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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gutachten-Verfahren



Nils Holgersson
12.03.2015, 20:28
Hallo zusammen,
ich bin in der Klinik für Orthopädie tätig und ganz bald muss mein erstes Gutachten für Renteversicherung machen.
Aber ich hab keine Ahnung, wie es wirklich funktioniert.. :(

Ich weiß nur, dass ich vor einem Termin mit Patienten alle Unterlagen kriege, dann in wenigen Tagen kommt der Patient zur Untersuchung.
Wie läuft es normalerweise?
Vllt kann jemand ein Link geben, wo man Grundlage lesen könnte..
Oder tipps und tricks...Muster..

Danke euch!

Espressa
12.03.2015, 21:54
Üblicherweise enthält die Gutachtenanfrage eine explizite Fragestellung sowie die Vorgabe, welches Formular/ Vordruck zu verwenden ist. Die Unterlagen kommen zuerst, nach Durchsicht wird dann der Patient einbestellt, oft sind ja noch zusatzuntersuchungen nötig, die muss man ja einplanen.

Feuerblick
12.03.2015, 21:58
Ich würde an deiner Stelle einfach mal die Kollegen fragen. Es gibt normalerweise in jeder Abteilung Mustergutachten. :-nix

Reflex
13.03.2015, 07:16
Ich schreib ja regelmäßig neurologische Zusatzgutachten für orthopädische oder unfallchirurgische Gutachten. Die sind weitestgehend alle recht ähnlich geschrieben.
Was erstmal Fachabteilungs unabhängig laufen sollte: Für dich als Nicht-Facharzt ist erstmal dein Chef oder ein anderweitiger Oberarzt zuständig, der ja auch für das Gutachten mit verantwortlich ist. Setz dich mit Ihm vor der Einbestellung zusammen und besprich die Aktenlage und welche notwendige Zusatzuntersuchungen daraus resultieren könnten. Dann bitte ihn dir ein Mustergutachten zu geben und plan den Untersuchungstermin des Patienten, dass er auch dann da ist, um den Patienten auch sehen zu können. ggf. leih dir ein Fachspezifisches Gutachtenbuch, wo du MdE etc. nachsehen kannst.

In unserer Abteilung werden die neurologischen Gutachten zusammen mit dem Chef geschrieben. Die Betreuungsgutachten zusammen mit dem jeweiligen Oberarzt, der den Patienten gesehen hat, aber die sind ja meist weniger aufwendig.

Lava
13.03.2015, 19:05
Du musst dir nicht in die Hose machen, BG Rentengutachten sind relativ easy. Da gibt es ein mehrseitiges Formular, das ausgefüllt werden muss. Frag mal in eurem Schreibbüro/Sekretariat nach, ob sie dir mal ein Blankoexemplar ausdrucken können, dann weißt du schonmal, was für Fragen kommen.

Bei den Rentengutachten geht es ja um die Einschätzung einer MdE (bzw. beim Zweitgutachten um eine Neueinschätzung). Bei uns war es so, dass wir Assistenten diese Zahl nie selbst festlegen mussten, sondern der Fall immer mindestens mit einem Oberarzt, meistens sogar in der Röntgendemo im ganzen Team besprochen wurde. (Wobei meistens eh 20% rauskommen ;-)). Aber wie hier schon jemand geschrieben hat, gibt es auch Bücher über Gutachten, in denen Tabellen stehen, welche Schädigung wieviel % gibt.

Am besten strukturierst den Ablauf so: zuerst natürlich die Anamneseerhebung. Befrage den Patienten nochmal ganz genau zum Unfallhergang. Vergiss nicht zu fragen, wie es danach weiter ging: wann ist er zuerst zum Arzt gegangen? Schreib dir ganz genau auf, welche Ärzte er alle besucht hat. Was wurde an Diagnostik durchgeführt? Operationen? Reha? Physiotherapie? Ganz genau notieren wann, was, wie lange, wie oft. Frag den Patienten auch, wie er seine jetzige Situation einschätzt, was er noch für Beschwerden oder Einschränkungen hat. Was macht er beruflich? Vorerkrankungen/unfallunabhängige Verletzungen?

Die Anamneseerhebung kann gut schonmal eine halbe Stunde dauern. Denk dran, dass du den Patienten später vielleicht nicht mehr befragen kannst, also frag lieber zu viel als zu wenig. ;-) Kannst dir auch die Telefonnummer notieren, damit du ihn später vielleicht noch telefonisch erreichen kannst.

Dann musst du überlegen, ob die evtl. Röntgenbilder brauchst. I.d.R. wird man von der betroffenen Körperregion ein neues Bild machen müssen. Das musst du dann im Gutachten auch beurteilen: Fehlstellungen? Arthrose?

Als letztes folgt die Untersuchung. Die sollte auch suuuuper ausführlich sein. Beboachte, wie der Patient läuft und wie er sich entkleidet. Gangbild? Benutzt er beide Arme oder schont er einen? Wenn es um die Beine geht, schau die Schuhsohlen an! Gleichmäßige oder unterschiedliche Abnutzung? Mach dann einfach eine ganz normale Untersuchung mit Inspektion (Relief, Kolorit, Atrophien?), Palpation (Schmerzen? Schwellungen?) und Funktionsprüfung. Bei Wirbelsäule, Knie und Schulter solltest du dir vorher nochmal gängige Spezialtests aneignen. Globaltests (Schürzen- und Nackengriff) kommen auch immer ganz gut. Bei den Extremitäten wirst du einen Bogen mit Messwerten ausfüllen müssen. D.h. du brauchst unbedingt ein Maßband und ein Goniometer. Auch wenn es um eine Verletzung der Hüfte geht, muss man leider jedes Schei* Gelenk durchtesten, inkl. der Zehen :-kotz Aber bei den weniger wichtigen Sachen, die normal und nicht von der Verletzungen betroffen sind, darf man dann auch mal schätzen. ;-) Umfangsmessungen an definierten Stellen sowie Bein- oder Armlänge gehören auch dazu. Den Messbogen wirst du aber sicher gestellt bekommen, damit du da deine Werte eintragen kannst.

Alles in allem sollte man sich etwa eine Stunde Zeit nehmen für den Patienten. Wenns eine einfach Verletzung und eine klare Angelegenheit ist, gehts natürlich auch schneller.

Wie oben erwähnt braucht man manchmal Zusatzgutachten, wenn jemand z.B. auch noch eine PTBS hat, ein SHT, eine Nervenverletzung oder es sich um eine Thoraxverletzung handelt (LuFu und so). Das würde ich dann auch mit einem Oberarzt besprechen.