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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kontraindikationen MRT für Studie



kartoffelbrei
09.02.2016, 14:25
Hallo ihr Lieben! Vielleicht hat ja der ein oder andere radiologisch Versierte Lust, mir ein paar Tipps zu geben.

Ich bin gerade für eine Studie verantwortlich, bei der wir u.a. auch MRTs vom Kopf machen (ohne Kontrastmittel). Die MRTs führen wir an unserer psychologischen Fakultät durch, die zwar ein eigenes Gerät, aber keinen dazugehörigen Radiologen hat. Es gibt nur eine MTRA, die das MRT bedient. Deshalb muss ich als Anästhesistin entscheiden, ob jemand MRT-fähig ist oder nicht.

Die Psychologen handhaben das bei ihren eigenen Studien sehr restriktiv: wer irgendetwas Metallisches im Körper hat, kann nicht mitmachen. Bei den Kontrollen würde ich das der Einfachheit halber genauso handhaben. Für die Patientengruppe ist es aber sehr schwierig, Teilnehmer zu finden, sodass ich da gerne differenzierter vorgehen würde. Ich möchte natürlich niemanden einschließen, bei dem harte Kontraindikationen à la Herzschrittmacher und Co vorliegen. Ich denke eher an Patienten mit innerhalb der letzten 10 Jahre eingebauter Knie-TEP, Schmerzpumpe, Zahnimplantaten etc. Dazu habe ich im Internet bis jetzt vor allem Aussagen in die Richtung "Es dürfte beim MRT in der Regel nichts passieren, sodass der diagnostische Nutzen klar das Risiko übersteigt" gelesen. Meine Studienteilnehmer haben allerdings keinerlei diagnostischen Nutzen durch das MRT. Habt ihr Tipps, wie ich mich rechtlich auf der sicheren Seite bewegen und trotzdem irgendwie meine Probanden-Zahlen vollbekommen kann?

Wie ist es z.B., wenn jemand schon mehrere MRTs hatte? Kann ich dann davon ausgehen, dass auch bei mir nichts heiß werden oder sich bewegen wird, oder macht es z.B. einen Unterschied, wenn vorherige MRTs mit 1,5 Tesla und das aktuelle mit 3 Tesla gefahren wird?

Und was ist z.B. mit Zahnimplantaten? Darf ich davon ausgehen, dass die höchsten Artefakte machen, aber sonst kein Problem darstellen? Oder sollte ich auch da die Hersteller kontaktieren?

Uiuiui, ist ganz viel Text geworden... Ich bin für jede Hilfe dankbar! :-)

FirebirdUSA
09.02.2016, 18:45
Wenn ich Zeit habe Schreibe ich direine ausführliche Antwort.
Wichtige Frage vorneweg: Wieviel Tesla? Welche Region wird untesucht? Lokale Sende/Empfangsspule oder reine Empfangsspule?

kartoffelbrei
09.02.2016, 19:23
Vielen Dank schon einmal! Das Gerät hat 3 Tesla und wir wollen VBM-basiert zerebrale Veränderungen untersuchen. Falls die Sequenzen wichtig sind: T1, Flair, resting state und DTI, Gesamtdauer ca. 20 Minuten.

Das mit der Spule finde ich noch heraus.

FirebirdUSA
09.02.2016, 19:41
Empfangsspule, alles andere macht da keinen Sinn. Flair 3D (IR-Space o.ä.) oder 2D Sequenz?

FirebirdUSA
09.02.2016, 20:11
So, mit richtigem PC und Tastatur ist das ganze einfacher als über die Mobile Version des Forums.

Erstmal grundsätzliches vorneweg: Wenn du verantwortlicher Projektleiter bist haftest du persönlich für deine Entscheidung falls etwas passiert. Du solltest sicher stellen was in eurem Ethikantrag steht. Wenn dort Patienten/Probanden mit Metallimplantaten grundsätzlich ausgeschlossen sind, darfst du sie nicht reinlegen. Steht da ein Satz drin wie z.B. "bei Metallimplante wird individuell das Risiko des Probanden durch den Projektleiter bestimmt und dann entschieden ob eine Studienteilnahme gefahrlos möglich ist" kannst du nach Risikoabwägung natürlich auch Patienten mit Implantaten oder anderem Metall rein legen. Alle meine Ausführen mache ich nach bestem Wissen und Gewissen, das ist aber keine Garantie das nichts passiert in deinem lokalen Setting welches ich nicht kenne und dafür natürlich auch keine Haftung übernehme.

Grundsätzlich ist ein vorheriges MRT ein guter Indikator aber keine Garantie das nichts passiert. Je nach Lage im MRT, Sequenz, etc. kann es eben auch mal anders sein.

Prinzipiell gibt es zwei Gefahren. Die erste geht von magnetischem Metall aus welches sich bewegen kann sobald du dem Gerät zu nahe kommst. Dies ist unabhängig von der Messung. Titan ist hier kein Problem, Chirurgenstahl kann ein Problem sein. Wenn du eine fest im Knochen verankterte Schraube hast reicht die Kraft nicht aus damit diese sich bewegt. Auch TEPs, etc. sollten fest implantiert sein. Definitiv ein Problem sind Metallsplitter von Kriegsverletzungen, Schweißperlen (z.B. in Augennähe) aber auch alte OP Clips in gefährlichen Regionen wie Herz/Gehirn. Bei OP Clips z.B. nach Abdominal-OPs sagt man in der Routine das Risiko ist so gering, dass der Nutzen immer überwiegt. In deinem Fall ist diese Argumentation natürlich schwierig. Nach mehreren Jahren sind Clips aber häufig entweder sowieso schon disloziert oder fest durch Narbengewebe "eingewachsen".

Das zweite Risiko ist eine Erwärmung von Metall durch die eingestrahlte HF. Hier kommt es auf die Sequenz, die Teslazahl (umso höher umso kleiner kann das Metall sein das etwas passiert), auf die Form (ganz schlecht spiralförmige Drähte) und die Lage im Feld an. Unsere MR Physik sagt, dass das Risiko auf das maximale FoV + 20cm beschränkt ist. Das bedeutete, das Hüfte und Knie für eine Kopfuntersuchung eigentlich weit genug weg ist. Eine Schulter-TEP würde ich für eine Studie aber nie rein legen auch bei wahrscheinlich im Promillbereich liegendem Risiko. Ich habe einmal bei einer diagnostischen Untersuchung eine Erhitzung einer IS-Schraube im Becken (MR Knie) erlebt. Da hat der Patient nach wenigen Sekunden (!) massive Schmerzen und hat sich entsprechend lautstark bemerkbar gemacht. Soetwas bei einer Forschungsuntersuchung kann dich deinen Kopf kosten.

Eine gute Anlaufstelle ist www.mrisafety.com bei der es eine Liste gibt in der viele Implanate zu finden sind. Wenn ein Hersteller sein Produkt als MR Safe kennzeichnet darfst du davon ausgehen das es geht. bei MR Conditional muss genau geprüft werden unter welchen Bedingungen es als sicher bezeichnet wird.

Zahnimplantate stellen bei uns grundsätzlich keine Kontraindikation dar und dürfen bei uns auch ins Ultrahochfeld-MR. Das gleiche gilt für Retainer (kurze Drähte <4 cm). Zahnspangen sind eine absolute Kontraindikation die können glühen wenn du Pech hast. Entfernbare Zahnimplantate werden natürlich vor der Untersuchung bei uns entfernt.

Tattoos: Ich kenne drei Fälle persönlich bei denen es zu einer lokalen Erwärmung durch am ehesten metallhaltigen Farben kam. Dabei war es immer eine leichte Rötung vergleichbar mit Sonnenbrand. Tattoos im Kopf/Halsbereich würde ich deshalb nicht für Forschungsmessungen zu lassen.

Gibt es bei euch eine MR Physik die dir ggf. als Anlaufstelle zur Verfügung steht? Wer befundet eure Bilder auf Zufallsbefunde? Wenn ihr eine FLAIR dabei habt könnten ja tatsächlich auch akut behandelbare Zufallsbefunde auftreten? Ich bin deswegen überhaupt kein Freund von Untersuchungen an Radiologen vorbei.... auch hier kenne ich dramatische Fehlentscheidungen bei ähnlichen Settings. Ich hatte selbst schon einen Probanden mit akuter Blutung (Kopfschmerzen seit dem Vortag) der dann direkt auf Intensiv gegangen ist.

Im Zweifel entscheide dich immer gegen eine Untersuchung, mach aber bitte Patienten nicht verrückt in denen du ihnen von einen großen Risiko erzählst. Das Risiko ist extrem gering, darf aber eben bei Forschungsmessungen wenn Zweifel besteht nicht eingegangen werden.

Moorhühnchen
09.02.2016, 20:23
Ich habe als Studentin mal bei einer Studie mitgemacht, wo ich vorher entscheiden und unterschreiben mußte, ob mir Zufallsbefunde mitgeteilt werden sollen oder nicht. Auch ich wurde damals aber wegen einer festen Zahnspange ausgeschlossen, nachdem diese entfernt war, durfte ich aber mitmachen.
In der Zwischenzeit hatte ich ein MRT aus diagnostischen Gründen, welches mit Spange lief. Außer daß im Bereich des Kiefergelenks Artefakte zu sehen waren, ist nichts passiert - also nix heiß geworden oder so. Für die Studienteilnahme war's aber wie gesagt eine KI. :-)

Muriel
09.02.2016, 20:24
Das mit der Zahnspange finde ich interessant. Ich erinnere mich aus meiner Klinikszeit an ein junges Mädchen, das wir zum Schädel-MRT da hatten und wegen dessen ich vorher eben wegen einer festen metallischen Zahnspange mit den Radiologen Rücksprache hielt, die mich wegen meiner Bedenken auslachten. Das könne maximal ein wenig warm werden, hieß es da.

CYP21B
09.02.2016, 21:34
Ich habe auch schon mal an einer Studie mit cMRT als Kontrollgruppe teilgenommen trotz Endobutton im Kniebereich. Soweit ich das mitbekommen habe war da bei Durchführung auch kein Radiologe da, bzgl. Fremdkörper wurde aber bereits vorab geklärt. Ich wurde für die Studie allerdings angeschrieben weil ich vorher schonmal bei einer anderen Sache mitgemacht habe wo bestimmte Genvarianten bestimmt wurden und ich dadurch in einer Datenbank war. Denke mal wenn die Kontrollgruppe komplett frei wählbar gewesen wäre wäre ich raus gewesen. Und wie konform das dann mit dem Ethikantrag war weiß ich natürlich nicht.

FirebirdUSA
09.02.2016, 21:39
Ich hab durch Zahnspangen schon Verbrennungen gesehen... keine schwarze Schleimhaut aber lokale Rötung.

Knie ist weit weg von Kopf und damit bei uns auch keine KI Cyp.

Edit: Unabhängig davon ob die Zahnspangen nur warm oder heiß werden, die Artefakte sind bei der gewünschten Auswertung nicht sinnvoll.
Laut Pubmed sollten sie eigentlich nicht zu heiß werden. Wir hätten unseren einen Fall wohl mal publizieren sollen.

epeline
09.02.2016, 22:09
Wir haben ja öfter mal Zahnspangen-MRTs.
Habe da bis auf die gestörte Bildqualität auf Grund von Artefakten noch keine Nebenwirkungen gesehen.
Laut Radiologie ist das aber wohl sehr geräteabhängig. Davon hab ich dann aber keinen Plan :-D

kartoffelbrei
10.02.2016, 08:23
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, Firebird!

Unsere Probanden sind glücklicherweise sowieso nicht in der Altersklasse, wo man sich über Zahnspangen Gedanken machen müsste. Da geht es eher in Richtung Knie-TEP... :D Dafür sind erstaunlich viele tätowiert, aber erst ab Schulter abwärts. Das heißt, da wäre dann der Abstand hoch genug, dass nichts zu erwarten wäre?

Ich werde in der Hinsicht mal Kontakt zu unseren Radiologen herstellen. Wobei ich verstehen würde, wenn die keine Lust hätten, Verantwortung bei einem Projekt zu übernehmen, mit dem sie sonst nichts zu tun haben.

FLAIR müsste meines Wissens eine 2D-Sequenz werden. Der Plan steht da noch nicht ganz. Für unsere Fragestellung ist vor allem die T1-Sequenz relevant. Es ist noch nicht ganz klar, ob wir die FLAIR-Sequenz letztendlich überhaupt in die Auswertung mit einbeziehen werden, aber da sie eventuell für erweiterte Fragestellungen relevant sein könnte, machen wir sie mal mit.

Wir haben keinen Radiologen, der die Bilder auf Zufallsbefunde durchsieht. Die Probanden unterschreiben auch, dass die Bilder primär von Nicht-Radiologen nur im Hinblick auf die Fragestellung ausgewertet werden, und es dadurch gut sein kann, dass pathologische Veränderungen übersehen werden.

Im Ethikantrag steht nur, dass Personen mit nicht MRT-geeigneten Metallimplantaten ausgeschlossen sind. Was genau unter "nicht geeignet" verstanden wird, wird nicht genauer definiert.

Was hältst du von zusammenfassend folgendem Vorgehen: ich lasse Zahnimplantate (vorausgesetzt, sie sind fest) und Tattoos (vorausgesetzt, sie sind nicht im Kopf-Halsbereich) grundsätzlich ins MRT. Die Tätowierten werden informiert, dass sie sich sofort melden sollen, falls etwas warm wird. Für alles andere besorge ich OP-Berichte etc., um die MRT-Tauglichkeit überprüfen zu können. Zusätzlich gucke ich, was unsere Radiologen (die wissen bestimmt auch, ob wir eine MR-Physik haben...) sagen und frage noch einmal bei der Ethikkommission nach.

FirebirdUSA
10.02.2016, 08:43
Hört sich für mich nach einem sinnvollem vorgehen an.

Ich persönlich halte es für unethisch diagnostisch verwertbare Sequenzen nicht durch jemand mit entsprechender Erfahrung ansehen zu lassen. Das ist aber ein großes Streitthema und wenn eure Ethik damit zufrieden ist passt es ja. Ich kenne eine Fall eines bei Diagnosestellung inoperablen Glioms welches mehrere Jahre vorher bei genau so einer Untersuchung nicht gesehen wurde, damals aber gut resezierbar gewesen wäre.

kartoffelbrei
11.02.2016, 07:40
Da sprichst du natürlich einen guten Punkt an. Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass auch bei Studien die Bilder oft systematisch auf pathologische Veränderungen durchgeguckt werden. Ich dachte, das läuft immer so wie bei uns und kannte das auch nur so. Aber so wie du es beschreibst finde ich es auch deutlich besser!

Hoppla-Daisy
11.02.2016, 08:48
Ach ja, IUP stellen auch eine Kontraindikation dar.....

FirebirdUSA
11.02.2016, 09:02
Nein eigentlich nicht. Aber eine Empfehlung zur Lagekontrolle. Ist zwar physikalisch bei Kupfer unsinn juristisch aber durchaus sinnvoll. Beweis am Ende mal, dass das IUP nicht doch durch das MRT verrutscht ist.

EVT
14.02.2016, 23:53
Wie hoch ist eigentlich der Anteil an MRT-fähigen Schrittmachern? Alle neuen oder da auch nur wenige?

FirebirdUSA
15.02.2016, 07:49
Da kam vor ein paar Jahren mal ein guter Artikel im DÄ: http://m.aerzteblatt.de/print/124810.htm Es isr in der Regel nicht mit einfach ins MR legen getan. Da man die meistens in einen speziellen Modus schaltet sollte Kardiologe und Anästhesiologie in Cardioversionsbereitschaft verfügbar sein.
Die neueren MR "tauglichen" sind meist Conditional, d.h. du musst bei den Spulen und Sequenzen spezielle Vorgaben beachten die viele Untersuchungen wieder nicht zulassen.

Nessiemoo
15.02.2016, 21:14
Bei Herzschrittmachern ist wohl öfter das Problem, dass auch wenn die Herzschrittmacher selber MR-gängig sind, dass die Drähte es nicht sind. IUP sind ja auch öfter aus Plastik, da passiet eigentlich nichts. Und als ich bei einer MRT-Studie mitgemacht hab, habe ich während Zahnspange gefragt und es wurde eben das mit den Artefakten gesagt, dass es hängt wohl auch davon ab, welches Hirnteil die jetzt untersuchen wollen.

Hoppla-Daisy
18.02.2016, 06:08
Nö, eine Kupferspirale ist auch heute noch immer mit Kupfer umwickelt ;-). Aber ich habe bei einem Hersteller von IUP nachgelesen, dass ein MRT trotzdem gefahrlos und nur mit geringen Artefakten möglich ist, ohne dass negative Auswirkungen zu erwarten sind. Wieder was gelernt :-).

flavour
28.02.2016, 17:06
Super Beitrag, Firebird!
Es existiert tatsächlich ein großer Unterschied zwischen "kann man in der Klinik ins MRT legen" und "ich bin verantwortlich und haftbar für eine freiwillige Studie". Würde das also relativ restriktiv fahren.
Ansonsten, wenn an einer Uniklinik, würde ich mich einfach einen Radiologen (empfehle fortgeschrittenen Assistenzarzt) als Co-Author ins Boot holen, den man bei Bedarf fragen kann und der auch mal grob über die Bilder schaut ohne rechtliche Haftung.