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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Überstunden-Verbot zulässig?



k.style
30.10.2015, 16:11
Hi!
Ich habe vor 6 Monaten an einem kommunalen Krankenhaus (nach 1 Jahr Kinderklinik) in der Inneren angefangen. Nun stand in dem Einführungspapieren für die Neuen, dass in den ersten 6 Monaten keine Überstunden genehmigt werden (lt. Aussage Oberarzt weil "Neue einfach länger brauchen beim Arbeiten als Alteingessene"). Tja... jetzt habe ich ordentlich Überstunden angesammelt, auch aufgrund besonderer Umständen (Ausfall des Schreibbüros, Blutabnahmedienst und Einarbeitung in eine andere Dienststelle) und dennoch weigert sich der zuständige Oberarzt (siehe oben) die Genehmigung...
Meine Frage, ist diese Regelung, v.a. da sie aller Anschein nach vertraglich nicht geregelt ist, überhaupt zulässig?
Danke für eure Hilfe!

Autolyse
30.10.2015, 16:49
Nein, ist es ohne gesonderte Vereinbarung dazu nicht.
Überstunden bedürfen zwar der Genehmigung, allerdings reicht es dafür aus, dass der Arbeitgeber diese duldet oder diese zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung schlicht notwendig sind.
Dem Arbeitgeber schreiben, gerne auch über den Marburger Bund, und darlegen wann du wieviele Überstunden geleistet hast, was du dort gemacht hast und auf diese Umgebungsbedingungen hinweisen. Unter diesen Umständen ist der Vergütungsprozess ein Selbstläufer.

WackenDoc
31.10.2015, 08:23
Diese Sch*** von wegen man dürfe keine Überstunden aufschreiben, weil man als Anfänger langsamer arbeitet.
Was meinen die wohl, warum ein Anfänger weniger Gehalt bekommt?

expecting
04.11.2015, 07:43
Und das an einem kommunalen Haus in der Inneren. Die scheinen es ja beinahe darauf anzulegen, deutsche Aerzte in die Schweiz, Skandinavien etc. zu treiben. Schon fast wieder lustig, wenns nicht so traurig wär.

UweWoellner
04.11.2015, 15:01
Das Problem ist aus meiner Sicht: ausländische Kollegen lassen sich sowas gefallen bzw. trauen sich nicht dagegen anzugehen bzw. denken es sei hier normal.
Wundert mich übrigens, dass vom Oberarzt noch nicht gesagt wurde: Früher haben wir wir das Krankenhaus nicht vor 20 Uhr verlassen und das sogar im AIP, als wir 400€ pro Monat bekommen haben, wieso beschweren sie sich? bla bla bla... ich kann es nicht mehr hören.

Lizard
04.11.2015, 17:02
Unfassbar, was sich manche Kliniken (immer noch) erlauben....

Da komme ich mir ja in meiner Uniklinik wie im gelobten Land vor.
Von Tag 1 an hat man uns dazu angehalten alle (!) Überstunden zu dokumentieren und bisher wurden ausnahmslos alle genehmigt, ohne jegliche Nachfrage .

Lava
04.11.2015, 17:26
Bei meinem vorherigen Arbeitgeber waren die Überstunden immer gedeckelt. Bei 45 Minuten pro Tag war Schluss. Nachdem sie das Dienstmodell geändert haben (zu unseren Gunsten) wurden Überstunden dann gänzlich gestrichen. Die müssen vom Chef genehmigt werden, was der nur in Ausnahmefällen tut.

Feuerblick
04.11.2015, 17:28
Naja, dann lässt man halt pünktlich den Griffel fallen und nach mir die Sintflut...

wischmopp
04.11.2015, 18:46
Wie setzt man das mit dem "pünktlich den Griffel fallen lassen" in die Tat um?

Angenommen Herr Huber hat um halb 5 eine hypertone Krise und Herr Meier zieht sich grad selbst den DK und verblutet fast und Frau Müller hat noch starken Redebedarf ob der einfachsten Diagnose ihres Mannes.

Da kann man dann doch nicht wirklich einfach heimgehen! Briefe bleiben liegen, das ist klar, aber in ganz vielen anderen unvorhergesehenen Fällen ist es mMn nicht so einfach. Oder sehe ich das falsch?

Feuerblick
04.11.2015, 19:04
Frau Müller darf nen Termin vereinbaren, den Rest bekommt der Diensthabende .... Würde es eine Stunde später passieren, würdest du auch nicht fragen. Gilt natürlich nur, wenn die Obrigkeit keine Überstunden erlaubt.
Mal ehrlich: Würdest du nach "Unvorhergesehenes passiert" gehen, dann dürftest du niemals Feierabend machen. Denn Unvorhergesehenes passiert auch noch Stunden nach deinem Feierabend. Genau dafür gibts Diensthabende.
Es ist völlig logisch, dass man dem Diensthabenden keine Dinge aus dem Tagesgeschäft liegenlässt. Also keine Zugänge oder Blutentnahmen oder Verbandswechsel oder Anmeldungen für irgendwelche Untersuchungen etc. Alles, was tagsüber auf dem Plan stand, sollte man geschafft haben. Notfalls zu Lasten der Briefe. Wenn kurz vor Feierabend noch was passiert - ja, dann würde ich es natürlich auch noch abarbeiten. Aber das wird nicht jeden Tag so sein. Ausnahmsweise also kann man mal für begrenzte Zeit länger bleiben. Wenn das Akute erledigt ist, kann der Diensthabende übernehmen.
Alles, was nach Feierabend unvorhergesehen eintritt, ist grundsätzlich Sache des Diensthabenden.

Ich schreibe das übrigens nicht, weil ich der Meinung bin, dass man den Diensthabenden mit möglichst viel Arbeit hängen lassen soll. Aber solange man als Arzt aus irgendeinem schlechten Gewissen und Helferkomplex heraus kostenlos eine schlechte Planung oder Besetzung kompensiert, wird sich nichts ändern. Chefs kapieren erst, dass ihre Ansichten daneben sind, wenn die Hütte brennt und der Karren an die Wand gefahren ist. Leider! Ergo muss man einem Chef halt mal zeigen, was passiert, wenn Überstunden "verboten" werden. Was ich an vergeudeter Freizeit nicht in irgendeiner Form vergütet bekomme, das mache ich nicht. Punkt!

wischmopp
04.11.2015, 19:42
Mein Handy hat aus der infausten Prognose von Frau Müllers Mann eine einfachste gemacht, der ich natürlich auch einen Termin geben würde. Aber wenn es wirklich dramatisch wäre, könnte ich sie ja schlecht auf "morgen um 14 Uhr" vertrösten.

Ansonsten sehe ich das schon alles ein, aber trotzdem ist die Umsetzung manchmal schwierig. Wenn der Patient ja sieht, dass man noch da ist, dann zu sagen, ich schick Ihnen den Dienstarzt, den kennen Sie zwar nicht und es kann auch gut 1-2 Stündchen dauern, finde ich in der Praxis dann nicht so einfach... Da muss ich wohl noch einiges üben...

Feuerblick
04.11.2015, 19:48
Ja, das ist leider etwas, was man erst nach und nach lernt. Ging mir ähnlich. Ich hatte aber netterweise nie Chefs, die Überstunden "verboten" haben. Einer hat sogar gemeckert, weil ich pünklich gegangen bin ;-)
Aber ganz im Ernst: Wenn der Mann von Frau Müller zwar ne infauste Prognose hat, aber ganz sicher nicht in den nächsten Stunden die Welt verlässt, dann wäre es durchaus in Ordnung, sie auf einen Termin zu vertrösten, bei dem du Zeit und Ruhe hast und nicht schon seit 10 Stunden auf Station werkelst und nur noch nach Hause willst. Ich weiß, man möchte solchen Menschen natürlich gerne sofort alles erklären, weil man weiß, wie schlimm das für sie ist. Und man glaubt, dass man ihnen das nich antun kann, länger zu warten. Aber dennoch ist keinem geholfen, wenn man dabei müde und unkonzentriert ist. Finde ich zumindest.
Aber wie gesagt, das Abwägen zwischen "muss ich machen" und "kann bis morgen warten" lernt man erst im Verlauf und setzt irgendwann ganz andere Prioritäten. Das ist echt Erfahrungssache und kommt von ganz alleine irgendwann.
Und es spricht überhaupt nichts dagegen zu sagen "Herr/Frau XYZ, ich bin zwar noch da, aber ich habe jetzt Feierabend". Würde jeder Bäcker/Schreiner/Automechaniker doch auch machen...

Corinna
04.11.2015, 20:42
der chef würde es (den personalmangel) vielleicht dann verstehen, wenn man mal in der Frühbesprechung sagt, dass Herr Schulze und frau meier heut nicht operiert / gastroskopiert etc. werden kann, weil er nicht aufgeklärt ist?! (vorausgesetzt, kein notfall) Diesen Mut muss man aber erst mal haben! und es muss natürlich abgestimmt sein, dass der AvD NICHT aufklärt.

Lava
08.11.2015, 17:54
Wenn du sowas bringst, kann du dir schonmal eine neue Stelle suchen. Vielleicht wirst nicht gleich gefeuert, aber eine Ausbildung wirst du auf diese Weise von deinem Chef nicht bekommen. Und was das Abstimmen angeht, ist meine bisherige Erfahrung, dass man IMMER Leute dabei hat, die nicht mitmachen.

Feuerblick
08.11.2015, 19:07
Tja, aber wenn man sich alles gefallen lässt, um das zu bekommen, was einem zusteht (denn dafür bist du in der Weiterbildung und der jeweilige Chef hat den Auftrag, dich weiterzubilden), dann wird sich nie etwas ändern. Und weil besonders Ärzte immer meinen, sie müssten sich durch braves, angepasstes Verhalten ihre Ausbildung verdienen (mein alter Chef war auch der Meinung, Assistenten müssten eigentlich bezahlen, damit man sie ausbildet), gibt es immer noch Chefärzte, die sich genau darauf verlassen und auf diese Art Druck ausüben.

John Silver
09.11.2015, 00:00
Was mich immer wundert: Warum wird immer einfach so vorausgesetzt, dass man mit seiner Zeit nach Feierabend nichts anzufangen hat, und deswegen selbstverständlich Überstunden machen muss, wenn Arbeit in der regulären Zeit nicht erledigt wurde? Es wird, insbesondere von Vorgesetzten, meist so getan, als sei Feierabend mit Spaß gleichzusetzen. Vielleicht muss ich mein Kind von der KiTa abholen? Vielleicht habe ich einen wichtigen Termin? Oder darf ich als Arzt Derartiges nicht?