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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizinstudium abbrechen??



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Erikkk
26.02.2016, 20:51
Servus zusammen!!

Ich bin gerade sehr verzweifelt und vielleicht gibt es ja hier irgendjemanden, der mir ein klein wenig zur Entscheidungshilfe beitragen kann.

Zu mir: Ich bin 22 und studiere im 8. Semester Medizin.

Seit Beginn meines Studiums habe ich darüber nachgedacht abzubrechen. Medizin besteht hauptsächlich darin, ganz viele Details auswendig zu lernen, meistens jedoch ohne diese zu hinterfragen. In der Schule war ich stets einer der besten, vor allem mit großem Interesse in den Fächern Mathe und Physik, mein gutes Abi und mein Umfeld haben mich dann dazu bewogen Medizin zu studieren. Ich hab ansonsten geschwankt zwischen Physik und Wirtschaftsingenieurwesen.
Ich habe kein Problem damit, Klausuren zu bestehen, aber ich befinde mich dabei aus manglndem Interesse meist eher im unternen Mittelfeld. Mir macht das Studium wenig Spaß, mit den Patienten ist es schon ganz cool. Ich hab potentiell auch das Zeug zu nem ganz guten Arzt, glaub ich.

Aber irgendwie fehlt mir halt was, ich bin nicht glücklich, denke ständig über Alternativen nach. Mein Traum wäre es, im Bereich der Erneuerbaren Energien zu arbeiten, das würde mich ziemlich erfüllen. Zudem geht mir die deskriptive Denkweise der Ärzte auf den Zeiger, ich war schon immer mathe- und physikbegeistert.

Ich könnte mir wirklich in den Arsch beißen, nicht was anderes gemacht zu haben. Und das macht mich wirklich fertig (obwohl es auch durchaus schöne Momente gibt in der Medizin.. ich denke nur immer, da ist noch was Besseres.)

Aber jetzt abzubrechen, nach 4 Jahren?? Ansonsten wäre ich mit 25 promovierter Arzt, könnte dann noch was anderes studieren.
Ich weiß einfach nicht weiter.. das klingt alles wie verdammte Wohlstandssorgen aber ich grüble momentan Tag und Nacht.


Ich würde mich riesig freuen, wenn mir jemand weiterhelfen könnte... sei es durch eigene Erfahrung oder hilfreiche Ratschläge.

Danke im Voraus!!

davo
26.02.2016, 21:15
Also wenn ich nur auswendig lernen würde, müsste ich VIEL mehr Zeit in das Studium investieren :-p Und es muss doch jeder Arzt bei jeder Diagnose und jeder Behandlung logisch denken, egal ob in der Chirurgie oder der Inneren oder der Psychiatrie.

Bist du bereit für 90% Schreibtischarbeit? Wenn nein, dann fällt Wirtschaftsingenieurwesen weg. In der Physik sind die Arbeitsmarktaussichten soweit ich weiß heute nicht gerade toll. Und erneuerbare Energie... klingt ja ganz nett, ist derzeit ein beliebtes buzzword, aber das ist eine Industrie, die großteils von politischen Entscheidungen und Subventionen abhängig ist - noch viel mehr als die Medizin. Stell ich mir auf Dauer etwas frustrierend vor.

Nachdem du nur noch zwei (zweieinhalb?) Jahre brauchst, um das Studium zu beenden, würde ich sagen, mach mal Medizin fertig. Danach kannst du noch immer was anderes studieren, und hast dennoch einen sicheren Plan B. Informier dich in der Zwischenzeit über den Arbeitsalltag in den von dir erwähnten Bereichen, mach vielleicht das eine oder andere Praktikum.

Sternenmädchen
26.02.2016, 21:21
Kein Rat von mir, weil ich noch lange nicht so weit bin wie du, aber was im Forum immer wieder geschrieben wird, wenn andersrum darüber nachgedacht wird, abzubrechen - mach das, was du für richtig hältst. Es ist doch auch schwer als Zweitstudienbewerber in ein anderes Studium.

ProximaCentauri
26.02.2016, 22:16
Mach fertig, und wenn du danach immer noch etwas anderes machen willst, kannst du garantiert noch Mathe oder Physik studieren und hast ziemlich sicher dann eine Menge von spannenden Berufsfeldern vor dir!

Leviathan_89
26.02.2016, 22:30
Meine Meinung? Beende das Studium.

Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. "Erneuerbare Energien" scheint interessant für dich, aber... kennst du jemanden der es studiert/in diesem Feld arbeitet? Ich dachte immer Forschung im Labor sei extrem interessant, bis ich im Labor war. Das Problem ist dieser "selection bias" mit dem wir Leben. Ich lese über die tollen Sachen die im Labor entdeckt werden und denke es ist immer so... aber die Realität ist dann doch ganz anders. Zig Tierexperimente für ein negatives Resultat sind da an der Tagesordnung. Ich denke jedes Fach ist so. Man sieht als Aussenseiter nur das tolle.

Das Medizinstudium besteht schon viel aus Auswendiglernen, aber gibt es sonst ein Fach das so diverse Möglichkeiten bietet? Ich meine jetzt nicht nur Facharzttitel. Ich rede von den Möglichkeiten in der Forschung, der Industrie, den Medien, der Politik... Überall kann man mit Erfahrung in der Medizin mitmischen. Ich habe nur eine vage Idee was erneuerbare Energien sein sollen (kurz Wiki besucht) und auch hier sehe ich für einen Arzt im Public Health Gebiet Einsatzmöglichkeiten.

Lange Rede kurzer Sinn: Rein pragmatisch gedacht würde ich sagen, beende das Studium und schau dann weiter. Das Studium ist nur ein kurzer Teil deines Lebens. Wenn es wirklich nicht geht, dann brich ab und schau dich nach anderen Möglichkeiten um.

Schubbe
26.02.2016, 22:50
Meine Meinung als Physiker:

Mach das Medizinstudium zu Ende und schau danach erst ob Physik oder Mathe für dich wirklich das Richtige ist. Das sage ich insbesondere deshalb, weil diese Fächer in der Uni eine etwa andere Liga ist als in der Schule sind, da der Ansatz ein komplett anderer ist. Der absolute Großteil der Abbrecher in diesen Fächern kommt von den Leuten, die falsche Erwartungshaltungen ans Studium hatten.

Astrophysik z.B. ist deutlich weniger spannend als die CGI-Animationen im Discovery Channel zunächst vermuten lassen, sondern besteht zu 99% aus Computer-Simulationen und Datenanalyse. Die spannenden Probleme des Alltags sind in etwa folgende:


"Wie werte ich 20 TB Daten am effektivsten aus" -> Datenauswerten
"Was mache ich wenn einer meiner 1000 Prozessoren in meiner 2 Jahre laufenden Simulation stirbt?" -> Datenaqusition und Rettung
"Wie kann ich das Signal vom Untergrund unterscheiden?" -> Datenanalyse
"Welche Effekte kann ich in der Modellierung vernachlässigen?" -> Bad Physics :-oopss

Ich könnte hier jetzt ewig so weiter machen, du verbringst einfach 90% deiner Zeit am Schreibtisch und vielleicht 10% deiner Zeit im Labor. Ergebnisse lassen häufig mehrere Jahre auf sich warten und Experimente werden über Jahre aufgebaut.

Du studierst erstmal 5 Jahre, um anschließend 3-5 Jahre mehr als 60h die Woche an einer Promotion zu schreiben (mit beeindruckender E13 Vergütung, also 50% versteht sich). Anschließend hüpfst du von einem 2-Jahres Vertrag zum nächsten. Solltest du in die Wirtschaft gehen ist die Promotion inzwischen wieder mehr oder minder Pflicht (war lange Zeit nicht so) wenn du fachbezogen arbeiten möchtest. In die Unternehmensberatung, Versicherungswesen, IT-Branche [...] kommst du auch ohne Promotion - allerdings geht das mit einem Medizinstudium auch ;)

Ich möchte es dir nicht ausreden, aber das sind leider Fakten über die du dir im Klaren sein musst.
Natürlich sind Themen wie die allgemeine Relativitätstheorie, String-Theorie etc. natürlich erstmal super spannend, sie werden aber auch seeeeeehr schnell sehr ermüdend.

Physik und Mathe kannst du übrigens super aus Lehrbüchern lernen, was anderes machst du im Studium auch nicht (bitte bitte keine lllusionen in der Richtung!). Ob du dich jetzt einschreiben lässt oder es in deiner Freizeit zu Hause machst, nimmt sich nicht viel.

Was ich also meine: Ob du das Durchhaltevermögen und das "echte" Interesse dazu hast kannst also relativ einfach herausfinden: Lehrbuch zur Analysis I für Mathematiker nehmen (z.B. Königsberger) und von A-Z Durcharbeiten (mit allen Übungsaufgaben!).

Nessiemoo
27.02.2016, 11:50
Wie findest du denn die Famulaturen? Wenn dir die Spaß machen, ist es ja auch wahrscheinlich, dass dir die Arbeit als Arzt Spaß machen wird.
Alternativ kannst du zB 1-2 Freisemester nehmen und anfangen was anderes an zu studieren, Physik oder Maschinenbau oder es gibt es ja auch ganze Studiengänge über erneuerbare Energien und kannst dann nach einem Jahr nochmal überlegen. :)

Ich finde aber wenn es einem wirklich nicht gefällt und kein Spaß macht, macht es keinen Sinn sich damit weiter zu quälen.

roxolana
27.02.2016, 13:15
Ich war in der Schule auch NaWi-begeistert mit Mathe&Physik-LK und bin den "umgekehrten" Weg gegangen, habe also erstmal Physik studiert und mich bis zum 5. Semester gequält bevor ich beschlossen habe zu Medizin zu wechseln. Dann habe ich mich für Medizin eingeschrieben und die ersten Jahre bin ich noch in Physik immatrikuliert geblieben, falls ich doch noch mal zurückkommen wollte (wollte ich aber nicht). Ich habe den Wechsel nie bereut und habe das Gefühl, dass ich meine naturwissenschaftlichen Interessen auch in Medizin gut einbringen kann (ich mache z.B. eine Doktorarbeit in einer naturwissenschaftlichen Arbeitsgruppe, wo u.a. Physiker arbeiten). Ich denke, in deinem Fall gibt es mehrere mögliche Vorgehensweisen:

1. Finde heraus, ob du dich für ein zweites Fach immatrikulieren kannst, während du offiziell Medizinstudent bleibst (geht in der Regel nur, wenn nicht beide Fächer zulassungsbeschränkt sind). Dann kannst du ja erstmal reinschnuppern und wenn es doof ist immer noch abbrechen und zu Medizin zurückgehen. Ich kenne auch Leute, die auf diese Art und Weise zwei Studiengänge parallel abgeschossen haben.

2. Wenn 1. nicht geht, dann finde heraus, ob ob du auch mit abgeschlossenem Medizinstudium, also als Zweitstudienbewerber in das andere Fach reinkommen kannst (bei Medizin ist es ja schwer bis unmöglich, wie es bei anderen Fächern ist, weiß ich nicht).

3. Wenn weder 1. noch 2. geht, dann bleibt dir immer noch die Möglichkeit, dich kurz vor dem Ende deines Medizinstudiums (also noch bevor du als Zweitstudienbewerber gilst) dort zu bewerben und dir einen Platz zu sichern, während du noch das PJ bzw. Examen fertig machst.

4. Die aus meiner Sicht schlechteste Variante: Dich jetzt zu exmatrikulieren und zu wechseln. Wenn das andere Fach auch doof ist, dann verbaust du dir durch die Exmatrikulation wahrscheinlich den Weg zurück, oder es könnte zumindest sehr schwer werden wieder bei Medizin reinzukommen.

WhiteMountains
27.02.2016, 13:39
mal ganz pragmatisch: so kurz vor schluss würde ich keine ausbildung hinschmeissen. was du hast, das hast du. und du bist auch dann noch reichlich jung, hast also zeit für eine 2. ausbildung.

ich kenn mich mit universitäten nicht aus - ist es nicht möglich auch jetzt schon parallell vorlesungen zu deinem interessengebiet zu besuchen?

Schubbe
27.02.2016, 14:21
Jo, kannst du machen

Es gibt halt pro Fach pro Woche jeweils ein Übungsblatt mit etwa 5 Aufgaben, die du dann durchrechnen musst und die anschließend in den Übungsgruppen besprochen werden. Nur die Vorlesungen zu besuchen wird der Sache daher nicht wirklich gerecht, weil 90% des Studiums nun mal aus diesen Aufgabenblättern besteht. Tatsächlich lernt man auch nur wirklich wenn man die Blätter bearbeitet.

Schlußendlich verbaut sich der Threadersteller meiner Meinung nach extrem viel, wenn er dann nach 1-2 Semestern (wie der Großteil der Studienanfänger) bemerkt, dass es doch nichts für ihn ist. Ins naturwissenschaftliche Studium reinkommen ist super einfach, ins Medizinstudium (wieder-) reinzukommen teilweise schwer bis unmöglich. Deshalb bin ich ja so stark für "Augen zu und durch", bevor hier Lebensläufe zerstört werden.

roxolana
27.02.2016, 14:42
Es gibt halt pro Fach pro Woche jeweils ein Übungsblatt mit etwa 5 Aufgaben, die du dann durchrechnen musst und die anschließend in den Übungsgruppen besprochen werden. Nur die Vorlesungen zu besuchen wird der Sache daher nicht wirklich gerecht, weil 90% des Studiums nun mal aus diesen Aufgabenblättern besteht.

Ja, das kann ich bestätigen. Ich saß auch oft in der Vorlesung und dachte mir "das ist ja gar nicht so schwer" und dann wurden die Aufgabenzettel ausgeteilt und ich dachte mir "WTF?!!!". Allerdings nur in Physik, die Mathe-Aufgaben fand ich durchgängig relativ gut zu lösen. Das kommt im Endeffekt wahrscheinlich auch auf die Dozenten an.

WhiteMountains
27.02.2016, 14:44
naja aber die neigung wäre zumindest etwas "befriedigt" - so als bissl zuckerguss zum durchhalten, wär mein gedanke gewesen
ansonsten wie oben - so kurz vor der angst würd ich persönlich nix hinschmeissen, zumal er ja nicht grade kurz vor der rente steht wenn er mit dem medizinstudium fertig ist, altersmässig.

libra17
27.02.2016, 19:52
Hallo Erik!
Bin vom Fach also kann ich dir einen kurzen Einblick gewähren.
Ich bin Informatikingenieur mit Schwerpunkt Energiesysteme und habe 15 Jahre Erfahrung im Bereich Industrieautomation. Seit nun 6 Jahren arbeite ich im Sektor erneuerbare Energien. Zudammenfassend:
Status Deutschland:
Biogas ist tot. Der Markt ist gesättigt und es wird nicht mehr besonders viel gebaut
Windkraft ist noch sehr beliebt, ist aber Mittlerweile eher ein Standardprodukt. Ändert sich kaum was
Solarenergie genauso
Was speichern und verteilen betrifft ist viel am laufen. Es gibt viele Projekte die unter anderem von EU finanziert werden. Einen langfristigen Vertrag bekommen wird aber im Augenblick eher schwierig.
Momentan sind Länder wie Polen, Tschechien und Großbritannien viel interessanter da dort die Förderungen hochgeschraubt wurden.
Zusammenfassend:
Es ist ein stark fluktuierender Markt aber stets präsent. Mein Rat, beende dein Studium und schau dann was du machen willst. Wenn Reisen kein Problem ist findest du immer ein Land welches gerade fördert. Dank Europa2050 ist sowieso genug zu tun für die nächsten 35 Jahre.
N.b. Ein Standbein zu haben ist immer gut.. Und.. Zweitstudium kann evtl auch in Österreich oder Italien (auch in deutsch) gemacht werden.

rettesichwerkann
28.02.2016, 15:45
Ich bin Informatikingenieur mit Schwerpunkt Energiesysteme und habe 15 Jahre Erfahrung im Bereich Industrieautomation. Seit nun 6 Jahren arbeite ich im Sektor erneuerbare Energien.

Hallo libra17,
das klingt sehr interessant, was du so berichtest.
Aber mich würde brennend interessieren, wie es kommt, dass du dich für dieses Mediziner-Forum interessierst?
Bist du Sani / arbeitest nebenher als Sani?

KirstenP
28.02.2016, 22:31
Auch ich denke, dass Du das Studium beenden solltest, insbesondere weil Du ja selber sagst, dass es ok ist, nur eben nicht DER ultimative Traum. Aber Du hast keine Schwierigkeiten und wirst ohne allzu große Mühen wohl den Abschluss machen, den Dir keiner mehr nehmen kann. Wenn es eine einzige Quälerei wäre, sähe es anders aus, aber so: durchziehen!

Sternenmädchen
29.02.2016, 22:18
Es tut mir leid, dass ich hier nochmal fragen muss: Kann man tatsächlich in zwei Studiengänge eingeschrieben sein? An der Uni Lübeck steht extra, dass man bei der Online-Bewerbung auch den Exmatrikulationsschein mit anfügen muss, wenn man ein Studium abgebrochen hat. Sollte es nicht bei allen Unis so sein...?

roxolana
01.03.2016, 09:35
Nein, es ist wohl von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Sternenmädchen
01.03.2016, 22:10
Ah okay, danke für die Info. :)

libra17
01.03.2016, 22:28
Hallo libra17,
das klingt sehr interessant, was du so berichtest.
Aber mich würde brennend interessieren, wie es kommt, dass du dich für dieses Mediziner-Forum interessierst?
Bist du Sani / arbeitest nebenher als Sani?
Jepp, bin ehrenamtlich Sani. Mit den wenigen Stunden die ich monatlich mache bekommt man nicht alles mit, am Ende aber genug um das Interesse an Medizin zu wecken :)

Puschll
19.03.2016, 17:28
Auf jeden Fall durchziehen und dann schauen, ob Physik oder was in Richtung erneuerbare Energien was für dich sind!
Alternativ könntest du ja auch in Richtung nuklearmedizin / strahlentherapie, das ist auch sehr Physik lastig und es gibt bestimmt noch einiges zu erforschen auf dem Gebiet 👍