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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Berufseinsteiger - Wie schnell Verantwortung für eigene Patienten?



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Sebastian04
10.03.2016, 09:41
Hallo, ich war vor 2 Wochen bei einer städtischen Klinik im norddeutschen Raum zum Vorstellungsgespräch und überlege dort als Berufseinsteiger in der Innere Medizin zu beginnen. Auf Nachfrage wie schnell ich Verantwortung übernehmen kann und soll, wurde mir mitgeteilt, dass ich bereits nach 2 Wochen für 20 Patienten selbstständig verantwortlich sein muss, da es leider nicht genügend Stellen gibt. Meinen ersten Dienst soll ich nach 4-6 Wochen antreten.

Meine Frage richtet sich vor allem an diejenigen, die diesen Part schon hinter sich haben. Wie schätzt ihr das ein? Kann man das realistisch schaffen oder ist man da (vor kurzem noch Student mit Null Verantwortung) nicht heillos überfordert? Und als Nebengedanke: Kann man das aus medizinischer Sicht den Patienten gegenüber verantworten?

Stimmt es eigentlich, dass die Einarbeitungsphase und der "Welpenschutz" was z.B. Dienste angeht an Uni-Kliniken wesentlich besser geregelt ist, als bei den meisten kommunalen Häusern?

wischmopp
10.03.2016, 10:07
Für mich ist Dein Nebengedanke überhaupt nicht nebensächlich! Ich finde es extrem unverantwortlich den Patienten gegenüber! Und Du selbst wirst sicherlich heillos überfordert sein inkl. aller Konsequenzen...

Leider sind diese Zustände keine Ausnahme (wobei es normalerweise beim Vorstellungsgespräch nicht so deutlich kommuniziert wird).

Für mich war diese Rolle auf jeden Fall nichts und ich habe so schnell wie möglich wieder den Ort des Schreckens verlassen.

Fr.Pelz
10.03.2016, 10:09
Kennst du das Haus und die Strukturen aus dem PJ? Das Krankenhausinformationssystem? 2 Wochen halte ich für echt schnell, aber es kommt darauf an, inwiefern dein Ansprechpartner verfügbar und ansprechbar ist. Wenn der einzige OA, der für deine Station zuständig ist, den ganzen Tag in der Funktionsdiagnostik verschwindet, ist das natürlich schlecht. Nach 2 Wochen können einem als Berufsanfänger noch gravierende Fehler unterlaufen, weil man sich der Relevanz einiger Dinge nicht bewusst ist. Erster Dienst nach 4-6 Wochen ist auch recht früh. Würde an deiner Stelle vorher mal mit einem anderen Assi einen Dienst "mitlaufen" um überhaupt mitzubekommen, wofür du zuständig bist, wen du wann anrufst und ein paar "Notfallabläufe" kennenzulernen ("Was mach ich bei akuter Luftnot als erstes, zweites, drittes")

wischmopp
10.03.2016, 10:17
Was ich auch noch bedenken würde: Wie hoch ist der Durchlauf? Die Briefe wollen ja geschrieben und die Neuen aufgenommen werden.

Ich hatte laut Vorstellungsgespräch max. 12 Patienten nach 2 Monaten, für die ich verantwortlich war, in der Realität waren es dann 18 nach 2 Wochen. Durch Krankheit der Kollegin waren es dann ganz schnell 36, OÄ den ganzen Tag in der Funktion, Durchlauf 8-10 Pat pro Tag pro Station. Mir wird heute noch schlecht, wenn ich zurück denke...

Eilika
10.03.2016, 18:39
Ich halte 20 Patienten in der Inneren Medizin für sehr viel bis zu viel. Je nach Organisation (vor allem OA-Rückendeckung) finde ich die 2 Wochen ziemlich ok. Mich stört viel eher die Zahl der Patienten als die Zeitdauer...

Hepar
10.03.2016, 19:14
Ich finde 20 definitiv zu viel. Selbst der erfahrene Assistent ist mit 18 Patienten (zumindest bei uns) gut beschäftigt, Funktion ist da nur noch eingeschränkt bis gar nicht mehr möglich (je nach Aufwändigkeit der Patienten). Und die Abläufe und Mitarbeiter im Haus, die Standards und das PC Programm muss man ja auch erst mal kennen lernen.
Wie will man da als Anfänger mit 20 internistischen, oft multimorbiden Patienten zurechtkommen und gleichzeitig noch Funktionen erlernen?
Dienste nach 4 bis 6 Wochen find ich ebenfalls zu früh- vor allem, falls es ein Haus ist, in dem es nur einen diensthabenden Internisten gibt, der für ITS, Normalstation, Notaufnahme usw. zuständig ist.

hebdo
10.03.2016, 20:40
20 Patienten finde ich auch zu viel, obwohl es auch auf die Orgastruktur in der Klinik ankommt. Ich würde auf jeden Fall die Überstunden dokumentieren und abzeichnen lassen. Das wird sich lohnen ;)

Ich hatte bei meiner ersten Stelle nach 6 Wochen 16 Patienten alleine und habe im ersten halben Jahr knapp 400 Überstunden angesammelt. War teilweise bis 22 Uhr in der Klinik.

Relaxometrie
10.03.2016, 23:45
Ich finde 20 definitiv zu viel. Selbst der erfahrene Assistent ist mit 18 Patienten (zumindest bei uns) gut beschäftigt, Funktion ist da nur noch eingeschränkt bis gar nicht mehr möglich.
Welche Patientenzahl pro Assistenzarzt ist Deiner Meinung nach in der Inneren noch mit einer einigermaßen zufriedenstellenden Ausbildung in den Funktionen vereinbar?

Hepar
11.03.2016, 06:40
12 find ich optimal. Bis 15 sind aber in der Regel auch gut zu schaffen.

Sebastian04
11.03.2016, 08:50
Was ich auch noch bedenken würde: Wie hoch ist der Durchlauf? Die Briefe wollen ja geschrieben und die Neuen aufgenommen werden.

Sind so um die 6 Aufnahmen und Briefe pro Tag.



Ich hatte bei meiner ersten Stelle nach 6 Wochen 16 Patienten alleine und habe im ersten halben Jahr knapp 400 Überstunden angesammelt. War teilweise bis 22 Uhr in der Klinik.

Das ist ein bisschen das Problem. Was ich so mitbekommen habe, sollen Überstunden wohl nicht registriert werden.

---

Was mich aber tatsächlich auch sehr interessieren würde, ist wie so allgemein die Unterschiede bei der Einarbeitungphase in Uni vs. kommunales Haus sind. Stimmt es wirklich dass man in Unikliniken, i.d.R. mehr Zeit für die Einarbeitung gewährt bekommt? (weil besserer Stellenschlüssel?)

Feuerblick
11.03.2016, 08:59
Nach zwei Wochen 20 eigene Patienten (faktisch Einarbeitung nach dem Prinzip "Ab ins kalte Wasser und sieh zu, dass du irgendwie schwimmst"), nach vier Wochen die ersten Dienste UND Überstunden werden nicht registriert? Über diese Stelle würde ich keine zehn Sekunden nachdenken...

Schorsche
11.03.2016, 09:03
Das ist ein bisschen das Problem. Was ich so mitbekommen habe, sollen Überstunden wohl nicht registriert werden.
)
Man kanns nicht oft genug wiederholen: das ist sittenwidrig und verstößt gegen so ziemlich alles, was so im Tarifvertrag steht. Du solltest die Überstunden eigenständig dokumentieren - die Vergütung ist auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einklagbar.

inglebird
11.03.2016, 09:35
Nach zwei Wochen 20 eigene Patienten (faktisch Einarbeitung nach dem Prinzip "Ab ins kalte Wasser und sieh zu, dass du irgendwie schwimmst"), nach vier Wochen die ersten Dienste UND Überstunden werden nicht registriert? Über diese Stelle würde ich keine zehn Sekunden nachdenken...
Kann mich dem vollkommen anschließen!
Ich verspreche dir, diese Stelle willst du nicht.

Relaxometrie
11.03.2016, 09:58
@Sebastian04:
Kannst Du die geographische Lage des betreffenden Krankenhauses etwas eingrenzen? Nicht, dass das Haus dasjenige ist, in dem ich bald ein Vorstellungsgespräch habe :-((

Bender B. Rodriguez
11.03.2016, 17:17
. . .

Relaxometrie
11.03.2016, 18:08
"Norddeutschland" ist zwar groß. Dementsprechend ist die Chance, dass ich mich genau in dem hier beschriebenen Haus beworben habe, klein :-D
Aber weiß man's :-oopss

LasseReinböng
11.03.2016, 19:22
Scheint eine relativ begehrte Stelle zu sein, wenn man im Bewerbungsgespräch gar keinen Hehl aus den Zuständen machen muß.

Bzgl. Uniklinik und Einarbeitung: der Vorteil ist sicherlich, daß man personell besser aufgestellt ist - daß man als Anfänger im Dienst gleich Ambulanz, Intensiv und Station zu versorgen hat dürfte dort eher die Ausnahme sein.

Ansonsten kann ich nur aus meiner eigenen kurzen Erfahrung an der Uni sagen: Einarbeitung durch eine Kollegin mit 9 Monaten Berufserfahrung und nach 2 Wochen die halbe Station ("nur" 14 Patienten) alleine, das Motto der Oberärzte: " sieh zu...".

Hepar
11.03.2016, 19:38
Was Einarbeitung angeht: ich bin an nem Haus der Grundversorgung und bei uns war es immer so, dass wir neue Kolleger (je nach Berufserfahrung) 1-3 Wochen haben mitlaufen lassen bzw. eingearbeitet haben (die waren dann quasi zusätzlich zur regulären Besatzung da). Denke, sowohl an der Uni als auch an nem kleinen Haus kann es gute und schlechte Einarbeitung geben!

rvq64
11.03.2016, 21:00
Ich kann nicht aus eigener Erfahrung schreiben, aber von zwei guten Freundinnen aus der Uni berichten (gleiches Haus, unterschiedliche Abteilungen):
Einmal eher sanfter Einstieg, gute Einarbeitung; die andere: Ins kalte Wasser geschmissen, erste Dienste als Anfänger nach ca. 6 Wochen, sie ist freiwillig bei einem Kollegen das Wochenende vorher mitgelaufen (ohne sich das aufzuschreiben...)
Würde vermuten, dass Unterschiede nicht an Uni vs kleines Haus liegen, sondern vielmehr an den Teams und wie sowas geplant wird (und ob der Kollege, der einarbeiten soll, einfach mal zu einer blöden Zeit krank wird)

CYP21B
11.03.2016, 23:14
Es kann sogar in der selben Abteilung innerhalb recht kurzer Zeit total unterschiedlich laufen. Und es hängt sehr davon ab wer für die Einarbeitung zuständig ist.
Auch Dinge wie Dienste nach xx Wochen/Monaten kann man nicht pauschal vergleichen weil das Backup total unterschiedlich ist. Zudem machts auch einen Unterschied wie gut die Einarbeitung bis dahin war. Und auch ein Haus in dem man erst total spät Dienste macht oder Verantwortung übernimmt ist negativ weil man dann eben auch weniger lernt. Insgesamt muss man da ziemlich aufs Bauchgefühl hören. Wenn aber die Einarbeitsungsphase und Zeitdauer bis zu den Diensten abhängig von Personalmangel ist wird es höchstwahrscheinlich nicht die beste Stelle sein.