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Chaoskätzchen
26.05.2015, 12:10
Hallöchen..

die Medikamentenverordnung ist nur einer der fehleranfälligen Prozesse in der Klinik.

Vom falschen Medikament bis hin zur falschen Dosierung bis hin zu Doppeltgaben bei fehlender Dokumentation.. es gibt nichts, was es nicht gibt.

Insbesondere empfinde ich die Schnittstelle "schriftliche Verordnung" und "Umsetzung durch das Pflegeteam" als besonders sensibel und überlege gerade, wie wir in unserer Klinik häufige Fehlerquellen vermeiden könnten, indem wir die Medikamentenverordung einheitlicher gestalten.

Darf ich Euch fragen, wie ihr in Eurer Klinik die Medikamentenverordnung handhabt? Verordnet ihr Wirkstoffe, Präparatenamen, relevante Dosis bei Kombinationspräparaten (z.B. Amoxicillin / Clavulansäure) oder Gesamtdosis? Verordnet ihr Verabreichungsabstände oder Maximalgaben bei Bedarfsmedikamenten? Schreibt ihr - sofern ausserhalb der Pädiatrie relevant - die Berechnung der Gesamtdosis hinzu?


Wie würdet ihr die folgenden Medikamente verordnen?

Paracetamol 500 mg, Verabreichungsweg: rektal oder per os, Bedarfsmedikation max. 4 x / Tag 500 mg, Berechnungsweg: Patient mit 25 kg, 20 mg/kg/dosis

Amoxicillin/Clavulansäure, Verabreichungsweg: i.v., Fixmedikation: 6stündlich 500 mg, Berechnungsweg: Patient mit 10 kg, 50 mg/kg/dosis Amoxicillinanteil

Levetiracetam 100 mg/ml Lösung, Verabreichungsweg: per os, Fixmedikateion: 2 x / Tag 500 mg, Berechnungsweg: Jugendlicher, 50 kg

Ventolin (Salbutamol) Dosieraerosol, Verabreichungsweg: per inhalat., Fixmedikation: 4 x täglich 2 Hübe



Ich habe die Beispiele bewusst abweichend von meiner Verordnungspraxis aufgeschrieben. Ich such einfach nach möglichen anderen Varianten und "Futter für mein Hirn" :)

Danke!

THawk
26.05.2015, 15:27
Man muss es kurz, aber eindeutig halten. Berechnungsweg ist auch in der Pädiatrie irrelevant, das gehört nicht in die Anordnung (höchstens in einen ärztlichen Verlaufsbericht wenn man z.B. eine Dosiserhöhung vom Ampicillin in die Meningitis-Dosis argumentiert). Wichtig ist uns in der Klinik, dass bei Bedarfsmedikation der Bedarf definiert wird.
Also Beispiel: 500 mg Paracetamol p.o./rektal bis 6-stündlich bei Schmerzen / Temperatur > 38,5°C

Bei Kombinationen wie Amoxicillin / Clavulansäure wird immer nur der antimikrobiell wirkende Anteil angegeben, also das Amoxicillin (gilt z.B. auch für Piperacillin/Tazobactam). Bei Cotrim bleibt es leider mehrdeutig, da ergänze ich gerne die Dosis als Milliliter-Angabe (also x mg = y ml K-Saft oder E-Saft).

Ebenfalls klinikintern festlegen sollte man ob Wirkstoff oder Handelsname. Wir haben uns (zum Glück, dann müssen wir uns beim Ansetzen keinen Kopf um veränderte Hersteller in der Hausliste machen) auf Wirkstoff geeinigt und haben auch auf die Weise die Medikamenten-Schränke sortieren lassen. Wobei es ehrlicherweise Ausnahmen gibt, z.B. bei Otriven Nasentropfen (Xylomethazolin ist so umständlich) und Salben.

Absolute Arrhythmie
26.05.2015, 15:50
Also ich kann das jetzt nur aus Sicht einer Pflegekraft kommentieren :
Mir persönlich ist egal ob Medikamentenname oder Wirkstoff verordnet wird, da ich den Umgang mit der roten Liste beherrsche (im Gegensatz zu so manchem Kollegen). Wir haben eben wegen jener Kollegen bei nicht allgemein bekanntem Namen in der Verordnung diese mit Bleistift ergänzt (also =XYZ dahinter geschrieben).
Was mir persönlich wichtiger ist und was von vielen Ärzten nicht bedacht wird: es muss klar zu erkennen sein was der Patient wann auf welche Art bekommen soll und wer es verordnet hat.
Also irgendwo in der Kurve muss schon ein Handzeichen eines Arztes für diese Verordnung zu finden sein (kenne Schwestern die gern einfach Medikamente absetzen die sie "blöd" finden).
Also bei fester Medikation wäre bei uns zB üblich:
Torem 10mg Tbl. 1-1/2-0
Oder auch
Torasemid Tbl 10-5-0mg
ist für mich beides okay und gut umsetzbar.
Bei Bedarfsmedikation freue ich mich über Anordnungen wie von THawk beschrieben, also wann darf ich was wie und wie oft geben. Da fände ich dann zB "PCM b.B." ein klein wenig zu schwammig :-))

Chaoskätzchen
26.05.2015, 16:48
Danke an Euch beide schon mal für die Antworten und Sichtweisen.

Ich persönlich bin auch dafür, das Ganze so kurz und knackig wie möglich zu halten, aber.. hier brennen heisse Diskussionen.

Der Berechnungsweg wird hier durch die Pflege gewünscht um gegenzurechnen. Eine Argumentation, die sich mir gut erschliesst, da sie Dosierungsfehler vermeiden könnte, wenn sie konsequent umgesetzt werden würde. Wird sie aber nicht..
Andererseits finde ich, dass sich bei Uebergaben im Arztteam oder Visiten, die Berechnungen und Ueberlegungen dahinter schneller erschliessen. Machen wir zum Beispiel beim Festlegen der Totalflüssigkeit auch..

Auch ich plädiere dafür, dass wir den Wirkstoffnamen verordnen, genau aus dem Grund, dass die im Haus verfügbaren Präparate immer mal wieder wechseln. Ausserdem würden sich Verwechslungen wie Clamoxyl (Amoxicillin) und Co-Amoxi (Amoxicillin / Clavulansäure) und Augmentin (Amoxicillin / Clavulansäure) endlich auflösen würden.. Von Pflegeseite besteht auf der einen Station, der Wunsch, den Präparatenamen zu verordnen.. auf einer anderen Station der Wunsch, beides zu verordnen..

Bis anhin wird bei uns Amoxicillin / Clavulansäure als Gesamtdosis verordnet und im Berechnungsweg nur der Amoxicillin-Anteil kenntlich gemacht. Meiner Meinung nach ein sehr fehleranfälliges Vorgehen ...

Die schriftliche Verordnung beginnt bei uns mit Datum und Namenskürzel. Das ist bei uns eher nicht das Problem.. behaupte ich jetzt einfach mal.


Danke! Ich bin gespannt auf weitere Antworten.

Dr. Jekyll
26.05.2015, 18:58
Ich schreibe Wirkstoff und Dosis auf. Keine Berechnungen zur Dosis bei Standardpräparaten wie Antibiotika angeben.
Zu viel Info kann auch zur Verwirrung führen. Wenn ich 534,8 mg verordne dann stimmt das.

Keine Abkürzungen, auch nicht gängige wie p.o.

Es haben amerikanische Krankenschwestern schon "Ohrentropfen r.ear" (=right ear) rektal eingeführt ("rear")
Weder Patient noch Krankenschwester hats gestört.

Bei Besonderheiten z.B. Medis in Tropfenform (ich meine Valproat ist so ein Mittel), gibt es je nach Hersteller/Land unterschiedliche Konzentrationen UND
Tröpfchengrösse durch unterschiedliche Oberflächenspannung der Mixtur und Spenderöffnung.

Also 40 Tropfen können auch nur 10 Tropfen des alten Präparates entsprechen. Da lasse ich mir den Beipackzettel geben und schreibe alles auf. Konzentration, Tropfenanzahl, Hinweis auf Tropfengrösse (eventuell schreibt der Niedergelassene ein günstigeres Präparat auf und kennt die Tropfenfalle nicht)


Und bei Verabreichung (Spritzen) frage ich jeden Patienten jedesmal wie er heißt. Wie oft ändern und ähneln sich Zimmer, Belegung, Medikament, Diagnose. Wer stand schon nicht mit der richtigen Spritze im falschen Zimmer?


@ absolute Arrhythmie

Ich sage nie ein böses Wort, aber sollte eine Schwester Medikamente absetzen, weil sie sie blöd findet, hagelt es Abmahnungen. Bei Unklarheiten oder ungewöhnlichen Verordnungen darf gerne nachgehakt werden beim Verordner.
Im Sinne einer doppelten Kontrolle von Schwestern und Ärzten.
Oder solche gefährlichen (und damit offensichtlich fehlerhafte) Verordnungen wie die 10fache Dosis Kalium verweigert werden. Aber dann mit sofortiger Rücksprache an den Diensthabenden.

Dummie
26.05.2015, 19:28
Auch ich kann hier nur aus Sicht der Pflege sprechen.

Die Verordnung sollte natürlich lesbar sein, also im Idealfall mit mit dem PC geschrieben. Es sollte ersichtlich sein wann das Medikament verordnet wurde und von welcher Person (Verlauf und Rückfragen).

Es wäre auch schön, wenn Patienten mit (zu erwartenden) Schmerzen eine entsprechende Bedarfsmedikation schon kurz vorher verordnet bekommen. Für den Patienten ist es unschön, wenn er operiert wurde aber absolut gar nix angeordnet ist.

Außerdem sollte die Pflege über neue Verordnungen informiert werden und natürlich auch(!) der Patient. Bei zeitkritischen Änderungen gerne auch telefonisch.

Chaoskätzchen
26.05.2015, 20:23
Danke für Eure Rückmeldungen.

Wie gesagt: Lesbarkeit, Datum der Verordnung, Uhrzeit der Verordnung und Namenskürzel sind bei uns Standard und führen in der Uebersicht der "Medikamentenfehler" zu einer Rarität an Fehlern. Auch gehört eine Bedarfsmedikation für Schmerzen bei uns in die "Standardverordnung" bei stationärer Aufnahme und hat eine fixe Spalte im Verordnungsblatt.

Ueber Aenderungen der Verordnungen informieren wir zumeist auch mündlich. Das funktioniert aus meiner Sicht ebenfalls gut.

Die Anmerkung mit der veränderten Tropfenzahl finde ich sehr wichtig. Das gab es eine zeitlang mit Ventolin (Salbutamol) Tropfen, da hat man dann von Tropfenzahl auf ml umgestellt.

Dr. Jekyll
26.05.2015, 21:21
Die Anmerkung mit der veränderten Tropfenzahl finde ich sehr wichtig. Das gab es eine zeitlang mit Ventolin (Salbutamol) Tropfen, da hat man dann von Tropfenzahl auf ml umgestellt.

Selbst da könnte es wegen verschiedener Hersteller noch Konzentrationsunterschiede geben.
Manchmal haben Intensivstationen andere Hersteller/Konzentrationen als Normalstationen
(Uniklinik)

Es gibt Fehlerseiten der Medizin im Internet, wo Fehler anonym gesammelt werden, sowohl englisch- als auch deutschsprachig.

Ich habe sie auf meinem alten Pc, der leider kaputt ging. Könnt ihr aber auch per Google finden.
Da habe ich das mit der Tropfenfalle gelernt. Da kann man sich Fehler "abgucken", um sie nicht selbst zu machen.
Solche Dinge wie Oberflächenspannung bedenkt man ja normalerweise nicht, wenn man es nicht mal gehört hat.

Oder die Fehler-Bücher wie z.B. "Avoiding Errors" für verschiedene Fachrichtungen. (Gibts verschiedenene Buchreihen von mehreren Verlagen). Auch Pädiatrie. Kann ich wärmstens empfehlen. Rettet mit Sicherheit ein Leben in eurer Karriere :-top Da kann man sich als Kindle-Kunde auch kostenlos das erste Kapitel angucken.

Bei der Avoiding-Reihe wird immer ein echter Fall komplett aufgeschlüsselt, ähnlich wie bei einer Flugzeugkatastrophe. Es sind oft Medikationsfehler mit dabei.

"Am Tag zuvor wurde der junge zur Chemotherapie aufgenommen, wurden aber als Aussenlieger aufgenommen, weil kein Bett frei war -> kein direkter Zugriff durch pädiatrisch geschultes Personal, Delegation der Chemotherapie an Assistenten, weil Onkologe im Urlaub -> kein Facharztstandard, Rechtschreibfehler durch aufnehmenden Pädiater am Vortag, Verwechslung und Abkürzung von Gaben i.v mit i.t. (intrathekal), usw." (Keine Abkürzungen
nehmen, egal wie banal sie sind!)

Letztendlich starb der Junge an einer intrathekalen Dosis, die eigentlich i.v. gedacht war. (Ich glaube Vincristin o.ä.
wurde aus Versehen intrathekal gegeben, während MTX i.v. gegeben wurde, es hätte andersrum seien müssen)

Kleine Fehler schon am Aufnahmetag können sich zu schweren Fehlern entwickeln, wenn die Bedingungen nur hinreichend schlecht sind. So kann man viele Fehler umgehen und wird vorsichtiger z.B. im Umgang mit Aussenliegern.

Wie sollte nicht pädiatrisch geschultes Personal die gleichen feinen Antennen haben, wie ein eingespieltes pädiatrisches Team.
Es ist eigentlich logisch. Es rückt aber erst in die Wahrnehmung, wenn man es einmal liest. Vorher wiegt man sich in falscher Sicherheit.

Chaoskätzchen
26.05.2015, 22:00
Dr. Jekyll, danke für die Tipps. Die Avoiding Errors-Serie kannte ich noch nicht.

Unser Reporting-System hat mich überhaupt erst auf den Trichter gebracht, dass ich dort gern dringend was ändern möchte. Deshalb hier auch die Anfrage, wie es so in anderen Krankenhäusern gehandhabt wird. Manchmal leidet man ja trotzdem unter Betriebsblindheit :) auch wenn ich schon in verschiedenen Kliniken gearbeitet habe.

WackenDoc
26.05.2015, 22:04
Ich glaub, was auch helfen könnte, sind regelmäßige Schulungen der Pflege über die gängigen oder tückische Medikamente der Station/Abteilung. Dann fällt auch eher mal auf, wenn an der Verordnung was nicht stimmt.

Bedarfsmedikation mit Indikation, Dosierung, Höchstdosis und Abständen.

Und zeitlich begrenzte Medikation mit einem Vermerk, wann reevaluiert werden sollte.

Dr. Jekyll
26.05.2015, 22:09
www.jointcommission.org/assets/1/18/SEA_39.PDF

Als Einstieg.

Als Tip habe ich noch: gefährliche Medikamente werden in einem besonderen Schrank gelagert, wie z.B. Kalium oder Codein (leicht tödliche Überdosierungen möglich), der z.B. ein großen roten Punkt hat und sich in der obersten Reihen befindet.

Banale Sachen, wie ein roter Punkt oder das man auf einen Stuhl steigen muss, um sich Kalium aus dem obersten Fach zu holen, ("und nicht mal eben so Kalium aufzieht") können die Aufmerksamkeit auf das Gefahrenpotential erhöhen. (Es starb mal ein Säugling, einfach weil Kalium neben Aqua dest. gelagert war,
gleiche Päckungsgröße, Kalium nicht eingefärbt, ähnliche Flasche, gleiche Firma, nachts um drei in Eile aufgzogen)

Tagsüber in Ruhe ist alles so banal, und in Eile und Übermüdung werden die Fehler zu Katastrophen.

Gefährliche Medikamente setze ich bei Ansetzung gleich wieder ab z.B. am 3. Tag. Damit der Patient nicht
dauerhaft Kaliumtabletten kriegt, sondern nur 3 Tage. Bei Bedarf kann immer noch verlängert werden.

Oder die 24h Stunden-Regel bei besonderen Medikamenten. Ein gefährliches Medikament wird nur einmal bzw. dreimal verordnet und MUSS jeden Tag neu angesetzt werden, um Kumulationen zu vermeiden.

Keine verbalen Anordnungen.

WackenDoc
26.05.2015, 22:40
Medikamente mit unterschiedlichen Konzentrationen am besten gar nicht haben, ansonsten markieren oder getrennt lagern.
Typisch im Notfallschrank: Dormicum 15mg/3ml und 5/5. Ketanest mit 25mg/ml und 5?/ml. Heparin hat bei uns 25000 Einheiten, gebraucht werden aber üblicherweise nur 5000.
Gleiches gilt für Medikamente mit Verwechslungsgefahr- z.B. haben wir Ringer und NaCl in einem gut erreichbaren Regal gelagert und G5 und Haes in nem anderen, dazu in einer Kiste und schlechter erreichbar.

Bei Bricanyl haben wir auch "nur s.c." drauf geschrieben, weil das gerne veressen wird.

Chaoskätzchen
27.05.2015, 08:33
Als Tip habe ich noch: gefährliche Medikamente werden in einem besonderen Schrank gelagert, wie z.B. Kalium oder Codein (leicht tödliche Überdosierungen möglich), der z.B. ein großen roten Punkt hat und sich in der obersten Reihen befindet.

Banale Sachen, wie ein roter Punkt oder das man auf einen Stuhl steigen muss, um sich Kalium aus dem obersten Fach zu holen, ("und nicht mal eben so Kalium aufzieht") können die Aufmerksamkeit auf das Gefahrenpotential erhöhen.


Einfach und genial!

konstantin
27.05.2015, 08:55
Weil's bei mir gerade aktuell ist, möchte ich euch mal vorstellen, wie das in meinem Blockpraktikum Innere abgelaufen ist. Das ist nämlich meiner Meinung nach das Unsicherste, was man in der Hinsicht machen kann.

Der Arzt ordnet handschriftlich an (mal besser, mal schlechter; aber soweit kennt man das ja quasi überall).

Die Schwestern ziehen die Medikamente auf, hängen sie an Infusionsständer in den Pflegearbeitsraum (mal besser, mal schlechter entlüftet), und jetzt kommt der Knüller:

Die Blockstudenten, die nur wenige Tage (wenn überhaupt) auf der Station sind und weder die Ärzte, noch die Pflege, ganz zu schweigen die Patienten kennen, sollen dann zu gegebenen Uhrzeiten:

In den Pflegearbeitsraum tigern, sich die Infusionsständer nehmen,

und dann mit den Medikamenten, die sie oft nichtmal kennen und deren Nebenwirkungen sie nicht abschätzen können, zu Patienten gehen, welche sie im schlimmsten Falle gerade das erste mal zu Gesicht bekommen, und dann blind den Etiketten auf Infusion und Patient vertrauend den Kram anhängen.

Das ganze gipfelte darin, dass bei einem Patienten 1 EK durchgelaufen war, das zweite bereits daneben hing und ich der Pflege bescheid gegeben hatte, dass jetzt wohl das Zweite angestöpselt werden könnte.

JA! Ich weiß, dass die Pflege das nicht machen darf. Aber warum zum Teufel sollen WIR als Studenten das machen? 1. Ich kenne den Patienten nicht, 2. Ich kenne seine Akte nicht, 3. Ich war beim Bedside-Test nicht einmal anwesend, 4. Ich habe keine Erfahrung damit und überhaupt keine Vorstellung, was dabei eigentlich schief gehen kann.

Aber nen Einlauf von der Pflege gibt's dann eben trotzdem. "Also wenn SIE das nicht machen.... WIR machen das erst recht nicht!"

Es ist ja nicht so, als wäre ich zu faul dafür; und auch was etwaige Komplikationen angeht, bin ich relativ schmerzfrei. Aber es muss ja nur irgendetwas passieren, was immer passieren könnte, und dann heißt es am Ende "Ja mei, warum hat das auch der Student gemacht?"

Ich habe keine Ahnung, wer sich hier dieses System ausgedacht hat, und aus anderen Kliniken kenne ich das auch anders. Im Idealfall sollte doch wohl derjenige, der die Infusion aufzieht, doch auch derjenige sein, der sie anhängt. Und zwar an einem Patienten, den er kennt. Und in der Regel ist das für mich die Pflege, und nicht irgendein dahergelaufener Blockstudent, der seit 5 Minuten auf der Station ist wirklich garniemanden beim Namen kennt. Oder bin ich einfach zu pedantisch?

Kandra
27.05.2015, 09:02
Gerade bei den EKs hätte ich mich da schlicht geweigert und das ganze vielleicht sogar an den Organisator des BP gemeldet. Sowas geht gar nicht!

Feuerblick
27.05.2015, 09:03
Ich gehöre ja nun auch eher zu den Leuten, die finden, dass man manche Dinge im Studium/PJ mal gemacht haben sollte...aber nach Einweisung und unter Aufsicht! Und wenn man einen Einlauf von der Pflege bekommt, weil man keine unbekannten Medis an unbekannte Patienten verabreichen will, dann kann man ja mal mit diesem Artikel hier winken:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/145387/Fahrlaessige-Toetung-Urteil-gegen-PJler-bestaetigt

WackenDoc
27.05.2015, 09:08
Das ist wieder ein typisches Beispiel dafür, wie Studenten für Arbeiten genutzt werden, die sie teilweise gar nicht durchführen dürfen und wo es oft keine klare Regelung zwischen ärztlicher und pflegerischer Aufgabe gibt.

Die Pflege kann natürlich die Konserve laufen lassen, die vorher von einem Arzt ordentlich geprüft wurde. Aber keinesfalls würde ich das den Blockpraktikanten machen lassen, der von den ganzen Stationsabläufen kaum Ahnung hat.

Anhängen von bereits vorbereiteten Infusionen nur dann, wenn es SOPs zur korrekten Identifizierung der Patienten und der Infusionen gibt.

Und letztendlich muss die Kommunikation der Station mit dem Studenten stimmen. Solange die nur als nervige Durchläufer angesehen werden, die gefälligst wenigstens unliebsame Arbeiten durchzuführen, aber tunlichst nichts in Frage zu stellen haben, steckt da eine große Gefahr drin.
Blockstudenten sind nun mal noch Tapsis, die man gefälligst an die Hand zu nehmen hat und an die man nur Tätigkeiten delegieren kann, wenn man sich versichert hat, dass sie es können und damit organisatorisch klar kommen.

Ich hab´s im Gyn-Block gewagt zu fragen, was der rote Punkt auf den BLutröhrchen zu bedeuten hat. Antwort "Patientin ist infketiös" Auf weitere Nachfragen hab ich keine gescheiten Antworten bekommen. Also hab ich mich geweigert, bei dieser Patientin Blut abzunehmen, was dann wieder Diskussionen zu meiner Berufsauffassung durch den Stationsarzt geführt hat.

Absolute Arrhythmie
27.05.2015, 09:10
@Konstantin: Nein, du bist nicht pedantisch. Ich arbeite ja (als Pflegekraft) auf wechselnden Stationen, und da ich dort die Patienten und die Gepflogenheiten nicht kenne, hänge ich Infusionen nur nach Blick in die Kurve an. Das würde (werde) ich später sicher nicht anders machen. EKs würde ich an deiner stelle in so einer Situation auch ganz sicher nicht anhängen.
Ich verstehe das mit den Infusionen gar nicht, wieso hängt die Pflege die nicht selber an?

Zu dem oben erwähnten Problem mit ähnlich audsehenden Infusionen kann ich auch noch ne fiese Story beitragen:
Verwechslung von Perfalgan mit KCl,das Kalium war ungefärbt und stand im Regal direkt neben dem Perfalgan. Der Patient hat dann leider 100ml KCl im Schuss erhalten, was in einer Rea endete. Patient hat es wohl überlebt, Kalium darf seitdem nur noch in blau bestellt werden. Tragischer kleiner Fehlgriff.

Dr. Jekyll
27.05.2015, 10:25
http://www.aerzteblatt.de/archiv/145387/Fahrlaessige-Toetung-Urteil-gegen-PJler-bestaetigt

Die orale Spritze mit Antibiotikum (!) war unbeschriftet. "Wenn man alle i.v-Medis ordentlich kennzeichnet, darf man mit den oralen Sachen ruhig schlampen." Das ist der letzte Blödsinn, auch wenn alle Bescheid wissen.

Kommt ein neuer PJler oder eine Schwesternschülerin, geht das in die Hose. Spricht ja keiner mehr über die Gegebenheiten auf Station, ist ja schon "Standard". Da entstehen unter Ansage Kommunikationslücken bei solchen mündlichen Standards.

Keine unbeschrifteten Sachen spritzen, es sei man hat die Ampulle selbst aufgezogen und in der Hand und steht direkt vor dem Patienten
und weiß auch sicher, was man damit macht. Alles Unbeschriftete/Herrenlose wird von jedem sofort entsorgt. Das ist eine goldene Regel der Intensivmedizin

Auch bei Muttermilch in Spritzen muss der Inhalt und die Darreichungsform gekennzeichnet werden.

@ Konstantin: Bei Konserven habe ich mich zu Beginn geweigert, bis mir der Stationsarzt mehrmals gezeigt hatte (einfordern), wie es läuft und ich wenigstens per Checkliste wusste, was ein Transfusionzwischenfall ist, wie sich das deutlich macht und was so die größten Fehlerquellen sind.
z.B. Bedside-Test nicht am Bett gemacht oder altes Blut zum Bedsidetest benutzt.

Erstantibiosen/Zweitantibiosen verweigern, bis klar ist wer welche Verantwortung übernimmt (Stationsarzt oder man selbst) und was die Prodromi eines anaphylaktischen Schocks sind. Am besten 10 Min. nach anhängen noch mal ins Zimmer gehen. Kurz fragen "Alles ok?" und bei heiklen Sachen wie Blut, MTX und irgendwelche Perfusoren, Immunisierungssachen oder Provokationstest ruhig mehrmals reingehen und
in der Pädiatrie die Mütter briefen, ob das Kind irgendwie komisch wird. Und bei manchen Sachen wie Furosemid aus der Hand muss man auch mal 10 Minuten neben dem Patientenbett stehen.

Mütter als Überwachung einbeziehen ist immer gut ;-)


Du bist für die Patienten und für deine Haut verantwortlich und du bist nicht der Erfüllungsgehilfe für unterbesetzte Stationen. Ein einfaches "Nein"
bei zu viel Verantwortung ist viel öfter angebracht, nur traut man sich das nicht. Falls alle Stricke reissen, zur Stationsleitung oder dem Lehrbeauftragten gehen. Die wissen dann, welche Verantwortungen ein Rotationsstudent haben darf. So gut wie gar keine. Du hast nämlich nicht den Kenntnisstand. Oft bringt lautes Denken einen weiter: "Wenn ich jetzt die Konserve anhänge und der Patient stirbt, verliert dann nur der Oberarzt den Job oder auch die Stationsleitung. Wie ist das mit der Verantwortung als Student?"

Heute haben viele Kliniken ja Patientenarmbänder. Früher war das ganze noch unübersichtlicher mit den Karteikärtchen am Bett. :-kotz

John Silver
27.05.2015, 10:41
Es gibt mittlerweile viele Sicherheitsstandards, und es gibt viele Bücher und Kongresse, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Ich will euch aber eines sagen: Man muss das Pferd von der richtigen Seite aufzäumen. Wenn es in der Klinik Probleme gibt, und einige oder viele potentielle Gefahrenquellen bestehen, geht der erste Gang nicht ins Internet, sondern zum Chef. Man setzt sich mit dem Chef hin, selbstverständlich vorbereitet, und erklärt dem Chef, welches Problem man sieht. Dann vereinbart man mit dem Chef die nächsten Schritte zur Lösung. Meine Empfehlung (ich bin Darm- und Proktologiezentrumskoordinator, habe also Erfahrung):
1. Eine Liste mit den Problemen machen, dabei allist Beteiligten, also sowohl Ärzte als auch Pflege, und ggf. Studenten, einbeziehen.
2. Lösungsansätze erarbeiten, und dann diese Ansätze ebenfalls mit allen Beteiligten besprechen; ggf. korrigieren.
3. Alles dem Chef vorlegen, und unter seiner Ägide umsetzen.

So, und nur so hat man ein realistische Chance, dauerhaft Probleme zu beseitigen. Viel Erfolg.