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PaulaBoston
20.06.2015, 18:36
Hallo,
Wie wird in euren Häusern die Entlassung gegen ärztlichen Rat gehandhabt? Mein Oberarzt hat und quasi verboten, das anzukreuzen bei der Entlassung. Er meint damit würden wir ja zugeben, dass der Patient noch bleiben müsse und das wäre ja die Einladung für den Staatsanwalt. Was ich nicht verstehe, ich kann den Patienten doch nicht gegen seinen Willen zwingen auf Station zu bleiben.
Man muss dazu sagen, ich arbeite in der Psychiatrie, aber auf einer offenen Psychotherapiestation. Die Patienten sind alle freiwillig da.
Danke für eure Berichte! Glg

jijichu
20.06.2015, 18:57
Hi,

ich arbeite auch in der Psychiatrie. Entlassungen gegen ärztlichen Rat ist bei uns üblich, wenn keine Kriterien nach HFEG (in Hessen) oder PsychKG bestehen, dann kann ich den Patienten ja bei Entlasswunsch nicht einfach da behalten. Aber ich muss auch dokumentieren, dass aus meiner Sicht weiter Behandlungsbedarf besteht. Z.B. heute in meinem Dienst: Patient wurde richterlicherseits nicht untergebracht und wollte gehen. Er geht gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat, da psychiatrischerseits eine weitere Behandlungsbedürftigkeit besteht, wir die aber nicht gegen seinen Willen durchführen dürfen.
Unsere Chefs wollen, dass es dokumentiert wird, damit eben auch gezeigt wird, dass unsere Patienten die Risiken bei Behandlungsabbruch in Kauf nehmen.

LG

Reflex
20.06.2015, 19:58
Wir sind ne Neurologie in einem sozialen Brennpunkt mit viel sehr einfach gestrickten Leuten und vielen Suchtkranken, die häufig kommen und gehen wie sie lustig sind. Solange die Patienten geschäftsfähig sind, kann man sie wohl schlecht gegen ihren Willen festhalten. Wir klären natürlich die Patienten über die Konsequenzen von Unterlassung weiterer Therapie und Diagnostik auf und Dokumentieren das entsprechend.

"Lyse to go" ist bei uns neuerdings ein geflügeltes Wort... :-oopss

Fr.Pelz
20.06.2015, 20:11
Die Argumentation deines OA verstehe ich nicht. Gerade die Dokumentation plus Unterschrift ist doch wichtig, damit der Staatsanwalt eben nichts zu meckern hat. Ich sag den Patienten immer, das ist ein Krankenhaus und kein Gefängnis, kläre sie auf, lasse unterschreiben und gut ist. Bin da völlig unemotional (solange es sich um zurechnungsfähige Patienten handelt).

Pandora
20.06.2015, 20:20
Bei uns (auch Psychiatrie) dürfen Patienten gegen eigene Unterschrift oder die des gesetzlichen Betreuers gehen, solange sie nicht eigen- oder fremdgefährdend sind. Wobei sich eigengefährdend hierbei auf erhebliche gesundheitliche Schädigungen oder gar Tod bezieht. In dem Fall würden wir eine Zwangsunterbringung beantragen und richterlich prüfen lassen. Fremdgefährdung ist eh klar, denke ich. Dass Patienten sich nicht behandeln lassen wollen und dadurch ihre Krankheit weiterhin bestehen bleibt oder gar schlimmer wird reicht in dem Fall allein nicht aus. Und mit der Unterschrift eines zurechnungsfähigen Patienten nach ausführlicher Aufklärung ist man rechtlich abgesichert.

EKT
20.06.2015, 20:53
...auf einer offenen Psychotherapiestation. Die Patienten sind alle freiwillig da.

Was, wirklich? Ist ja kaum zu fassen!

Kaas
20.06.2015, 21:46
[QUOTE=Pandora;1851732]Bei uns (auch Psychiatrie) dürfen Patienten gegen eigene Unterschrift oder die des gesetzlichen Betreuers gehen, solange sie nicht eigen- oder fremdgefährdend sind.

"Dürfen gehen"? Das ist ja sehr großzügig von euch. Solange die Eigen- oder Fremdgefährdung nicht vorliegt darf der auch ohne Unterschrift gehen. Ist ja Gott sei Dank ein freies Land hier.

Sebastian1
20.06.2015, 22:00
Insgesamt sind die Interpretationsspielräume da relativ klein - mögen in Einzelheiten in den Ländern differieren, aber im Wesentlichen läuft's ja darauf hinaus, dass ohne Vorliegen von Eigengefährdung UND mangelnder Einsichtsfähigkeit oder Fremdgefährdung keine Handhabe besteht, einen Patienten gegen seinen Willen festzuhalten.
Im Einzelnen kann das allerdings durchaus mal Situationen geben, die schwierig sind. Mir ist ein Fall erinnerlich, wo ich einen jungen (~ca 45 Jahre) Patienten mit frischem Stroke als Notarzt zu Hause aufgesucht habe (gerufen von der Familie), der hatte deutliche Hemisymptomatik, war aber völlig klar. Sowohl die Familie wie auch wir haben den mit allen erdenklichen Mitteln zum Mitkommen zu bewegen versucht, der blieb aber stur. Was soll ich da machen? Was soll der Neurologe da im Krankenhaus machen, wenn ich ihn denn mitzerre? Ihm auch gegen seinen Willen die Lyse verpassen? Sicher nicht. (Ich habe das sehr sorgfältig dokumentiert, von allen Anwesenden unterschreiben lassen und Rücksprache mit der nächsten Neurologie und dem ÄLRD gehalten - mehr konnte ich da einfach nicht tun.)
Anderer Fall: Patient auf ITS, lattenstramm nachts eingeliefert. Beim Aufwachen deutlich aggressiv, vor allem aber auch verbalaggressiv gegen seine nicht anwesende Lebensgefährtin, die es doch gewagt hat, den Rettungsdienst zu rufen. Er hat unter Gewaltandrohung die Station verlassen; an ein Gespräch war nicht zu denken, so schnell hätten wir auch Polizei oder so nicht dagehabt. Ich werde auch da den Teufel tun, mich körperlich mit dem Patienten anzulegen, das ist nicht meine Aufgabe. Wegen der nicht auszuschliessenden Fremdgefährdung (er drohte, seine Freundin zu verprügeln sobald er zu Hause wäre) habe ich in diesem Fall die Polizei über den Sachverhalt informiert, was letztlich dann offenbar zu einer Zwangseinweisung geführt hat, da er offenbar drauf und dran war, seine Drohungen in die Tat umzusetzen.

Sind aber alles extrem seltene Fälle. Die Mehrzahl lässt sich zumindest im NA-Dienst und auf Intensiv davon überzeugen, dass es sinnig ist, zu bleiben/mitzukommen. Und der Rest unterschreibt halt (bzw es wird dokumentiert) und geht, da bin ich auch völlig unemotional.

Hoppla-Daisy
20.06.2015, 22:11
Ich versuche, eindringlich die Patienten davon zu überzeugen, dass es besser ist, wenn sie bleiben. Dabei bekommen die auch schön zu hören, was alles passieren kann ("bis zum Tod, wenn's doof läuft"). Wenn sie dann noch immer uneinsichtig sind, wird das fein auf dem entsprechenden Bogen dokumentiert und vom Patienten unterschrieben. Wenn ich es sauber dokumentiere, kann mir auch keiner was. So einfach ist das. Frei nach dem Motto: Lächle, denn man kann sie nicht alle retten ;-)

WackenDoc
21.06.2015, 09:27
Natürlich dürfen auch psychiatrische Patienten gegen Unterschrift gehen. Die Unterschrift besagt ja nur, dass du dem Patienten erklärt hast, warum es besser für ihn wäre, zu bleiben und sich behandeln zu lassen und was passieren kann, wenn er dies nicht tut.
Die Kunst ist halt einzuschätzen, ob er das versteht oder nicht und das muss gut dokumentiert sein.

Auf den Festivals haben wir regelmäßig das Problem ,dass die Patienten in der Regel alkoholisiert sind und da schon schwer ist eine volle Entscheidungsfähigkeit festzustellen. Dagegen stehen oft minderschwere Krankheitsbilder, wo man sich das PsychKG schon 3x überlegt.

Bei der jungen Frau mit der Halbseitensymptomatik wäre für mich die Frage, ob sie den Schweregrad der Erkrankung versteht, ob eine Ablehnung schlüssig ist (z.B. Glaubensgründe, grundsätzliche Ablehnung intensivmedizinischer Maßnahmen) oder doch Folge der Hirnschädigung oder einer psychiatrischen Erkrankung (z.B. Angsterkrankung)

Zum Glück bekommt man an die 90% der Patienten mit akuten, gefährlichen Gesundheitsstörungen überredet, sich behandeln zu lassen.
Chronische und/oder subakute Krankheitsbilder sind im normalen Medizineralltag eh ein Problem und die weist man auch nicht alle gegen ihren Willen ein.

annekii
21.06.2015, 09:30
Ich bin da auch mittlerweile entspannter als früher. Ich kläre "bis zum Tod" auf und lasse sie alles unterschreiben. Bei den Kinderärzten ist es oft das Thema Überwachung über Nacht bei SHT 1°.
Wobei ich immer noch dazu gesagt habe, dass wir uns hier nicht im Bösen trennen und sie bei auffälligen Zeichen von das und dem und diesem jederzeit wieder melden können.
Wenn ich fest überzeugt war, dass es richtig gefährlich ist, wenn die jetzt gehen, habe ich den Facharzt im Hintergrund angerufen, der zum Teil auch rein kam, um das zu klären. Einmal haben wir das Jugendamt angerufen und eine kurzzeitige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrecht erwirkt oder so ähnlich.

WackenDoc
21.06.2015, 09:43
Ich hab neulich nen Patienten vor Ort gelassen, der die Unterschrift verweigert hat und auch nicht aufklärungsfähig gewesen wäre.
Langjähriger C2-Abusus, wurde von der Familie hilflos im Wohnzimmer liegend aufgefunden. Als wir da waren, wach, kreislaufstabil, Alkoholmenge passt zum sonstigen Konsum, keine Verletzungen, äußert deutlich dass er nicht mit möchte, ist verbal aggressiv, keinerlei Abstinenzwille.
Im Sessel sitzend auch nicht weiter eingetrübt.

Wir haben ausführlich die Lage dokumentiert und der Familie geraten mit dem Hausarzt Verbindung aufzunehmen, um eine Lösung des Grundproblems anzustreben- z.B. im Sinne einer Betreuung, Pflegedienst, Heimunterbringung etc.
In solchen Fällen sagen meine RettAss immer, dass sie froh sind, dass sie nicht Arzt sind und jemand anderes haben, der die Entscheidung trifft. Da kannst halt nur verlieren.

McBeal
21.06.2015, 09:57
Ich bin da auch mittlerweile entspannter als früher. Ich kläre "bis zum Tod" auf und lasse sie alles unterschreiben. Bei den Kinderärzten ist es oft das Thema Überwachung über Nacht bei SHT 1°.
Wobei ich immer noch dazu gesagt habe, dass wir uns hier nicht im Bösen trennen und sie bei auffälligen Zeichen von das und dem und diesem jederzeit wieder melden können.
Wenn ich fest überzeugt war, dass es richtig gefährlich ist, wenn die jetzt gehen, habe ich den Facharzt im Hintergrund angerufen, der zum Teil auch rein kam, um das zu klären. Einmal haben wir das Jugendamt angerufen und eine kurzzeitige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrecht erwirkt oder so ähnlich.

Hier läuft es exakt genau so.

LG
Ally

Pandora
21.06.2015, 10:03
"Dürfen gehen"? Das ist ja sehr großzügig von euch. Solange die Eigen- oder Fremdgefährdung nicht vorliegt darf der auch ohne Unterschrift gehen. Ist ja Gott sei Dank ein freies Land hier.

Komm mal runter. Natürlich "dürfen" sie gehen. So wie Du nach Dienstschluss nach Hause gehen "darfst" oder deine Regierung wählen "darfst".
Bei uns unterschreiben allerdings alle Patienten, die sich freiwillig behandeln lassen, dass sie im Falle eines Entlassungswunsches das ärztliche Gespräch abwarten. Und die meisten halten sich daran. Ist ja auch sinnvoll. Wir beschimpfen ja niemanden, der gehen will, sonder klären über Risiken auf, schauen, ob evtl. Medikamente mitgegeben werden müssen, der niedergelassene Psychiater/Hausarzt oder der sozialpsychiatrische Dienst informiert werden sollte (wird natürlich mit dem Pat. besprochen), bieten Alternativen wie Verlegung auf andere Stationen etc, an und prüfen ob nicht eben doch irgendein Grund vorliegt, weswegen der Pat. bleiben muss. Einige gehen auch mal ohne Absprache, da wird dann eine Entlassung gegen ärztlichen Rat in Abwesenheit gemacht oder eben eine polizeiliche Fahndung eingeleitet. Die Verweigerung der Unterschrift wird ebenfalls dokumentiert.
Und in der Psychiatrie gibt es nun mal Menschen, die nicht einfach so gehen dürfen, auch wenn sie bislang freiwillig in Behandlung waren. Es ist einfach so. So frei ist man dann weder als Patient, noch als Arzt.

Lava
21.06.2015, 14:22
Bei alkoholisierten Patienten finde ich es auch sehr schwer. Irgendwann hat man ja mal gelernt, ab einer gewissen Promillezahl gilt jemand vor Gericht generell nicht mehr als einwilligungsfähig, aber ein geübter Alkoholiker kann auch mit 3 Promille noch mit dir über den Sinn des Lebens und Gott philosophieren... OK, ich solchen Fällen lasse ich die Patienten dann gehen und dokumentiere, dass ich den Patienten für geschäftsfähig halte.

Aber was ist mit den 1,x bis 2,x Alkoholisierten, die aggressiv sind, vielleicht sogar eine Kopfverletzung haben, und alles ablehnen? Ich hab immer keine so richtige Ahnung, was ich mit denen machen soll. Im Idealfall halten sie kurz still für ein CT und wenn da nix ist, können sie gehen. Aber oft genug sind die so aggressiv, dass selbst das nicht möglich ist. Einmal hatte ich den Fall, dass meine Kollegin und ich dann die Anästhesie dazu gerufen haben zur Hilfe. Sedieren wollte der aber nicht wegen zu gefährlich, aber auf die Intensivstation aufnehmen wollte er ihn genauso wenig, schließlich ist das ein randalierender Besoffski und kein intensivpflichter Patient. Und dann standen wir wieder da. Meine Kollegin hat ihn dann in die Psychiatrie geschickt, die ihn uns postwendend wieder zurück geschickt haben, weil er ja ein mögliches Schädel-Hirn-Trauma hat und sie sowas nicht überwachen können (stimmt ja auch). Letztendlich wurde er dann Fünfpunkt fixiert in der Notaufnahme "überwacht". Als am nächsten Morgen jemand nach ihm schauen wollte, war er weg und alle Fixierungen durchgeschnitten... schei* Geschichte... ich fühle mich auch nach 6 Jahren Berufsleben immer noch hilflos in solchen Situationn.

Medi85
21.06.2015, 21:20
Zu dem Fallbeispiel habe ich eine Frage: Bei uns (KJP) ist es üblich, dass 5-Punkt-Fixierte von einer Sitzwache bewacht werden müssen, sprich, sie dürfen nicht aus den Augen gelassen werden, eine Pflegekraft ist für den Fixierten abgestellt. Soweit ich weiß ist es auch in der Erwachsenenpsychiatrie so, dass ein fixierter Patient immer von einem Mitarbeiter gesehen werden muss, vielleicht nicht durch Sitzwache, aber durch Fenster (auch wegen Strangulierungsgefahr in der Fixierung und weil die Freiheit natürlich maximal entzogen ist und derjenige sich ggf nicht mittels Klingel bei einem melden kann, wenn etwas ist). Ist das in der Somatik bei Fixierungen nicht der Fall? So klang zumindest der Satz für mich, "als morgens jemand nach ihm schauen wollte..." Das hat mich irritiert, würde mich aber mal interessieren!

Reflex
22.06.2015, 08:29
In der Somatik sollte es eigentlich auch so sein. Problem ist aber dass die Pflege und auch die Ärzte außerhalb von Psychiatrien oft weder die ausreichende Erfahrung noch den Stellenschlüssel besitzen um die vorgegebenen Richtlinien für fixierte Patienten einhalten zu können. Auf den Intensiv- und Überwachungsstationen klappt das meist ganz gut, aber auf periphere Stationen ist es oft eine Katastrophe.

Zu einer vernüftigen Fixierung gehört ja nicht nur eine richtige gut sitzende Fixierung und Überwachung sondern auch den Patienten vorher zu filzen etc., damit er ja nicht noch irgendwas am Körper trägt, wo mit er sich schaden könnte. Irgendwoher muss Lavas Patient auch einen Gegestand hergehabt haben, mit dem er sich los schneiden konnte. Das könnte bei Feuerzeugen etc ja auch in einer Katastrophe für den Patienten und Personal enden.

Meines Erachtens gehört jeder alkoholisierte fixierte Patient mit SHT auf eine Überwachungsstation. Klar niemand möchte für einen unbequemen randalierenden Patienten, der eigentlich nichts hat, ein eh schon knappes Intensivbett opfern. Aber auf einer periphere Station oder im unbewachten Kämmerlein in der Ambulanz, geht der völlig unter.

anignu
22.06.2015, 10:42
Ist das in der Somatik bei Fixierungen nicht der Fall? So klang zumindest der Satz für mich, "als morgens jemand nach ihm schauen wollte..." Das hat mich irritiert, würde mich aber mal interessieren!
Doch eigentlich schon...

Kommt aufs Krankenhaus an.
Ich war mal in einem Krankenhaus in dem wurden alle Patienten die auf Station renitent oder durchgängig wurden oder ähnliches auf die Intensivstation gelegt. Begründung: Überwachung auf Normalstation bei Fixierung nicht möglich aber zwingend vorgeschrieben. Ich war dann einer der Intensivärzte die sich darum zu kümmern hatten, war zwar manchmal sehr nervig weil man ja lieber "richtige Patienten" hat. Wir nannten unsere Intensivstation dann liebevoll "Gerontopsychiatrie". Aber wenn die Betten voll waren und es definitiv keine Joker mehr gab hat man halt abgemeldet, die Patienten sauber eingestellt und konnte nachts auch mal einige Stunden schlafen... war manchmal auch nicht das Schlimmste. Somatik halt. Ernsthafte Überwachung ist quasi nur auf Intensiv möglich.

Das war aber das einzige Haus in dem das so gehandhabt wurde. Ansonsten war dies nie der Fall und es geht auch fast nicht weil der Stellenschlüssel einfach zu besch... ist. Wenn eine Schwester allein nachts für 30-40 Patienten zuständig ist und davon zwei fixiert sind... Passieren darf da nichts.

Es ist halt schwierig. Wobei ich von meinem Chef gelernt hab das ich mich gefälligst um meine Dinge kümmern soll und nicht die Probleme anderer Berufsgruppen mir zu eigen machen soll. Ich hab da immer viel zu viel Verständnis dafür dass die Schwestern auch an der Belastungsgrenze sind.
Das wäre eine solche Sache wo man halt ganz klar sagen muss: die Überwachung des Patienten bei Fixierung ist keine ärztliche Aufgabe, das machen wie bei der Commotioüberwachung auf Normalstation die Pflegekräfte. Und von deren Seite müsste es eine Lobby geben die ganz klar sagt: dafür brauchen wir zusätzliche Leute oder die gehen auf Intensiv (so wie in meiner alten Klinik). Ansonsten ist es (wenn es keine Überlastungsanzeige gibt) ein Übernahmeverschulden der Pflegekraft auf Station.

Bei dementen Patienten mit Weglauftendenz bräuchte es eigentlich auch "nur" einen der die Patienten irgendwie im Blick hat und einfach nur mit zwei drei Worten bittet zu bleiben. Machen die dann eigentlich immer. Oder wenn sich ein dementer Patient mal wieder alle Schläuche ziehen will weil ihn die beim Bäume fällen im Zimmer stören. Oder... man braucht einfach nur einen der entspannt mit den Patienten spricht. Und oft ist alles gut. Wenn aber eine einzelne Pflegekraft nachts neben 30 "normalen" Patienten noch 2-3 von solchen hat wirds grausam. Die Schwestern helfen sich dann manchmal indem die Betten in einem Wandeck stehen und auf der anderen Längsseite 2-3 Nachtkästchen verkeilt stehen. Ist ja keine Fixierung. Ist ja nur so dass zufällig da ein Nachtkästchen steht... alles irgendwie grenzwertig was da "in der Somatik" passiert. Aber es gibt halt kein Geld dafür. Und wo überall gespart wird, wird auch dort und vor allem beim Personal gespart.

Reflex
22.06.2015, 12:40
Es ist halt schwierig. Wobei ich von meinem Chef gelernt hab das ich mich gefälligst um meine Dinge kümmern soll und nicht die Probleme anderer Berufsgruppen mir zu eigen machen soll. Ich hab da immer viel zu viel Verständnis dafür dass die Schwestern auch an der Belastungsgrenze sind.
Das wäre eine solche Sache wo man halt ganz klar sagen muss: die Überwachung des Patienten bei Fixierung ist keine ärztliche Aufgabe, das machen wie bei der Commotioüberwachung auf Normalstation die Pflegekräfte. Und von deren Seite müsste es eine Lobby geben die ganz klar sagt: dafür brauchen wir zusätzliche Leute oder die gehen auf Intensiv (so wie in meiner alten Klinik). Ansonsten ist es (wenn es keine Überlastungsanzeige gibt) ein Übernahmeverschulden der Pflegekraft auf Station.

Wenn er sich aber der suboptimalen Überwachungssituation auf der Station bewusst ist, möchte ich nicht in seiner Haut stecken, wenn es dann doch mal vor Gericht geht. Der Arzt, der die Fixierung anordnet und bewusst gegen Fixierungrichtlinien verstößt, wird genauso zur Rechenschaft gezogen und in letzter Instanz auch der entsprechende Vorgesetzte, wenn er über die Umstände informiert wurde. Das kann man ja noch nicht mal mejr als Fahrlässig bezeichnen. Die Verantwortung auf die Pflege zu schieben, damit macht er es sich aber verdammt einfach...

Medi85
22.06.2015, 16:34
... Das denke ich auch. Ich muss ja eine Fixieranordnung schreiben, in der drin steht, wie die Überwachung aussehen muss. Und wenn ich mitbekomme, dass sie nicht umgesetzt wird, weil zB eine Schwester für 30 Pat zuständig ist und sie de facto somit den Fixierten nich angemessen überwachen kann, kann ich ja nicht einfach sagen, dass das der Arbeitsbereich der Pflege ist und ich damit nichts mehr zu tun habe...
Ja, bei uns läuft es auch so. Filzen, sauber fixieren, ordentlich anordnen, Sitzwache, 15-minütig Vitalzeichendokumentation. Das wird bei uns personell auch manchmal eng, aber zur Not müssen Nachtwachen extra rein kommen, wenn wir als Pflichtversorger so viele Fixierte haben... Und wenn das nicht ginge sollte mir der OA sagen, was zu tun ist; die Verantwortung für einen nicht überwachten Fixierten würde ich nicht tragen wollen...