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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medikamentenausgabe durch RA



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WackenDoc
25.12.2015, 15:26
Hallo Leute, ich hab mal ne Frage, die mir vielleicht die Apotheker hier im Forum beantworten können.
Also in meinem Flüchtlingsheim haben wir ein kleines Medikamentenlager, so dass wir gängige Medikamente direkt an Patienten abgeben können. Bezogen werden die über die örtliche Apotheke.
Unsere Patienten sind nicht im normalen Gesundheitssystem. Solange sie bei uns in der Unterkunft wohnen, werden alle Kosten direkt über die LAB bzw. indirekt über das Budget des Roten Kreuzes für diese Unterkunft abgerechnet.

Wir haben tagsüber unter der Woche Arztbesetzung, da ist das alles kein Problem.

Nachts und am Wochenende sind wir mit einem RTW (RettAss und RettSan) besetzt, die sowohl Notfälle wie man sie aus dem Rettungsdienst kennt, versorgen, als auch Krankheitsbilder, die nicht so schwer sind, aber direkt behandelt werden sollten. Typisch ist z.B. fieberhafte Infekte, bei ansonsten stabilen Patienten und Magen- Darm- Infekte.
Ein normaler Patient hat entweder eh entsprechende Medikamente zu Hause oder kauft sie sich dann einfach in der Apotheke. Unsere Bewohner haben in der Regel keine und bekommen nur ein Taschengeld- die medizinische Versorgung deckt aber auch Bagatellmedikamente ab.

Irgendwie ist es ja unsinnig, jeden Patienten, der Paracetamol für sein Fieber braucht, in´s Krankenhaus zu fahren oder dafür den KV-Notdienst zu holen.

Gibt es eine rechtlich sichere Möglichkeit, den RettAss, die Ausgabe von bestimmten Medikamenten (ausschließlich nicht-verschreibungspflichtige, keine Antibiotika) zu genehmigen. SOPs würden wir dazu erstellen- incl. Indikation, Kontraindikation, Menge, zu beachtende Warnhinweise?

Edit: Und was ist die rechtliche Grundlage dafür, dass wir Medikamente kaufen und dann ausgeben dürfen?

StuartProwerFaktor
30.12.2015, 08:13
Also vom Gefühl her würde ich sagen, dass es da keine legale Möglichkeit gibt. Apothekenpflichtige Medikamente dürfen nur in Apotheken abgegeben (oder versendet) werden und auch nur durch pharmazeutisches Personal.

Näheres im Gesetz ab § 43 [http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf]

Ich habe mir jetzt nicht alle Ausnahmen usw im Gesetz durchgelesen, ich habe allerdings noch nie gehört, dass Arzneimittel (die was taugen) außerhalb von Apotheken in Verkehr gebracht werden. Medikamente dürfen natürlich durch Ärzte bzw. Personal unter ärztlicher Aufsicht am Patienten angewendet werden, der Bezug muss aber letztlich irgendwo durch eine Apotheke erfolgen. Vielleicht wäre eine Regelung möglich, welche den Patienten den unmittelbar notwendigen Bedarf überlässt (Auseinzeln aus größeren Packungen halt), wäre auch wirtschaftlicher. Ich denke eine Packungsbeilage ist bei fehlenden Sprachkenntnissen eh obsolet.

Unsinnig ist das von dir geschilderte Vorgehen natürlich allein schon deswegen weil es teuer ist. Ich würde die da vermutlich einfach unter der Hand versorgen und gut ist - kräht eh kein Hahn nach.

WhiteMountains
30.12.2015, 10:08
sehe ich ähnlich, selbst bedarfsmedikation durch pflegepersonal ist doch schon grauzone, wenn der arzt nicht bis ins letzte detail aufschreibt wann exakt wieviel wovon wem zu geben ist.
und dann eben die apothekenpflicht

WhiteMountains
30.12.2015, 10:11
aber telefonische rückversicherung beim arzt - ginge das evtl? rechtlich wie aufwandstechnisch.
dann wärs ja wieder im auftrag..

StuartProwerFaktor
30.12.2015, 11:36
In dringlichen Fällen (nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt) kann man schon relativ "flexibel" Medikamente dispensieren. Frag mich jetzt nicht nach dem Paragrafen (siehe Link), aber das geht.

Dazu sei gesagt, dass die Motivation idR gering ist, nachzuprüfen, ob tatsächlich ein Telefongespräch stattgefunden hat.

WhiteMountains
30.12.2015, 11:49
tja ich zweifle auch dran ob jemand nachprüft, ob telefonisch vorm nasenspray eine diagnose gestellt wurde.
gibts denn keine ehrenamtlichen in dem lager? bei "uns" fahren halt wir, wenn die leute iwo hinmüssen, seis nun zum arzt, amt, oder apotheke...

WackenDoc
30.12.2015, 13:14
Danke für die Antworten. Hab bisher noch keine Lösung gefunden. Wahrscheinlich müssen wir es verbieten. Den Umfang unseres "Praxisbedarfs" werde ich über den Amtsarzt absegnen lassen.
Ich hätte das schon unter der Hand so weiterlaufen lassen, aber es hat jemand dran gerührt, deswegen bin ich gezwungen, eine rechtlich fundierte Entscheidung zu trefen.

Wir haben vor allem Hauptamtliche im Camp. Transport geht entweder zu Fuss oder mit dem Taxi oder nachts auch mit unserem campeigenen RTW. Nur nachts die zuständige Apotheke zu finden, den Flüchtling da hin zu schicken und dann noch zu klären, wie er die Medis zu nehmen hat, ist ein erheblicher Aufwand. Genauso den Patienten wegen Kleinigkeiten ins Krankenhaus zu schicken.
Nachts betriffts meist nur IBU und PCM gegen Schmerzen und zum Fiebersenken. Am WE halt auch das, was nicht unbedingt bis Montag warten sollte- z.B. Nasenspray und was gegen Durchfälle/Übelkeit.

Ärztlichen Bereitschaftsdienst können wir zur Zeit nicht stellen.

WhiteMountains
30.12.2015, 13:40
und der "normale" kvb-notdienst?

WackenDoc
30.12.2015, 14:34
Der wird sich genauso bedanken wie das Krankenhaus. Und dann besteht weiter das Problem, dass Flüchtling und Medikament irgendwie zusammenkommen müssen- ok, der könnte es aus unserem Praxisbedarf ausgeben. Deswegen such ich nach ner legalen Möglichkeit, dass der RA des RTW kleine Mengen nicht-verschreibungspflichtiger Medis ausgeben kann.

StuartProwerFaktor
30.12.2015, 15:07
Ich denke man könnte mit dem jeweiligen Gesundheitsamt sprechen, bzw. vielleicht auch mit dem Bürgermeister (je nach Größe der Stadt), ob man da nicht ein sinnvolles Modell finden kann.

Man könnte ja nicht rezeptpflichtige Medikamente vorrätig halten und diese in der jeweils benötigten Menge abgeben. In Anbetracht der Kosten und zunehmenden Dringlichkeit sind die zuständigen Stellen da ja vielleicht zu einer Ausnahmegenehmigung bereit. Auf Dauer ist die gängige Praxis (letztens selbst erlebt: Ambroxolsaft - kA warum der überhaupt verschrieben wird, weil wirkungslos - von einem Taxi in der Apotheke abgeholt wird und ins Asylheim gefahren) ja auch nicht gerade "akzeptanzfördernd" in der Bevölkerung und auch alles andere als kosteneffizient sowie alltags-tauglich.

Minoo
03.01.2016, 14:57
Moinsen,

gesetzlich ist die Lage ziemlich deutlich wie auch ungünstig: Apothekenpflichtige Medikamente dürfen nur durch pharmazeutisches Fachpersonal abgegeben werde. Da das in der Praxis aber nicht umzusetzen ist, gibt es einige Grauzonen: In der Apotheker ist dies z.B der Botendienst. Die Fahrer sind meistens Studenten ohne pharmazeutische Ausbildung. Rechtmäßig daher nicht zulässig. Macht aber jede Apotheke so. Wir legen immer noch ein Infozettel bei auf dem steht, dass bei allen möglichen Bedingungen Kontakt mit uns aufgenommen werden soll.
So oder ähnlich würde ich es euch auch empfehlen. Einfach einen Zettel mit Telefonnummer oder Kontaktadresse mitgeben, an die sich der Patient im Zweifel wenden kann. Vielleicht lässt sich sogar die Apotheke darauf ein selbst als Kontaktstelle zu fungieren. Schließlich bekommt ihr die Medikamente auch von denen.
Und noch ein Tipp: Immer mit Beipackzettel abgeben. So sichert sich der Hersteller ab. Wenn ihr den nicht mitgebt, entfällt euch auch diese Verantwortung.

gnuff
06.01.2016, 16:37
...ausschließlich nicht-verschreibungspflichtige, keine Antibiotika... SOPs würden wir dazu erstellen- incl. Indikation, Kontraindikation, Menge, zu beachtende Warnhinweise...

Ich denke, wenn Ihr das alles durchzieht und dokumentiert, wird es niemals zu richtigen Problemen kommen. Auch ein Richter muss sehen, dass es Grenzen in der Durchführbarkeit gibt und dass die von Euch angestrebte Lösung die in dieser Situation sinnvollste ist.

Randnotiz: Ich bezweifle, dass "abgeben" im apothekentechnischen Sinne und "geben" im Flüchtlingslager juristisch der gleiche Vorgang ist...

ehem-user-02-08-2021-1033
06.01.2016, 19:31
Apothekenpflichtige Medikamente dürfen nur durch pharmazeutisches Fachpersonal abgegeben werde. Da das in der Praxis aber nicht umzusetzen ist, gibt es einige Grauzonen: In der Apotheker ist dies z.B der Botendienst. Die Fahrer sind meistens Studenten ohne pharmazeutische Ausbildung. Rechtmäßig daher nicht zulässig. Macht aber jede Apotheke so. Wir legen immer noch ein Infozettel bei auf dem steht, dass bei allen möglichen Bedingungen Kontakt mit uns aufgenommen werden soll.

Oder einfach über die Internetversandapotheke bestellen... ;-)

WackenDoc
06.01.2016, 22:25
Ich hab weiter recherchiert: Die Ausgabe im Rahmen einer eigenständigen Behandlung ist für med. Assistenzpersonal rechtlich nicht möglich, es sei denn, das Sozialministerium findet noch ein Schlupfloch.

Die Ausgabe aus dem Praxisbedarf nach ärztlicher Verordnung sehe ich unkritischer. Das könnte man bei freier Auslegung analog den Regelungen in einem Krankenhaus sehen. Das klären wir aber über die zuständige Ordnungsbehörde.

Da die Patienten dank kurzer Wege eh zu uns kommen und es eigentlich niemanden gibt, der den Beipackzettel lesen kann, sehe ich den Punkt unkritisch.
Das Hauptproblem ist die Überbrückung bis zur nächsten Sprechstunde.
Ob der KV-Notdienst zustädig ist, klären wir noch.

Lissminder
07.01.2016, 18:03
Gebt ihr denn nur einzelne Blister / Tabletten ab oder ganze Packungen? Und müssen die Patienten diese auch bezahlene? Sonst könnte man die ganze Dokumentation doch unter den Tisch fallen lassen.
Gesetzlich kommt ihr bei der Abgabe von Arzneimittel ohne Einschluss eines Apothekers nie auf die grüne Seite. Vielleicht solltet ihr das besser unter "Behandlung" fallen lassen....obwohl Wackendoc ja schreibt, das sei nicht möglich. Aber vielleicht lasst ihr einfach aus, dass Medikamente abgegeben wurden und der Kopfschmerz eben nur "besprochen" wurde.

WackenDoc
09.01.2016, 20:46
Die Patienten müssen bei uns nichts zahlen. Auch die Medikamente direkt über Rezept sind zuzahlungsfrei. Nachts und am WE wurden bisher einzelne Tabletten ausgegeben.
Sachen unter der Hand zu machen, geht zur Zeit leider nicht.

Espressa
11.01.2016, 08:15
Und wie ist es, einzelnen Gruppen eine Art Hausapotheke zusammenzustellen (so wie es ja Haushalte auch üblicherweise haben), über die sie im Bedarfsfall verfügen können? So schwer zu kapieren ist es ja nicht, was gegen Fieber/ Schmerzen und was gegen Durchfall ist, oder?
So läuft es ja bei der übrigen Bevölkerung auch, und scheint zu funktionieren.

Minoo
11.01.2016, 18:13
Moin,
dein Vorschlag Espressa finde ich gar nicht schlecht. Die Gefahr, dass dann aber auf einmal nicht nur eine Tablette, sondern eine ganze Schachtel Paracetamol genommen wird ist dann wahrscheinlicher. Es sei denn man kann wie eine Art Spender konstruieren, der nur einzelne Tablettendosen abgibt. Man könnte ja ganz einfach mit Piktogrammen darstellen gegen was ide Tabletten sind. Vor einigen Wochen gab es dazu schon ein schönes Plakat in der PZ. Mit den wichtigsten Einnahmeinfos von arabaisch bis türkisch.

Espressa
12.01.2016, 06:34
Die Gefahr bestünde dann unter der Normalbevölkerung ja auch, aber so ein bisschen Eigenverantwortung muss man halt voraussetzen dürfen.
Würde evt. Dann Buch führen lassen über die Verwendung, bzw. abzeichnen wer sich daran bedient hatte.

WackenDoc
12.01.2016, 09:07
Die Idee ist an sich gut, aber nicht durchführbar.
Die Bewohner sind ja immer nur kurz bei uns und es gibt keinen, der sich um die "Hausapotheke" kümmern kann. Ein Gemeinschaftsgefühl über Familiengrenzen hinaus, existiert so gut wie gar nicht. Eigenverantwortung ist auch unbekannt.
Ein theoretisches Gedankenkonstrukt wäre, dass die RAs das so wie aus einer Hausapotheke ausgeben, aber das ist rechtlich nicht möglich.

Familien geb ich jetzt eher mal ein paar PCM mehr mit- wird ja eh ständig gebraucht.