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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : war das ein notfall in der neuro - ambulanz?



cerebrum.
09.04.2016, 20:59
hallo,

wir haben eine neuro ambulanz hier.

ich hatte noch nicht viele dienste in der notaufnahme, und frage mich, ob
folgendes ein fall für die notaufnahme war.

patienten kommt samstag vormittag in die neuro ambulanz.
sie sagt, sie denkt sie hätte einen ms schub. diagnose vor 4 jahren in unseren haus gestellt.
sie habe seit 2 tagen verschlechterung des allgemeinbefindens.
schwindel wird stärker, gleichgewichts/koordinationsprobleme, leichte probleme beim sehen,
und ataxien.

der neurologische status war in einigen bereichen aufällig, babinstki positiv,
edds 5, starke rumpf und standataxie, keine ms therapie.
vep, mrt usw.folgen in den nächsten tagen.

was meint ihr, hätte die patienten nicht bis montag warten können, und
sich dann beim hausarzt/neuro ambulant das urbason zu holen?
zumal ihr die meisten symptome auch bekannt waren....

ich möchte montag nicht gleich in der morgen runde was zu hören bekommen,
weil sie jetzt stationär ist.


help
cerebrum

WackenDoc
09.04.2016, 21:24
Ach- wenn du mal mitbekommst, wegen welchem Mist die Leute den Rettungsdienst rufen oder sich direkt in der Notaufnahme vorstellen, da ist das schon gerechtfertigt.
Ob die stationäre Aufnahme indiziert war oder ob man sie hätte ambulant behandeln können, kann ich rein fachlich nicht beurteilen. Sprecht ihr sowas nicht mit dem Hintergrund ab?

Reflex
09.04.2016, 21:27
1. Meiner Erfahrung nach sind die Neurologen und Hausärzte, die Iv. Kortison ambulant geben, zumindest bei uns relativ überschaubar.
2. Wenn die Patientin eine Klinik hat und du in der Aufnahme nicht sicher evaluieren kannst, was neu ist und was womöglich alt, würde ich jemanden immer aufnehmen. Wenn keine Therapie besteht, muss ggf. die Diagnose/ Verlaufform überprüft werden.

Hauptsache du hast DD wie z.B Infekte, die durch Akzentuierung älterer Symptomatik und Allgemeinzustandveschlechterung einen Schub klinisch simulieren könnten, ausgeschlossen.

BTW: Morgenrunden sind in der Regel Verkaufveranstaltungen. Präsentiere deinen Fall fundiert und souverän. Dann kommen auch keine Nachfragen.

bristol
09.04.2016, 21:31
Ich denke, da ist beides vertretbar: In meiner ersten Klinik hätte man ihr als bekannter Patientin in der Notaufnahme Blut und Urin abgenommen, sie internistisch-neurologisch untersucht, Urbason i.v. gegeben, sie wäre am Sonntag wieder in die NA gekommen und am Montag das Ganze in der Neuroambulanz - wobei manche Oberärzte wohl auch nur Blut und Labor gewollt hätten und sie ganz auf Montag verschoben hätten.
In der zweiten Klinik hätte man sie dafür stationär aufgenommen, da notorische Bettenfreiheit herrschte...Medizinisch ist es wohl nicht so der riesen Unterschied, hängt wohl auch von ihrem Leidensdruck, Grad der Verschlechterung, Anfahrt etc ab.
Edit: Wenn anscheinend eine größere Diagnostik indiziert ist, finde ich ne Aufnahme sinnvoll. Und nur aus Interesse: Warum hat sie gar keine Therapie trotz vierjähriger Diagnose?

anignu
10.04.2016, 01:45
Grundsätzlich: einen Patienten stationär aufzunehmen ist zunächst niemals ein Fehler. Aber es kann ein Fehler sein einen Patienten nicht stationär aufzunehmen. Im Zweifel: immer aufnehmen. Und offensichtlich zweifelst du, insofern hast du die richtige Entscheidung getroffen.

Wenn ich mir nicht sicher bin, nehm ich die Leute auf und hol mir von mir aus auch am nächsten Tag den Anschiss ab. Vollkommen egal. Lieber 100mal Anschiss abgeholt als einmal richtig Mist gemacht. Und wenns (dann im Nachhinein) nicht gerechtfertigt war, dann hat immerhin die Klinik Geld verdient und man selbst was gelernt.
Wenn du mal viele viele Dienste gemacht hast, dann bekommst irgendwann ein Gefühl welchen Patienten du ambulant lässt und welchen stationär aufnimmt. Ich hab da jetzt keine Ahnung von Neuro, aber beim Thema Bauchschmerzen entscheidet sehr oft das Bauchgefühl des Notaufnahmearztes über stationär oder ambulant. Und im Zweifel heißt es: aufnehmen.

Ich glaub ich will es noch mehrmals wiederholen damit es auch alle lesen: im Zweifel -> aufnehmen.
Lass den Anschiss Anschiss sein, als Assistent wirst du noch viel Anschiss bekommen. Trotzdem auch in Zukunft: im Zweifel aufnehmen.

Reflex
10.04.2016, 07:06
Unabhängigkeit von der klinisch uneindeutigen Symptomatik deiner Pat. (was per se für mich schon alleine ein Aufnahmegrund wäre), würde ich einen Pat. immer eine Kortisonstoßtherapie bei einer Krankheitslatenz von unter 5 Jahre (da ist es noch am effektivsten) im Schub schnellst möglich zu kommen lassen, weil das die Prognose der Schubdauer wesentlich verbessert. Wenn eine ambulante sofortige Versorgung nicht gewährleistet ist (Wochenende oder es ist nicht klar ob der niedergelassene Kollege die Therapie ambulant macht), würde ich den dann auf jeden Fall übers Krankenhaus behandeln. In unserem KH war ambulante Anbindung organisationstechnisch nicht möglich. Daher wurde dann oft stationär aufgenommen und die iv. Therapie in Einzelfällen poststationär weitergeführt.

cerebrum.
10.04.2016, 07:58
danke für die unterstützung! manchmal bin ich noch unsicher gerade in der notaufnahme.
naja das wird sich hoffentlich bald ändern!

gestern bei der patientin blut und urin untersucht, alles o.b.
ab heute läuft urbason für 3 tage, evtl 5 tage je nach befinden.

patientin will keine ms therapie, weil sie tysabri, gilenya durch hat,
aber unter der therapie weiterhin schübe hatte. angeblich 3-4 schübe im jahr.
ihr geht es besser ohne medikation als mit.

mal sehen was der chef morgen sagt! medikation sollte nochmal thema sein!
was tun wenn patienten therapie ablehnt?

oa kennt die patientin, und hat stationär abgesegnet!
er wird sie heute anschauen.

WackenDoc
10.04.2016, 08:41
Na, siehste- dann ist das Problem mit dem Anschiss wegen der Aufnahme schonmal vom Tisch.

Wenn die Patientin eine andere Therapie ablehnt, weil es ihr ohne besser geht, dann ist das halt so. Dann bekommt sie keine Therapie. Wenn sie mit Cortisonstosstherapie im Schub gut klar kommt, ist doch gut.

Pflaume
10.04.2016, 09:35
Ich finde, daß man im Zweifel (nicht nur als Anfänger) Leute im Dienst immer stationär aufnehmen kann. Die Alternative dazu ist, daß die OÄ nachts geweckt werden für die Frage, ob jemand stationär aufgenommen werden soll. In Fällen, in denen man sich nicht ganz sicher ist, würde ich als Anfänger auch großzügig den OA anrufen. Selbst als Fast-Facharzt habe ich es nachts schon bei eigentlich relativ banal wirkenden Patienten, bei denen ich wegen irgendeiner Unsicherheit nachts den OA angerufen habe, erlebt, daß der OA dann doch noch eine wichtige diagnostische / differentialdiagnostische / therapeutische Idee hatte, an die ich primär nicht gedachz habe.

In meiner alten Klinik gab es zum Schluß ab und zu Mecker vom Chef, weil Patienten stationär aufgenommen worden waren, von denen er glaubte, daß die stationäre Behandlung vom MDK gestrichen wird. Aber eine Logik, nach der man sich hätte richten können, habe ich hinter seinen diesbezüglichen Einschätzungen nie erkennen können.

Insofern sind tatsächlich vor allem zwei Dinge wichtig: 1) Schlüssige Präsentation wie von Reflex angesprochen und 2) dickes Fell, das sich nicht nachvollziehbares Geblubber vom Chef nicht zu sehr zu Herzen nimmt. Alternativ großzügig die OÄ wecken.

Reflex
10.04.2016, 13:39
was tun wenn patienten therapie ablehnt?

Nichts! Deine Aufgabe ist es die Behandlungsoptionen zu erklären und Therapiempfehlungen aus zu sprechen. Wenn sie das ablehnt, ist das ihr gutes Recht. Dann sollte man sie nur gut über die Prognose bei vermutlich hochaktiver MS umfassend aufklären und das Ganze lückenlos dokumentieren. Mehr kann man dann erstmal nicht für sie tun.

Reflex
10.04.2016, 13:48
Na, siehste- dann ist das Problem mit dem Anschiss wegen der Aufnahme schonmal vom Tisch.

Wenn die Patientin eine andere Therapie ablehnt, weil es ihr ohne besser geht, dann ist das halt so. Dann bekommt sie keine Therapie. Wenn sie mit Cortisonstosstherapie im Schub gut klar kommt, ist doch gut.

Wobei man der Pat. ganz klar kommunizieren muss, dass eine Kortisonstoßtherapie über die Schubtherapie hinaus deutlich weniger Einfluss auf die Langzeitprognose der Erkrankung hat und der gesamte Verlauf erheblich durch eine Basis-/Eskalationstherapie beeinflusst wird. Wenn sie wirklich so hochaktiv ist, wie es sich liest, könnte man ja evaluieren, ob sie vielleicht sogar für Alemtuzumab in Frage kommt.

Anne1970
10.04.2016, 15:53
Ich würde auch lieber auf Nummer sicher gehen. Wenn die Klinik objektiv oder auch nur subjektiv verschlechtert ist, du eine Infektion ausgeschlossen hast, kann der Pat./ die Pat. von Urbason 1000 i.v./d ( Magneschutz, Kaliumsubstitution und Thromboseprophylaxe nicht vergessen) ab sofort für drei (- fünf) Tage sehr profitieren. Wenn es noch keine Schubprophylaxe gibt (falls schubförmig) könnte eine solche in dem stat. Aufenthalt indiziert und ggf. schon eingeleitet werden.

cerebrum.
10.04.2016, 19:27
bzgl. eskalationtherapie, ja sie ist hochaktive erkrankt.
allerdings ist die patientin bestens informiert, was das thema therapie anbelangt,, sie war krankenschwester.
jetzt emr mit 38 jahren, aufgrund m.bechterew, oesteoporose und ms.

ich wurde schon bei der eingangsuntersuchung von ihr angesprochen,
weil ich seiltänzer scheinbar vergessen hatte.

stimmt hatte ich vergessen, brauchte sie aber nicht zu wissen!
ging eh nicht, wegen starker stand/rumpfataxie.

sie liegt bei mir auf station, mal sehen wie es weiter geht.

danke für eure rätschläge! aller anfang ist schwer ;-)

Anne1970
11.04.2016, 07:30
Gerade zu Anfang, aber auch später, wird man nicht vermeiden können, sich wegen einer Aufnahme rechtfertigen oder kritisieren lassen zu müssen.
Meiner Erfahrung nach hilft es, wenn man diesezüglich ein eigenes "Standing" entwickelt. Klar, das wird durch fachliche Kompetenz im Verlauf leichter.
Aber schon als Beginner kannst du dir eine eigene ...ich sag mal "Richtschnur" erarbeiten: Frag dich (übrigens, egal in welchem Fach) bei einer Entscheidung ( ob Aufnahme, Diagnostik, Intervention - völlig egal) was würde ich für mein Kind/Bruder/Schwester/Onkel/Tante/Mutter/Vater/Oma/Opa (oder mich selbst?) wollen ( bzw. nicht (mehr?) wollen). Damit meine ich nicht, dass man (arrogant) für den Patienten entscheidet: aber z.b. für mein Kind würde ich persönlich lieber auf "Nummer Sicher" gehen.
Dann hast du deine eigene Überzeugung, die du auch "überzeugend" vertreten kannst ( in Patientenberatung oder z.b. im Morgenbericht).
Natürlich immer die Forensik/eigene Absicherung beachten!(OA-/Hintergrund-Entscheidung nötig? Patienten-/ Betreuer-Wunsch dokumentieren/unterschreiben lassen)

btw: Wenn der Patient ins Krankenhaus kommt, scheint der Leidensdruck hoch zu sein. Aus unterschiedlichen Gründen. Bei MS oft auch auf psychosozialer Ebene.

febee
24.04.2016, 18:47
Ich versteh dich vollkommen cerebrum. Wie schon vorher gesagt, hab ich fur mich einfach versucht ne Richtlinie zufinden....z.b. Im letzten Dienst kam um 06:45 uhr ne mMutter mit nem 5jährigen mit bek immunschwache. Hat wohl ne schwellung retroaurikular. Ich frag sie wie sie es sonst bwi Fieber und lymphadenitis macht. Antibiotika per os. War mir nicht sicher ob das stimmt. Habs aufgenommen....Kollegen rufen dann in der uniklinik an und dort meinen die hochdosis iv antibiotika und rundum Diagnostik wie rö-tx ct Schädel hno konsil....soviel zu Antibiotika per os...

Also echt lieber einen mehr aufnehmen als später was zu übersehen..mussthalt auch gur argumentieren gegenüber mdk. Einmal hab ich ein Kind aufgenommen das um 3 uhr kam mit Fieber weil ich einfach dachte dass es wohl so schlimm sein muss dass man um 3 uhr kommt