mischung aus Winterdepression und Prokrastination leidet.
Du hast das Physikum in Regelzeit geschafft und wie Du schreibst auch recht gut absolviert, das Lernen hierfür hat Dir nicht viel ausgemacht, Du willst mit Patienten arbeiten und klingst auch ein bisschen gespannt auf die bevorstehende Famulatur.
--> mach erst mal weiter!!!
Ggf. mit einem Urlaubssemester, das würde Dir bestimmt gut tun, wenn die Stimmung nicht besser wird finde ich auch den Gedanken an eine Therapie ganz gut.
Wenn Du schreibst, Du machst aktuelle ohnehin nur das aller nötigste, dann setze dich doch mal in Vorlesungen von Studienfächern, die Dir als Alternative vorschweben.
Ich quäle mich noch durch die Vorklinik und habe immer wieder so großen Frust, dass ich auf die unterschiedlichsten (und brotlosesten) Fächer komme, die ich doch stattdessen studieren könnte. Wenn ich dann mal die Vorlesungen besuche, denke ich mir hinterher meist "ganz nett, aber ein ganzes Studium davon? Nein danke...dann doch weiter Medizin".
Vielleicht gehts dir ja auch so.
Überstürze jetzt nichts, ich glaube du liegst schon ganz richtig mit deinem Studium :-)

expecting
19.01.2015, 15:44
Hey,

ich kann dich gut verstehen. Wir sind uns in einigen Dingen ähnlich. Ich war auch schon immer in Sprachen deutlich besser als in Naturwissenschaften, und mir bricht es ein bisschen das Herz, dass ich meine Sprachleidenschaften (außer Englisch) während des Studiums ganz schön vernachlässige. Und genau wie du ist mir eine gute "Work-Life-Balance" sehr wichtig. Ich möchte später auf jeden Fall Kinder und auch viel Zeit für sie haben.

Ich hab im Lauf des Studiums auch oft ans Abbrechen gedacht. Aber die Sache ist: die Alternativen sind meistens auch nicht so rosig, wie sie scheinen. Ich selbst denke auch manchmal sehnsüchtig darüber nach, ob ich nicht doch besser eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester hätte machen sollen. Da hätte ich den Kontakt zu Kindern, den ich im Beruf auf jeden Fall haben möchte, und hätte mir ne Menge Zeit und Mühe erspart. Aber das lässt sich leicht sagen, wenn man nicht selbst in dem Beruf arbeitet. Es gibt sicherlich sehr glückliche Krankenschwestern, aber auch da gibts viele Nachteile (Schichtdienst, körperlich anstrengend, Hierarchien, usw.) Das Gras auf der anderen Seite wirkt leider eben immer grüner.

Das Studium ist nicht schön, aber man kann es durchstehen, es gibt (zumindest für mich) auch schöne Seiten, die einen wieder motivieren können. Und als approbierte Ärztin hast du einen Abschluss, mit dem du letzten Endes ziemlich vielfältig und auch ziemlich flexibel arbeiten kannst. Wie du selbst sagst, es muss ja absolut nicht die 60h-Woche in der Notaufnahme sein. Man kann auch z.B. auf dem Gesundheitsamt oder in einer gemütlichen Gemeinschaftspraxis mit ner Viertelstelle arbeiten oder so. Eine Ärztin und Mutter, die ich kenne, teilt sich seit 20 Jahren mit einer anderen Ärztin eine halbe Stelle im Krankenhaus (Anästhesie).

Klingt vielleicht verrückt, aber wenn dir die dunkle Jahreszeit so übel zusetzt (mir gehts ähnlich), wie wärs mit einer Famulatur in einem sonnigen Land? Jetzt ist es vielleicht schon ein bisschen spät, aber im nächsten Winter oder so :) da könntest du ein bisschen Sonne tanken und die Winterdepression vertreiben.

Alles Gute :-)

EVT
20.01.2015, 12:23
Nur mit Sprachen kann man kaum Geld verdienen, dafür gibt es zu viele Leute, die mehrere Sprachen gut sprechen und zusätzlich z.B. noch BWL studiert haben.

Medizin ist doch sehr international, da kann man mehrere Sprachen verbessern. Macht doch Famulaturen im Ausland, Doktorarbeit, Erasmus, PJ.. Es gibt so viele Möglichkeiten. Dazu noch Sprachkurse an der Uni oder sich um Austauschstudenten kümmern.

davo
20.01.2015, 17:32
Nur mit Sprachen kann man kaum Geld verdienen, dafür gibt es zu viele Leute, die mehrere Sprachen gut sprechen und zusätzlich z.B. noch BWL studiert haben.

Genau das ist das Problem. Selbst mit einer gefragten Sprache, wie Japanisch, hat man letztlich kaum eine Chance auf einen halbwegs vernünftigen Job, außer wenn man zusätzlich noch gute BWL-, Ingenieurs- oder Jura-Kenntnisse hat. Wenn man jung ist, stört das viele Menschen nicht, aber wenn man älter wird, ist es ziemlich lästig, wenig zu verdienen und geringe Jobsicherheit zu haben.

Andererseits denke ich aber auch, dass es in Deutschland nach wie vor ziemlich schwer ist, einen Betriebswirt, Ingenieur oder Juristen mit wirklich (!) guten Englisch-Kenntnissen zu finden - jeder schreibt ja heutzutage fluent oder verhandlungssicher in den Lebenslauf, aber die Realität sieht dann fast immer ganz anders aus. Wer da wirklich gute Englisch-, Französisch- oder auch Spanisch-Kenntnisse hat, hat schon einen großen Vorteil am Arbeitsmarkt.

Gerade im Bereich der Übersetzungen und des Dolmetschens darf man IMHO auch nicht unterschätzen, wieviele Jobs durch technischen Fortschritt und durch die internationale Einigung auf das Englische als Geschäftssprache verloren gingen, und noch verloren gehen werden (siehe Skype Translator).

eny
25.02.2015, 11:35
Das mit den Sprachen ist meiner Meinung nach noch nicht ganz verloren würde ich sagen. Du kannst später immer noch in Richtung medizinische Fachübersetzungen gehen und hättest mit dem Staats doch einen entscheidenden Vorteil.
Die reinen Sprachstudiengänge sind soweit ich weiss doch sehr literaturlastig und da müsste man halt der Typ dazu sein.
Selber kenne ich zwei aus meiner alten Klasse, die ein Literaturstudium absolviert haben (ohne Lehramt), die eine ist heute bei amnesty international, die andere war in der Wissenschaft.
Das werden beides sicher keine higend Jobs sein, aber sie kommen gut durchs Leben.

Dass Du das Studium wirst abschliessen können, daran habe ich keine Zweifel, die Frage ist eher, was Du hinterher daraus machen wirst.

BetterCallSaul
28.02.2015, 07:41
Teilzeitarbeit in der Anästhesie
Facharzt für Anatomie (Lehre und Forschung)
Lehrerin

Herzkasperl
11.03.2015, 14:31
Lernmotivationsschwächen sind sowas von normal....

Sooo, um mal aus der Erfahrung heraus zu sprechen: ich bin inzwischen 42, habe ein Kind, arbeite, bin nebenher im 3 oder 4. Studium (je nachdem wie man es zählt... es ist jedenfalls 1-2 mal Technik, 1 mal juristisches und 1 mal Medizin) und ich dachte beim ersten Studium im 3. Semester auch ans Wechseln. Zum Glück habe ich nicht gewechselt, denn man kann a) danach immer noch etwas anderes studieren und b) weiß man nie, wofür man es noch braucht - und ich habe es noch gebraucht.

Deine Interessen sind nicht unvereinbar mit Medizin. Ich würde sogar noch weitergehen und behaupten: ich kenne kein Fach, das besser geeignet wäre. Also: Studium fertig machen, Facharztausbildung zur Allgemeinärztin im Khs beginnen. Das werden dann zwar die härteren 2-3 Jahre, aber danach ist der Stress vorbei!! Dann wirst Du Assistentin in einer Hausarztpraxis, mit 27 schwanger und fährst dann locker den Allgemeinfacharzt nach Hause. Und wenn Dir das nicht gefällt: es gibt so viele andere Berufe, die Du mit dem Studium machen kannst. Aber die haben alle, alle weniger Freizeit. Die Freizeit und die Flexibilität, die Ärzte haben, findest Du sonst fast nirgends, vergiss es einfach. Meine Freundin ist Ärztin: Wenn Dir der Arztjob in einer Allgemeinarztpraxis zu stressig ist, dann würde ich Dir dringendst von einem Wechsel abraten, etwas unstressigeres wirst Du kaum finden, willkommen beim Erwachsen-werden. :-)

Das mit der Sprache und den Jugendlichen: Du kannst fast überall auf der Welt mit dem deutschen StEx arbeiten.

Das mit den USA würde ich mal außen vor lassen in den Überlegungen, Du bist 21, die Ostküste ist nicht weit weg (auch da rede ich aus Erfahrung....). Zumindest während Studium und FA ist das mit einer Fernbeziehung locker zu machen, such Dir dann ne Klinik im Hinterland von FFM oder MUC.