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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Management Autounfall



Super SEF
07.03.2016, 21:57
Hallo Leute,

Folgendes Szenario geht mir (RS, Ösi) schon seit Längerem durch den Kopf:
Ihr werdet als RTW (2 RS) mit SoSi zu einem Autounfall auf einer Landstraße gerufen, mehr Informationen gibt euch die Leitstelle jedoch nicht. Als ihr nach etwa 10 Minuten dort ankommt, seht ihr einen frontal mit einem neben der Fahrbahn stehenden Baum kollidierten PKW, die anwesenden "Ersthelfer" berichten von zwei Verletzten, die sich noch im PKW befinden.
Nachdem ihr NEF/NAW (ersteres natürlich mit einem weiteren RTW) nachgefordert habt (ist in etwa 15 Minuten vor Ort), begebt ihr euch also dorthin und seht einen älteren Mann und eine ältere Frau am Fahrer- bzw. Beifahrersitz, mit ausgelösten Airbags, beide angegurtet und augenscheinlich ohne größere Blutung, die Frau weist jedoch ein deutliches Brillenhämatom auf.
Keiner der beiden reagiert auf euch, als ihr euch von der Frontseite nähert und an die Scheibe klopft bzw. sie ansprecht.
Ihr entscheidet euch aufgrund des nicht vorhandenen Bewusstseins für eine Crash-Bergung (die Türen lassen sich öffnen, dabei stabilisiert euer Kollege die HWS des Fahrers, während ihr ihn mittels Rautek-Griff befreit.

Nund habt ihr ein Problem, denn der Mann atmet nicht mehr. Was tut ihr? Lasst ihr die Reanimation sein und kümmert euch um die Frau, beginnt ihr alleine mit der Herzdruckmassage sowie Mund-zu-Mund-Beatmung, ruft ihr einen der Unfallzeugen herbei, um euch zu unterstützen und reanimiert dann gemeinsam mit diesem, während euer Kollege die Frau versorgt?

So wie ich das sehe, ist das eine Großunfallsituation (kann mit den örtlichen Kräften nicht bewältigt werden -> akute Überlastungphase), daher wäre es wohl die beste Lösung, den Stillstand zunächst in die Kategorie IV (abwartend) einzuordnen und nach der zweiten Patienten zu sehen, oder seht ihr das anders?

WackenDoc
08.03.2016, 10:36
Beim Mann schauen, ob er nach einfachem Freimachen der Atemwege (Esmarch-Handgriff) wieder anfängt zu schnaufen- dann wäre er wieder Cat A/I/rot. Aber dann habt ihr wieder das Problem, dass ihr nur 2 seid und 2 Cat A-Patienten an der Backe habt.
In dem Fall- jeder schnappt sich einen freien EH (an die Absicherung der Unfallstelle denken) und fängt mit den Basismaßnahmen an.
Denk dran, die Patienten zusammenzulegen- sinnigerweise Kopf an Kopf mit Abstand dazwischen. Das spart Ressourcen.

Fängt der Mann nach Esmarch-Handgriff weiter nicht an zu atmen, ist er blau/IV/Cat D kategorisiert- also ihr beide zur Frau, überlegen, ob ihr Ersthelfer dafür braucht (z.B. Zeug anreichen) und wer dann noch frei ist, kann meinetwegen reanimieren bzw. den Mann versorgen.

Ist die Frau "nur" bewusstlos, atmet und hat einen brauchbaren Kreislauf, keine größeren offensichtlichen Verletzungen wäre einer von euch ja wieder für den Mann frei.

Feuerengelchen
08.03.2016, 16:57
Super-SEF, da hängt m.E. sehr viel von der konkreten Situation ab.
Wie WackenDoc schon schrieb, zwischen "atmet nicht mehr" (weil Atemweg verlegt) und "atmet nicht mehr" (=Atem- und Kreislaufstillstand) ist es noch ein kleiner Unterschied. Wenn ersterer Fall nach manuellen Handgriffen und/oder Guedel ausreichend atmet (und vom sonstigen Verletzungsbild her nichts gravierendes auffällt - z.B. instabiler Thorax oder so), dann geht er in stabile SL und kriegt Schnüffelstoff. Sowas geht auch mal ein paar Minuten mit einem gut instruierten Ersthelfer als Überwacher, wenn man 2,3 Meter nebenan die Frau versorgt.
Zweiter großer Faktor im Geschehen: was hat die Frau abbekommen? Bestes Szenario: beide haben eine Commotio und wachen nach ein paar Minuten wieder auf. Aber das weiß man erst hinterher. Unfallmechanismus und Bewußtlosigkeit lassen beim Erstangriff erst mal auf zwei Polytraumen schließen. Auch im worst Case (Trauma-Rea plus weibliches Polytrauma) ginge unter Einspannen der Ersthelfer einiges. Die können zB prima zur HDM eingespannt und angeleitet werden - ein RS ist Teamleiter bei der Rea, der andere versorgt die Dame.
Als österreichischer RS hast du beim Polytrauma ohnehin nicht viel therapeutische Optionen ;) Bodycheck, Atemwege freimachen, absaugen, Sauerstoff, ggf Beutel/Maske-Beatmen, Stifneck, wenns habts noch EKG/Pulsoxy... als NKV noch nen Zugang und Kristalloide.... zu bedenken ist auch, ob man die bewußlose Dame auf dem Rücken mit Stifneck wirklich so liegen lassen will? (Stichwort stille Aspiration)
PS: Reanimieren geht auch kurz mal alleine - über Kopf ;)

ehem-user-02-08-2021-1033
09.03.2016, 20:32
Folgendes Szenario geht mir (RS, Ösi) schon seit Längerem durch den Kopf:
Ihr werdet als RTW (2 RS) mit SoSi zu einem Autounfall auf einer Landstraße gerufen, ......
Nun habt ihr ein Problem, denn der Mann atmet nicht mehr. Was tut ihr? Lasst ihr die Reanimation sein und kümmert euch um die Frau, beginnt ihr alleine mit der Herzdruckmassage sowie Mund-zu-Mund-Beatmung, ruft ihr einen der Unfallzeugen herbei, um euch zu unterstützen und reanimiert dann gemeinsam mit diesem, während euer Kollege die Frau versorgt?

Jetzt mal eine blöde Frage:
- gibt es auf österreichischen RTWs keine Beatmungsbeutel bzw. Larynxtuben?

Feuerengelchen
09.03.2016, 21:50
Elite RDH, österreichische RTW entsprechen je nach Region nicht unbedingt einem deutschen TypC-RTW *hüstel*.
Es gibt Regionen, da hats nur Beatmungsbeutel drauf (das Zeug für erweitertes Airwaymanagement bringt dann das NEF mitm NA mit), und es gibt welche, wo inzwischen der LT auch von RS eingesetzt wird bzw werden darf. Also gar keine Maskenbeatmung bei Reanimation mehr, sondern gleich der LT rein (Fahrzeug hat dann Beutel, Maske, LT dabei).

joker112
31.03.2016, 00:51
Hallo und guten Abend.


Das geschilderte Szenario ist realistisch, jedoch finde ich, dass man immer sehen sollte, wie die Sitaution vor Ort ist. Jeder Einsatz ist anders, jeder Einsatz erfordert neue Einschätzungen und Anforderungen.

Ich habe einmal (vor langer Zeit gelernt), dass man in solch einer Situation so vor geht, dass jeder einzelne "Ausgebildete" sich einen Patienten vornimmt. Der NA kümmert sich je nach Bild der Verletzungen primär um den Patient mit Priorität Nr. 1. Dies wäre in dem geschilderten Falle die rea-pflichtige Person.
Sollte Pat. 2 ebenfalls bedürfen, würde man für diese(n) ebenfalls einen RTW / NAW / NEF hinzu ordern.

Grundsätzliche sehe ich es so. Der rea-pflichtige Pat. kann auch für ein bis zwei Min. von RS / RA / NFS reanimiert werden. Ein kurzer Check reicht. Body-Check (ABCDE), => Entscheidung zweiter NA (ja / nein / Transport ohne Begleitung / Transport mit Begleitung) parallel Rea.

Sollte die Rea positiv verlaufen => Transport (mit NA ins nächste Fachklinikum)

Grundsätzlich gilt für mich, es gibt keinen Notarztdienst / Rettungsdienst, der sich planen lässt. Die Einsätze kommen so, wie sie kommen. Im besten Falle kann man als Notfallmediziner den ruhigen Kopf behalten, planen und sachte überlegen. 10 Sec. for the next 10 Min.
... und dann an die Sache heran gehen.


LG