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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum seit ihr im deutschsprachigen raum so fixiert auf Fremdfächer



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ehemaliger User_13032016-1
12.11.2015, 18:27
Diese Frage stelle ich mir irgendwie schon. Wenn ich mir die Weiterbildungsordnungen in Holland oder Belgien ansehe, muss ich feststellen, dass Fremdfächer kaum vorgesehen sind. Auch legt man nicht so Wert auf bestimmte Fallzahlen etc. Viel bedeutender ist es, dass man zum Bsp. als zukünftiger Chirurg in einem kleinen Krankenhaus (Allgemeines wie Appendektomien...) lernt und dann zum Bsp. an der Uni.klinik mit dem sehr spezielleren Fällen in Kontakt kommt. Warum tickt man in Deutschland so anders?

Christoph_A
13.11.2015, 10:12
Ich denke, das kann man nicht so einfach pauschalisieren, weil jeder Arzt für sich herausfinden muß, was ihn oder sie glücklich macht.
Dem einen gefällt es an einem kleinen Haus mit überschaubarem Spektrum gut, die nadere möchte das große universitäre Rad drehen. Beides legitim und beides nicht verwerflich.
Was die Dokumentation von Fallzahlen angeht, so ist es eine effektive und gut vaidierbare Methode, seinen FA Status nachweisen zu können.
Und es ist doch so schön deutsch, alles bürokratisch aufzublähen und zu dokumentieren, das entspricht einfach dem teutonischen Naturell des Beamtentriathlons Lochen-Heften-Archivieren. Natürlich am besten im säuberlich beschrifteten Ordner FA Weiterbildungszahlen :-blush

LasseReinböng
13.11.2015, 23:49
Die deutsche Bürokratie ist ein Witz verglichen mit dem, was in vielen anderen Ländern abgeht, das nur mal so...

Und Fremdfächer...die muß man doch nur noch in ganz wenigen Fachrichtungen absolvieren. Neuro/Psych ist ein Beispiel.

arbeiter79
14.11.2015, 08:54
Die deutsche Bürokratie ist ein Witz verglichen mit dem, was in vielen anderen Ländern abgeht, das nur mal so...



Das muss ich auch sagen, ich bin bisschen rumgekommen und was da woanders abgeht ist im vergleich zu Deutschland unbeschreiblich, auch in Ländern über die viele denken das dort Milch und Honig fließen.

ehemaliger User_13032016-1
19.11.2015, 09:39
Also ich habe schon das Gefühl, dass man in Deutschland eine relativ strikte Bürokratie kennt. Kann mir aber vorstellen, dass es in Österreich etc. noch heftiger ist.
Aber nimm beispielsweise das Gesundheitszeugnis, welches ihr bei der Approbation notwendig habt. Das fragt in Holland und auch in Belgien keine einzige Behörde. Man vertritt mehr die Auffassung, dass es vom jeweiligen Job abhängt. Man sagt sozusagen, dass es einen Unterschied zwischen Pathologe, Chirurg oder Psychiater gibt. Eine gesundheitliche Beurteilung erfolgt erst beim Betriebsmediziner (ganz bezogen auf die jeweilige Funktion).

Solara
19.11.2015, 09:53
Also ich habe schon das Gefühl, dass man in Deutschland eine relativ strikte Bürokratie kennt. Kann mir aber vorstellen, dass es in Österreich etc. noch heftiger ist.
Aber nimm beispielsweise das Gesundheitszeugnis, welches ihr bei der Approbation notwendig habt. Das fragt in Holland und auch in Belgien keine einzige Behörde. Man vertritt mehr die Auffassung, dass es vom jeweiligen Job abhängt. Man sagt sozusagen, dass es einen Unterschied zwischen Pathologe, Chirurg oder Psychiater gibt. Eine gesundheitliche Beurteilung erfolgt erst beim Betriebsmediziner (ganz bezogen auf die jeweilige Funktion).

Da darf jeder als Arzt arbeiten, egal ob gesundheitlich dazu fähig oder nicht?
Und was hat das jetzt mit irgendwelchen Fremdfächern zu tun?

Egal, jedes Land hat sein eigenes Vorgehen. Wer sich daran stört darf gerne woanders hingehen - und sich mit einer anderen Bürokratie auseinandersetzen.

ehemaliger User_13032016-1
19.11.2015, 12:51
Da darf jeder als Arzt arbeiten, egal ob gesundheitlich dazu fähig oder nicht?


In der Tat hat man für die Registration kein Gesundheitszeugnis notwendig. Arber ich würde nun nicht sagen, dass jeder krank überall arbeiten kann. Arbeite derzeit zum Bsp. als Versicherungsmedizinerin (das ist vergleichbar mit den Ärzten des „MDKs“, „DRV“… => Wir kennen in Holland dafür aber eine eigene 4-jährige Weiterbildung (?)) mit einer aktiven Epilepsie. Für die Chirurguie, Notfallmedizin... würde ich aber vermutlich keine Eignung erlangen (hab ich nie ausprobiert :-micro). Das bestimmt dann halt bei einer Bewerbung ein Betriebsarzt. Mit den angesprochenen Fremdfächern hat es natürlich nichts zu tun. Da gebe ich dir absolut recht. Es ist nur so, dass man es bei uns in Holland nicht oft sieht. Auch dauern viele Weiterbildungen nicht so lang (Allgemeinmedizin in Holland zum Bsp. 3 Jahre / Physikalische Medizin zum Bsp. vier Jahre…). Eigentlich frage ich mich immer mehr, wie sie damals die Richtlinie 2005/36/EC aufgestellt haben. Denn als Versicherungsmedizinerin dürfte ich sofort bei euch als Betriebsärztin tätig werden (EU-Recht => zählt zur Arbeitsmedizin), obwohl ich zum Bsp. nie Betriebsbegehungen etc. ausgeführt habe, eure Gesetze nicht kenne.... Eigentlich unlogisch.
Ich arbeite übrigens nicht in Deutschland und habe auch nie in Deutschland studiert und gearbeitet. Darum stelle ich vermutlich viele für euch „komische“ Fragen.

Solara
19.11.2015, 13:01
Warum dann überhaupt die Fragen, wenn du nicht in Deutschland arbeitest?

Und warum braucht man für einen Versicherungsmediziner eine längere Weiterbildung als für einen Allgemeinmedizinier? Der sieht doch quer durch die Bank alles, der Versicherungsmediziner sitzt am Schreibtisch und kann bei Bedarf alles nachlesen? Hört sich für mich nicht wirklich sinnig an.

Ob du in D anerkannt wirst als Arbeitsmediziner wage ich angesichts halbwegs vergleichbarer Geschichten im Bekanntenkreis zu bezweifeln. So leicht scheint das auch zwischen EU-Ländern nicht zu sein.

ehemaliger User_13032016-1
19.11.2015, 13:58
Warum ich es frage? Pur aus Interesse. Versicherungsmedizin dauert in der Tat länger als der Allgemeinmediziner. Aber ob das sinnvoll ist? Denke es auch nicht. Die Anerkennung müsste meiner Meinung nach schon passen. Suche in dieser Richtlinie 2005/36/EC einmal unter Arbeitsmedizin: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:255:0022:0142:de:PDF Dann wirst du bei den Niederlanden „arbeid en gezondheid – verzekeringsgeneeskunde (übersetzt: Arbeit und Gesundheit – Versicherungsmedizin)“ lesen. Damit muss man es meines Wissens nach als FA für Arbeitsmedizin anerkennen. Auch wenn es vor allem im Fall der Versicherungsmedizin unlogisch ist.

Solara
19.11.2015, 15:28
Naja, die Meinung mag dir belassen sein. Im Bekanntenkreis wird eben aktuell mit großen Schwierigkeiten gehadert.

WackenDoc
19.11.2015, 19:14
Das eine ist die Facharztanerkennung das andere, damit einen Job zu finden.

klingelpütz
19.11.2015, 19:50
Ist die Arbeitsmedizin an sich so schwierig oder beziehst Du das auf die Ausbildung woanders?

ehemaliger User_13032016-1
20.11.2015, 06:01
Das eine ist die Facharztanerkennung das andere, damit einen Job zu finden.

Da hast du natürlich recht. Aber es ging ja um die Anerkennung. Dass man damit einen Job findet, ist eine andere Frage. Steht sogar so in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsmedizin

ehemaliger User_13032016-1
20.11.2015, 06:10
Ist die Arbeitsmedizin an sich so schwierig oder beziehst Du das auf die Ausbildung woanders?

Nun. Mir erscheint die deutsche Ausbildung viel besser und auch schwieriger, da man auch zwei Jahre Innere Medizin und/oder Allgemeinmedizin haben muss (sehr sinnvoll). In Österreich dauert es selbst sechs Jahre. Ich würde die Arbeitsmedizin aber nicht unterschätzen. Man muss schon auch etwas wissen. Aber man entfernt sich vom Wissen des kurativen Sektor und dies ist wahrschinlich das, was die meisten Personen erst unter "Medizin vestehen". Als Arbeitsmediziner musst du aber dafür mehr Ahnung von Chemikalien, Gesetzgebung (man wird mehr Jurist) etc. haben. https://www.thieme.de/viamedici/arzt-im-beruf-weiterbildungs-coach-fachaerzte-1571/a/arbeitsmedizin-betriebsmedzin-4448.htm Ich kann aber begreifen, dass man diesen Job als Arzt nicht gern ausführt. Kenne so gut wie niemanden, der dies im Studium machen wollte. Meistens steigt man wegen der Freizeit, der regelmässigen Arbeitszeiten (Kinder...) über. Andere - wie ich - haben es wegen einer Erkrankung getan.

John Silver
21.11.2015, 16:59
Fremdfächer sind nur bei ganz wenigen Fachärzten vorgeschrieben. Spontan fallen mir auch nur Allgemeinmedizin und Psych/Neuro ein. Intensivmedizin in der Chirurgie betrachte ich nicht als Fremdfach, auch wenn diese heutzutage meist von Anästhesisten geleitet wird.
Zahlen im Rahmen der Weiterbildung sind nur bedingt sinnvoll, auch deswegen, weil viele Weiterbilder sich kaum um die Weiterbildung kümmern, sich aber Stress mit den Assistenten und den Ärztekammern ersparen wollen, und deshalb einfach Zahlen bescheinigen, die so niemals erbracht wurden. Ein weiteres Problem liegt darin, dass manche der geforderten Zahlen veraltet sind, und kaum erbracht werden können (Stichwörter "Rektumexstirpation" in der Viszeralchirurgie, oder "offene Aorteneingriffe" in der Gefäßchirurgie). Früher wurden diese Eingriffe viel häufiger durchgeführt, und es war kein Problem; heute finden solche OPs viel seltener statt, und die geforderten Zahlen sind kaum erfüllbar. In der neuen Weiterbildungsordnung werden Zahlen deshalb eine kleinere Rolle spielen.

Locutus001
22.11.2015, 11:16
Fremdfächer sind nur bei ganz wenigen Fachärzten vorgeschrieben. Spontan fallen mir auch nur Allgemeinmedizin und Psych/Neuro ein. Intensivmedizin in der Chirurgie betrachte ich nicht als Fremdfach, auch wenn diese heutzutage meist von Anästhesisten geleitet wird.
Zahlen im Rahmen der Weiterbildung sind nur bedingt sinnvoll, auch deswegen, weil viele Weiterbilder sich kaum um die Weiterbildung kümmern, sich aber Stress mit den Assistenten und den Ärztekammern ersparen wollen, und deshalb einfach Zahlen bescheinigen, die so niemals erbracht wurden. Ein weiteres Problem liegt darin, dass manche der geforderten Zahlen veraltet sind, und kaum erbracht werden können (Stichwörter "Rektumexstirpation" in der Viszeralchirurgie, oder "offene Aorteneingriffe" in der Gefäßchirurgie). Früher wurden diese Eingriffe viel häufiger durchgeführt, und es war kein Problem; heute finden solche OPs viel seltener statt, und die geforderten Zahlen sind kaum erfüllbar. In der neuen Weiterbildungsordnung werden Zahlen deshalb eine kleinere Rolle spielen.

Da fallen Dir aber nicht so viele spontan ein *g*
Keine Sorge mir auch nicht ;-)

Allerdings gibt es schon viele, wo man Fremdfächer machen muss. Bei Radiologie ja mittlerweile nichtmehr, aber Labormedizin bspw. benötigt man weiterhin ein Jahr in der Patientenbetreuung.

Über Sinn oder Unsinn kann man sicherlich streiten.
Ich bin der Meinung, dass ein Fremdjahr (oder auch mehrere) sicherlich sehr bereichernd sein können. Auf der anderen Seite halte ich sie oft auch für Unfug. Ich denke das ist eine Geschmacksache.

Um auf Arbeitsmedizin zurückzukommen:
Total spannend und auch eine interessante Arbeitsoption, aber ich möchte behaupten, dass es nicht nur wegen der weniger kurativen Arbeit nicht so beliebt ist, sondern auch wegen der Ungewissheit und der tlw. schlechteren Bezahlung.

Desiderius
22.11.2015, 12:54
Ich finde die Vergleiche NL - D vergleichbar mit Äpfel mit Birnen. Wenn man beide System kennt, weiss man das beides Schwächen hat. In NL gibt es genauso sinnfrei Bedingungen die erfüllt werden müssen um irgend einen Facharzt machen zu können. Es faengt ja schon bei der Zulassung zur Weiterbildung an.
Daher kann man die einzelnen Fächer/ Arbeitsgebiete gar nicht vergleichen.:-meinung

ehemaliger User_13032016-1
22.11.2015, 16:55
Ich finde die Vergleiche NL - D vergleichbar mit Äpfel mit Birnen. Wenn man beide System kennt, weiss man das beides Schwächen hat. In NL gibt es genauso sinnfrei Bedingungen die erfüllt werden müssen um irgend einen Facharzt machen zu können. Es faengt ja schon bei der Zulassung zur Weiterbildung an.
Daher kann man die einzelnen Fächer/ Arbeitsgebiete gar nicht vergleichen.:-meinung

Da gebe ich dir absolut recht. Wenn man sieht, was ein niederländische Arbeitsmediziner so tut. Denke, dass 80 % seiner Arbeit mit Kranenstandskontrolle ala MDK zu tun hat. In Deutschland (und auch in Belgien) ist es verboten. Muss man eigentlich nicht überhaupt die Richtlinie 2005/36/EG stark in Frage stellen?

ehemaliger User_13032016-1
22.11.2015, 17:02
Total spannend und auch eine interessante Arbeitsoption, aber ich möchte behaupten, dass es nicht nur wegen der weniger kurativen Arbeit nicht so beliebt ist, sondern auch wegen der Ungewissheit und der tlw. schlechteren Bezahlung.

Super gut bezahlt ist das Fach sicher nicht. Man darf aber auch nicht vergessen, dass man keine Nachtdienste, Wochenenden etc. hat. Habe oft gehört, dass der Stundenlohn im kurativen Sektor auch nicht so gut sei. Das ist wohl eine Entscheidung, wie jeder für sich selbst treffen muss. Mehr Geld oder mehr Freizeit? Ich zum Bsp. arbeite 4 Tage in der Woche. In Holland kein Problem.

Aber was meinst du mit Ungewissheit? Soll das Fach in D. abgebaut werden? In Holland und Belgien haben sie selbst einen enormen Mangel an Betriebsärzten. Allerdings kennt man kein Zusatzfach "Betriebsmedizin".

Gallilei
22.11.2015, 21:02
Da fallen Dir aber nicht so viele spontan ein *g*
Keine Sorge mir auch nicht ;-)

Allerdings gibt es schon viele, wo man Fremdfächer machen muss. Bei Radiologie ja mittlerweile nichtmehr, aber Labormedizin bspw. benötigt man weiterhin ein Jahr in der Patientenbetreuung.

Über Sinn oder Unsinn kann man sicherlich streiten.
Ich bin der Meinung, dass ein Fremdjahr (oder auch mehrere) sicherlich sehr bereichernd sein können. Auf der anderen Seite halte ich sie oft auch für Unfug. Ich denke das ist eine Geschmacksache.


Bereichernd ist ein Fremdjahr wahrscheinlich fast immer. Und dass man in den theoretischen Fächern ein Jahr in der direkten Patientenversorgung ableisten sollte, halte ich für sehr sinnvoll.