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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie hat euch das Studium verändert?



Franklin123
06.04.2016, 16:55
Mal eine Frage, die nichts mit Wissen und Lerntips zu tun hat. Heute ist wieder so ein Tag, da sitze ich in der Bücherei, neben mir ein Mädel, die nicht einmal Medizin studiert und sonst keiner. Ich bin hier, weil ich an meiner Doktorarbeit arbeite und mir einen Lernplan zum H16 machen will. Ich habe vor 5 Jahren in diesem Forum gestöbert und nach Meinungen gefragt wie ich meine Prioritäten bezgl. der Unis setzen muss, um an der Wunschuni angenommen zu werden. Heute lese ich wie andere sich bewerben wollen, viel Glück euch. Hinzu kommen noch alte Treads von den Jahren 2001, die mal wieder kommentiert werden :) und ich denke mir, diese jungen fragenden Studenten sind wahrscheinlich heute alle Fachärzte oder Oberärzte, haben Familien mit Kindern und leiten ihre eigene Praxis. Es kommen nostalgische Gefühle hoch. Nicht, dass ich an irgendeine Vergangenheit hänge, nur jetzt kommen wir alle in einem Alter, wo das Leben ernster wird. Werde ich noch feiern gehen, wenn ich Arzt bin? Kann ich mich unter Freunden und Familie so verhalten wie immer wenn ich Arzt bin ohne meine Seriosität zu verlieren und wie sieht es eigentlich mit Familienplanung aus?
Früher gab es die Themen bei uns nicht, weil wir jung waren. Dann haben wie die Zulassung für das Studium erhalten und nun sind wir Mittendrin und bald fertig.
Die Lerntage, vor allem die während des Physikums im Sommer ,haben mich zu einen sehr nachdenklichen Menschen gemacht. Manchmal rede ich mit Leuten, meinen Neffen und Nichten so, als ob ich schon das ganze Leben hinter mir hätte. Ich sage Ihnen, macht das, was euch glücklich macht, folgt nicht den Berufswünschen eurer Eltern, denn sie werden nicht für die Examen lernen müssen. Gönnt euch Pausen, macht Urlaub, wenn ihr Lust darauf habt. Während meinen Praktika's und Famulaturen habe ich besonders eine Sache gemacht, mit den Patienten geredet. Wir haben über den Krieg geredet, über die Kindheit und über den scheiss Krebs. Viele taten mir leid. Ich erinnere mich an mein erstes Praktikum, wo einige Beinamputierte Patienten lagen. Ich sah Patienten, die in ihrem Bett eingeschlafen sind und nicht wieder wach wurden und vor allem Kinder, die lieber im Bett zu Hause liegen sollten. Mit einem Patienten habe ich geredet, bei dem hatte man vorgesehen, das eine Bein zu amputieren, hinzu kam noch die Diagnose Lungenkrebs. Die Sonne schien und ich fragte ihn, sind sie ein Genießer was das Essen angeht? und er erwiderte: Ja, sehr sogar. Ich sagte zu ihm, ich hoffe, dass er irgendwann raus kommt aus diesem Krankenhaus und wir uns draußen nochmal sehen. Und er sagte, dass das eine sehr gut Idee sei. Ich sagte, wir suchen uns einen netten Platz, ich meine Cola und sie ihr Bier und wir quatschen einbisschen über Gott und die Welt. Dann meinte er zu mir: Oder besser, wir sitzen und schauen uns einfach die Leute an und genießen. Ich meinte dann: versprochen, machen wir.
Es waren vor allem solche kurze Gespräche, die für mich das Studium erfüllen und die ich später als Arzt auch weiterhin machen werde. Dieser zwischenmenschliche Kontakt ist bei mir eine natürlich Art. Übrigens hab ich hinterher von einem Pfleger richtig Anschiss bekommen, weil ich mit dem Patienten geredet habe und ihn mit seinem Vornamen erwähnt habe...
Wenn es Nachts dunkel wurde im Zimmer oder in der Bücherei, es manchmal Abend geregnet hat, ich die fallenden Tropfen und die Abpraller an meiner Fensterscheibe gehört habe, mein kleines Licht blinzelte und das Buch und ich zu einem wurden, dann wurde ich zu den größten Philosophen. Es ging dann um die Frage über Sinn des Lebens und vor allem was uns Menschen glücklich macht. Die Tage gab es oft in den letzten 5 Jahren. Das Studium und der Beruf ist das, wofür ich mich als kleiner Junge schon entschieden habe, eine Entscheidung aus dem Herzen, aber wir wissen auch, dass es kein Spaziergang ist.

davo
06.04.2016, 19:33
Ich rede auch gerne mit den Patienten über ihr Leben jenseits der Krankheit. Das gehört für mich einfach zu einer menschlichen Medizin dazu.

Ich glaube, dass mich das Medizinstudium bisher gar nicht so stark verändert hat. Dadurch, dass das mein Zweitstudium ist, und ich vorher schon mehrere Jahre Vollzeit gearbeitet habe, haben viele Veränderungen, die bei Studenten typischerweise während ihres Studiums stattfinden, bei mir bereits früher stattgefunden.

Ich glaube allerdings, dass ich in Summe etwas weniger entspannt geworden bin, etwas schneller getaktet, dass ich besser mit kurzfristigen Planänderungen zurechtkomme als früher, und dass ich etwas weniger perfektionistisch geworden bin, besser damit klarkomme, dass man manchmal keine Zeit hat, über die perfekte Lösung nachzudenken, sondern stattdessen eine solide umgehende Lösung braucht.

Mit anderen Worten: ich bin durch das Medizinstudium etwas weniger Denker und etwas mehr Macher geworden. Ganz wertfrei.

anni94
07.04.2016, 15:25
Ich muss sagen, dass ich durch das Studium ein dickeres Fell bekommen habe. Am Anfang haben mich Kritik und Stress stark angegriffen, mittlerweile stehe ich relativ gut drüber. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was mich im ersten Semester noch vollkommen aus der Bahn geworfen hat, dann kann ich da heute nur noch drüber schmunzeln. Kann aber natürlich auch sein, dass das nicht nur der Prozess während des Studiums war, sondern auch das allgemeine "Erwachsenwerden".