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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RTW/NEF: Schwindel, Übelkeit und Erbrechen



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Bille11
31.10.2015, 18:42
'Schwindel, Übelkeit und Erbrechen' - das ist die Einsatzmeldung. Ihr habt NEF-Dienst, werdet gegen Mittag als NEF vom RTW nachgefordert in die ca 8 km entfernte Pampa.
Da ihr einen Notarzt-Praktikanten dabei habt, klärt ihr im Vorfeld, welche Medikamente denn so im Ampullarium dafür oder dagegen sinnvoll seien. - Es steht Vomex zur Verfügung, MCP ist 'wegen der Nebenwirkungen' abgeschafft worden, ansonsten wird kurz über die in der Anästhesie mal angewendeten 10mg Propofol sinniert... Und schon seit ihr da.

Der RTW steht ca 100m vom Einsatzort am Strassenrand, es sind ca 10'C Aussentemperatur, die Sonne quält sich durch die Nebeldecke hindurch und im RTW sitzt vorne rechts ein älterer Herr. Ihr steigt zu dritt in den durch RettAss, RettSan und Praktikant, sowie 120kg Patientin in Seitenlage liegend schon ordentlich engen RTW.

Man berichtet, die Patientin habe Kopfweh gehabt, Übelkeit und Schwindel angegeben, und sei gehenden Fusses durch ein Treppenhaus gestützt in den RTW gegangen, habe sich noch selbst auf der Trage hingelegt, das EKG, Pulsoxy und eine rote Blutdruckmanschette seien angelegt worden, dann sei man losgefahren. Just in diesen Moment habe die Patientin die Augen verdreht und sei nicht mehr kontaktfähig gewesen.
Deswegen habe man euch nachgefordert. In der Zwischenzeit sei die Patientin in die stabile Seitenlage gelagert und eine rosa Viggo auf dem linken Handrücken etabliert worden, worüber etwas RingerLactat läuft.

Und nun?

WackenDoc
31.10.2015, 20:05
Fangen wir doch mal ganz vorne an: Lebt sie überhaupt noch?
Reagiert sie auf Ansprache oder Schmerzreiz? Atmet sie, wenn ja, wie? Hat sie einen Radialispuls?
Was sagen Pulsoxy und die Manschette?

gnuff
31.10.2015, 22:26
A: frei?
B: normale Atmung?
C: RR? HF? SaO2?
D: GCS?

Feuerblick
31.10.2015, 22:37
Für nach der ersten Sichtung/Sicherung: Wer ist der ältere Herr und was weiß er über die Dame, ihre Krankengeschichte und den Hergang des Ganzen? Bisschen Fremdanamnese wäre nicht schlecht...

Bille11
01.11.2015, 07:20
Fangen wir doch mal ganz vorne an: Lebt sie überhaupt noch?
Reagiert sie auf Ansprache oder Schmerzreiz? Atmet sie, wenn ja, wie? Hat sie einen Radialispuls?
Was sagen Pulsoxy und die Manschette?

1. Blick - ja sie lebt. Rosiges Gesicht und Vitalzeichen gibt es.
Da wir ein gutes NEF sind, darf der Praktikant die erste Ansprache machen, hockt sich hin & schüttelt vorsichtig an der Schulter. Keine Reaktion. Spricht an "Hallo?? Hallo!!" Ebenfalls keine Reaktion.
Atmung vorhanden, Tiefe regelmässige Atemzüge. Um die 15/min.
Radialispuls - Praktikant sagt ja. Langsam, kräftig.
Das Pulsoxy sagt 96 unter 15l O2 und die Manschette ***/***.


A: frei?
B: normale Atmung?
C: RR? HF? SaO2?
D: GCS?

A) In der stabilen Seitenlage und mit vorgelegter O2-Maske frei.
B) Atmung tiefe regelmässige Atemzüge, um die 15/min.
C) RR: ***/***, der RettSan sagt, der ersterhobene RR sei 160/110 gewesen, die HF 55/min.
HF jetzt: 35-55/min - sehr unregelmässig und was ich als Anästhesist als 'krudes EKG' betrachte. Radialis-Puls tastbar, kräftig, ebenfalls eher langsam.
D) Der Praktikant guckt auf Nachfrage 'Wie ist denn so die GCS?' In die Augen - und sagt 'die sind ja weit!!??!! ... GCS so 3..?'


Für nach der ersten Sichtung/Sicherung: Wer ist der ältere Herr und was weiß er über die Dame, ihre Krankengeschichte und den Hergang des Ganzen? Bisschen Fremdanamnese wäre nicht schlecht...

In dem Augenblick bleibt dafür noch keine Zeit, aber er wirkt zwar älter (nicht so dick, Fett konserviert :-))) scheint aber der Ehemann zu sein.
Fremdanamnese - Der RettAss erzählt, 'dass die Patientin wohl schon länger Kopfweh habe, aber heute erst seit dem Morgen Schwindel und Übelkeit, und dann eine ASS 500 eingenommen habe und 500mg Novamin. Und ansonsten halt eigentlich stabil gewesen sei aber eben plötzlich dekompensiert. Vorerkrankungen seien nicht bekannt, Medikamente nehme sie sonst keine und sie sei wohl vor 2 Wochen im Krankenhaus 'St Irgendwo am anderen Rande der Stadt' gewesen wegen erhöhter Entzündungswerte, da sei aber nichs festgestellt worden.'

Und jetzt??

Relaxometrie
01.11.2015, 07:40
Der Vollständigkeit halber noch den BZ messen. Bestätigt die Notärztin den von der Praktikantin erhobenen GCS-Wert von drei? Was genau sieht man denn im "kruden EKG"?

WackenDoc
01.11.2015, 08:27
Sind die Glubscher beide weit? Oder gibt es eine Seitendifferent? Stehen die Mittig oder irgendwie verdreht?
Ist sie in den letzten Tagen oder jetzt akut im Rahmen der Bewusstlosigkeit gestüzt?

Welche Krankenhäuser haben wird? Wo ist das nächste mit CT und NCH?

edit: Hat sie einen Radialispuls? Wie fühlt der sich an? Und haben wir ein gutes Signal auf dem Pulsoxy?

Bille11
01.11.2015, 09:17
Der Vollständigkeit halber noch den BZ messen. Bestätigt die Notärztin den von der Praktikantin erhobenen GCS-Wert von drei? Was genau sieht man denn im "kruden EKG"?

Der BZ sei 117g/dl.
Ja, die Notärztin guckt jetzt auch in die Pupillen - beide weiter als mittelweit, mittig, orientierend nicht lichtreagibel. Noch mal fester an der Schulter rütteln und kurz, aber feste auf die Stirn tippen. Ja, da machen wir eine GCS von 3 draus.
Im 'kruden EKG' sehen wir winzige QRS-Komplexe, ca 35er Frequenz, von polytopen VES durchsetzt.


Sind die Glubscher beide weit? Oder gibt es eine Seitendifferent? Stehen die Mittig oder irgendwie verdreht?
Ist sie in den letzten Tagen oder jetzt akut im Rahmen der Bewusstlosigkeit gestüzt?

Welche Krankenhäuser haben wird? Wo ist das nächste mit CT und NCH?

edit: Hat sie einen Radialispuls? Wie fühlt der sich an? Und haben wir ein gutes Signal auf dem Pulsoxy?

Die Augen sind gleich weit, orientierend (Frau Doktor führt keine Pupillenleuchte mit) nicht lichtreagibel und stehen mittig. Auf Nachfrage 'Hatte sie anfangs einen Herdblick, nach links oder rechts oben gesehen?' erfahren wir nichts genaueres.

Gestürzt sei sie nicht, es sind keine Hämatome zu sehen, auch jetzt hatte sie sich ja selbst noch gelagert.

Der Radialispuls ist vorhanden, s.o. - Pulsoxy-Signal ist gut (just in dem Augenblick bei mir auch im Hinterkopf der Gedanke 'noch das Beste hier gerade') -96-97%.

Krankenhäuser -
Max-Versorger 1 mit Kardio, HKL, CT, MRT, UCH, VCH, HNO - ca 10min mit SoSi entfernt
Max-Versorger 2 mit Neuro, NCH, CT, MRT, Kardio, HKL, UCH - ca 14min mit SoSi entfernt
Regel-Versorger mit Neuro, VCH - ca 10min mit SoSi entfernt

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Und jetzt??

WackenDoc
01.11.2015, 10:12
Kann man sehen, warum sie so langsam ist? Rhythmusstörung? Und sind die 35/min der Grundrhythmus oder schon incl. der VES?

Meine Überlegung wäre, dass im Kopf nicht genug O2 ankommt, weil sie so langsam ist. Kann aber auch sein, dass die langsame Frequenz folge eines Hirndrucks ist.
Paddels würde ich bei komischem EKG auf jeden Fall mal aufkleben- wenn sie anfängt zu flimmern brauchen wir die eh.

Ansonsten wird es Bauchgefühl sein, ob man es medikamentös oder mit Pacer versucht sie schneller zu bekommen. Dann sehen wir ja, ob der Kopp besser wird. Beides kostet nicht viel Zeit. Sedierung zum Pacing brauchen wir ja nicht.

Evtl. ist auch die langsame Frequenz der Grund warum die automatische Blutdruckmessung kein Signal rein bekommt.

Hellequin
01.11.2015, 10:37
Lässt sich den fremdanamnestisch den noch etwas über die Kopfschmerzen erfahren? Langsamer Beginn oder schlagartig einsetzend? Wo lokalisiert? Schmerzqualität?

psycho1899
01.11.2015, 11:13
Cephalgien, Nausea, lichtstarre Pupillen, bradykard, RR nicht messbar (nach oben, Puls kräftig) --> Cushing, ICP-Krise.
Noch Meningismus?

Bei GCS 3 Intubation, ruhig tief sedierten solange RR gut bleibt und ins KH mit NCH. V.a. SAB.

psycho1899
01.11.2015, 11:15
Bzgl. HF... wir haben einen guten Druck offenbar, da stört mich die niedrige HF nicht bzw. sehe ich sie nicht als Ursache des Problems sondern wahrscheinlich eher als Folge.

WackenDoc
01.11.2015, 11:24
Achso- der Prakti soll mal den Ehemann weiter löchern, ob die Frau etvl. noch was anderes gegen die Schmerzen genommen hat und was er so nimmt bzw. eine MEdikamentenverwechslung vorliegen kann.

Relaxometrie
01.11.2015, 12:50
Der BZ sei 117g/dl
Bestimmt mg/dl




Krankenhäuser -
Max-Versorger 1 mit Kardio, HKL, CT, MRT, UCH, VCH, HNO - ca 10min mit SoSi entfernt
Max-Versorger 2 mit Neuro, NCH, CT, MRT, Kardio, HKL, UCH - ca 14min mit SoSi entfernt
Regel-Versorger mit Neuro, VCH - ca 10min mit SoSi entfernt
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Und jetzt??
Ich würde unter der Verdachtsdiagnose einer ICB (könnte aber dennoch auch ein ischämischer Schlaganfall sein) Haus 2, also den Maximalversorger mit Neurochirurgie, anfahren.
Der Transport erfolgt ja bodengebunden und man könnte für eine Intubation wohl jederzeit anhalten. Aber bei GCS von drei und der jetzt nötigen Diagnostik, würde die Patientin wohl spätestens für die CT-Untersuchung intubiert werden. Also jetzt intubieren, Patientin im Haus 2 ankündigen. Dann unter Defi-Bereitschaft und darauf gefasst seiend, daß die Patientin evtl. krampfen wird, mit Sondersignalen losfahren.
Gibt es noch einen aktuelleren RR-Wert?

psycho1899
01.11.2015, 13:52
Ein ischämischer Schlaganfall wäre sehr unwahrscheinlich; allenfalls müsste das Mesencephalon und der NIII-Kern bds. betroffen sein, um die Mydriasis bds. zu erkennen. Schon sehr ungewöhnlich für eine Basilaristhrombose.

Insgesamt ist der Symptomenkomplex mit anfänglich Kopfschmerzen, Übelkeit und dann perakuter Vigilanzabfall bis ins tiefe Koma mit bds. weiten Pupillen sowie Bradykardie sehr suggestiv für einer akuten ICP-Krise und das würde am ehesten m.E. nach zu einer SAB passen.

Intubation muss JETZT erfolgen... wir haben auf dem NEF keine Chance, den ICP zu senken ausser durch Analgosedation und kurzzeitig nach Intubation milder Hyperventilation (von OK etwas höher bis 30° sowie achengerecht lagern abgesehen). Danach mit Sondersignal in den Schockraum des Maximalversorgers.

WackenDoc
01.11.2015, 13:59
Warum haben wir eigentlcih keinen Blutdruck? Kann da mal jemand bitte nach technischer Störung schauen und ggf. manuell nachmessen?

Bille11
01.11.2015, 16:42
Ups - mg/dl, ja.

genau - das obige habe ich in dem Augenblick auch bedacht.

Ich wollte ein 12K-EKG haben, damit die Patientin in Rückenlage - und damit 120kg in Rückenlage nicht evtl. noch dekompensierten, gab es erstmal 0,5mg Atropin. Danach kam es zu einem regelhaften Frequenzanstieg. An Pads und ggf externes Pacing habe ich in dem Augenblick nicht gedacht, sondern wollte erst ein 12K-EKg des Herzens haben. Anästhesie neigt dann ja doch zur primär medikamentösen Therapie.

Die Praktikanten haben wir nicht zum löchern des Ehemanns geschickt, sondern Praktikant Arzt hat Medikamente aufgezogen - Propofol, Fentanyl und Succi, sowie Akrinor (und Urapidil). Praktikant RD die Absaugung vorbereitet, den Ambubeutel gerichtet und das 12k EKG unter meinen Augen aufgeklebt.
RettAss war mit Tubusrichten, Beatmung aufziehen und so befasst, RettAss NEF mit telefonieren, anmelden (Haus NC, Schockraum, Va ICB) und Medikamente mit aufziehen.
Wir haben intubiert, - Fentanyl 0,2, Propofol 200, Succi 100. anschliessend weiterhin einen guten RR (nach Kabelumlegen war der Druck 160/110, dann einmalig 205/110, unter 10mg Urapidil 160/95 stabil).
Nach Beatmungsetablierung konnten wir problemlos eine 600ml AZV Beatmung, 15AF, CO2A=32 einstellen, der Praktikant Arzt hat Propofol und Fentanyl Spritzenpumpe gespielt, ich die Kabel sortiert und fixiert, regelmässig Pupillencheck (stets weit, kein bischen Reaktion auf Opiat) gemacht und wir die Patientin ins KH gebracht.
Vor Intubation gab es aber noch ein kurzes neurologisches Assessment - wonach wir von der NCH im Schockraum auch gefragt worden wurden. Wer hätte gedacht, dass man den Babinski auch noch kurz erheben sollte und er sogar positiv war.

Im Schickraum angekommen wurden wir mit grossem Aufgebot empfangen, man hat sich die Übergabe angehört und kurz umgekabelt, die Patientin ins CT gebracht. Dort wurde eine SAB, eine Akute Einblutung der hinteren Communicansgegend und eine Mittellinienverlagerung und Ventrikelverlagerung dokumentiert, woraufhin es direkt weiter Richtung Op ging.

Nach dem Schockraum haben wir den Mann nochmal gefragt, seit wann sie das so hatte - die Kopfschmerzen latent wohl schon eine Weile, aber seit dem Morgen wirklich akut aufgetreten neu. keine wesentlichen VE ausser der Adipositas und einer CHE vor Jahren und unklarer Entzüdungswerte unlängst im KH abgeklärt ohne Resultat. Keine Medikamente.

psycho1899
01.11.2015, 19:39
Danke für den Fall. :-)

Bille11
01.11.2015, 20:01
Danke für den Fall. :-)

Herzlichen Dank euch - und insbesondere Dir für die guten Erläuterungen Deiner 'Wünsche' - für die Mitarbeit

Relaxometrie
01.11.2015, 20:34
Danke für das Fallbeispiel :-)
Den ischämischen Schlaganfall hatte ich als -wenn auch unwahrscheinlichere- DD genannt, weil ich einen solchen Fall mal erlebt habe: Ich hatte den Patient im stationären Setting vorgefunden. Er hat nicht auf Ansprache reagiert, hat aber noch geatmet und hatte direkt nach dem Verkabeln ans Monitoring eine O2-Sättigung von ca. 97%. Die Pupillen waren lichtstarr und weit, Babinski einseitig positiv. Dann fing er mehrfach an zu krampfen. Letztlich wurde der Patient intubiert ins nächste Krankenhaus mit einer Neurochirurgie verlegt. Dort stellte sich dann heraus, daß der Patient einen ischämischen Schlaganfall im Posterior-Stromgebiet hatte. Dennoch konnte der Patient das Krankenhaus ziemlich bald wieder zu Fuß verlassen, was ich -als der Patient intubiert, beatmet und mit lichtstarren Pupillen da lag- kaum geglaubt hätte.