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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hyperosmolar hyperglykämisches Koma



THawk
29.04.2015, 09:03
Hallo,
wir haben ja als Kinderärzte bisher kaum Erfahrung mit hyperosmolar-hyperglykämischem Koma, aber da gestern einer bei uns aufgeschlagen ist würde mich die Meinung von euch zu ein paar Fragen interessieren.
Grob war es ein jugendlicher Patient, Adipositas (Gewicht zwischen 90 und 100kg), BZ 57mmol/l, keine Ketose, pH 7,28. Bisher kein Diabetes mell. bekannt. Erschwerend kommt ein bekannter Diabetes insipidus centralis hinzu.

Die Literatur sagt ja, dass v.a. Flüssigkeitssubstitution entscheidend ist, man aber häufig im Verlauf auch Insulin braucht.
Wie lange wartet ihr / wieviel Flüssigkeit gebt ihr bevor ihr mit Insulin startet (Verluste kaum abschätzbar, aber trockene Schleimhäute)?
Der wird ja eine periphere Insulinresistenz haben - wäre das für euch ein Grund mit einer eher hohen i.v.-Insulindosis zu starten oder eher 'normal bis niedrig' (0,05 IE/kg/h?)
Hirnödem soll soweit ich weiß seltener eine Komplikation sein, wobei das teilweise mit der Hirnatrophie der im Schnitt alten Patienten erklärt wird. Was wäre für euch der maximale BZ-Abfall und wie würdet ihr reagieren wenn der BZ zu schnell abfällt - Insulin runter auf homöopathische Dosis oder raus / Glukose zuführen? Letzteres würden wir ja bei den Typ 1 Erstmanifestationen machen um sie aus der Ketose zu bekommen, aber das müssen wir hier nicht erreichen.

Danke für die Antworten, mir ist bewusst, dass es recht spezielle Fragen sind ;-)

Mondschein
29.04.2015, 11:50
Wir senken üblicherweise trotzdem erst mal nur mit Jonosteril und achten auf Osmolarität und E'lyte. Insgesamt ganz ähnlich wie bei der Ketoazidose. Laufrate des Volumens ebenfalls abhängig von den BGA-Verläufen, z.B. erst mal LR 500-250 ml/h, 4-6 l / d wird er wohl schon mindestens vertragen, oder? Das mit dem Diabetes insipidus machts halt noch schwerer zu kalkulieren, ist er da auf was eingestellt? Ist er polyur?

Da wird ja der E'lyt- und Volumenhaushalt doch eher wieder kritischer (und da gibts bestimmt keine wirklichen Daten zu). Da würde ich es wirklich nach der BGA feinjustieren und engmaschig kontrollieren.

Mit 100 kg hat er ja quasi "Erwachsenenqualitäten"... Üblicherweise beginnen wir mit Insulin auch erst so ab 200-300 mg/dl (grob < 17 mmol/l wenn ich richtig umgerechnet habe) Blutzucker, vorher wird erst mal nur verdünnt (also die erste Nacht meistens nur Jono, bei eurem Ausmaß könnte es auch länger dauern, gefühlt würde ich den BZ am ersten Tag maximal halbieren wollen...).
Wenn man sieht, dass sich der BZ unter Verdünnung gar nicht mehr bewegt, würde ich mit einem Insulinperfusor starten, aber erst mal nur Perfusor, keine größeren Bolusgaben. Laufrate halt mal 1-2 IE/h und gucken, was passiert.
Wenn der BZ zu schnell fällt, steuern wir mit G5% gegen.
Insgesamt sehen wir auch in der Inneren deutlich häufiger Ketoazidosen als schwere hyperosmolare Entgleisungen, insofern ist das auch eher Einzelfallerfahrung, wir machens insg. wirklich ganz ähnlich wie bei den Ketoazidosen.

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04.05.2015, 18:46
Indirekt dazu: DDG Supplement Therapie Typ 1, auf Seite 7 Handling-Empfehlung bei DKA (http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Praxisleitlinien/2014/DuS_S2-14_DDG_S135_Theraphie-Typ1-Diabetes.pdf)
Prinzipiell funktioniert das Schema da auch ganz gut, bzw. in meiner diabetologischen Zeit habe ich das analog gehandhabt. Kalium-Subst. etwas zurückhaltender, da keine Azidose... Fand mein damaliger Chef als (nun Ex-) DDG-Oberhaupt auch ok so. Ob und wann ich mit Insulin reingehe mache ich verlaufsabhängig, manche kommen gut mit nur Volumen (schafft man BZ-Senkung von ca. ~50 mg/dl/h wenn es gut läuft), andere brauchen Insulin (wobei bei einigen sc. auch gut geht).
Grundsätzlich ist der Ansatz "go slow" ne gute Idee, es gibt einige Hinweise, dass rasches BZ-Absenken die PNP Rate erheblich erhöht (bspw. https://www.thieme.de/de/neurologie/polyneuropathie-durch-blutzuckersenkung-71564.htm). Ich persönlich führe solche Patienten inzwischen ~1 Woche im 200er Bereich (eher 200+ als <200)...
Nebenfrage: Ein APS-2 hat der Patient nicht? (wg. Diabetes insipidus, kommt ja assoziert vor. Wobei Adipositas nicht passt).

THawk
04.05.2015, 19:04
Vielen Dank, spannende Antworten! Und danke für die Links.
APS-2 musste ich erstmal googlen :-blush
Nein, hat er sicher nicht. Die Anamnese ist etwas ausführlicher als genannt (und APS-2 ist auch zumindest lt. Flexicon mit D.m. Typ I definiert, unser großer hat einen Typ II). Inoperabler Hirntumor, daher Panhypopituitarismus, fehlendes Hungergefühl, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Aggressivität -> Adipositas -> D.m. II.
Aufgrund seiner Aggressivität und fehlender Zugangs-Möglichkeit waren wir gezwungen am Wochenende auf s.c. umzustellen, das funktioniert auch recht ordentlich. War ein interessanter Fall, wie gesagt, für uns ungewohnt und außergewöhnlich. Für die Ketoazidosen bei Typ 1 habe ich einfach ein besseres Gefühl.