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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizinstudium aus den "falschen" Gründen?



unentschieden0815
03.04.2016, 15:41
Hey,

mich würden eure Meinungen zu meinem Vorhaben, Medizin zu studieren, interessieren.
Allerdings bin ich nicht der "typische" Student, der schon von Kind an Arzt werden will oder es wird, weil die Eltern Ärzte sind. Im Gegenteil, meine Eltern sind Zahnärzte, aber gerade deshalb kam eine solche Tätigkeit nie in Betracht, man hat schon als Kind ein sehr realistisches Bild der Umstände und negativen Aspekte des Arztes.
Jedenfalls habe ich dann Ingenieurwesen studiert und bin kommendes Semester mit dem Bachelor fertig. Allerdings war das insgesamt eine 10 Jahre dauernde Qual mit allerlei Fach- und Ortswechseln, die mich aber auch nicht weitergebracht haben. Ich habe mich stets extrem unwohl gefühlt, insbesondere konnte ich mich kaum mit meinen Mitstudenten identifizieren und auch kaum mit den Lehrinhalten, obwohl ich in Mathe, Chemie, Physik in der Schule noch interessiert und herausragend gut war.
Insgesamt ging es mir trotz nahendem Ingenieurabschluss (sogar mit 1,...) nie schlechter als jetzt, ich habe kein festes soziales Umfeld und bei dem Gedanken an einen Master oder gar die Berufstätigkeit graut es mir. Klar, ich "kann" es, aber es interessiert mich nicht wirklich. Eine Managementposition könnte ich mir zwar gut vorstellen, eine Ingenieurposition aber eigentlich kaum.

Nun kenne ich einige Medizinstudenten, mit denen ich über die Jahre hinweg Kontakt hatte, einige sind gute Freunde. Mit allen kann ich mich deutlich besser identifizieren, sie haben ähnliche Ansichten, vielseitigen Interessen und Erwartungen, stehen nicht nur auf Fußball, Bier und Autos (wie die meisten INGs). Mir selbst wurde von Fremden und Freunden immer gesagt, sie dachten, ich würde Medizin studieren, jedenfalls würden sie mich so einschätzen.
Deshalb habe ich einfach mal zwei Medizinertests gemacht, den TMS und einen uni-eigenen realitätsnäheren, und mich nachdem ich bei beiden in der Spitzengruppe gelandet war, für Medizin beworben.

Meine Gründe es wirklich durchzuziehen wären:

ähnlich tickende Leute, Zusammenhalt im Semester, lebenslange Freundschaften finden
Thema, dessen Sinn sich von alleine ergibt und das ich zumindest nicht uninteressant finde (v.a. Biochemie, Physiologie, war Teil meines Bachelors)
Frauenquote >10%, d.h. realistische Chance, seine Lebensgefährtin kennenzulernen
Sichere Anstellung auch mit komischem Lebenslauf /hohem Alter
Kein Zwang irgendwo eine STelle antreten zu müssen, wo man nicht hin will, z.B. irgendein Kaff mit einer einzigen großen Firma vor Ort
Möglichkeit, sich risikolos selbstständig zu machen
Einkommen in den ersten Jahren deutlich über dem Durchschnitt eines Ingenieurs, selbstständig sowieso



Keine Gründe:

Menschen unbedingt helfen zu wollen, obwohl Helfen (z.B. beim Lernen) natürlich auch mir etwas gibt, aber wem gibt das schon gar nichts?!
Interesse an Krankheiten
Die Welt verbessern wollen



Gründe dagegen wären:

die Zeit und Energie, die ich bereits investiert habe
Die zusätzliche Zeit und Energie, die ich noch investieren müsste, bis ich Geld verdienen kann
Auswendiglernen fällt mir deutlich schwerer als Sachen verstehen / mathematische Aufgaben lösen



Bin gespannt auf eure Kommentare.

Arrhythmie
03.04.2016, 16:36
Hast es doch eigentlich schon entschieden oder? Aus Spaß macht man doch den TMS und "andere" Tests nicht oder?

Jeder hat andere Gründe Medizin zu studieren. Manche Gründe erscheinen vielleicht "sinnvoller" als andere, aber im Endeffekt zählt nur eines: Sind die Gründe für Dich (und nicht für irgendwelche anderen Personen) "schwerwiegend" genug um das Studium durchzuziehen?
Das Medizinstudium ist wie ein Marathonlauf - das haben mir immer alle gesagt und das merk ich nun auch selber. Mit der richtigen Einstellung und dem Willen kann man es gut durchziehen.

So wie sich das bei Dir anhört bist Du Dir doch eigentlich schon einig. Du suchst hier nach Zuspruch?
Deine Gründe dagegen aus der Liste sind für mich persönlich keine die mich davon abhalten würde. Finanzielle Engpässe /zu versorgende Familie wären da schon eher Gründe, mMn.

Lava
03.04.2016, 16:49
Die Frage ist doch eher, ob du nach dem Studium auf einen Beruf findest, mit dem du leben kannst. Es muss ja nicht jeder Arzt werden, da gibt es schon noch andere Möglichkeiten, aber zumindest sollte dich Medizin an und für sich interessieren. Nur weil Medizinstudenten nette Menschen sind, sollte man nicht Medizin studieren. Aber ich denke, das erledigt sich von selbst, wenn du mal im Studium drin steckst, lernen musst und Prüfungen schreibst.

unentschieden0815
03.04.2016, 16:54
Hey Arrhythmie,

danke für deine Antwort, über die ich erstmal nachdenken muss ^^. Ich hätte eigentlich eher erwartet zu hören, dass man mit dieser Motivation das Studium nicht zuende bringen würde / es eine idiotische Idee ist.

Ich sollte vielleicht der Liste der Gründe dagegen noch hinzufügen:
Erklärungsnot gegenüber Familie, Freunden etc. wieso ich in dem Alter und mit Abschluss nochmal Medizin studiere, obwohl ich nie eine Berufung für den Arztberuf empfunden habe (wie die meisten anderen).

roxolana
03.04.2016, 16:58
Hast du denn schon einen Studienplatz? Wenn du deinen B.Ing fast schon in der Tasche hast, dann mach doch den Abschluss parallel zum Medizinstudium. Fall dir Medizin nicht liegt, kannst du ja immer noch Ingenieur werden. Ob Medizin eine gute Entscheidung ist, musst du schon selbst rausfinden. Ich denke nicht, dass ein Helfersyndrom eine zwingende Voraussetzung ist, um ein guter Arzt zu werden.

unentschieden0815
03.04.2016, 17:03
@Lava:

Ich interessiere mich für einerseits vieles, aber für nichts besonders. Ich habe Physiologie und Biochemie (in einer abgespeckten Version) schreiben müssen und beides fand ich sehr spannend, glaube aber nicht, dass das in der kleinen Form repräsentativ für ein Med-Studium wäre (stichwort Klinik)
Interessant finde ich Medizin zwar schon, aber eher wie die molekularen Zusammenhänge, Funktionsweisen und Wirkungsweisen sind, nicht für die µg-Dosierungen bei der Behandlung einer speziellen seltenen Krankheit.

Würdest du sagen, ich merke innerhalb des ersten Semesters gleich, ob ich richtig oder falsch bin? Oder kann man das erst nach einigen Semestern / dem Physikum richtig erkennen?

unentschieden0815
03.04.2016, 17:04
Hast du denn schon einen Studienplatz? Wenn du deinen B.Ing fast schon in der Tasche hast, dann mach doch den Abschluss parallel zum Medizinstudium. Fall dir Medizin nicht liegt, kannst du ja immer noch Ingenieur werden. Ob Medizin eine gute Entscheidung ist, musst du schon selbst rausfinden. Ich denke nicht, dass ein Helfersyndrom eine zwingende Voraussetzung ist, um ein guter Arzt zu werden.

Ja, habe einen Studienplatz und auch der Bachelor ist jetzt fertig.

roxolana
03.04.2016, 17:08
Hat deine Uni einen Regel- oder Modellstudiengang? Beim Modellstudiengang wirst du schneller mit klinischen Inhalten konfrontiert und kannst daher wahrscheinlich besser einschätzen, ob es dir liegt. Beim Regelstudiengang wahrscheinlich erst nach 5 Semestern...

Migole
03.04.2016, 17:11
Ich würde es an deiner Stelle einfach ausprobieren. So wie es sich anhört, wirst du dich sonst sowieso ewig fragen "was wäre wenn?". Manche finden die Vorklinik spannend, andere blühen erst in der Klinik richtig auf. Vom ersten (oder zweiten) Semester wirst du sicherlich keinen Eindruck darüber bekommen, ob du später in dem Bereich arbeiten möchtest. Möchtest du Arzt werden oder in einem Bereich arbeiten, für den das Studium notwendig ist? Dann studiere Medizin. Und lass dich nicht vom Pflegepraktikum abschrecken ;-)

Miss_H
03.04.2016, 17:38
Gerade dein letzter Beitrag klingt eher so, als ob du eher im Bereich der Biologie gut aufgehoben bist. Kannst du nicht so einen Master machen der in die Richtung geht?
Ich finde gerade das Argument nett Leute evtl. einen Partner kennen zu lernen nicht so sinnvoll. Such dir lieber einen coolen Master und einen Hiwi Job in einem Bereich der dich interessiert. Und such dir ein Hobby welches dir Spaß macht oder eine Hochschulgruppe.

Lava
03.04.2016, 17:49
Würdest du sagen, ich merke innerhalb des ersten Semesters gleich, ob ich richtig oder falsch bin? Oder kann man das erst nach einigen Semestern / dem Physikum richtig erkennen?

Schwer zu sagen. Mir hat eigentlich fast das ganze Studium Spaß gemacht. Spezielle Interesse hatte ich auch nicht. Physiologie und Biochemie haben mich anfangs auch sehr interessiert, während ich mich im Krankenhaus mit Patienten erstmal nicht sooooo wohl gefühlt habe (ich hatte nie das Gefühl, wie geboren dafür zu sein). Aber die Vorlesungen waren dann wiederum sehr spannend. Medizin an sich hat mich also auf jeden Fall interessiert.
Ich denke, du merkst auch schon in der Vorklinik, ob du Medizin magst. Chemie und Physik sei mal dahin gestellt, aber man hat ja auch Anatomie z.B. und es gibt immer wieder mal Querverweise auf die Klinik. In jedem Fach eigentlich.

nie
03.04.2016, 18:02
Wenn du bereits den Studienplatz hast, dann ist die Entscheidung ja eigentlich schon gefallen. Das Semester fängt ja nächste Woche schon an, da würde ich jetzt keinen Rückzieher mehr machen.

Ich würde jetzt aber nicht zu viele Erwartungen in die soziale Komponente des Studium legen. Das ist keine automatische Freundschafts-/Partnerinnenbeschaffungsmaschine. Auch Medizinstudenten sind alle unterschiedlich, manche mag man, manche nicht. Nicht jeder schließt lebenslange Freundschaften.

Edit:
fehlendes "Helfersyndrom" oder Bedürfnis, die Welt zu retten sind allerdings kein Hinderungsgrund.
Hab beides nicht und würde mich außerdem auch nicht gerade als übermäßig empathisch beschreiben. Aber mir macht das Studium und auch die Arbeit in der Klinik/am Patienten trotzdem Spaß.

unentschieden0815
03.04.2016, 18:07
Erstmal danke für die rege Beteiligung mit einigen mir neuen Gedanken :)


Gerade dein letzter Beitrag klingt eher so, als ob du eher im Bereich der Biologie gut aufgehoben bist. Kannst du nicht so einen Master machen der in die Richtung geht?
Ich finde gerade das Argument nett Leute evtl. einen Partner kennen zu lernen nicht so sinnvoll. Such dir lieber einen coolen Master und einen Hiwi Job in einem Bereich der dich interessiert. Und such dir ein Hobby welches dir Spaß macht oder eine Hochschulgruppe.

Ich habe nur die Dinge aufgezählt, die ich speziell an Medizin vermutlich am interessantesten finde, nicht unbedingt global gesehen. Da kämen dann z.B. noch Wirtschaft, Unternehmensgründung, Politik, Mathe, Physik, Technik dazu.

Deine Kritik an meinen Argumenten denke ich mir selbst auch immer. Andererseits geht es jetzt nicht "nur" um nette Leute, sondern auch darum, sich "richtig" zu fühlen. Ich weiß eben nicht so richtig meinen Platz im Leben, was ich genau will, aber ich weiß schnell, wenn ich etwas nicht will. Und da hilft mir oft (nur) die Identifizierung mit den Menschen, die das gleiche machen. Macht das irgendeinen Sinn? ^^

Migole
03.04.2016, 19:12
Gerade um die Naturwissenschaften (Bio/Chemie etc.) würde ich auf Hochschulebene allerdings einen großen Bogen machen. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal. Wenn man in die Richtung interessiert ist, würde ich immer zu Medizin/Pharmazie raten. Nur um das eben noch einzustreuen :-oopss