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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was darf ein Assistenzarzt (nicht)?



arbeiter79
11.09.2015, 22:11
Hallo Leute,
ich bin zwar schon eine ganze Weile als Arzt tätig aber bin immer noch so ganz dahinter gestiegen was rein rechtlich die Einschränkungen sind denen ich als AiW im Vergleich zum FA unterliege?

Ich bin in einem chirurgischen Fach tätig und daher ist mir klar das ich allein/ohne FA keine komplexeren Ops durchführen darf (ist doch so oder?), aber ansonsten einen Abszess in der RTS aufmachen ist ok??
Und wie ist das auf Station oder in konservativen Fächern im Allgemeinen, darf ich da Medikamente ansetzten ohne einen FA zu fragen (wobei es dort ja oft nicht chirurgische Probleme sind, müsste ich also immer einen Entsprechenden andere FA kontaktieren...)?

Oder ist das ganz eher eine Grauzone?

Mano
11.09.2015, 22:28
"ich bin zwar schon eine ganze Weile als Arzt tätig"

"Und wie ist das auf Station oder in konservativen Fächern im Allgemeinen, darf ich da Medikamente ansetzten ohne einen FA zu fragen"

Verstehe ich das richtig, dass du Medikamente nur in Rücksprache mit deinem Hintergrunddienst ansetzt!? Oder wie ist die Frage gemeint?

GOMER
11.09.2015, 23:49
Selbständiges Behandeln eines Patienten geht nur als FA, oder bei Erfüllung des Facharztstandards. Solange das nicht gegeben ist, muss der Arzt durch einen FA überwacht werden. Das heißt nicht zwangsläufig, dass der FA auch tatsächlich zugegen ist (wenn z. B. die Indikation für eine medikation gestellt wird), aber grundsätzlich arbeiten die nicht-FÄ dem verantwortlichen FA zu.

Gibt ne Menge Literatur dazu, z. B. http://www.iww.de/cb/archiv/aerztliche-organisation-der-facharztstandard-was-jeder-chefarzt-hierzu-wissen-sollte-f24840

Ist insbesondere wichtig für Abteilungsleiter, die sicherstellen müssen, dass ein FA ständig bereitsteht um die nicht-FÄ zu überwachen.

JazzKo
12.09.2015, 04:01
Ja aber der AiW rennt doch nicht permanent zu seinem Supervisor und fragt für jeden Behandlungsschritt nach, oder? (Klar theoretisch schon..)

Wie kann man sich das vorstellen. Da bin ich Patient und der Arzt untersucht mich und rennt dann weg um sich sein "OK" zu holen und kommt dann wieder und behandelt mich erst?

arbeiter79
12.09.2015, 08:02
Selbständiges Behandeln eines Patienten geht nur als FA, oder bei Erfüllung des Facharztstandards. Solange das nicht gegeben ist, muss der Arzt durch einen FA überwacht werden. Das heißt nicht zwangsläufig, dass der FA auch tatsächlich zugegen ist (wenn z. B. die Indikation für eine medikation gestellt wird), aber grundsätzlich arbeiten die nicht-FÄ dem verantwortlichen FA zu.

Gibt ne Menge Literatur dazu, z. B. http://www.iww.de/cb/archiv/aerztliche-organisation-der-facharztstandard-was-jeder-chefarzt-hierzu-wissen-sollte-f24840

Ist insbesondere wichtig für Abteilungsleiter, die sicherstellen müssen, dass ein FA ständig bereitsteht um die nicht-FÄ zu überwachen.

Interessant, also Berufsanfänger müsste man eigentlich ständig überwacht werden und GAR NICHTS selbst entscheiden. Ist natürlich ganz anders in der Realität, im Grunde ist das aber ein Spiel mit dem Feuer oder?

Wenn es z.B. wirklich mal geklagt wird und es kommt raus das ein Berufsanfänger einige Sachen selber entschieden hat im fehlgeschlagenen Behadlungsprozess dürfte es Schwierigkeiten geben (Umkehr der Beweislast). Wenn ich jemanden in der Notfallaufnahme nach hause schicke (mach ich ständig..) gehe ich eigentlich immer ein großes Risiko ein, die Beiweislast liegt immer bei mir wenn doch mal was schief geht.

Interessant wäre für mich ab wann man nicht mehr als Berufsanfänger gilt sondern einen der Facharztstandard zu gesprochen wird.

Reflex
12.09.2015, 08:31
Wenn du Facharzt bist, kannst du selbstständig einen Facharztstandard gewährleisten. Solange du das noch nicht bist, brauchst du einen Facharzt als Hintergrund bzw Supervision, damit man trotzdem Facharztstandard gewährleisten kann.

DanielOliver
12.09.2015, 09:15
Der Facharzt erfüllt den Facharztstandard für sein Gebiet. Und dass umfasst für die operativen Fächer sicher auch die Basisversorgung der stationären Patienten bei häufigen nichtchirurgischen Problemen.
Der Arzt in Weiterbildung erfüllt den Facharztstandard für die Dinge, die er auf Facharztniveau beherrscht, dass heisst für einfache, häufige und banale Dinge schon sehr früh in Weiterbildung, für komplexe und seltene Entscheidungen/Operationen/Interventionen... halt erst später, immer abhängig davon was er individuell gemacht hat und kann.

Für Untersuchungen und Maßnahmen die in der WBO mit Zahlen hinterlegt sind ist dies sicher ein ganz guter Anhaltspunkt.

Im Zweifel müssen halt die Gutachter beurteilen, ob der Facharztstandard in der konkreten Konstellation aus Patient, Arzt in Weiterbildung und Enge der Supervision gegeben war.

In der präklinischen Notfallmedizin wird einem ja auch mit Erwerb der Zusatzbezeichnung der Facharztstandard zugesprochen, kein Mensch würde hier einen Hintergrund fordern.

mainzer
12.09.2015, 09:58
In der präklinischen Notfallmedizin wird einem ja auch mit Erwerb der Zusatzbezeichnung der Facharztstandard zugesprochen, kein Mensch würde hier einen Hintergrund fordern.

wobei ich als 2. NA auch schonmal nachgefordert worden bin....bei einem - so schien es - unlösbaren A-Problem...nicht schön :-(

smanpodg
12.09.2015, 10:30
Ich führe mal das Beispiel meiner letzten Famulatur und meines PJ an:

Ich nehme Patienten auf, stelle fest, ob die Einweisungsdiagnose passt. Ordne Zusatzdiagnostik an, falls Konsile nötig sind, fordere ich die auch an und schicke den Patienten mit der Anordnungsliste auf die Station. Zur Mittagsbesprechung trage ich meine Patienten dem Oberarzt vor, der geht nachmittags oder manchmal auch am Tag drauf auf Visite.

Beispiel: Patient mit Anämie, beim HA festgestellt, kommt mit HB-Werten um 7, also eher chronisch. Untersuchung (DRU, Hämokkult) und Anamnese, Sono Abdomen, Aufklärung: ÖGD, Kolo, evtl. KM-Punktion.
Zusatzdiagnostik: FE-Resorption am folgenden Tag, Retis, Hapto, evtl. Sono wiederholen durch erfahrenen Kollegen. VitB12, Folat.
OA-Visite: Alles ok so. Tags drauf ÖGD blande, aber in der KOLO V.a. Sigma-CA.

Ambulante Patienten sehen die Assitenten meistens alleine, sind meistens HA Geschichten (HWI unkompliziert, Asthma, KontrollUS bei ehemals stationären etc. OA ist aber immer in Ruf-(Sicht-)Weite.

Ich dachte, das ist überall so?? Wie soll man denn was lernen, wenn man sein Wissen nie anwenden darf und für jeden Pups fragen muss? Chirurgische Fächer sind natürlich etwas stringenter, da man natürlich nicht am ersten Tag nen Whipple macht, aber so ambulante Patienten kann man doch auch gut behandeln...

Mano
12.09.2015, 12:26
Es gibt nicht *den einen* Facharztstandard, sondern für jede einzelne Prozedur kann ich den Facharztstandard entweder erfüllen oder eben nicht erfüllen. Was das Legen einer Flexüle angeht, erfülle ich den auch als Berufsanfänger am ersten Tag; geht es um einen komplexen Klappenersatz tue ich es wohl erst als tatsächlicher Facharzt.
Wichtig dabei ist, dass Facharztstandard nicht "perfekte Behandlung" bedeutet, sondern das Niveau, was ein durchschnittlicher Facharzt leisten kann. Andersherum ist der Facharztstandard auch nicht in jedem Fall ausreichend - d.h. auch als fertiger Allgemeinchirurg muss ich bei einem schwierigen Eingriff gegebenfalls einen erfahrereneren Kollegen dazu holen - oder den Patienten zum Maximalversorger weiterverlegen.
Wenn ich als AiW erkenne, dass ich den Facharztstandard in einem speziellen Fall nicht gewährleisten kann, dann muss ich mir Hilfe durch einen Facharzt holen. Ob sich dieser in Rufweite im Haus oder als Rufdienst zu Hause befinden kann hängt dann vom jeweiligen Fach ab. Geht es um die Entscheidung einer medikamentösen Therapie o.ä. wird der Rufdienst zu Hause reichen. Für den Chirurg oder den Anästhesisten gilt das jedoch (in der Regel) nicht - schließlich kann ich nicht bei der intraoperativen versehentlichen Gefäßverletzung warten bis der Oberarzt 30 Minuten ins Haus gekommen ist oder bei der schwierigen Intubation 30 Minuten Hypoxie tolerieren.

arbeiter79
12.09.2015, 14:10
Also wird am Ende bei einem Verfahren vom Gutachter festgestellt ob der jeweilge Assistenzarzt wirklich FA-Standard hatte.

Ich kann durchaus einige auch etwas komplexere Sachen (als Flexülen legen) so gut wie ein durchschnittlicher FA, allerdings werden Gutachter das einem AiW im 2. WJ zugestehen?
Ich schicke z.B. eine einfache Gallenkolik nach hause mit Empfehlung zum zeitnahen elektiv Eingriff (Wiedervorstellung bei Verschlechterung sofort!), war definitiv keine akute Entzündung, mache alles richtig, dokumetiere alles usw. usw... Dann verschleppt der Pat. das zu hause, kommt nicht wieder obwohl es schnell schlechter wird (das weiß natürlich nur der Pat.), dann kommt er doch irgendwann, hoch akute Galle, alles geht schief. Dann klagt der Pat. Bin ich nun Schuld/wird die Beweislast umgekehrt, oder kann man im 2. WBJ sowas auf FA-Standard beurteilen?

Mano
12.09.2015, 14:30
Sowas kann nur der Richter im Einzelfall beurteilen. Vorteilhaft für dich ist aber, wenn:
- du nachweisen kannst, dass du schon häufig Gallenkoliken beurteilt hast (bist du beispielsweise eigentlich in der Weiterbildung Unfallchirurgie und nur im Dienst für die ACH zuständig oder schwerpunktmäßig auf der Bauchstation eingeteilt)
- alle erforderlichen Untersuchungen erfolgt und die ergebnisse zweifelsfrei festgehalten wurden
- du den Patienten zur Wiedervorstellung aufgefordert hast

Gefühlsmäßig würde ich aber sagen, dass du dir in dem von dir geschilderten Fall keine Sorgen machen solltest. Aber ich bin weder Chirurg noch Richter ;-)

WackenDoc
12.09.2015, 15:48
In dem geschilderten Fall würdest du nur Probleme bekommen, wenn du z.B. die Entzündung oder andere Komplikationen übersehen hättest, weil du noch nicht so gut schallen kannst. Oder du den Patienten weggeschickt hättest, obwohl eine OP-Indikation bestand. Oder wenn du ne wichtige Untersuchung nicht durchgeführt hättest.

Hast du dem Patienten leitliniengerecht empfohlen, sich einen elektiven Termin zu machen und du hast alle Befunde ordentlich dokumentiert und der Patient hält sich nicht an deine Empfehlung, dann ist das weniger ein Problem des Facharztstandards.

In meinem ersten Haus gab es in der Inneren z.B. die Weisung, dass kein Patient,der sich in der NFA vorgestellt hat, von dort auch wieder entlassen werden dufte, wenn der Hintergrund ihn nicht gesehen hatte.

Ganz blöd ist z.B. wenn man Differentialdiagnosen übersieht- z.B. wenn der Patient mit der vermeintlichen Gallenkolik doch nen Herzinfarkt hat und das ein Facharzt mit seiner Erfahrung bedacht hätte, du aber nicht.

arbeiter79
12.09.2015, 16:43
Ganz blöd ist z.B. wenn man Differentialdiagnosen übersieht- z.B. wenn der Patient mit der vermeintlichen Gallenkolik doch nen Herzinfarkt hat und das ein Facharzt mit seiner Erfahrung bedacht hätte, du aber nicht.

Wie wäre es denn wenn genau das einem FA passiert? Der dürfte rechtlich gesehen im Vergleich zu einem AA, der genau den gleichen Feher macht, deutlich besser da stehen. Übernahmeverschulden kann es nicht sein, eine Umkehr der Beweislast ist zu Ungunsten des FA ist nicht möglich.

Der Assistenzarzt hat alle Nachteile auf seiner Seite, und es ist ja in der Realität sich so das beim Assi immer ein OA mitgeht, außerdem haben FÄ bei uns genau die gleiche Möglichkeit OÄ oder den CA um Rat zu fragen.

FirebirdUSA
12.09.2015, 17:03
Was du beschreibst ist aber kein Übernahmeverschulden, natürlich darfst du selber Pat. untersuchen.
Als FA bist du genauso dran, warum ist wohl meine Haftpflichtbeitrag als FA plötzlich sprunghaft angestiegen? Du machst dir zu viele Sorgen (imo)

WackenDoc
12.09.2015, 17:09
Ich glaub, du hast das mit dem Facharztstandard noch nicht richtig verstanden und denkst in die falsche Richtung.

Passiert das einem Facharzt, dann ist das ein Kunstfehler. Passiert es einem Assistenzarzt wird ggf. zusätzlich gefragt, warum der Facharzt nicht gefragt wurde