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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was braucht’s zum guten Ober- und Chefarzt?



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Attempto
07.11.2015, 08:54
Hallo,
fachliche Qualifikation kriegen wir ja im Studium und in der Klinik mehr oder weniger genug. Und zum Glück wollen viele Kollegen Angestellte in der Klinik bleiben, oft als Ober- und Chefärzte. Ich bin leitender Arzt einer größeren Klinik und neben dem allgemeinen Ärztemangel beschäftigt mich auch die schwieriger werdende Nachbesetzung von Ober- und Chefarztstellen. Welche Qualifizierung würde beim Einstieg in neuen Aufgaben als Führungskraft helfen? Welche Hoffnungen, Sorgen und Ängste bestehen bei der Vorstellung, OA oder sogar CA zu werden?
Wie müsste Unterstützung aussehen, um Ärzte zu Beginn in der neuen Funktion zu begleiten oder sie wirklich gut darauf vorzubereiten?
Warum streben wir Ärzte eine solche Aufgaben überhaupt an? Welche Hoffnungen und Träume verbinden wir damit? Vor allem aber: Welche Sorgen bestehen hauptsächlich? Schaff ich alles? Wie gehe ich mit den Kollegen um? Wie löse ich Konflikte? Wie schaffe ich zeitlich alle Aufgaben? Wie kann ich Lob und Kritik geben? Wie führe ich Mitarbeitergespräche? Wie bilde ich Teams? Oder was bewegt die Kollegen sonst am meisten? Es geht mir wie gesagt nicht um die fachlichen Qualifikationen, sondern um all die Aufgaben einer Führungskraft in der Klinik, über die wir im Studium nicht wirklich etwas gelernt haben...
Ich würde mich über Antworten von Fast-Oberärzten oder jungen Oberärzten freuen, was Dich zu Beginn am meisten bewegt hat. Was würde, was hat oder was hätte beim Einstieg in diese neue Aufgaben geholfen?
Herzlichen Dank für Feedback!

ehem-user-02-08-2021-1033
07.11.2015, 13:03
Warum streben wir Ärzte eine solche Aufgaben überhaupt an?
Welche Hoffnungen und Träume verbinden wir damit?


Ich bin kein "junger" Oberarzt, sondern in der Weiterbildung, aber ich behaupte einmal, dass dem keine idealistischen Motive zu Grunde liegen.
Die meisten Leute und deren Frau und Kind werden sich vermutlich über die zusätzlichen € auf dem Girokonto freuen, weil gerade das Darlehn fürs Haus oder Eigentumswohnung abgezahlt wird.

Um meine Meinung noch einordnen zu können:
Ich strebe momentan in Zukunft keine Stelle als Oberarzt oder dergleichen in einem Krankenhaus an.
Ich möchte mich in Zukunft, auch mit Gehaltseinbußen, aus der Klinik verabschieden. :-)

Kackbratze
07.11.2015, 13:11
Wenn Du dir diese Fragen stellen musst, wie bist Du dann bitte in die leitende Position gekommen?


Welche Qualifizierung würde beim Einstieg in neuen Aufgaben als Führungskraft helfen?


Qualifikation? Vielleicht ein Facharzt und eine gute Ausbildung dahinter?


Welche Hoffnungen, Sorgen und Ängste bestehen bei der Vorstellung, OA oder sogar CA zu werden?


Das Auto muss zur Position passen, wenn das nicht passt, wie sollen mich die Assistenten dann ernst nehmen?



Wie müsste Unterstützung aussehen, um Ärzte zu Beginn in der neuen Funktion zu begleiten oder sie wirklich gut darauf vorzubereiten?


Ein Facharzt und eine gute Ausbildung dahinter.



Warum streben wir Ärzte eine solche Aufgaben überhaupt an? Welche Hoffnungen und Träume verbinden wir damit?

Das Auto. Und wenn dann ein Auto gefunden wurde, passt es zu meiner Position?



Welche Sorgen bestehen hauptsächlich? Schaff ich alles? Wie gehe ich mit den Kollegen um? Wie löse ich Konflikte? Wie schaffe ich zeitlich alle Aufgaben? Wie kann ich Lob und Kritik geben?

Schonmal daran gedacht, dass diese Fragen bereits während der Assistentenzeit auftauchen könnten?
Assistenten sind nicht hirnlose Robotniks die erst mit der OA-Position anfangen zu denken.


Oder was bewegt die Kollegen sonst am meisten?

Kann ich mit dem Auto, was zu meiner Position passt auch die passenden Frauen aufreissen?

anignu
07.11.2015, 17:54
Es sind doch immer drei Dinge die einen motivieren: Sex, Macht und Geld. Ok, Sex kann man hier meist streichen.
Wenn man sich dann aber den Rest anschaut:
- Geld: früher haben die Chefärzte in den Unikliniken teils Millionen gescheffelt. Gibts nimmer. Oberärzte bekamen großzügige Pool-Beteiligungen. Sind weniger.
- Macht: wird immer weniger. Welcher Chefarzt entscheidet wirklich noch was? Welcher Bewerber wird eingestellt? Ich hab schon erlebt dass der gewünschte Bewerber von der Verwaltung abgelehnt wurde. "hat zuviel Erfahrung -> zu teuer. Sie bekommen die unerfahrene..."... Chefärzte sind doch auch nur noch Sklaven der Verwaltung.

In der Chirurgie ist die Niederlassung schwierig, aber meine internistischen Kollegen kann ich nur zu gut verstehen: die wollen gar keine Chef- oder Oberarztposition. Die wollen den Schmarrn hinter sich bringen und sich dann so schnell wie möglich niederlassen. Und nicht wie der 55jährige Oberarzt regelmäßig Nachtdienste im Krankenhaus verbringen. Während man gleichzeitig nichts zu sagen hat und trotzdem ständig eine auf den Deckel bekommt.

Die eigentliche Frage war ja "die schwieriger werdende Nachbesetzung von Ober- und Chefarztstellen". Und das Einfachste ist: bietet den Leuten eine Perspektive. Lebt vor dass man als Chef- oder Oberarzt Gestaltungsmöglichkeiten, faire Arbeitszeiten, sinnvolles Einkommen etc. hat. Dann werden sich die Leute schon selbst bemühen. Sie werden sich selbst qualifizieren und mit einer guten Facharztweiterbildung sind sie automatisch gut vorbereitet auf die Position...
Zu Letzterem kann ich sagen, dass es ein paar Oberärzte gab die mir mit ein paar winzig kleinen Regeln unglaublich geholfen haben in meiner bisherigen Arbeit.

Kackbratze
07.11.2015, 19:19
Sex?
If it floats, flies or fuxks: rent it

Alles Andere ist zu teuer.

Anne1970
08.11.2015, 14:36
Jetzt seid mal nicht so böse zum TE :grins:
Attempto, zwei Dinge: 1. mir fällt auf, dass du nur von Ärzten und nicht Ärztinnen schreibst; vermutlich nicht absichtlich?
2. was ist die Zielrichtung deines Threads? Möchtest du angehende Oberärztinnen und - ärzte fördern/ coachen/fortbilden?

Gruß Anne1970 -Mod.

Feuerblick
08.11.2015, 16:01
Na guck... ne neue junge Wilde? :-)) (Sorry, war OT)...

Back to topic:
Angehende Chef- und Oberärzte sollten vor allem nicht vergessen, wie es ist, Assistent zu sein. Und sie sollten dringend den A*** in der Hose haben, ihre Meinung auch vor der Verwaltung zu vertreten. Speichellecker sind in solchen Positionen definitiv fehl am Platz!!

Anne1970
08.11.2015, 17:32
Back to topic:
Angehende Chef- und Oberärzte sollten vor allem nicht vergessen, wie es ist, Assistent zu sein. Und sie sollten dringend den A*** in der Hose haben, ihre Meinung auch vor der Verwaltung zu vertreten. Speichellecker sind in solchen Positionen definitiv fehl am Platz!!

:-meinung

Moorhühnchen
08.11.2015, 18:22
Und das Einfachste ist: bietet den Leuten eine Perspektive. Lebt vor dass man als Chef- oder Oberarzt Gestaltungsmöglichkeiten, faire Arbeitszeiten, sinnvolles Einkommen etc. hat. Dann werden sich die Leute schon selbst bemühen. Sie werden sich selbst qualifizieren und mit einer guten Facharztweiterbildung sind sie automatisch gut vorbereitet auf die Position...

Qualifikation? Vielleicht ein Facharzt und eine gute Ausbildung dahinter?
Ich glaube, die beiden wichtigsten Aspekte sind von anignu und Kackbratze genannt worden. OÄ, die einem als Assistent eine gute Ausbildung ermöglichen, bieten den besten Ansporn, später selbst eine solche Tätigkeit ausüben zu wollen. Wenn man sich selbst dabei nicht kaputt macht, sollte es laufen.

Denn einerseits: was nützt mir ein sehr engagierter OA als Vorbild, der mir als Assistent viel beibringt und mich machen lässt, aber massig Überstunden schiebt, diese nicht anerkannt bekommt, seine Familie nur im Dunkeln sieht. Das möchte ich später selbst nicht machen.

Andererseits: der OA, dem die Weiterbildung des Assistenten am Allerwertesten vorbeigeht.... durch ihn werde ich als Assistent nicht gefördert und am Ende fehlen vielleicht die nötigen Skills, um sich gegen besser ausgebildete Konkurrenz durchzusetzen.

Der Gedanke gute OÄ zu bekommen, darf nicht erst nach der Facharzt-Prüfung einsetzen. Da ist es zu spät! Ist ein bißchen so, wie mit den Chefs, die sich beschweren, daß von der Uni keine "geeigneten" Abgänger mehr kommen (also in erster Linie keine solchen mehr, die so blöd sind, massig Überstunden zu schieben ohne daß eine adäquate Ausbildung geboten wird).
Eben jene Chefs tun in der Regel auch wenig für den studentischen Unterricht.

PS: mich als FÄ für Anästhesie hat an meiner alten Klinik eine OA-Stelle nicht gereizt, weil meine OÄ fast alle AT waren und keine Dokumentation der Überstunden stattfand (die es bei den Assistenten jedoch gab). Die OÄ liefen ohne Stechen an der Stechuhr vorbei. Mag sein, daß dies durch AT abgedeckt wurde - aber gerade bei den weiblichen OÄ mit Familie hatte ich eher das Gefühl, daß es einfach schlecht bezahlter Freizeitklau war.

Verlockend wäre dagegen die Aussicht gewesen, keine Spätdienste mehr machen zu müssen und häufiger im OP eingesetzt zu werden, nicht mehr in die Prämed zu müssen. In meiner jetzigen Klinik betreue ich auch gerne unsere interessierten PJler (junge Assistenten haben wir nicht, könnte mir vorstellen, daß die Arbeit mit ihnen noch mehr Spaß machen würde, wenn man die Zeit dazu hätte)

Attempto
08.11.2015, 20:21
Hallo und herzlichen Dank für die bisherigen Antworten.

@Anne1970: Danke für die Fragen. Ich merke, auch Posten in Foren will gelernt sein... Ich habe wohl zu sehr versucht, mich kurz zu fassen: Natürlich meinte ich auch Oberärztinnen und Chefärztinnen, sorry, das war keine Absicht!
Die Absicht des Threads ist tatsächlich zu erfahren, ob und wo Bedarf besteht nach Förderung, Coaching oder Fortbildung. Wie angemerkt wurde, darf eine Beschäftigung mit Führungsfragen aber sicher nicht erst mit Beginn einer Stelle als Oberärztin/Oberarzt oder Chefärztin/Chefarzt beginnen, sondern gehört sicher schon in die Zeit der Facharztausbildung.

Ich habe mich quer durch das Forum gelesen und bin erschrocken über so viel Frust und auch das Bild der Aufgaben, Möglichkeiten und Stressoren von Leitungskräften. Sicher müssen medizinische Führungskräfte auch viel arbeiten, aber der Stress ist ein anderer (Ärzteblatt: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/51786/Chef-Sein-ist-weniger-stressig-als-gedacht).

Sind es wirklich die fachlichen Qualifikationen, die einen zur guten Führungskraft machen, wie z.T. in den Antworten angemerkt? Je länger ich im Geschäft bin, desto mehr habe ich den Eindruck, dass es gerade nicht diese Fähigkeiten sind.
In den Antworten wurde schon einiges angesprochen, was mich auch beschäftigt:

- Gute Anleitung von Assistenten: Sind die, die brillant operieren auch die gleichen, die dann auch gut anleiten und Freude an der Wissensvermittlung haben? OÄ und CÄ haben viel mit Personalführung und Organisation zu tun oder sollen delegieren und über die Schulter schauen. Aber wollen sie das auch? Oder sind sie so von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugt, dass sie im Grunde ihres Herzens alles selbst machen wollen und ungern anleiten, delegieren und andere befähigen?

- Vorbild sein: Spielen hier neben dem fachlichen Können nicht auch Dinge wie Kommunikation, Einfühlungsvermögen, Teamgeist und Umgang mit Konflikten eine Rolle? Ich haben von CÄ und OÄ nicht nur gute Medizin gelernt, sondern auch mein Verhalten gegenüber anderen Berufsgruppen, Patienten und Angehörigen wurde von ihnen maßgeblich geprägt, oder?

- Faire Arbeitszeiten: Zu meinen Zeiten als Assistenzarzt hing meine Arbeitszeit ziemlich stark davon ab, ob mein OA/OÄ oder CÄ/CA in der Lage war, durch effektives Zeit- und Selbstmanagement und eine gute Organisation der Station und Teamführung die Abläufe zu garantieren, oder ob wir Stunden damit verbracht haben, auf ihn zu warten, weil er seinen Zeitplan nicht im Griff hatte. Ist das Chaos in der Klinik immer gottgegeben, oder hängt es nicht auch davon ab, wie eine OÄ/OA die Strukturen organisiert? Auch er/sie kann nicht alles beeinflussen, aber mehr als wir uns oft eingestehen, oder?

- A*** in der Hose haben: Wo lernen wir denn den Umgang mit Verwaltung, Controlling und Betriebsdirektoren? Würde man uns ernster nehmen, wenn wir Budgets verstehen und Controlling-Zahlen verstehen würden? Einige meiner Kollegen versuchen ständig, ihre Budgets zu überziehen, kümmern sich so wenig wie möglich um die Zahlen („ich bin schließlich Arzt“) und kriegen ständig eins auf den Deckel von der Verwaltung. Andere beschäftigen sich mit den Zahlen und können der Verwaltung Paroli bieten. Sie werden ernst genommen und können sich meist erfolgreich durchsetzen. Aber dazu gehören nach meiner Beobachtung Verhandlungsgeschick, Empathie und rudimentäre BWL-Kenntnisse.

Natürlich brauchen wir gute Vorbilder und ich kann verstehen, dass Kollegen dies von ihren Führungskräften einfordern. Aber wenn dort Wüste ist, muss ja irgendjemand mal den Anfagn machen. Die Antwort „wir sind damals auch nicht systematisch eingearbeitet worden, warum soll ich jetzt also OÄ/OA dafür sorgen, dass es der nächsten Generation besser geht?“ kann ich nicht mehr hören.

Wie wichtig sind die obigen Themen? Welche habe ich vergessen oder übersehen, die auch noch wichtig wären? Darauf zielte meine Frage. Wie gesagt: Eine fachliche Qualifikation setze ich voraus, darum ging es mir nicht. Hoffentlich ist mein Anliegen jetzt klarer geworden. Würde mich über weiteres Feedback freuen!

Mano
08.11.2015, 20:34
Alles wichtige/ interessante Punkte die du nennst. Was in meinen Augen auch wichtig ist, ist eigener Gestaltungsspielraum. Eine Oberarztstelle, bei der ich mich immer noch wegen jeder Kleinigkeit wie ein Student beim Chef rückversichern muss, ist in meinen Augen nicht attraktiv.
Andersherum sollte ein Chef hinter seinen Mitarbeitern stehen und ein Oberarzt hinter seinen Assistenzärzten. Natürlich sollte auch Kritik geübt werden (können), aber eben sachlich und unter vier Augen.

Moorhühnchen
08.11.2015, 21:24
Sind es wirklich die fachlichen Qualifikationen, die einen zur guten Führungskraft machen, wie z.T. in den Antworten angemerkt? Die fachlichen Qualifikationen würde ich persönlich in den Vordergrund stellen, ein "richtig guter OA" sollte nebenher aber AUCH über Führungsqualitäten verfügen. Im Übrigen gibt es mit par eine Userin im Forum, die zur Zeit versucht herauszufinden, ob man diese Kombination aus fachlichen Qualifikationen und Führungsqualität in irgendeiner Art auch honorieren kann. Siehe hier (http://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?t=92785).


- Gute Anleitung von Assistenten: Sind die, die brillant operieren auch die gleichen, die dann auch gut anleiten und Freude an der Wissensvermittlung haben? OÄ und CÄ haben viel mit Personalführung und Organisation zu tun oder sollen delegieren und über die Schulter schauen. Aber wollen sie das auch? Oder sind sie so von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugt, dass sie im Grunde ihres Herzens alles selbst machen wollen und ungern anleiten, delegieren und andere befähigen?Guter Punkt, ich denke, die richtigen Koryphäen möchten gerne zügig und gut - also selbst - operieren/Patienten behandeln/Narkose machen.... was auch immer. Geht mir ja nicht anders, wenn ich einen PJ'ler oder Rettungsdienstler bei mir habe und denke, daß ich zügiger und besser/komplikationsloser voran komme, wenn ich es selbst mache.

Aber man muß halt auch bedenken, daß in 30 Jahren (wenn die Koryphäe dann allerspätestens in Rente geht und vielleicht selbst mal operiert werden muß) das dann vielleicht keiner machen kann, weil man "vergessen" hat, die Fähigkeiten weiterzugeben. Vielleicht würden wir heute noch auf Bäumen leben, wenn die Affen ihren Affenkindern nicht die Verwendung von Werkzeug beigebracht hätten.

Wenn der brilliante OÄ/Chef/Operateur nicht davon ablassen kann, selbst zu operieren, dann muß er halt darauf achten, daß das Team durchmischt ist und es andere gibt, die Wissen weitergeben. Ob die sich dann da wohlfühlen, wenn andere die "Lorbeeren" abgreifen und sie nur für die Wissensvermittlung zuständig sind...... ich wage es zu bezweifeln. Jeder muß seine Vorteile daraus ziehen können.


- Vorbild sein: Spielen hier neben dem fachlichen Können nicht auch Dinge wie Kommunikation, Einfühlungsvermögen, Teamgeist und Umgang mit Konflikten eine Rolle? Ich haben von CÄ und OÄ nicht nur gute Medizin gelernt, sondern auch mein Verhalten gegenüber anderen Berufsgruppen, Patienten und Angehörigen wurde von ihnen maßgeblich geprägt, oder?Wurde schon weiter oben beantwortet. Respekt gegenüber anderen Kollegen und Berufsgruppen sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber gerade in den medizinischen Berufen zu sehr unterschätzt. Generell sollte das mehr beachtet und gefördert werden - aber wie? Von wem? Wann? Uni? Fortbildungen?
Oder muß man bei der Besetzung der nächsten OA-Stelle einfach mal den "menschlicheren" Kollegen dem "fachlich fitteren" bevorzugen? Wer tut das? Welchen Vorteil hätte der Chef/die Personalabteilung/das ganze Haus davon?


- Faire Arbeitszeiten: Zu meinen Zeiten als Assistenzarzt hing meine Arbeitszeit ziemlich stark davon ab, ob mein OA/OÄ oder CÄ/CA in der Lage war, durch effektives Zeit- und Selbstmanagement und eine gute Organisation der Station und Teamführung die Abläufe zu garantieren, oder ob wir Stunden damit verbracht haben, auf ihn zu warten, weil er seinen Zeitplan nicht im Griff hatte. Ist das Chaos in der Klinik immer gottgegeben, oder hängt es nicht auch davon ab, wie eine OÄ/OA die Strukturen organisiert? Auch er/sie kann nicht alles beeinflussen, aber mehr als wir uns oft eingestehen, oder? Das Thema faire Arbeitszeiten wird sich erst ändern, wenn mehr Leute mit den Füßen abstimmen. Politisch ist es nicht gewollt und wird nicht unterstützt. Das wird insgesamt noch dauern und wahrscheinlich immer wieder bombardiert werden.


Natürlich brauchen wir gute Vorbilder und ich kann verstehen, dass Kollegen dies von ihren Führungskräften einfordern. Aber wenn dort Wüste ist, muss ja irgendjemand mal den Anfang machen. Die Antwort „wir sind damals auch nicht systematisch eingearbeitet worden, warum soll ich jetzt also OÄ/OA dafür sorgen, dass es der nächsten Generation besser geht?“ kann ich nicht mehr hören.Das habe ich weder gesagt noch gemeint. Aber das wissen wir beide! Ich sagte nur, daß die Attraktivität einer OA-Stelle auch davon abhängt, was einem vorgelebt wird.

Kackbratze
08.11.2015, 21:34
Es ist doch vollkommen Wumpe, wie die fachlichen oder menschlichen Qualifikationen aussehen.
Die letzten OA-Besetzungen die ich live und in Farbe mitbekommen durfe basierten auf ehemaliger Zusammenarbeit, viel Ar$chkriecherei oder einer Beförderung "weil es mal Zeit wurde".
Die Kollegen, die sich mit Teaching, Fachlichem oder gar Teambuilding beschäftigt hatten, wurden ausgebremst. Solche Leute sind nämlich unbequem. Haben potentiell Widerworte oder stehen gar *schluck* auf der Seite der Assistenten, wenn es z.B. um die schlechten Arbeitsbedingungen oder sowas geht.

Dann lieber den guten Kumpel, den Typen mit dem geilen Auftreten oder halt die stille Notlösung befördern.
No 1 wird nie widersprechen, No 2 hat die eigenen Karriere im Sinn, ist also auch zu 99% berechenbar und No 3 ist dankbar, dass nach alle Jahren der Mühen, der Plagerei und der Streitigkeiten mit den Heissdüsen auf Assistentenebene es "endlich" (ca. 8-10 Jahre nach dem FA) voran geht.
Die bösen Heissdüsen haben dann schon längst den Fachbereich oder die Stelle gewechselt.

gnuff
08.11.2015, 21:46
Warum ich Chef geworden bin? Weil ich Bock drauf hatte und den festen Willen etwas zu verändern...
(@Bratze: das mit dem Auto hab ich vermutlich vergeigt, sorry...)

anignu
08.11.2015, 22:22
Natürlich brauchen wir gute Vorbilder und ich kann verstehen, dass Kollegen dies von ihren Führungskräften einfordern. Aber wenn dort Wüste ist, muss ja irgendjemand mal den Anfagn machen. Die Antwort „wir sind damals auch nicht systematisch eingearbeitet worden, warum soll ich jetzt also OÄ/OA dafür sorgen, dass es der nächsten Generation besser geht?“ kann ich nicht mehr hören.
Na klar... die neuen Oberärzte sind nur deshalb so schlecht weil sie nicht eingearbeitet wurden bleiben so schlecht weil "wir sind ja auch nicht eingearbeitet worden.
Genauso erklärt mir mein Chef ständig dass er überhaupt nicht versteht wie die Assistenzärzte überhaupt mit einer 60h-Woche was lernen können. Denn 50h verbringt man ja schon mit dem Tagesgeschäft, man lernt also nur 10h die Woche. Er hingegen hatte damals an der Uni eine 90h-Woche. Also ist er in der normalen Zeit fertig gewesen, heute dauert die Facharztausbildung logischerweise viermal so lang. Geht ja gar nicht anders. Oder haben micht meine mathematischen Fähigkeite auch verlassen?
Stimmt schon. Als Assistenzarzt bin ich dann immerhin schonmal Vorbild, wenn schon die Leute drüber kein Vorbild sind. Für wen nochmal?

Ich KANN gar kein Vorbild sein weil ich an die Position nicht hinkomme weil die Ausbildung so sch... ist!
Und dann erklär mir nochmal jemand "irgendwer muss ja mal den Anfang machen". Es ist nicht so dass ich nicht anderen gern das Operieren beibringen würde. Aber ich kann es noch nicht. Selbstverständlich dürfen PJler bei mir unter Aufsicht in der Notaufnahme alles nähen was daherkommt. Immerhin kann ich für noch nicht mal Ärzte Vorbild sein. Um für Ärzte mal Vorbild sein zu können vergehen noch viele viele Jahre oder Jahrzehnte.


Und wegen dem ganzen Frust im Forum: der ist real. Ich weiß nicht wieviele Asisstenzärzte in meinen bisherigen und der aktuellen Klinik zufrieden sind mit ihrem Job. Sehr wenige. Gut, manche haben sich zurechtgefunden mit der Situation das sie nicht viel lernen und genießen als "Altassistenten" ein völig entspanntes Arbeitsleben und werden vielleicht niemals Facharzt. Aber alle die auch nur irgendwie Ambitionen haben Facharzt zu werden waren gefrustet. In den chirurgischen Bereichen weil nichts vorwärts geht, in den internistischen Bereichen weil die Arbeitsbelastung so extrem ist und sich fast alle dann eh niederlassen wollen weils das Klinikdasein so schlimm ist und bei den Anästhesisten weil die Chirurgen ständig überziehen und auch nachts operieren wollen etc.

anignu
08.11.2015, 22:49
Jetzt seid mal nicht so böse zum TE :grins:
Und was heißt hier "seid nicht so böse". Was erwartet jemand in leitender Position von Assistenten dass man ihm/ihr sagt?
Ist doch einfach: gebt uns endlich mal eine vernünftige Ausbildung, respektiert uns als Menschen und nicht als Arbeitstiere, nur weil eure Ausbildung sch... war muss unsere nicht auch sch... sein, nur weil es damals noch kein Arbeitszeitgesetz gab heißt das noch nicht dass unsere Ausbildung deshalb Faktor 2-4 länger dauern muss etc.

@Attempto:
Der zitierte Artikel betrifft nicht Mediziner sondern echte Führungskräfte. Chefärzte haben heutzutage meiner Meinung nach viel weniger Entscheidungsspielraum und sind viel mehr Erfüllungsgehilfen von Management und Verwaltung als das früher war. Und damit sind sie in einer fiesen Mittelposition: von unten maulen die Assistenzärzte dass sie gern mal eine Ausbildung hätten oder gern mal hätten dass man sie ernst nimmt und von oben kommt nur Druck und Vorgaben die man umsetzen muss.
Und bitte nenn mal die Fachrichtung. Denn ich kenn die Probleme mit der Suche nach Ober-/Chefärzten auch gut aus verschiedenen Gründen. Und bei Internisten ist es wie gesagt eher so dass sich viele der Guten schnell in eine Praxis verabschieden und bei den Chirurgen muss man erstmal gut werden. Und die Ausbildung zieht sich und lässt doch einige Leute auf der Strecke.

Lava
09.11.2015, 09:02
Ich muss kackbratze recht geben. Was ich so erlebt habe an Beförderung in den Rand des Oberarztes, war auch größtenteils danach ausgerichtet, wen der Chef gut leiden konnte. Assistent A, ein wirklich fleißiger und fachlich guter Typ, der nicht nur bei den Kollegen in der eigenen Abteilung beliebt war sondern auch in anderen Fachabteilungen, wurde in die Ambulanz strafversetzt, wohingegen Kollege B, ein A*schkriecher, falscher Fuffziger und unbeliebt bei jedermann außer dem Chef, Oberarzt wurde.
Der neue Chef hat dann später innerhalb eines Jahres drei neue Oberärzte einstellen müssen: einer war ein Glücksgriff, ein talentierter junger Mann aus den eigenen Reihen, die anderen beiden wurden über Vitamin B aus früheren Wirkungsstätten des Chefs angeworben. Beide entpuppten sich als völlige Fehlbesetzungen und beide waren auch nach weniger als einem Jahr wieder weg. Der Grund war hauptsächlich, dass die Ansichten des Chefs und ihre eigenen Ansichten und Wünsche für den Job meilenweit auseinander lagen.

Braucht man irgendwelche Coachings, um Führungsqualitäten zu erlernen? Hm. Vielleicht ist auch einfach nicht jeder dafür geeignet.

Fr.Pelz
09.11.2015, 09:18
Ich hab schon gruselige OA-Beförderungen mitbekommen, weil kein anderer da war...

Im Endeffekt machen natürlich, die Leute die schon vorher menschlich und fachlich top sind, auch Top-oberärzte. Das sind eben die Menschen, die zuhören (Patienten, Kollegen, Verwaltung, fachlichen Vorträgen) und ihre Schlüsse daraus ziehen und eben nicht die mit-dem-Kopf-durch-die-Wand- ich-war-schon-in-Amerika-also-kann-ich-nur-Oberarzt-sein.

Anne1970
09.11.2015, 13:55
By the way: Was haltet ihr von der Position "Funktionsoberarzt/ärztin"? Schon Erfahrungen damit gemacht?

Dr. Jekyll
09.11.2015, 14:08
By the way: Was haltet ihr von der Position "Funktionsoberarzt/ärztin"? Schon Erfahrungen damit gemacht?

Nichts. Die Arbeit eines Oberarztes bei der Bezahlung eines Assistenzarztes. Ein Relikt aus der Zeit der Ärzteschwemme, das irgendwann institutionalisiert wurde. Wer da mitmacht, der hats verdient.