PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nachsorge bei Nadelstichverletzung



Ac2012
12.04.2015, 11:55
Liebes Forum,

ich hatte in meiner letzten Famulatur vor ca. 1 Monat eine Nadelstichverletzung beim Blut abnehmen, die ich dem KH gemeldet habe. Das Ganze wurde chirurgisch dokumentiert und mir wurde Blut abgenommen.

Ich habe gelesen, dass weitere Kontrolluntersuchungen nach 6 Wo., 3 Mo. und 6 Mo. stattfinden sollen: Ist das in jedem Fall notwendig? Wenn ja: Kann das bei HA durchgeführt werden oder muss das ebenfalls von einem D-Arzt gemacht werden? Muss die Untersuchung der BG gemeldet werden (die ja wohl der Kostenträger wäre)?

Mir wurde damals zu dem ganzen Thema nichts weiter gesagt und ich bin jetzt wieder einige hundert km entfernt an der Uni...

Vielen Dank für eure Antworten!

LG Ac2012

Solara
12.04.2015, 12:33
Richtig Ahnung vom formal korrekten Vorgehen habe ich nicht, würde das Ganze aber beim Betriebsarzt deiner Uni abnehmen lassen, der sollte sich da auch mit den Formalien auskennen.

fMRI
12.04.2015, 20:49
Hallo

Ja, bitte die Kontrolluntersuchungen am besten beim Arbeitsmediziner machen lassen -- Du kannst aber überall hin (nur dann hast Du eventuell Papierkram an der Backe). Auch solltest Du es unbedingt dem Referat für Studienangelegenheiten melden (oder wer auch immer bei euch für Verletzungen bei Famulaturen, Unfällen auf dem Campus bzw. Weg zur Uni etc. zuständig ist). Das wurde Dir vllt in der Intro-Woche erzählt.

Wurde eigentlich vom Index (d.h. die Person an der Du Dich gestochen hast) Blut abgenommen und untersucht? Das leitet in der Regel entweder der D-Arzt oder der/die Stationsärzt/in ein -- den diese Person muss, wie alle anderen auch, wegen HIV Test ordnungsgemäss aufgeklärt und informiert werden, natürlich auch Hep etc. Ganz wichtig: Jeder Person hat das Recht diese Untersuchungen abzulehnen (weil man ein Recht auf "nicht wissen" hat). Das sollte auf keinen Fall bei diesen Aktionen ausser acht gelassen werden. Auch ist es illegal (!), die vorhandende Blutprobe auf diese Krankheiten zu untersuchen (und dem Patient einfach nichts sagen). [Stell Dir vor der Befund ist im Laborsystem, der Patient erfährt später vom Test und ist empört -- da ist im besten Fall ein Beschwerde fällig. (Es ist ja einfach, noch ein paar Stellen auf dem Laborformular anzukreuzen...). Finger weg!] In der Regel ist es aber so, dass so gut wie alle zustimmen -- eine kleine Panne kann ja mal passieren und wenn der Stationsarzt erklärt, dass man dem armen Praktikant/Praktikantin so ein paar schlaflose Nächte sparen kann sind die Indexpersonen idR offen für diese "Zusatz" Untersuchung. Ist ja auch gratis... ;-)

Dein HBV-Titer (Hep-B) wurde sicherlich bestimmt, oder? Und dass Du in der nächsten Zeit auch kein Blut spenden darfst wurde Dir hoffentlich gesagt? Bitte, bitte sag "ja"... ich verliere sonst meinen Glauben an das Kompetenzlevel vieler D-Ärzte...

So, nun auf und testen lassen. (Und wenn alles abgeschlossen ist bitte nicht "schlampig" werden -- nur weil beim ersten Mal nix passiert ist, heisst nicht, dass Du beim nächsten Mal den Aufwand nicht betreiben musst... OK?!)
:knuddel:
fMRI

Ac2012
12.04.2015, 21:08
Hallo fMRI,

erstmal vielen Dank für deine Antwort!

Der Indexpatient ist meines Wissens nach nicht getestet worden, wenn doch hätte man mir das sicherlich erzählt..

Bzgl. deines Vertrauens in die D-Ärzte muss ich dich leider enttäuschen :-? Mit dem Blutspenden wurde mir nicht gesagt (eig. wurde mir überhaupt nichts gesagt), wäre ich aber auch selbst drauf gekommen. D-Arzt ist ja in der Richt der ausführende Assistent, sondern der OA/ CA. Hätte ich rückblickend mal ein bisschen mehr nachfragen sollen...

Ich weiß nicht ob Hep. B getestet wurde, gehe ich mal schwer von aus. Ansonsten habe ich aber einen ausreichenden Impftiter, wird ja verpflichtend regelmäßig untersucht.

Ich werde mich dann mal an das Dekanat wenden, wer da für sowas zuständig ist und demnächst nochmal zum Blut abnehmen...

LG Ac2012

WackenDoc
12.04.2015, 21:17
Die Testung des Indexpatienten ist fast noch wichtiger als die eigene Testung.
Bei der eigenen wird zum einen der Hep B-Impfstatus festgestellt und ansonsten nur für die BG dass du zum Zeitpunkt des Stichs noch nicht infiziert warst.

Offenbar hat euer Betriebsarzt bzw. D-Arzt ordentlich gepennt.
Geh am besten sobald du wieder in der Uni bist zu eurem Uni-Arzt (das ist der für euch zuständige Betriebsarzt), der ist für den weiteren Ablauf zuständig.

Das mit den Nadelstichverlertzungen war einer der Punkte, wo mein Arbeitgeber tatsächlich mal gut abgeschnitten hat.
Da wurden sogar die Proben vom Indexpatienten und dem Gestochenen gesondert codiert- gerade bei eigenen Mitarbeitern nicht unwichtig. Und ein Merkblatt wann was kontrolliert werden soll gab es auch noch. Zusätzlich zur normalen Betriebsanweisung.

fMRI
12.04.2015, 23:13
Die Testung des Indexpatienten ist fast noch wichtiger als die eigene Testung.
Bei der eigenen wird zum einen der Hep B-Impfstatus festgestellt und ansonsten nur für die BG dass du zum Zeitpunkt des Stichs noch nicht infiziert warst.

Offenbar hat euer Betriebsarzt bzw. D-Arzt ordentlich gepennt.
Geh am besten sobald du wieder in der Uni bist zu eurem Uni-Arzt (das ist der für euch zuständige Betriebsarzt), der ist für den weiteren Ablauf zuständig.

Das mit den Nadelstichverlertzungen war einer der Punkte, wo mein Arbeitgeber tatsächlich mal gut abgeschnitten hat.
Da wurden sogar die Proben vom Indexpatienten und dem Gestochenen gesondert codiert- gerade bei eigenen Mitarbeitern nicht unwichtig. Und ein Merkblatt wann was kontrolliert werden soll gab es auch noch. Zusätzlich zur normalen Betriebsanweisung.


Super, WackenDoc. Genau so (mit eigenem "anonymisierten" Code) sollte es eigentlich der Standard sein -- ich finde alle Abweichungen auch noch tragbar, solange nicht hinter dem Rücken vom Index dieser getestet wird.

Und ja, die erste Blutabnahme (gleich nach der Stichverletzung am "Stichverletzten") ist für die BG -- damit nix "untergeschummelt" werden kann, z.B. eine anderweitig eingefangene Infektion... Auch soll eine bereits bestehende Infektion diagnostiziert werden, da dies in einer möglichen PEP Entscheidung ein Faktor ist. (Wenn man bereits HIV positiv ist, macht eine PEP keinen Sinn.)
Der Infektionszeitpunkt von HIV lässt sich ja inzwischen ziemlich gut modellieren (von Viruslast etc. zurückrechnen)... Und natürlich auch die "Verwandschaft" von HIV Erregern (sollte dann zum Indexpatient passen... Bei HCV ist es noch nicht so einfach.) So Geschichten wie "ich hab mich mal am Sharps Container vor 8 Wochen aufm RTW gepikst" haben inzwischen bei der BG kaum mehr eine Chance -- und das ist gut so. Wie alle anderen dürfen sich Mediziner auch im privaten Bereich und auf traditionellem Weg infizieren.

Was problematisch sein kann, ist dass ein Schnelltest vom "Gestochenen" ja auch mal falsch positiv sein kann -- das wäre für mich (wenn der "Gestochene" für sich andere Risiken minimal hält) auf KEINEN Fall ein Grund keine PEP anzubieten, gerade wenn der Index keinen Test möchte. Bis eine PCR gelaufen ist, würde ich ... ooops, nee, ich komme vom Thema ab. Der Punkt für den/die TE ist: melde Dich bitte bei Deinem Arbeitsmedizinischen Zentrum (oder wie der Laden bei euch an der Uni heisst), mache die Blutabnahmen, mache eine Unfallanzeige (dazu gibt es ein Standardformular, das kann Dir (wer auch immer dafür zuständig ist) zumailen) und dann wird alles gut. Du weisst ja, nur die die damit Schlampen haben nacher Probleme. Und, noch viel wichtiger -- beim nächsten Mal genau wieder mit Meldung etc. Bitte nicht nachlässig werden weil beim ersten Mal nichts passiert ist. Das musst Du Dir Wert sein! :-) Später hast Du ja auch mal Vorbildfunktion.

Hier auch noch alles zum Nachlesen:
HBV: http://www.deutsche-leberstiftung.de/hilfe/informationen-fuer-aerzte/nadelstich-und-hbv
HCV: http://www.deutsche-leberstiftung.de/hilfe/informationen-fuer-aerzte/nadelstich-und-hcv
HIV: http://www.aidshilfe.de/sites/default/files/Deutsch-Osterreichische%20Leitlinien%20zur%20Postexpositio nellen%20Prophylaxe%20der%20HIV-Infektion.pdf
... und, natürlich nicht vergessen: nach Tetanus gucken!
Und wenn Du schon beim Arbeitsmediziner bist, nehme Deinen Impfpass mit und lass Dich eventuell noch gegen Masern impfen. ;-)

:-)
fMRI

FirebirdUSA
12.04.2015, 23:49
Jetzt verunsichert doch den/die arme Famulus nicht zu sehr:

Für die Beurteilung des Risikos sollte man das Risikoprofil des Indexpat. kennen und die genauen Umstände der Nadelstichverletzung (durch Handschuh durch? Kanüle oder chirurgische Nadel?). Ich denke, das zwischenzeitlich der Zeitraum für eine PEP wahrscheinlich schon lange vorbei ist und wahrscheinlich das Risiko für eine Ansteckung für ein PEP auch zu gering ist (nur indiziert bei bekannter HIV-Infektion oder hohem Risiko das der Patient HIV hat, sieh Link von fMRI).

Deswegen bleibt außer Nachkontrollen beim Betriebsarzt (und das ist wie schon geschrieben der Betriebsarzt der Uni) nichts zu tun und man sollte sich nicht zu viele Sorgen machen.

Natürlich sollte man jede Nadelstichverletzung vermeiden und es scheint nicht optimal gelaufen zu sein (Testung Indexpatient, Beratung PEP, etc.).

fMRI
13.04.2015, 02:08
Ich denke, das zwischenzeitlich der Zeitraum für eine PEP wahrscheinlich schon lange vorbei ist und wahrscheinlich das Risiko für eine Ansteckung für ein PEP auch zu gering ist (nur indiziert bei bekannter HIV-Infektion oder hohem Risiko das der Patient HIV hat, sieh Link von fMRI).


HIV-PEP so schnell wie möglich -- idealerweise nach 2h, relativ verlässlich innerhalb von 24h. Nach 72h statistisch keinen Effekt mehr und darf nach 72h also nicht mehr angeboten werden. (Ausnahme der 72h Regel ist z.B. Transfusion von HIV Blutprodukt, dann auch später, das ist aber eher Spezialwissen...).

Und nein, verunsichern wollen wir niemanden, einfach nur ein paar mehr Infos als die ursprünglich gestellte Frage "wo soll ich hin?" geben. Sonst würden wir nicht über Meldung an BG über Uni etc. schreiben, allgemeine Infos wie es läuft (und wie es nicht laufen darf), etc. Vielleicht lesen es ja einige den thread und erinnern sich daran, wenn sie selbst mal an einen ähnlich kompetenten D-Arzt kommen. :-keule Das ist doch schon so geschrieben, dass es selbst ein Chirurg verstehen können sollte... :-top

... die Suchfunktion im Forum kann Leben retten! :compy:

Ac2012
13.04.2015, 20:57
Vielen Dank für eure ausführlichen Antworten, habe einiges für das (hoffentlich nicht so baldige) nächste Mal gelernt und bin nur minimal verunsichert ;-) Ich habe heute direkt mal bei unserem Hochschularzt nachgefragt, der ist wohl nicht per se zuständig, weil es nicht an einem akad. Lehrkrankenhaus der Uni passiert ist.. Er kann sich aber der Sache annehmen, wenn ich irgendwie an den BG-Bericht komme, ich habe deshalb beim Famulatur-KH angefragt.

fMRI
14.04.2015, 21:58
bin nur minimal verunsichert ;-)

Hoffentlich nur wegen der möglicherweise fehlenden Masernimpfung, oder? :-top

PS: Nach 1970 geborene sollen sich ja eventuell nachimpfen lassen -- frag mal nach. ;-)
:knuddel:

PS-2: Du musst irgendein Formular für die BG ausfüllen -- idR über das Referat für Studienangelegenheiten. Ruf einfach mal an und frage wer für "Wege-Unfälle" zuständig ist und frage dann die "Wege-Unfälle" Person ob Nadelstichverletzungen auch dort gemeldet werden. "Wege Unfälle" ist die gleiche Kategorie, jedoch viel bekannter bei den Leuten die Anrufe entgegennehmen. Nadelstichverletzung klingt oft schon zu speziell.
Die BG Meldungen macht in der Regel ein ältere Kollegin die beflissentlich besorgt guckt und dann fürsorglich meint, dass bei ihr noch kein Student wegen einem Nadelstich gestorben ist. Alleine deswegen solltest Du Dir es nicht entgehen lassen. BG Meldung ist das heimliche Spassprogramm der Unis... Bearbeiterinnen sind Unikate. Eine Bekannte wurde sogar gefragt, ob es immer noch weh tut. (So viel Empathie bringe ich nicht in einer Woche zu Stande!). :D