PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tranexamsäure und Marcumar



WackenDoc
09.02.2016, 02:14
Hat jemand von euch Erfahrung mit Tranexamsäure bei marcumarisierten Patienten? Meine letzte Physiologievorlesung ist schon was her und Gerinnung ist ja auch ziemlich komplex.

Hintergrund ist untere GI-Blutung bei einem Patienten unter Marcumartherapie seit mehreren Jahren aufgrund von Stents und HRST mit erheblichem Blutverlust.

Relaxometrie
09.02.2016, 07:50
Bei Blutungen unter Marcumartherapie gibt man doch PPSB (ersetzt also die kompromittierten Gerinnungsfaktoren 2, 7, 9 und 10) und aufgrund der kurzen Halbwertszeit von PPSB direkt auch Konakion.

*milkakuh*
09.02.2016, 08:33
Genauso wie Relaxometrie das kennt habe ich es gestern in Klinischer Chemie auch gelernt. :-)

Hoppla-Daisy
09.02.2016, 09:01
Wir hatten über lange Jahre mal einen Patienten, der bei Osteogenesis imperfecta stets und ständig intravesikale Blutungen hatte. Der bekam regelmäßig Tranexamsäure. Aber bei marcumarisierten Patienten kenn ich auch nur PPSB und Konakion, um die Gerinnung hoch zu beamen.

WackenDoc
09.02.2016, 10:44
Hab ich nur beides nicht auf dem NEF ;-)

Hoppla-Daisy
09.02.2016, 14:40
Na, sooooo schnell wirkt Konakion nun auch wieder nicht :-)). Und PPSB im Werte von knapp 4000 Euronen hab ich mal verbraten, als ein Patient mit akutem Harnverhalt bei Prostata-Ca und Totalverschluss der prostatischen Harnröhre vollmarcumarisiert (Quick <10) einen SPDK benötigte. Das war mal ein Spaß.....

Sebastian1
09.02.2016, 17:38
Naja, das sind aber ja auch ganz unterschiedliche Wirkansätze und Indikationen. Txs ist ein antifibrinolytikum, mcm hemmt halt die Bildung der Vitamin-K-abhängigen Faktoren. Und wie schon gesagt, akute Blutung unter mcm braucht PPSB. präklinisch kannst du da wenig tun, ausser Stabilisierung des Kreislaufs. Bei txs würde ich ad hoc denken, dass es vermutlich in der Indikation werdet viel nutzt noch schadet.

WackenDoc
09.02.2016, 20:14
Hab nochmal im Beipackzettel nachgelesen- also Antikoagulantien sind zumindest keine Kontraindikation.

Ohne das Marcumar war die Gesamtsituation schon eine Indikation. Ich denke, geschadet wird es nicht haben und vielleicht hat es genutzt.
War auch eine Abwägung die Zeit dafür zu opfern.
Theoretisch hätten wir ein thrombotisches Ereignis auslösen können. Aber da ist wohl Abwägung gefragt- aber das war gerade nciht sein Problem.
Das war schon ein spannender Fall und wir hatten sehr viel Glück, dass der Patient bis in die Klinik stabil geblieben ist. Ich hab damit gerechnet, dass er jeden Moment dekompensiert.

Vielleicht veröffentlichen die Kollegen ja einen Case- Report. Wenn jemand noch Erfahrungen zu dem Thema hat oder Studien kennt- nur zu.

Mondschein
10.02.2016, 17:14
Grundsätzlich zu Marcumar/Blutungen (bezogen auf GI-Erfahrungen)
- stabiler Patient (ohne Transfusionsbedarf des Hb): bei Übermarcumarisierung ggf. Konakion oral, ansonsten Marcumar-Abflauen abwarten und dann später erst spiegeln, wenn die Gerinnung es halbwegs entspannt zulässt.
- starke Blutungen, EK-Bedarf hämodynamisch komprom. etc.: Konakion plus ggf. PPSB (Zielquick erst mal grob über 50 halten). Bei strenger Indikationsstellung fürs Marcumar (mech. Klappe, Incor oder solche Scherze) engmaschige Kontrollen und zeitnah Heparinperfusor in therap. aPTT

Zur Tranexamsäure: Bei einer starken Blutung geben wir es einmalig auch gerne auf Verdacht. ABER es ist auch prothrombogen, also bei mechanischen Klappen etc. nicht ungefährlich und da würde ich es auch nicht "einfach so" geben. Woran man sich gut orientieren kann, ist das Fibrinogen. Wenn das Fibrinogen verbraucht wird und man es substituieren muss (wir versuchen es bei Blutungen z.B. über 150 oder 120 mg/dl zu halten und substituieren ansonsten Fibrinogen einzeln), dann hat man ja die Hyperfibrinolyse gezeigt und dann hat Tranexamsäure auch ihren Sinn (aber wohl eher 2 g/Tag, entweder als Kurzinfusion oder als Perfusor, mehr hat vermutlich keinen Sinn und bei Niereninsuffizienz akkumuliert es wahrscheinlich und wirkt länger). Das geben wir dann z.B. 1x am Tag solange wir Fibrinogen substituieren müssen.

Was einem bei der Frage auch hilft, ist eine ROTEM-Analyse.

Das ist natürlich alles nix für draußen, sondern eher so, wie wirs auf eine gastroenterologischen Intensiv veranstalten (selbst auf Normalstation sind wir schon wieder wesentlich laxer bzgl. Fibrinogenkontrollen etc).

Draußen würde ich es auch pragmatisch sehen, wenn es das einzige ist, was man da hat (PPSB hat man ja nich und sind auf Verdacht und ohne Gerinnung auch blöd zu kalkulieren), kann mans schon mal geben (aber bei mech. MK oder Incor würde ich es vermutlich dennoch nicht machen, bei normalem Vorhofflimmern hätt ich keine Bedenken).

Hierzu gutes Kompendium: (gibts oft auf Kongressen als kostenlose Druckausgabe, online aber auch verfügbar: http://www.gerinnung-igs.at/igs-home.htm )

Studiendaten hab ich grad nicht parat, aber wir hatten uns neulich auch in Rücksprache mit unseren Kardiologen bei einem komplexen Patienten (weil eben Incor) ziemlich genau mit der Thematik beschäftigt, bei Bedarf kann ich morgen in der Klinik bei uptodate nochmal nachschlagen.

LasseReinböng
10.02.2016, 18:40
Tranexamsäure als Antifibrinolytikum spielt u.a. in der Traumamedizin eine Rolle, wo es so früh wie möglich gegeben werden sollte, daher ist es wohl bei Euch auch auf dem NEF.

Bzgl. Studien kenne ich jetzt ad hoc nur die Crash-II-Studie in diesem Zusammenhang:

http://www.thelancet.com/crash-2

Ansonsten eben bei anderen Ursachen einer Hyperfibrinolyse...bei Patienten mit v. Willebrand-Jürgens Syndrom ( welcher Typ weiß ich jetzt nicht mehr) wird es teilweise prä- und postoperativ gegeben, in der MKG z.B. auch topisch als Mundspülung.

Und natürlich, wenn der Patient aus allen Löchern blutet und man aus vollen Rohren schießen muß.

Unsere Unfallchirurgen schmeißen mit dem Zeug völlig unkritisch nur so um sich, dabei wurde eine Vorläufersubstanz ( Aprotinin) schon vom Markt genommen aufgrund des prothrombotischen Potentials.

Mondschein
10.02.2016, 21:25
http://download.springer.com/static/pdf/48/art%253A10.1186%252F1745-6215-15-450.pdf?originUrl=http%3A%2F%2Flink.springer.com%2 Farticle%2F10.1186%2F1745-6215-15-450&token2=exp=1455136662~acl=%2Fstatic%2Fpdf%2F48%2Fa rt%25253A10.1186%25252F1745-6215-15-450.pdf%3ForiginUrl%3Dhttp%253A%252F%252Flink.spri nger.com%252Farticle%252F10.1186%252F1745-6215-15-450*~hmac=2b91368ecaf05cd13292f94540a4f42182ef2004 2f6c4d592fc45e9b6e3e5bf0
Eine Studie läuft wohl gerade.

MissGarfield83
11.02.2016, 20:38
Nunja man muss sich klar machen dass es zudem ein off label use wäre und das prothrombogene Potential ist nicht zu unterschätzen - kenn da einen Fall wo ein blutender Patient bei OS US fx danach mit fulminanter LAE auf dem Tisch geblieben ist ... Um Marcumar zu antagonisieren ist es aber aufgrund des unterschiedlichen Ansatzes ( Hemmung der Fibrinolyse vs. Hemmung der Gerinnungsfaktoren ) denkbar ungeeignet.

Strodti
11.02.2016, 21:07
Ich denke mal, dass die Tranexamsäuregabe bei Traumapatienten eher aus Mangel an Alternativen erwogen wird, wenn mit Volumensubstitution, ggf. Katecholaminen, Tourniquets oder Beckenschlinge keine stabile Situation erreicht werden kann.

WackenDoc
11.02.2016, 21:28
Ich ging auch nicht davon aus, dass ich damit das Marcumar antagonisiere, sondern ich hatte echt Angst dass mir der Patient komplett abschmiert und wollte die Hyperfibrinolyse verhindern/stoppen. Marcumar UND Hyperfibrinolyse wäre ja noch bescheidener als Marcumar alleine.

Bei Traumapatienten gibt man es inzwischen vergleichsweise frühzeitig, aber tendenziell eher nicht, wenn man eine kontrollierbare Blutung hat. Sondern unkontrollierte Blutungen, bei denen die Gefahr der Hyperfibrinolyse besteht.
Und bei DIC ist es auch nicht indiziert.

Bei sowas sag ich mir aber auch, dass das die Entscheidungen sind, mit denen ich meinen Verdienst rechtfertige (und nicht mit Rumgammeln am Rechner und Kaffeetrinken in 20 von 24 Dienststunden ;-) )