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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kontinuierliche Maskenbeatmung während Reanimation?



DoctorNew
29.03.2016, 17:12
In meinem bisherigen Haus war es eigentlich während einer Reanimation üblich, entsprechend der ERC-Leitlinien (bis zur Intubation) im Verhältnis 30:2 zu reanimieren und mittels Maske zu beatmen. Derjenige, der die Thoraxkompressen verabreichte, sagte etwa ab 25 Kompressen die Zahlen bis 30 an, stoppte dann, während derjenige am Kopf (in der Regel der Arzt im Rea-Team) zwei Beatmungshübe verabreichte. (in der Zeit wurde dann ggf. auch der Drückende gewechselt). Nach Intubation wurde dann kontinuierlich mit etwa 15 Hüben pro Minute beatmet.

In meinem jetzigen Haus wird einfach durchreanimiert und durchbeatmet, auch unter Maskenbeatmung. Als ich das mir bisher bekannte Vorgehen ansprach und auch gerne bei meinen Reas so umsetzen wollte, wurde ich für das Vorgehen von unserer Intensivpflege korrigiert, dass sei gar nicht mehr modern, heutzutage würde man doch durchgehend bebeuteln. Wie ist das nun?

Habe ich was verpasst? Mein letzter ALS-Provider-Kurs ist noch gar nicht so lange her. Und da wurde ganz klar das 30:2 Verhältnis gelehrt. Kontinuierliche Beatmung mit der Maske macht für mich auch pathophysiologisch gar keinen Sinn, da bei Reanimation die intrathorakalen Drücke ja garantiert Beatmungsdrücke über dem Ösophagusverschlussdruck nötig machen. Leider ist gerade mit unserer Intensivpflege eine (sachliche) Diskussion über bestimmte Hausgepflogenheiten selten möglich.

SuperSonic
29.03.2016, 18:08
Du hast Recht, dahingehend (30:2 bei Maskenbeatmung) hat sich auch im ERC-Update 2015 nichts geändert. Sieht so aus, als wäre in deinem Haus eine interne Rea-Fortbildung bitter nötig...

Und nebenbei bemerkt: Die Intensivpflege kann dich "korrigieren", wie sie mag, du als Arzt trägst aber die Verantwortung für den Patienten und machst dementsprechend die Ansagen, wie vorzugehen ist.

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29.03.2016, 22:30
Sehe ich anders. ERC hin oder her.
Ultra kurze No Flow Time respektive Organ-Perfusion halte ich für ein Kernelement einer High Performance CPR. Bei 30:2 Drückern in der Realität - behaupte ich - baut man kaum Perfusion auf und bei der Applikation der Beatmung wird meist zu lange am C Griff gefrickelt etc. (die Studien zum optimalen Ventilations/Perfusionsverhältnis empfand ich als recht artifiziell in ihrem Setting). Will sagen: Die Realität erlebe ich deutlich suboptimaler - oft mit einer "pathologischen" Fixation auf Airway/Breathing zu Lasten einer NoFlow freien CPR- trotz klarer CAB Empfehlung. Liegt vielleicht auch an den oft beteiligten Fachdisziplinen. Manch ein anäst. Kollege bei uns scheint das Laryngoskop im Holster zu tragen...
Einschub an der Stelle:
No Offense! Ich schätze den Anästhesisten als Kollege mit seinen spez. Kompetenzen an meiner Seite! Deswegen alarmieren wir immer auch beide Disziplinen.

Grundsätzlich weise ich aber immer primär eine Passiv Beatmung via O2 Maske an und fokussiere klar auf CPR/Defi Setup. Wenn ich genug Manpower habe wird ab und an Zwischenbebeutelt. Intubation irgendwann.
Schönes Video dazu:
http://youtu.be/JYZIFISUV3c
(Diesen Algorithmus habe ich auch in der letzten ERC 2015 Fortbildung so empfohlen bzw. dahingehend korrigiert)

Und nun steinigt mich 😉


Nachtrag:
Wo ist eigentlich das Problem an einer Ösophagus/Magenbebeutelung? Lass ihn kotzen, lass ihn aspirieren. Die Leute sterben doch nicht an der Aspirationspneumonie. IMO bleibt das Neuro-Outcome essenziell und da sind wir wieder bei der Organ-Perfusion...

Nachtrag 2:
"Als ich das mir bisher bekannte Vorgehen ansprach und auch gerne bei meinen Reas so umsetzen wollte"

Halte ich für diskussionswürdig. Team-inhärente etablierte Algorithmen zu ändern unter Inkaufnahme von Minder-Performance aufgrund von Irritationen/ungewohnten Abläufen ist schnell von "gut gemeint" bei suboptimaler als nötig. Sooo gut sind die Daten und damit die Empfehlungsqualität in den ERC Leitlinien eben NICHT, wenn man sie genau liest, als dass ich jetzt unbedingt Algorithmus A statt B auf Kosten der Teamperformance durchdrücken müsste... Lieber beobachten aus "2. Reihe" und hier und da etwas adjustieren, anleiten, cross-checken und so die Gesamtperformance heben 😉

PS:
Schönes Thema!

WackenDoc
30.03.2016, 15:55
Bei den Reas, die ich live hatte, hat das mit der kontinuierlichen Beatmung einfach nicht funktioniert. Sogar mit LT ging es nicht richtig. Es geht halt keine Luft rein, wenn man dann beatmet, wenn der andere pumpt. Das Problem der Luft im Mage ist nicht nur die Aspirationspneumonie, vollgekotzter Atemweg ist halt doof für die Beatmung- rein physikalisch und der volle Magen erschwert die Reanimation allgemein.
Die Guidelines sagen halt nun mal 30:2 solange ich Masken-Beutel-Beatme. Ich hab aber auch eine Version mit 30:1:2:1 kennengelernt. Also dass die Zeit zwischen den beiden Beatmungen für 2-3 Kompressionen genutzt wurde. Wenn man sich gut mit dem pumpenden Helfer abstimmt, kann man die Zeiten noch ganz gut minimieren- also z.B. beatmen sobald die 30. Kompression unten ist und pumpen sobald die Luft drin ist. Mit Manpower einfach den Griff an der Maske beibehalten und ggf. mit zwei Händen arbeiten.

ehem-user-02-08-2021-1033
06.04.2016, 19:21
Leider ist gerade mit unserer Intensivpflege eine (sachliche) Diskussion über bestimmte Hausgepflogenheiten selten möglich.

Genau aus diesem Grund solltest du auch kein Quäntchen deiner psychischen Gesundheit für Pyrrhussiege aufwenden....

Ich als Narkotiseur würde in dem Fall statt Maskenbeatmung eine supraglottische Atemwegshilfe oder die Intubation bevorzugen, weil da soll man laut Leitlinie "durchdrücken".

Ansonsten würde ich mir wie oben bereits erwähnt sämtliche fruchtlosen Diskussionen sparen. Was ich während meiner Intensivzeit für Kompetenzkonflikte seitens der Pflege wegen "Nichtigkeiten" erleben durfte war schon echt krass.
Meine Lehre war:
Klar, kannst du auf den Tisch hauen und dich "durchsetzen" oder du tolerierst halt, dass manche Leute unbelehrbar sind.
Die Kunst ist es halt abzuwägen: "Wann entsteht ein Schaden? Wann geht es nur um das Prinzip?"

Bei der Rea würde ich diesen Konflikt rasch durch einen Tubus beseitigen...

LasseReinböng
14.04.2016, 02:27
Im Notfall und auch sonst hat die Pflege das zu tun, was der Arzt sagt.

Wie wann wer und wie oft bebeutelt wird, steht in den Leitlinien.

Ansonsten... natürlich ist die Herzdruckmassage wichtig. Ich habe bislang immer unter laufender Rea den Intubationsversuch unternommen, i.d.R. klappt das auch. Wenn die Intubation schwierig ist dann ist es halt so und dann muß halt weiter per Maske oder Lama/Larynxtubuus beatmet werden.

Nach meiner bescheidenen Erfahrung wird eher mehr Zeit für den i.v. Zugang vertrödelt, wenn keiner vorher voranden ist !!

Da wird dann ewig mit Sono und ZVK rumgefriemelt, dabei gibt es die i.o. Option.