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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tag 1 A70/ B100 Rehaklinik Behandlungsmaßnahmen



Bertelsmann
14.10.2015, 17:18
Vielleicht eine dumme Frage, aber sind 1200kcal/d für einen Mann, der 1,87cm groß ist, nicht viiiieeel zu wenig? Also rein aus logischem Menschenverstand, ergibt das doch keinen Sinn, jemand Hungern zu lassen, damit der nach der Reha dann wieder normal isst und zunimmt?!
Dachte, ein anerkanntes Konzept zum Abnehmen/Gewicht halten, ist eine adäquate Kalorienzufuhr und keine verminderte

pottmed
14.10.2015, 17:24
Aber Akupunktur machte noch weniger Sinn, der Mann hatte doch so einen entspannten RR wie ein Pandabär.

rob.rat
14.10.2015, 18:25
Bzgl. Anfechten einer Frage: Sollte uns eine Frage als nicht beantwortbar erscheinen, soll dies stichhaltig und plausibel argumentiert werden. Ich versuche zu dieser Frage mal einen Ansatz... Bitte mal bei 3. Argumente finden, muss eben noch einkaufen, danke =D


Frage Tag 1 A70/B100 - Frage nach einer multimodalen Behandlung, die in einer Rehabilitationsklinik am wenigstens wahrscheinlich zum Einsatz kommt.
- Diät mit 5000kJ/d (ca. 1200kcal/d)
- Akupunktur zur Verringerung der in der Langzeitmessung festgestellten Blutdruckschwankungen

Frage nicht beantwortbar, da....
1. Lt. Fallbeispiel hat der Patient einen BMI von 33kg/m² (114,7kg/1,87m²). Eine Gewichtsreduktion im Rahmen einer Reha wird bei Patienten mit einem BMI >35kg/m² empfohlen, Indikationen für eine Gewichtsreduktion im Rahmen einer Reha bei BMI <35kg/m² liegen im Fallbeispiel nicht vor (vgl. Leitlinien zur "Adipositastherapie
in Reha-Kliniken": http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/Reha-Leitlinien-2005-10-09.pdf). Da eine Diät gemäß den Leitlinien zwecks Fehlen von Indikationen bei diesem Patienten im Rahmen einer Reha nicht empfohlen ist, wird eine Diät wenig wahrscheinlich zum Einsatz kommen. Antwort A ("Diät") ist also auszuwählen.

2. Lt. Fallbeispiel hat der Patient einen BMI von 33kg/m² (114,7kg/1,87m²), dies entspricht nach WHO einer Adipositas. Gemäß S3-Leitlinie der Adipositas-Gesellschaft (http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/050-001l_S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014-11.pdf) ein "tägliches Energiedefizit von etwa 500kcal/Tag, in Einzelfällen auch höher, angestrebt werden" sollte (Evidenzgrad B) - "üblicherweise wird ein Energiedefizit von ca. 500 bis 600 kcal/Tag angestrebt".
Gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten Männer im Alter von 51 bis unter 65 Jahren (der Patient im Fallbeispiel ist 54 Jahre alt) mindestens 2200 kcal/Tag aufnehmen (niedrigster PAL-Wert), maximal 2800kcal/Tag (höchster PAL-Wert), https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/energie/.
Würde der Patient im Rahmen einer regelhaften Rehabilitationsbehandlung tatsächlich "nur" 1200kcal/Tag Energiezufuhr zuführen, entspräche dies nicht der Leitlinie der Adipositas-Gesellschaft (demnach wäre eine Energiezufuhr von 1700-2300kcal/Tag, abhängig vom PAL-Wert, zur Gewährleistung einer dauerhaften Gewichtsreduktion zu empfehlen).
Zwar spricht auch die Adipositas-Gesellschaft an, dass im Rahmen einer Formula-Diät zeitlich begrenzt eine "Energiezufuhr von 800-1 200 kcal/Tag erwogen werden" kann, diese Empfehlung wird aber mit Evidenzgrad 0 gelistet.
Infolge dessen ist Antwort A, also eine Diät mit ca. 1200kcal/Tag, wenig wahrscheinlich, Antwort A ("Diät") ist also auszuwählen.

3. Irgend eine Argumentation, dass Akupunktur nicht gegen Hypertonie wirkt... Da eine Akupunktur gegen Bluthochdruck nicht wirksam ist, ist auch diese Maßnahme wenig wahrscheinlich, Antwort B ("Akupunktur") ist also auszuwählen.

Da beide Maßnahmen - Akupunktur und Diät - wenig wahrscheinlich sind, wären beide Aussagen auszuwählen. Demnach sollte diese Frage aus der Wertung genommen werden.

Unregistriert
14.10.2015, 19:08
Also die Akupunktur gegen "die starken Blutdruckschwankungen aus der 24h-Messung" ist allein schon deswegen falsch, weil der Patient diese laut Fallbericht gar nicht hat

ilanebila
14.10.2015, 19:33
Sehe das ähnlich, dass beide Antworten Quatsch sind. Crash-Diäten funktionieren vielleicht in der Almased-Werbung, nicht aber in der Realität. Sobald die den guten Mann aus der Reha-Klinik rauslassen würden, würde der sofort anfangen sich vollzuschaufeln, der allseits bekannte Jojo-Effekt.

Außerdem ist der doch in der Reha-Klinik um sich von der Operation (Stress -> Hormone -> kataboler Stoffwechsel) zu erholen. Sein Grundumsatz dürfte sogar n gutes Stück erhöht sein. Ausreichende Nährstoffversorgung ist doch essentiell für körperliche Umbauprozesse wie z.B. Wundheilung etc. Und noch so viel Rehasport baut bei einer Nährstoffunterversorgung keine Muskulatur auf.

Und andererseits gibt es zu Blutdruck und Akupunktur natürlich auch Expertenmeinungen :-D
http://www.hochdruckliga.de/was-leistet-akupunktur-wirklich.html
Der Pro-Akupunktur-Mensch ist auch kein Unbekannter...

Wie funktioniert das denn genau wenn man eine Frage anfechten will....hat da jemand Infos? Muss man das direkt ans IMPP richten?

Nessiemoo
14.10.2015, 20:15
Sehe ich genau so!

Unregistriert
14.10.2015, 22:01
Aber geht es hier nicht einfach um die "am wenigsten" warhscheinliche Antwort?
Natürlich ist ne krasse Diät nicht super sinnvoll, aber es besteht zumindest die Indikation was zu tun, da adipös.
Aber Akupunktur wegen RR-Beschwerden macht keinen Sinn, da keine RR-Pathologien vorhanden.

Ich denke mit der Frage sollte mal wieder gecheckt werden, dass wir auch wirklich gründlich die Fälle durchlesen.

qnx39
19.10.2015, 16:35
Ich stimme der Argumentation von „rob.rat“ absolut zu - klasse aufbereitet.

Weder A (Diät mit 1200kcal/Tag) noch B (Akupunktur gegen Blutdruckschwankungen) sollten nach medizinischem Wissenstand bzw. Indikation „wahrscheinlich“ zum Einsatz kommen. Die Antwort A (Diät mit 1200kcal/Tag) entspricht nicht den Empfehlungen der S3-Leitline zur „Prävention und Therapie der Adipositas“. Für die Vorgehensweise nach Antwort B (Akupunktur gegen Blutdruckschwankungen) liegt keine Indikation vor, da keine Blutdruckschwankungen im Langzeit-EKG des Falles beschrieben wurden. Diese Frage sollte daher aus der Wertung genommen werden.

Anbei für die Argumentation zur Antwort A (die durch „rob.rat“ toll aufbereitet wurde und dort zu lesen ist) noch die entsprechenden aktuellen Leitlinien-Passagen zum schnellen reinlesen zusammengestellt:


=> S. 11: http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf

„Die folgenden Empfehlungen richten sich an alle ärztlichen und nichtärztlichen Berufsgruppen, die im Bereich der Prävention und Therapie von Adipositas und ihrer Komplikationen tätig sind.“


=> S. 38: http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf

„5.2 Ziel der Gewichtsreduktionstherapie ist die langfristige (!) Senkung des Körpergewichts verbunden mit einer Verbesserung Adipositas-assoziierter Risikofaktoren, Reduzierung von Adipositas-assoziierten Krankheiten, Verminderung des Risikos für vorzeitige Sterblichkeit, Arbeitsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung sowie Steigerung der Lebensqualität.“
(Empfehlungsgrad: Statement)

„5.3 Die Therapieziele sollten realistisch (!) sein und an individuelle Bedingungen angepasst werden. Dabei sollten individuelle Komorbiditäten (!), Risiken, Erwartungen und Ressourcen des Patienten stärker als die Gewichtsreduktion allein berücksichtigt werden. Folgende Ziele innerhalb von 6 - 12 Monaten (!) hinsichtlich der Gewichtsabnahme sollten angestrebt werden: BMI 25 bis 35 kg/m2: > 5 % des Ausgangsgewichts“
(Empfehlungsgrad: B)


=> S. 46: http://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf

„5.16 Um das Körpergewicht zu reduzieren, sollte durch eine Reduktionskost ein tägliches Energiedefizit von etwa 500 kcal/Tag (!), in Einzelfällen auch höher, angestrebt werden.“
(Empfehlungsgrad: B)

„5.18 In Abhängigkeit von der Situation des Patienten kann der zeitlich begrenzte Einsatz von Formulaprodukten mit einer Energiezufuhr von 800-1200 kcal/Tag erwogen werden. Dabei soll die Einbindung eines Arztes gewährleistet sein.“
(Empfehlungsgrad: 0 (!))

„5.19 Patienten sollen extrem einseitige Ernährungsformen wegen hoher
medizinischer Risiken und fehlendem Langzeiterfolg nicht empfohlen werden.“
(Empfehlungsgrad: A)

gioia
19.10.2015, 20:55
Aber wenn der Patient doch keine Blutdruckschwankungen hat, dann ist es doch nicht nötig, diese zu therapieren und damit die Antwort eindeutig falsch. Eine (wenn auch krasse) Diät ist da zumindest eher vorstellbar und hier sogar empfohlen.
http://www.medicoconsult.de/Ernaehrung_bei_Adipositas/

abbahallo
24.10.2015, 18:20
Nichts für ungut @gioia, dies ist keine gängige Literaturquelle.

@qnx39 und @rob.rat

Herzlichen Dank für die ausgesprochen gut recherchierte Aufarbeitung, dies sollte uns -wenn das IMPP Antwort B mit Akupunktur als zu kreuzend wertet- genug Munition liefern um Antwort A als mindestens ebenso unplausibel zu klassifizieren.

Herzlichen Dank nochmals und weiter so!