Was hättet Ihr getan?

[wischmopp]

Jetzt muss ich Euch mal nach Eurer Meinung fragen.

Gestern am frühen Abend war ich im nahe gelegenen Park laufen.
Da sehe ich in der Wiese am Wegrand jemanden liegen (männlich, ca. 20-25 Jahre, schwarze Hautfarbe). Bin natürlich gleich hin, angesprochen, leicht an der Schulter gerüttelt. Zuerst nur ein Gemurmel als Antwort. Auf meine Frage, ob ich ihm helfen kann, kam die Antwort (auf Englisch) schon etwas deutlicher, er wolle nur schlafen. Nun gut, zum Schlafen dort am Boden war es definitiv zu kalt. Was also tun?

Mittlerweile standen noch ein weiterer Jogger und ein Mann mit Hund dabei. Auch noch wichtig zu wissen, direkt an diesem Park ist ein Asylantenwohnheim, wir haben jetzt einfach mal vermutet, dass er von dort ist.
Dann kamen 3 weitere Schwarze vorbei. Meine Frage, ob sie aus dem Camp seien und diesen Mann kennen würden, bejahten sie. Er hätte wohl vorher zu viel getrunken (das haben sie mitgekriegt) und wollte dann spazieren gehen. Sie würden ihn jetzt nach Hause bringen (300m), der braucht nur ein Bett.

Atmung war klar ersichtlich vorhanden, Puls konnte ich auch fühlen, wobei er mich dann gleich eher weggeschoben hat. Orientiert war er soweit auch. Meine Frage, ob er gestürzt sei, verneinte er. Seitlich gelegen von wegen Aspirationsgefahr beim evtl. Übergeben hatte er schon von selbst. Er wusste seinen Namen, dass er in München ist, dass seine Frau schwanger ist (wurde auch von den 3 anderen bestätigt) und dass er jetzt schlafen will.

Dann kam eine Frau mit Hund, die sofort einen hysterischen Anfall bekam. Wir müssten sofort (!!!) einen Notarzt rufen, der gehört ins Krankenhaus, hier geht es um Leben und Tod und der müsse von Kopf bis Fuß durchgecheckt werden!!!

Die Männer von vorher meinten dann, dass ich Ärztin sei und dass das jetzt nicht ihre Entscheidung wäre.
Sie meinte dann zu mir, ich wisse doch gar nicht, ob er gestürzt sei und ob er dann demzufolge nicht einfach nach Hause "geschleppt" werden könne. Und innere Verletzungen/Blutungen etc... Und untersuchen könne ich ja auch nichts, ich war ja nur in Laufklamotten unterwegs.... und... und.... und....

Und je länger sie diskutierte, umso mehr hat sie mich wirklich verunsichert (was ich ihr natürlich nicht gezeigt habe :-) ). Hätte er wirklich ins Krankenhaus gemusst? Hab ich fahrlässig gehandelt? In meiner Jugend hatten wir auf diversen Parties auch immer mal wieder Alkoholleichen, da rief nie jemand den Notarzt. Andererseits war er eben zwischendrin wirklich alleine und niemand kann sicher sein, was war.

Mit in meine Überlegung eingeflossen war noch: Für Asylbewerber gibt es doch sicher irgendwelche Akten , ich wollte ihm da jetzt auch keinen Eintrag verschaffen wegen 1x über den Durst getrunken. Da die anderen 3 Schwarzen nüchtern waren und sich sehr rührend um ihn gekümmert haben, habe ich sie dann mit ihm nach Hause geschickt. Vorher hab ich ihnen noch eingebläut, ihn nicht allein zu lassen, zu beobachten und bei Verschlechterung....ihr wisst schon....

Die Geschichte beschäftigt mich aber seitdem sehr, war meine Entscheidung falsch? Freue mich über jede Meinung dazu!

[Kaas]

Hätte genauso gehandelt. Der war betrunken, konnte sich aber anscheinend noch ganz gut artikulieren und war voll orientiert. Außerdem lag er auf einer Wiese, da würde ich auch bei stattgehabtem Sturz nicht von größeren Konsequenzen ausgehen. Und innere Verletzungen? Wo sollen die denn herkommen? Da sich außerdem die Bekannten ja gut um ihn gekümmert haben, hätte ich auch keinen Notarzt gerufen o.Ä.. Den Asylantenstatus hätte ich bei den Überlegungen außen vor gelassen.

[][truba][]

Hätte es wohl auch so gemacht.

Hätte ich bei jedem meiner Kumpels, der mal betrunken irgendwo gelegen hat, einen Notarzt gerufen, hätten die uns damals wahrscheinlich bald mit Vornamen begrüßt.

[Evil]

Hast Du richtig gemacht.
Natürlich kann der alles Mögliche haben, aber solange es keinen Anhalt dafür gibt (funktionierende Schutzreflexe, Schmerzfreiheit, Mensch voll orientiert), geht es schlicht und ergreifend keinen anderen was an. Offensichtlich hat er keine Hilfe gewollt, und da wir in einem freien Land leben, sollte diese persönliche Freiheit auch respektiert werden. Könnte sonst als Freiheitsberaubung ausgelegt werden.

Genausogut könnte man eine Tussi mit aggressivem Helfersyndrom zum nächsten Psychiater bringen um sicherzustellen, daß sie keine entflohene Insassin einer geschlossenen Abteilung ist ;-)

[WackenDoc]

Ich finde auch, dass du alles richtig gemacht hast.
Wie schon geschrieben wurde: Selbst wenn er gestürzt ist, hat er dadurch ja nicht zwingend irgendwelche inneren Verletzungen. Und schon gar nicht beim Sturz auf ner Wiese. Eher ne Kopfplatzwunde oder so- und die hättest du ja gesehen.

Also offenbar ausreichend orientierter junger Mann mit suffizienten Kreislaufverhältnissen und ebensolchen Schutzreflexen. Zustand durch beobachteten Alkoholgenuss erklärbar. Bekannte, die ihn sicher nach Hause bringen.
Also gehört der daheim in´s Bett und nicht in´s Krankenhaus.

[wischmopp]

Danke, Ihr habt mich beruhigt! :-)

[mainzer]

sehe das genauso :-)

[EKT]

Genausogut könnte man eine Tussi mit aggressivem Helfersyndrom zum nächsten Psychiater bringen um sicherzustellen, daß sie keine entflohene Insassin einer geschlossenen Abteilung ist ;-)

Na, na, na, na!

[Evil]

Was denn? *unschuldig kuck* :grins:

[wischmopp]

Hast Du richtig gemacht.
Natürlich kann der alles Mögliche haben, aber solange es keinen Anhalt dafür gibt (funktionierende Schutzreflexe, Schmerzfreiheit, Mensch voll orientiert), geht es schlicht und ergreifend keinen anderen was an. Offensichtlich hat er keine Hilfe gewollt, und da wir in einem freien Land leben, sollte diese persönliche Freiheit auch respektiert werden. Könnte sonst als Freiheitsberaubung ausgelegt werden.



Ich finde es etwas schwierig festzumachen, wann der Patient unter Alkoholeinfluß noch selbst entscheiden kann und wann nicht. Angenommen, es wäre in diesem Fall dann doch etwas Schlimmeres gewesen, würde ich doch dann wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden können, oder?

Und noch etwas: Hätte ich so etwas wie einen Bodycheck machen sollen? Das hätte er zwar sicher nicht so schön gefunden, weil er meine Hand ja beim Pulstasten schon weggeschoben hat, aber mein Eindruck von ihm wäre wohl noch vollständiger gewesen. Da er seine seitliche Lagerung nicht wirklich verändert hat, konnte ich natürlich auch keine evtl. Wunden an der Liegeseite ausschließen.

Mann, dieses "hätte, sollte, was wäre wenn" im Nachhinein.... In der Uni übt man zwar durchaus solche Szenarien, jedoch war bei uns da nie eine nervige Besserwisserin im Hintergrund :-/

[Solara]

Kannst dich ja zur Gewissensberuhigung noch dort erkundigen, wie's ihm geht?

[wischmopp]

Könnte ich machen, ja!

Wobei ich ja schon glaube, dass er mittlerweile wieder fit ist und nichts weiter war...

[WackenDoc]

Nein, du wärst auf keinen Fall wegen unterlassener Hilfeleistung dran.

Du hast den Patienten nach bestem Wissen und Gewissen versorgt und bist zu einem Entschluss gekommen, der in meinen Augen der richtige war.

Leider wird in der Uni oft nicht gelehrt, dass es eine Medizin außerhalb von Maximal-DD-Finden gibt.
Gerade in der präklinischen Medizin geht es um Wahrscheinlichkeiten und darum die wahrscheinlichsten DDs auszuschließen und mit dem Restrisiko muss man einfach leben.

[wischmopp]

Nein, du wärst auf keinen Fall wegen unterlassener Hilfeleistung dran.

Du hast den Patienten nach bestem Wissen und Gewissen versorgt und bist zu einem Entschluss gekommen, der in meinen Augen der richtige war.

Leider wird in der Uni oft nicht gelehrt, dass es eine Medizin außerhalb von Maximal-DD-Finden gibt.
Gerade in der präklinischen Medizin geht es um Wahrscheinlichkeiten und darum die wahrscheinlichsten DDs auszuschließen und mit dem Restrisiko muss man einfach leben.

Das ist sehr schön gesagt und klingt logisch! Vielen Dank!

[Relaxometrie]

Auch mMn nach hast Du richtig gehandelt.
Haben die "drei Nüchternen" den alkoholisierten Mann denn dann tatsächlich mitgenommen?

Bei Wetterbedingungen, bei denen man draußen liegend erfrieren würde, wäre allerdings ein rigoroseres Durchgreifen sinnvoll gewesen. Sprich: da hätte ich den Rettungsdienst gerufen, wenn die "drei Nüchternen", die den Patienten ins Warme bringen können, nicht aufgetaucht wären.
Die Kaskade, die dann vom Rettungsdienst abgearbeitet werden muß, ist zwar nicht gerade amüsant, aber jemanden im Eiskalten liegen zu lassen und einfach weiter zu gehen, ist auch keine sinnvolle Lösung.

[Jungarzt]

Kann ich nur zustimmen. Solang der Mann versorgt ist, ist das doch ok. Wärst du alleine gewesen, wäre der Notruf wohl eher dran gewesen.

[wischmopp]

Haben die "drei Nüchternen" den alkoholisierten Mann denn dann tatsächlich mitgenommen?

Bei Wetterbedingungen, bei denen man draußen liegend erfrieren würde, wäre allerdings ein rigoroseres Durchgreifen sinnvoll gewesen. Sprich: da hätte ich den Rettungsdienst gerufen, wenn die "drei Nüchternen", die den Patienten ins Warme bringen können, nicht aufgetaucht wären.
Die Kaskade, die dann vom Rettungsdienst abgearbeitet werden muß, ist zwar nicht gerade amüsant, aber jemanden im Eiskalten liegen zu lassen und einfach weiter zu gehen, ist auch keine sinnvolle Lösung.

Ja, die haben ihn zwischen sich hergeschleppt, selbst laufen ging nicht wirklich.
Alleine liegen gelassen hätte ich ihn auf gar keinen Fall, da wäre er wohl auch bei relativ mildem Wetter schnell unterkühlt.

Danke nochmal für alle Antworten, Ihr habt mir sehr geholfen! :-)

[firstdayofwinter]

Hm, ich hätte mich wahrscheinlich auch verunsichern lassen, aber bei welchem betrunkenen Menschen weiß man schon, was er sonst noch hat? Muss dann jeder Menschen, der betrunken darnieder liegt, direkt mit NA ins Krankenhaus? Das ist doch nicht der Sinn der Notfallaufnahme und des NAs! Ich glaube im Endeffekt hätte ich mich mit der Frau gestritten..... (Hasse Leute, die mit jeder Kleinigkeit direkt Rettung/NA rufen müssen und dann einen Ganzekörpercheck verlangen.....)