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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Akute Bauchschmerzen: Wann CT-Abdomen, wann Röntgen-Abdomen und wann Koloskopie?



WSkinner
17.03.2015, 18:57
Liebe Leute,

ich habe eine Frage bezüglich Diagnostik bei unklaren Bauchschmerzen. Mir ist zum einen nicht ganz klar, wann man ein Röntgen-Abdomen, wann ein CT-Abdomen und wann man (ganz ohne Bildgebung) eine Koloskopie macht. Habe schon erlebt, dass ein Kollege bei einem diffus druckschmerzhaftem Bauch nur ein Röntgen gemacht hat, ein anderer bei ähnlicher Symptomatik direkt ein Abdomen-CT und wieder ein anderer einfach vorsichtig "mal einen Liter CleanPrep" gibt und nur wenn das Abführen nicht klappt ein Abdomen-CT veranlasst.
Das verwirrt mich als Anfänger total.

Selbiges gilt für die Frage, wann man bei unklarer Obstipation oder unklaren Bauchschmerzen "von oben" mittels Laxoberal, Endofalk und Co. abführen darf und wann man nur "von unten" mit Klysma oder Dulcolax darf. Manch einer ist total vorsichtig und gibt wirklich nur Dulcolax und Klysma, ein anderer versucht einfach mal auch die Abführmittel "von oben".

Vielleicht kann ein bauchchirurgisch oder internistisch versierter Forenteilnehmer ein bisschen meine totale Verwirrung lüften. Wann macht man was?

Wäre Euch echt dankbar für Eure Hilfe.

FirebirdUSA
17.03.2015, 20:08
Die Frage ist eher was vermutest du als Ursache, außerdem hast du als Diagnostikmöglichkeit noch die Sonographie vergessen.

Rö-Abdomen: Du kannst eigentlich damit nur freie Luft ausschließen, für mehr ist es nicht geeignet. Du kannst einen kräftigen Ileus übersehen wenn du keine Luft im Darm hast und nur flüssigkeitsgefüllt Darmschlingen (somit keine Spiegel). In Kombination mit einer guten Sonographie aber bei jungen, schlanken Patienten sicherlich keine schlechte Wahl wegen der niedrigeren Strahlendosis. Eine massive Korpostase siehst du natürlich auch.

CT-Abdomen: Die "sicherste" Variante. Aber die Strahlendosis ist nicht zu vernachlässigen. Insbesondere bei jüngeren Patienten würde ich das als Radiologe nicht begrüßen wenn es jeder bekommt. Auch budgettechnisch natürlich auch nicht immer sinnvoll. Außerdem braucht der Radiologe auch einen Anhalt wonach er suchen soll, bei V.a. Darmischämie (Kontrastierung nur mit Wasser --> KM-Aufnahme Darmwand?, arterielle und p.v. Spirale) mache ich ein völlig anderes CT als z.B. bei V.a. Divertikulitis (Gabe von KM rektal --> Austritt von KM? Aber Darmwand nicht mehr gut beurteilbar, nur p.v. Spirale).

Sono-Abdomen: Sehr gut wenn der Patient geeignet ist (relativ schlank) und du Ahnung hast. Relevante Passagestörung sollte dir auffallen, freie Flüssigkeit, Gallensteine, aber z.B. auch die Ovarien (gerade bei jungen Frauen gerne mal Schmerzursache) sind häufig ganz gut zu sehen. Appendizitis kann man häufig sicher sehen, auch Divertikulitis ist eigentlich meist gut zu sehen (der Patient "sagt" dir schon wenn du mit dem Schallkopf an der richtigen Stelle bist). Bei sonographisch V.a. Diveritkulitis bekommen zu mindestens bei uns alle Patienten im Anschluss ein CT um eine gedeckte Perforation auszuschließen (OP Indikation).

Von oben solltest du nur die Passage anfeuern wenn du dir sicher bist das der Patient keinen mechanischen Ileus hat, ansonsten kannst du es viel schlimmer machen.

Versuch dir immer zu überlegen was sind in der aktuellen Situation sinnvolle Differenzialdiagnosen und wie komme ich hier weiter. Bei nur diffus druckschmerzhaften Bauch, ohne Abwehrspannung, ohne auffälliges Labor und unauffälliger Sonographie würde ich in der Regel kein CT Abdomen für indiziert erachten. Diejenigen die immer gleich ein CT machen haben entweder furchtbare Angst verklagt zu werden, können sich nicht entscheiden oder haben keine Ahnung was sie machen und lassen dann mal den Radiologen entscheiden wie es weitergehen soll.

Andi G. Schütze
19.03.2015, 20:09
Firebird hat das eigentlich schon gut zusammengefasst: Du stellst die Indikation zur weiteren Diagnostik bei einem "Bauch" ja nicht im luftleeeren Raum. Ananmese, körperliche Untersuchung, Labor, Bedside-Sono.
Das Röntgen-Abdomen ohne KM-Passage ist aber ja so eine Sache: wenn man die Indikation dazu stellt (letztendlich ja nur bei V.a. freie Luft oder mechanischem Ileus) ist die Konsequenz daraus ja fast immer das CT - schließlich will der Chirurg bei OP-Indikation ja mehr wissen, als das Röntgen zeigt und als Ausschluss taugt es - wie Firebird ja ausgeführt hat - auch nur selten was. Eine massive Koprostase sieht man zwar, jedoch lässt sich so eine Diagnose ja auch oft durch die Vorgeschichte des Patienten + körperliche Untersuchung stellen.

Zum letzten Teil des Thread-Themas: Koloskopie ist per se erstmal nicht die Untersuchung, die ich bei einem unklarem Bauch als erstes machen würde - kommt dann im Verlauf bei Hämatochezie oder bei Tumorsuche oder unklaren Durchfällen etc. etc. pp.

Zusammenfassend: Klinik + ggf. Labor und Sono, damit sind die meisten DDs erfasst und wenn der "Bauch" ein wirklich akuter brettharter ist, dann merkst du das schon beim ersten Anfassen und fährst dann jemanden lieber einmal zu oft durchs CT als einmal zu selten... (soll ja manchmal dauern, bis der Chirurg sich in der Nacht aus seinem Schöhnheitsschlaf gewälzt hat ;-) )

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19.03.2015, 20:29
Aktives Zuwarten gepaart mit wiederholter klinischer Untersuchung, evtl Nachschallen und ner Laktat Kontrolle ist für ne Dienstsituation auch manchmal ne gute Lösung. Muss ja nicht immer Aktionismus sein...

Kackbratze
20.03.2015, 00:19
So ab 2 Uhr nachts wenn man keinen Bock auf OP hat oder so....;-)

Fr.Pelz
20.03.2015, 15:44
Huhu, ich kann deine Verwirrung verstehen - aber das wird dir noch öfter gehen, dass einfach Uneinigkeit besteht.
Mein OA sagt auch immer, dass die Leute, die die Bäuche routinemäßig durchs CT fahren lassen, nicht mehr selbst untersuchen können/wollen. Mein Chef will bei jedem Verdacht auf Divertikulitis ein CT, damit man die Hansen/Stock-Klassifikation weiß (und besser abrechnen kann? Weiß ich nicht). Ich muss also als Assistentin auch(neben den anderen genannten Mitteln wie Anamnese, körperl. US, Labor) danach entscheiden, mit wem ich den Fall nachher bespreche...

FirebirdUSA
20.03.2015, 18:01
Mein Chef will bei jedem Verdacht auf Divertikulitis ein CT, damit man die Hansen/Stock-Klassifikation weiß (und besser abrechnen kann? Weiß ich nicht).
Es geht um die OP Indikation, die CT hat die höchste Sensitivität eine (gedeckte) Perforation zu erkennen.

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20.03.2015, 19:32
So ab 2 Uhr nachts wenn man keinen Bock auf OP hat oder so....;-)

Internistisches Zuwarten fängt früher an 😉

Fr.Pelz
21.03.2015, 10:12
Es geht um die OP Indikation, die CT hat die höchste Sensitivität eine (gedeckte) Perforation zu erkennen.

Naja - die OP-Indikation macht er dann wiederum eher an der Klinik fest. Unsere Radiologen sind nicht durchgängig soo professionell, dass man nach dem Befund sofort den OP stürmen könnte...

FirebirdUSA
21.03.2015, 12:47
Bei uns macht der Chirurg den Bauch auf wenn ich mehr wie IIa sage

Strodti
23.03.2015, 11:44
Ich bin mir bei den unklaren Abdomen auch oft unsicher. Zum Glück ist es hausintern auch durchaus gewollt, diese lieber aufzunehmen und am Folgetag durch den OA nachzuschallen und dann das weitere Procedere durchzusprechen. Ein Viszeralchirurgischer OA bei uns meinte auch, dass man einige Jahre Erfahrung braucht, bevor man Bäuche heimschicken dürfe.

Hinsichtlich der Diagnostik hat sich bei mir (Assistent 2. Jahr) noch kein guter Algorithmus eingespielt. Am ehesten: Untersuchung, Labor (evtl. mit Laktat), Sono. Bei Ileusverdacht noch das Rö Abdomen in linksseitenlage. Danach dann OA Rücksprache.

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27.03.2015, 10:29
Viele Chirurgen "mit" denen ich bisher arbeiten "durfte" hielten sich bei unklaren Bäuchen immer gerne vornehm zurück. Internist macht hier Sono, kontrolliert Laktat, röntgt und nimmt letztlich für den Verlauf auf & schaut nachts nochmal drauf. Wenn ich einen CHG Kollegen (fast nur noch orientalischer Herkunft, IMO oft besonders "schneidgeil", konservativ/abwarten ist nicht so ihrs und scheint lästig) dann aus Prinzip nachts herbei in die Ambulanz telefoniere weil ein besonderer Spezi mal wieder dienstet und den Schwestern sagt der Internist solle zuerst draufschauen, dann erklärt er mir der Bauch habe keine Abwehrspannung/OP Indikation, aber ein CT wäre vielleicht doch gut. Hallo?! Einen OP-Pflichtigen Bauch erkenne ich i.d.R. selbst und der Vorschlag CT Abdomen mit KM bei jungen Patienten ist dämlich und gefährlich. Wenn ich bitte seinen Befund und Vorschlag CT zu dokumentieren etc. weigert man sich mit dem Hinweis man sei kein FA und dürfe keine Konsile machen... Das ist lächerlich.
Solche Leute prägen das Image von Abteilung und Fachdiziplinen ohne es zu merken nachhaltig. Schade.
Gibt aber Gott-sei-Dank auch erfreuliche Exemplare, die anrufen und freundlich fragen ob man nochmal nachschallt.
(Musste ich nach einer Woche Nachtdienst mal loswerden).