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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Frage an Allgemeinmediziner in Weiterbildung



smanpodg
01.08.2015, 22:02
Hallo Ihr Lieben!

Ich hatte jetzt das letzte Praktikum, es war Psychosomatik. Wir haben Patienten exploriert, was ganz ok war; zwar viel Gejammere, aber es ging. Dann hatten wir aber auch noch so was ähnliches wie Selbsterfahrung und Balint-Gruppen.
Da wollte ich mal wissen, wie schlimm die Psychosomatische Grundversorgung denn wohl werden wird, die man als Allgemeinmediziner machen muss....
Ich befürchte stark, dass meine Nerven das nicht ertragen werden.

Harvey
02.08.2015, 12:25
Im Studium empfand ich das Praktikum im Kurs Psychsomatik auch als sehr anstrengend.

Für den Facharzt Allgemeinmedizin muss man den Kurs Psychsomatische Grundversorgung machen - 50h Theorie plus 30h Balintgruppe. Je nach Anbieter kann der Kurs sehr unterhaltsam sein und ist in meinen Augen ein großer Gewinn bei der Behandlung aller Patienten, ganz gleich ob psychosomatische Probleme im Vordergrund stehen.

Worauf du wahrscheinlich eher hinaus willst ist die Psychosomatische Grundversorgung in der Allgemeinmedizinischen Praxis. Deine Zeit ist leider eingeschränkt für lange explorierende Gespräche, wie es dann der Psychotherapeut/Psychosomatiker macht. Meist kratzt man an der Oberfläche, erfährt aber als vertrauensvoller Hausarzt innerhalb weniger Minuten eine ganze Menge. Zumal man den Vorteil hat, dass man ggf. den Patienten seit Jahren betreut und im Idealfall auch die Familienverhältnisse kennt...
Wie sehr du also in der Tiefe und Breite der psychosomatischen Grundversorgung tätig sein willst, kannst du selbst entscheiden. Leider bekommen Patienten nicht so schnell Termine bei oben genannten Spezialisten, so dass du nicht gleich jeden Patienten dorthin überweisen kannst, oftmals auch gar nicht musst oder der Patient das gar nicht will...

Jedenfalls ist der psychomatische Anteil - er spielt natürlich bei jeder Erkrankung eine Rolle! - in der allgemeinmedizinischen Praxis überdurchschnittlich vertreten. Aber definitiv leichter verdaulich als in der Psychomatik/Psychotherapie - Praxis/Klinik.

Wenn das ganze nun gar nichts für dich ist, sei dir gewiss, jeder Facharzt hat damit zu tun, sogar Unfall- oder Allgemeinchirurgen, genauso wie Urologen und Geburtmediziner.

smanpodg
02.08.2015, 13:24
Vielen Dank für deine ausführliche Einschätzung! Ich bin gespannt, was mich dann erwartet. Im Blockpraktikum beim Hausarzt hatte die Kollegin auch schon gesagt, dass 70% ihrer Patienten nur kommen, um sich zu erleichtern und das "medizinische" nebenbei läuft (Zucker/Blutdruck einstellen und sonstige Baustellen.) Ich bin schon jemand, der gerne redet, aber diese Verschulung dieses Bereichs mit den tausend Modellen und diesem Empathiegequassel regt mich fürchterlich auf.

WackenDoc
02.08.2015, 13:34
Was du draus machst, liegt ja an dir.
Oft reicht es einfach schon, die psychosomatischen Zusammenhänge zu erkennen und dem Patienten zu vermitteln.
Und wie du das machst, hängt von deiner Persönlichkeit und dem Patienten ab. Wenn die Chemie stimmt, ist es natürlich einfacher.
In der Uni wird Psychosomatik auch nicht immer sinnvoll vermittelt. Bei uns war es grauenvoll- da war wirklich ALLES psychosomatisch und vieles Heititei-Psychogesäusel. Erschwerend kam dazu, dass der Prof völlig eins an der Marmel hatte. Der hat dann sowas erzählt, dass man sich nicht schon in jungen Jahren Immobilien kaufen soll, weil die ja-wie der Name schon sagt- immobil, also unbeweglich machen würden, auch geistig blabla.

Was die Kurse angeht- ist Glückssache. Ich hab von der Balintgruppe nur die Mindeststunden gemacht. War ganz nett, hat mir aber nicht wirklich was gebracht. Andere machen das seit Jahren.
Ich hab noch den alten Allgemeinmedizinkurs gemacht, der anders konzipiert war, als der aktuelle Psychosomatikkurs. Dafür msuste ich noch die verbalen Interventionstechniken nachmachen- völlige Zeitverschwendung.

Wie man mit etwas Aufmerksamkeit gute Erfolge erreichen kann: Patient der sich regelmäßig mit Rückenschmerzen vorgestellt hat, das alles aber irgendwie nicht so ganz gepasst hat. Kurz mal in Richtung psychosomatische Ursachen geschaut- Treffer. Patient war schon regelrecht erleichtert und war der Idee gegenüber aufgeschlossen. Termin in der Psychiatrie gemacht- Erstdiagnose PTBS. Therapie eingeleitet und soziale Absicherung kurz vor der Katastrophe eingetütet.

smanpodg
02.08.2015, 13:54
In der Uni wird Psychosomatik auch nicht immer sinnvoll vermittelt. Bei uns war es grauenvoll- da war wirklich ALLES psychosomatisch und vieles Heititei-Psychogesäusel.

Genau das war mein Problem...

Heititei^^

Ja, klar. Dass es wichtig ist, einen geschulten Blick drauf zu haben, keine Frage! Das sehe ich genau so. Aber wie gesagt, Gesäusel hin und her... das frustriert..

WackenDoc
02.08.2015, 14:04
Ne, keine Angst, man kann auch mit psychosomatischen Patienten ganz normal sprechen. Das sind oft Patienten, die ansonsten voll im Leben stehen. Die fühlen sich durchaus von Heititei-Gesäusel veräppelt.
Mit der Zeit enwickelt man da schon einen eigenen Stil und auch ein Gefühl dafür, wie man mit welchem Patienten sprechen kann/soll.

Borderline
03.08.2015, 09:54
"Überlagerte" Patienten gibt es überall!!! Lass dich deswegen nicht von allgemeinmediziner abbringen. Und das mit den Uni-Veranstaltungen: manche versuchen auch das Universum ausm EKG abzuleiten...andere hält aus der Psyche. Was solls.