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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Impfpflicht in Deutschland? - Ja oder Nein?



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Denüse
05.03.2015, 15:53
Moin zusammen!

Da sich bisher in "meinem" Masern-& Impfgegner-Faden alle für eine Impfpflicht in Deutschland ausgesprochen haben, würde mich mal so das allgemeine Stimmungsbild in den Foren hierzu interessieren.

Ja, nein oder gibt es alternative Wege? Dann bitte mal Eure Ideen hier reinposten.

Bin schon total gespannt, was dabei wohl raus kommt! :-) Und ich hoffe, Google schickt uns jetzt nicht lauter Impfgegner-Trolle hier in die Foren... :-)) :-oopss

Liebe Grüße,

Denüse

vanilleeis
05.03.2015, 15:58
Impfpflicht ist mir zu extrem. Manchnal gibt es als Eltern auch gute Gründe, später oder auch -zunächst- selektiert zu impfen. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Kinder dann halt auch nicht in Gemeinschaftseinrichtungen gehören.

Also: impfpflicht per se nein, bei Besuch von Kita, Tagesmutter -staatlich gefördert- ja

Muriel
05.03.2015, 16:00
Eigentlich ein dickes Ja meinerseits. Aber mMn schwierig umzusetzen. Letztendlich greift man da in das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein und das würde mit Sicherheit die ein oder andere Verfassungsklage nach sich ziehen. Wo ich definitiv für wäre und was meiner Meinung nach ein guter Kompromiss wäre, wenn bei Aufnahme in die Tagespflege oder in den Kita oder sonst eine Betreuung Impfungen laut Stiko vorgelegt werden müssten. Ausnahmen bei medizinischen Gründen gelten selbstverständlich, Herdenimmunität als Stichwort. Damit würde man wohl doch noch einige eigentliche Verweigerer fassen.

Kandra
05.03.2015, 16:24
Eigentlich ein dickes Ja meinerseits. Aber mMn schwierig umzusetzen. Letztendlich greift man da in das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein und das würde mit Sicherheit die ein oder andere Verfassungsklage nach sich ziehen.

Es geht aber in der Regel nicht um das Selbstbestimmungsrecht über meinen Körper, sondern über den Körper des Kindes. Und da sollte das Kindeswohl über allem stehen.
Ein Besuchsverbot für (ohne guten/medizinischen Grund) nicht geimpfte Kinder für öffentliche Einrichtungen aller Art (inkl Schulen) wäre zwar ein guter Anfang, greift aber dann auch erst ab 6 und da ist die Sache ja dann meistens schon gelaufen.

Autolyse
05.03.2015, 16:47
Eigentlich ein dickes Ja meinerseits. Aber mMn schwierig umzusetzen.[...]
Eigentlich nicht. Die Verordnungsermächtigung steht schon im Infektionsschutzgesetz und kann sogar von den Landesregierungen angeordnet werden. Bedingung ist nur die Möglichkeit einer schwerwiegenden Verlaufsform der Erkrankung und die Möglichkeit einer epidemischen Verbreitung. Beides kann man für die Masern bejahen.

Moonchen
05.03.2015, 17:04
Ich fände eine allgemeine Impfpflicht nicht gut - im Prinzip ist eine Impfung ja wie eine Blutentnahme "Körperverletzung", die zu Nebenwirkungen führen kann und sollte daher auch von den Erziehungsberechtigten mitgetragen werden.
Eine Impfpflicht für staatlich finanzierte Gemeinschaftseinrichtungen, in denen andere gefährdet werden könnten, fände ich dagegen richtig und sinnvoll!

Flemingulus
05.03.2015, 17:09
Bei solchen Diskussionen gibt's oft (selbt wenn keine dogmatischen Impfgegner mitmischen) sehr schnell ein schönes Durcheinander.

Ich würde die folgenden Aspekte getrennt betrachten:

1) Fremdbestimmung eines Kindes zu dessen Schaden durch impfverweigernde Eltern

Sprich: Eltern sind Impfgegner, enthalten ihrem Kind daher eine eigentich sinnvolle Impfung vor, das Kind nimmt deshalb Schaden.

Hier könnte eine strikte Impflicht (Strafen für die Eltern bei Nichtimpfenlassen des Kindes plus staatlicher Zwang) oder eine "Impfpflicht light" (Nachteile für die Eltern bei Impfverweigerung wie Verweigerung von Krippenplätzen, finanzielle Nachteile etc.) greifen.

Wenn man über so etwas nachdenkt, sollte man sich aber auf jeden Fall Gedanken machen, wo so ein Prinzip endet, sprich: welcher potentieller Nachteil für ein Kind durch insuffiziente Eltern rechtfertigt staatliches Eingreifen? Bei Masern hätten wir es mit sehr schwerwiegenden (Tod, langfristige Gesundheitsschäden) aber nicht hochwahrscheinlichen Gefahren für das Kind zu tun, wenn die Eltern fahrlässig eine Impfung verweigern.

Wenn man hier für staatliche Eingriffe zum Kindeswohl ist, wie sieht es dann bei ganz andersartigen Szenarien elterlichen Fehlverhaltens mit vielleicht (?) weniger schwerwiegenden Konsequenzen für ein Kind aus (ungesunde Ernährung der Kinder durch Eltern, zu wenig Sport, Vermittlung falscher Werte)? Rechtfertigen auch solche Umstände ein staatliches Eingreifen? Also: wo ist die Grenze der staatlichen Fürsorge zum Wohl des Kindes? Ich hab hier noch keine festgelegte Meinung... vielleicht aber Ihr?

2. Wohl eines Kindes vs. Wohl eines Erwachsenen

Szenario: Ein Erwachsener lässt sich aus Angst vor Nebenwirkungen (hat vielleicht eine frühere Impfung schlecht vertragen) nicht gegen Masern impfen, bekommt Masern und steckt dann ein < 12 Monate altes Kind ohne Impfschutz an.

Hier geht es zunächst einmal um Risikovergleiche: leichte Impfnebenwirkungen vs. pot. schwerwiegende Konsequenzen für das Kind mit Masern. Bei dieser Abwägung scheint mir das Pendel zugunsten der Impfung auszuschlagen.

Daneben ist aber auch die Frage, ob das Wohl eines Kindes einer Gesellschaft prinzipiell wichtiger ist, als das Wohl eines Erwachsenen. Eine derartige Argumentationslinie sehe ich ein bisschen bei Kandra durchschimmern (Zitat: "Und da sollte das Kindeswohl über allem stehen"). Womöglich überinterpretiere ich Kandra, aber ich habe so eine Tendenz in Diskussionen über staatliche Fürsorge zum Kindeswohl andernorts schon rausgehört und halte das für problematisch.

3. Risikominimierung vs. Kontrollzwang

Wie groß muss ein Risiko für den Einzelnen sein, um ein verpflichtendes Eingreifen des Staates zu rechtfertigen? Ohne Sicherheitsgurt Autofahren, Rauchen, sich ungesund ernähren, Skifahren abseits der präparierten Pisten, sich ohne Sonnenschutz am Strand lümmeln... wo sind hier die Grenzen für eine Fürsorge des Staates auf Kosten der persönlichen Freiheit? Im Gegensatz zu den Aspekten 1 und 2 geht es hier nur um ein persönliches Risiko und nicht um die Schädigung eines konkreten anderen Mitmenschen, allerdings ist die Gesellschaft mit im Spiel, sofern durch das Riskoverhalten Kosten entstehen, die die "Solidargemeinschaft" (wie solidarisch ist die?) betreffen. Auch hier bin ich unschlüssig...

Naja... nur mal drei Punkte zur Anregung bei dieser Diskussion.

Und @Kandra
Wie ist Deine Idee bei dem Schulverbot konkret zu verstehen? Plädierst Du damit für eine Aufhebung der Schulpflicht oder wäre das nur ein formaler "Trick", um eine Impfpflicht durchzusetzen?

Eilika
05.03.2015, 17:10
@ Mönchen: Und da Schulen zu letzterem gehören, beißt sich da Deine Argumentation etwas...
Ich würde es gern nach Krankheiten Staffeln, bin insgesamt aber eher dafür. Fände aber zum Beispiel einige Krankheiten (Masern, Diphterie...) wichtiger als andere (Tetanus, Varizellen...)

Kandra
05.03.2015, 17:27
Und @Kandra
Wie ist Deine Idee bei dem Schulverbot konkret zu verstehen? Plädierst Du damit für eine Aufhebung der Schulpflicht oder wäre das nur ein formaler "Trick", um eine Impfpflicht durchzusetzen?

Zweiteres. Eine Aufhebung der Schulpflicht würde den ganzen Esoterikern doch genau in die Karten spielen.

Ganz ehrlich? Ich habe in einer Kinderarztpraxis famuliert und da war ein Vater mit seinen 3 Kindern (ca. 4,6,9 Jahre), der sie u.a. nicht gegen Tetanus impfen lassen wollte, weil sein "Homöopath meinte, Impfen wäre schlecht für die Entwicklung". Und er würde "die Kinder ja jeden Abend auf Wunden untersuchen und zur Not könnte man ja immer noch nachimpfen".
Mal abgesehen von dem riesigen Loch in der Argumentationskette, so jemandem sollte man das Sorgerecht entziehen. Und ja, ich weiß, dass dieses Wegnehmen der Kinder meist sehr traumatisch und wirklich nicht gut ist, deswegen bin ich ja für eine Impfpflicht, dann existiert dieses Problem nicht mehr ;)

Moonchen
05.03.2015, 17:56
@Eilika: naja, es gibt ja auch nicht-staatliche Schulen bzw. Schulen in privater Trägerschaft - könnte mir z.B. vorstellen (ohne jetzt zu tief in die Klischee-Kiste greifen zu wollen ;-) ) dass die Kinder beispielsweise in Waldorfschulen gehen könnten.

Ich fände es insgesamt besser wenn es mehr Aufklärung geben würde und dann mit Zustimmung der Eltern geimpft würde (wobei es natürlich immer Hardcore-Impfgegner geben wird)- könnte mir vorstellen dass nach einem sachlichen Gespräch da doch manche anders denken würden. Könnte ja beispielsweise bei den jeweiligen U-Untersuchungen als "Pflichtaufklärung" durchgeführt werden. Und dann mit Unterschrift der Eltern für volle Übernahme der Verantwortung bei Schäden durch die genannten Erreger.

Jule-Aline
05.03.2015, 18:14
Interessante Diskussion.In den östlichen Bundesländern gab es ja bis kurz vor der Wende die Impfpflicht.Wer nicht wollte,zu dem kam der KiA nach Hause gefahren.Gab tatsächlich eine Familie in unserem Viertel wo das der Fall war.

Denüse
06.03.2015, 14:34
Na da gab es ja noch viel mehr... Bin ein bisschen neidisch auf das rote Büchlein meines Freundes, in dem wirklich JEDE Krankheit, jeder Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt fein säuberlich dokumentiert sind...

Wenn ich meine Eltern heute frage, ob ich dieses oder jenes als Kind hatte, müssen die passen. So eine Doku ist echt Gold wert! :-top

Stephan0815
06.03.2015, 15:03
Ne generelle Impfpflicht fände ich unverhältnismässig.
Aber eine konkrete Impfpflicht bei bestimmten Risikokrankheiten einzuführen, wie zB. Masern, Tetanus, Diphterie wäre schon möglich. Immer natürlich mit der Klausel, falls dem medizinisch haltbare Gründe nicht entgegenstehen.
Es geht ja nicht nur um das Wohl des Kindes, den Erziehungsanspruch der Eltern, sondern auch dem Schutz der Kinder, die vielleicht nicht geimpft werden können/konnten.
Und da glaube ich schon, dass mittlerweile eine angemessene und verhältnismässige Regelung geeignet und wohl derzeit auch erforderlich sein dürfte.

Fr.Pelz
06.03.2015, 18:09
Wenn man hier für staatliche Eingriffe zum Kindeswohl ist, wie sieht es dann bei ganz andersartigen Szenarien elterlichen Fehlverhaltens mit vielleicht (?) weniger schwerwiegenden Konsequenzen für ein Kind aus (ungesunde Ernährung der Kinder durch Eltern, zu wenig Sport, Vermittlung falscher Werte)? Rechtfertigen auch solche Umstände ein staatliches Eingreifen? Also: wo ist die Grenze der staatlichen Fürsorge zum Wohl des Kindes? Ich hab hier noch keine festgelegte Meinung... vielleicht aber Ihr?



Du hast das wunderbar ausgeführt, aber einen wichtigen Punkt außen vor gelassen. Wenn ICH MEIN Kind nicht impfen lasse, nackig in der Sonne liegen lasse oder ihm erzähle, Gewalt sei cool, macht nur MEIN Kind MIR später Vorwürfe... wenn aber mein noch nicht impfbares Kind durch ein fremdes angesteckt wurde, liegt das außerhalb des Selbstbestimmungsrechts der Impfgegner-Familie. (Und wenn du selber Kinder hast, kommen dir bei dem Gedanken vielleicht auch Gewaltphantasien)




3. Risikominimierung vs. Kontrollzwang

Wie groß muss ein Risiko für den Einzelnen sein, um ein verpflichtendes Eingreifen des Staates zu rechtfertigen? Ohne Sicherheitsgurt Autofahren, Rauchen, sich ungesund ernähren, Skifahren abseits der präparierten Pisten, sich ohne Sonnenschutz am Strand lümmeln... wo sind hier die Grenzen für eine Fürsorge des Staates auf Kosten der persönlichen Freiheit? Im Gegensatz zu den Aspekten 1 und 2 geht es hier nur um ein persönliches Risiko und nicht um die Schädigung eines konkreten anderen Mitmenschen, allerdings ist die Gesellschaft mit im Spiel, sofern durch das Riskoverhalten Kosten entstehen, die die "Solidargemeinschaft" (wie solidarisch ist die?) betreffen. Auch hier bin ich unschlüssig...

Wie gesagt, es sind ja nicht nur Kosten sondern ggf Todesfolgen (SSPE) eines noch-nicht-impfbaren Kindes, welches angesteckt wurde. Die Solidargemeinschaft besteht hier nicht nur in der finanziellen Fürsorge, sondern in der Herdenimmunität.

Brutus
06.03.2015, 18:31
Ein weiteres Problem dürfte sein: wann endet die Impfpflicht? Nehmen wir die Kinder, da kann ich sagen: OK, die dürfen nicht in den KiGa, in die Gemeinschaftseinrichtung, Schule, etc. Also kommt da die Impfpflicht durch die Hintertür.
Aber was ist mit Erwachsenen? Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass man einen Erwachsenen zwingen kann, sich impfen zu lassen. Wie soll das gehen? Kommen da 6 nette Herren in blau und fesseln Dich, damit Dr. die Spritze geben kann? Wohl kaum.
Da wird ein neues Patientenrechtegesetz durchgeboxt, wonach jeder quasi machen kann, was er will, und dann will ich entgegen diesem Gesetz die Menschen zwingen, sich impfen zu lassen? Hmmmm. Finde den Fehler.
Wenn ich frei entscheiden kann, ob ich Blut bekommen will bei einem Hb von 2g/dl, oder ein Antibiotikum bei der bds. Pneumonie, oder Antikoagulantien bei der fulminanten LE, dann soll ich dies nicht mehr dürfen, wenn es um Impfungen geht?
Und wo ziehen wir die Grenze? MMR ja? Grippe ja? FSME ja? Boostrix polio ja?
Oder nur einzelne verpflichtend und den Rest empfehlen auf freiwilliger Basis?
Keine einfache Geschichte das alles...

Denüse
09.03.2015, 15:35
Findet man eigentlich irgendwo offizielle Zahlen zur aktuellen "Masern-Welle"? RKI, BZgA, BAfS? Nirgends was konkretes gefunden... :-nix

lio
09.03.2015, 15:43
https://survstat.rki.de/Content/Query/Create.aspx
Man muss ein bisschen mit den Einstellungen spielen, dann gibt die RKI-Datenbank wirklich viel her.

Denüse
10.03.2015, 13:36
Ah, cool! Vielen Dank! Heißt: 636 gemeldet Erkrankte seit Jahresbeginn bis 04.03.2015. Dolle Wurst. :-((

Espressa
11.03.2015, 16:49
Ich würde das Impfen zunächst einfach gegenüber dem nichtimpfen schmackhaft machen, sprich als Bedingung für Kindergeld (damit deckt man schon mal mind. 18 Jahre ab) sowie für Kita-Plätze. Glaube dass dann ganz viele plötzlich nicht mehr solche Schlaumeier wären. Denn Hand aufs Herz, was sich so landläufig gegen das Impfen ausspricht sind Laien, oft eher niedrigen Bildungsgrades, die bei weitem nicht so kritisch hinterfragen wie sie oft behaupten, sondern einfach jemandem nachlaufen der ihnen grad gefällt. Und die versehentlich ungeimpften würden es dann auch merken, wenn plötzlich keine Kohle mehr käme. Ausweiten ließe sich das ganze für Empfänger sämtlicher Geldleistungen, um die erwachsenenproblematik anzusprechen. Und Leute im Job könnte man über die betriebsmedizin erreichen.

Gesocks
11.03.2015, 17:04
Genau, wenn schon dumm und arm, dann bitte wenigstens geimpft.

Stimmt das denn tatsächlich? Das Impfgegnertum ist mir sowohl in Medien als auch persönlich eher als Mittelschichtending begegnet.