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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hirntumor durch Röntgen beim Zahnarzt?



zahnfee_to_be
25.01.2015, 08:33
Hallöle Mitforisten,
ich bin gerade auf einen etwas älteren Artikel bei Spiegel Online gestoßen, der mich nachdenklich gemacht hat:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/haeufiges-roentgen-beim-zahnarzt-erhoeht-risiko-fuer-gutartigen-hirntumor-a-835983.html

Wie die Überschrift schon sagt, sollen zahnärztliche Röntgenaufnahmen das Risiko von Hirntumoren erhöhen.
Ich bin noch am Anfang meines Studiums und kann daher noch nicht so gut einschätzen, wie das alles zusammenhängt, aber ist das nicht ein ziemliches Problem? Was tut man dagegen?

jan_mediklin
25.01.2015, 13:25
Ich habe zu eben dieser Studie einen Vortrag auf dem Deutschen Zahnärztetag 2012 gehört.
Ich drücke es ein bisschen überspitzter aus, als der Referent, dessen Name mir entfallen ist, aber diese Studie ist ganz klägliche Wissenschaft. Ein Zusammenhang, zwischen Meningeomen und Zahnfilm-Aufnahmen, wie ihn die Forscher hier gefunden haben wollen, lässt sich mit dieser "Studie" nie und nimmer nachweisen.
Weißt du, wie hoch die Strahlenbelastung einer einzelnen Zahnfilm-Aufnahme ist? Weißt du auch, wie viel Röntgenstrahlung ein Mensch allein durch kosmische Strahlung aus dem Weltraum jeden Tag abbekommt? Berücksichtigt die Studie, wie oft die Meningeom-Patienten in der Zeit Flugreisen unternommen haben oder wo sie gelebt haben?
Der Artikel bzw. die Studie ist eher ein Beispiel dafür, wie Behauptungen auf angeblich wissenschaftliche Beweise gestützt werden und wie wichtig es ist, sich damit auseinanderzusetzen, wie Wissenschaft gemacht wird und wie man Studien interpretieren sollte.

zahnfee_to_be
25.01.2015, 13:29
Okay, danke für deine Antwort. Leider habe ich keine Ahnung von den Strahlenbelastungen, vielleicht kannst du das kurz erklären?

jan_mediklin
25.01.2015, 13:35
Puuh, okay, aber ganz kurz.
In Deutschland liegt die durchschnittliche Dosis Röntgenstrahlung, die du allein dadurch abbekommst, dass du auf der Erde bist, bei 2,4 MilliSievert http://de.wikipedia.org/wiki/Sievert_%28Einheit%29
Ein (analoger Zahnfilm) belastet dich mit ca. 6 MikroSievert (ein digitaler ungefähr die Hälfte).
Jetzt brauchst du nur ein bisschen Mathematik und gesunden Menschenverstand und solltest deine eigenen Schlüsse ziehen können.

ehem-user-02-08-2021-1033
25.01.2015, 14:08
Puuh, okay, aber ganz kurz.
In Deutschland liegt die durchschnittliche Dosis Röntgenstrahlung, die du allein dadurch abbekommst, dass du auf der Erde bist, bei 2,4 MilliSievert http://de.wikipedia.org/wiki/Sievert_%28Einheit%29
Ein (analoger Zahnfilm) belastet dich mit ca. 6 MikroSievert (ein digitaler ungefähr die Hälfte).
Jetzt brauchst du nur ein bisschen Mathematik und gesunden Menschenverstand und solltest deine eigenen Schlüsse ziehen können.
http://de.wikipedia.org/wiki/Strahlenschaden
Stichwort stochastischer Strahlenschaden:

Die Zelle teilt sich, vererbt aber die veränderte DNS an die Tochterzellen weiter. Die Folge sind stochastische Strahlenschäden. Sie treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Exposition auf. Für sie gibt es vermutlich keine Schwellendosis; die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines solchen Schadens ist proportional zur Dosis. Die Höhe der Dosis beeinflusst dabei nicht die Schwere der Erkrankung, sondern nur die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Die stochastischen Strahlenschäden sind entscheidend bei niedrigen Dosen und für die Abschätzungen des Strahlenrisikos im Strahlenschutz.


Ja, auch ein zahnärztliches Röntgen kann Ursache eine Hirntumors sein, da es sich schlicht um ionisierende Strahlung handelt. Das ist molekularbiologisch erwiesen. Das Eintreten ist allerdings eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Schwierig ist es aber aufgrund von Confoundern, mangelnden Daten und niedriger Inzidenz dieses Risiko epidemiologisch für die Gesamtbevölkerung zu erfassen bzw. zu quantifizieren.

Einen Exkurs möchte ich aber dennoch geben:
Bei der Transfusion eines Erythrozytenkonzentrates liegt das Risiko einen Patienten mit Hep B zu infizieren bei etwas 1:1.000.000, für HIV liegt es bei 1: 16.000.000 (Quelle: https://www.blutspendedienst-west.de/patienten/sicherheit.php)

Für meine ärztliche Praxis bedeutet es aber, dass ich den Patienten explizit über das Risiko aufklären muss und auch äußerst streng die Indikation zur Transfusion stellen muss, da ich bei mangelnder Indikation zur Transfusion im Falle einer Infektion schuldhaft handeln würde und dem Patienten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet wäre.

Risiko des Röntgens beim Zahnarzt hin oder her, wie bei allen medizinischen Maßnahmen muss man immer eine individuelle Risiko-/Nutzenabwägung treffen. Alles andere wäre verantwortungslos.

jan_mediklin
25.01.2015, 19:08
wie bei allen medizinischen Maßnahmen muss man immer eine individuelle Risiko-/Nutzenabwägung treffen. Alles andere wäre verantwortungslos.

Richtig. Dennoch ist diese Studie Quatsch, da würdest du mir doch zustimmen, oder?

ehem-user-02-08-2021-1033
26.01.2015, 13:09
Richtig. Dennoch ist diese Studie Quatsch, da würdest du mir doch zustimmen, oder?

Es handelt sich, um eine Fall-Kontroll-Studie mit den bekannten Einschränkungen bzgl. der Kausalität.
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84tiologie#Bradford-Hill-Kriterien_f.C3.BCr_Kausalit.C3.A4t_in_der_Medizin

Ansonsten hat die BZAEK eigentlich eine gute Stellungnahme zu dem Thema veröffentlicht:
http://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/za/roentgen/1205_statement_roentgen_meningeome.pdf

Als Quatsch würde ich die Studie aber nicht bezeichnen, man muss nur entsprechend vorsichtig die Ergebnisse interpretieren. Überschießende Interpretationen wären sicherlich Quatsch.

jan_mediklin
31.01.2015, 10:27
Weiß von euch vielleicht jemand, ob es Studien gibt, die einen möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten Tätigkeiten wie Pilot und Flugbegleiter und einem vermehrten Auftreten von Tumoren, untersucht haben?

Gesocks
31.01.2015, 11:47
Das kommt sicherlich ganz stark auf die Kohorte an; sowas wie UV-Schutz wird in den 50ern wohl schon weniger gut gewesen sein als heute. Guck doch mal bei pubmed.

baugruen
31.01.2015, 17:37
Das kommt sicherlich ganz stark auf die Kohorte an; sowas wie UV-Schutz wird in den 50ern wohl schon weniger gut gewesen sein als heute. Guck doch mal bei pubmed.

hm... uv-schutz? normale verkehrsflugzeuge fliegen in der regel ja schon mit einer intakten außenhülle. wo sollen denn da die uv-strahlen durch? ich denke, es geht hier eher um kosmische strahlung.

EVT
31.01.2015, 21:23
Weiß von euch vielleicht jemand, ob es Studien gibt, die einen möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten Tätigkeiten wie Pilot und Flugbegleiter und einem vermehrten Auftreten von Tumoren, untersucht haben?

Ja da gibt es mehrere zu. diese hier z.B.: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22395103

Es ist ja aber nicht nur die Strahlung, sondern auch die ständigen Zeitumstellungen, erhöhte UV-Strahlung in manchen Zielorten..

jan_mediklin
01.02.2015, 10:55
Danke für den Pubmed-Link.

Ständige Zeitumstellungen fördern Tumorentstehung oder wie ist deine Aussage zu verstehen?
Das mit der erhöhten UV-Strahlung ist natürlich genau so ein Punkt, weshalb ich die Studie, um die es hier ursprünglich ging, für sehr schwach halte. Denn demnach müsste man ja sagen, ein Pilot, der zwanzig Jahre lang nach Australien fliegt und am Ruhetag ohne Sonnencreme am Strand liegt, bekam Krebs. Also haben Piloten ein höheres Krebsrisiko... Ist eben die falsche Schlussfolgerung.

Absolute Arrhythmie
01.02.2015, 12:01
Wie bei allen Studien gilt zu beachten: Korrelation ungleich Kausalität.

Gesocks
01.02.2015, 12:38
hm... uv-schutz? normale verkehrsflugzeuge fliegen in der regel ja schon mit einer intakten außenhülle. wo sollen denn da die uv-strahlen durch? ich denke, es geht hier eher um kosmische strahlung.
Durch die Cockpitverglasung... ;-)

baugruen
01.02.2015, 14:58
Durch die Cockpitverglasung...
hach, ich wollte deinen post gerade so gern als unfug abtun... hab dann aber gelesen, dass tatsächlich ein paar uvA-strahlen durchs glas kommen. nun ja, weiß man erst seit ein paar jahren und da ich sonst nur die wendy lese, ist es an mir vorbei gegangen...

Kandra
01.02.2015, 15:17
Kennst du nicht die Fotos von dem Trucker aus den USA?
http://www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de/2012/06/04/schockierende-foto-so-gefahrlich-ist-die-sonne-fur-die-haut/

EVT
05.02.2015, 13:15
Gibt es auch mit Taxifahrern, die einen Zwilling haben, der kein Taxifahrer ist. :-))

Aber vielleicht ist das Cockpitglas besser geschützt und lässt keine Strahlen durch.

FirebirdUSA
05.02.2015, 21:15
Ich denke das gepostete Positionspapier listet doch die schwersten Mängel der Diskussion des Papers auf: Andere Strahlenquellen wurden ignoriert und eigentlich ist die Entstehung von Meningeomen durch Zahnaufnahmen eher unwahrscheinlich kommt doch die Strahlung max. als Streustrahlen am Hirn an.

Es gibt ein ganz gutes Paper (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3418594/) das gezeigt hat das bei Kindern insbesondere Schädel-CTs das Risiko für Leukämie und Hirntumoren tatsächlich erhöhen. Das absolute Risiko ist jedoch immer noch sehr gering (hier wurden über 170 000 Kinder eingeschlossen und es gab nur 135 Hirntumordiagnosen). Kinder sind jedoch durch den höheren Zellumsatz und der noch blutbildenden Kalotte deutlich strahlensensibler als Erwachsene... wie immer: Ja Strahlung ist schädlich und man sollte immer gut Nutzen und Risiken abwägen aber man sollte die Gefahr auch nicht überschätzen.

baugruen
06.02.2015, 10:36
Kennst du nicht die Fotos von dem Trucker aus den USA?
http://www.deutsche-gesundheits-nach...-fur-die-haut/
kannte ich tatsächlich nicht, danke für den post.


Kindern insbesondere Schädel-CTs das Risiko für Leukämie und Hirntumoren tatsächlich erhöhen
keine Frage. ct haben ja auch das vielfaches der strahlenbelastung ggü. zahnfilmen. aber danke für den hinweis