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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Stress - Angst - Fehler



ATP
02.05.2016, 23:42
Hallo Ihr Lieben,
die Arbeit wird gefühlt immer mehr und das Personal weniger. Man arbeitet oft im Stress und oft sehr schnell, weil einfach alles zuviel ist. Ich finde, da sind Fehler irgendwie vorprogrammiert.
Wie geht Ihr hier mit Eurer Angst um?

Ich hab das Gefühl, dass ich mit mehr Erfahrung immer mehr "grüble". Ich ertappe mich dabei, wie ich zu Hause über meine Patienten nachdenke und auch mal auf Station anrufe, um noch dies und jenes abzufragen oder zu klären. Sicher wäre dies weniger der Fall, wenn ich mehr Ruhe & Zeit für die Aufnahmen hätte. Als ich unerfahrener war, war dies nicht der Fall. Da konnte ich fast besser abschalten als jetzt.

Könnt Ihr das immer alles direkt nach Dienstschluss hinter Euch lassen?
Habt Ihr keine Angst, etwas wichtiges zu übersehen?

Kackbratze
03.05.2016, 05:03
Nope. Kein Problem. Job it Job und Privat ist Privat.
Für alles Andere gibt es den Nachtdienst.

P.S. Du kannst sie nicht alle retten, jeder wird irgendwann sterben.

Miss
03.05.2016, 11:11
Manchmal beschäftigen mich Patienten auch, aber auf Station anrufen, das habe ich mir untersagt :-) Jeder ist ersetzbar, damit meine ich, daß ich einfach irgendwann Feierabend und Wochenende haben, und die Patienten das meist überleben, wenn ich mich nicht mehr um sie kümmere ;-)
Wichtiges wird übergeben und ist ja auch aufgeschrieben. Ich werde immer mal was übersehen, auch das werden die Kollegen schon bemerken. Ich trau denen einfach zu, daß sie ihren Job gut machen. Daher lasse ich nach Dienstschluß einfach die Arbeit im Krankenhaus (wo sie hingehört) :-) (Mir gehen Kollegen schrecklich auf die Nerven, die noch dreimal anrufen, weil sie was vergessen haben...)

Natürlich gibts auch mal den ein oder anderen Patienten, wo man noch drüber nachdenkt oder später mal nachguckt, wie das gelaufen ist. Aber das sind eher Ausnahmen. Sonst macht man sich auch wirklich verrückt.

Als Notärztin frage ich mich auch manchmal, ob die und die Entscheidung richtig war, wenn ich die Patienten bspw. zuhause lasse oder das mit ihnen bespreche. Aber man muß auch einfach in seine Fähigkeiten vertrauen. Ich kann nicht alle Patienten einweisen oder begleiten, ganz ähnlich wie im KH, wo man Patienten dann auch abgibt...

febee
08.05.2016, 08:57
@Kackbratze: Sag mal hast du dir mal überlegt einen med. Satire-Blog zu schreiben?

Also anrufen würde ich auch nie. Aber andererseits schaue ich auch nachts nicht alle AKten durch und ergänze die Anordnungen....aber wenn mir gesagt wird, dass man gerade eben einen mit v.a. mengitis oder commotio kind mit schlechten AZ aufgenommen hat (ja Pädiatire), dann schaue ich mir die dann wenigstens 2x mal nachts an..

Kackbratze
08.05.2016, 12:17
Zum bloggen bin ich nicht hip genug.
Du redest hoffentlich vom Nachtdienst, ein Kind mit schlechtem AZ regelhaft von zu Hause aus dann anzuschauen finde ich ein wenig...nunja, zu berufsverliebt...ihr seid doch Generation Y! Wo bleibt euer unbedingter Wille zu work-life-balance?

febee
08.05.2016, 14:45
Ich meinte auch im Rahmen MEINES nachtdienstes du Scherzkeks..irgendwann macht denke ich jeder mal einen Fehler. Wie heißt es dann so schön Hauptsache man lernt was draus.

WackenDoc
08.05.2016, 14:49
Wir machen alle Fehler, das ist ganz normal. Man kann schwere Folgen von Fehlern durch Sicherheitsmechanismen minimieren (gibt da eine sehr anschauliche Grafik mit mehrern löchrigen Scheiben), aber man wird sie nie kompett verhindern können.
Leider ist die Organisations- und Kommunikationskultur vieler Kliniken nicht dafür optimiert, schwere Fehler zu verhindern.

Kackbratze
08.05.2016, 15:54
Oder offen zu kommunizieren, so dass Alle daraus lernen können.

arbeiter79
08.05.2016, 18:31
Fehler passieren und wenn man daraus lernt ist das super. Aber ich hab Angst das man verklagt wegen eines Fehlers. Dann bringt einem der gute Umgang mit Fehler auch nichts.

klingelpütz
08.05.2016, 20:40
Wer von Euch hat denn an der Klinik ein funktionierendes CIRS? Bei uns gibt es das zwar prinzipiell, aber in Benutzung ist des nicht.

Eilika
09.05.2016, 19:40
Bei uns gibt es eines und es wird auch genutzt. Etwas öfter von der Pflege, aber ich mache sicher so 1 bis 2 Meldungen pro Quartal. Weiß aber, dass viele das weniger machen als ich. Wobei ich meine Assistenten dazu anhalten...

klingelpütz
09.05.2016, 22:03
Was dokumentierst Du denn da inhaltlich zB? Hast Du da gerade etwas zur Hand? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass "kleine" Fehler auch diskutiert werden, aber über das, was wirklich schief gegangen ist oder schnell hätte schief gehen können, keiner redet und es beiseite wischt. Dummerweise bewahrheitet sich aber der Spruch "aus Fehlern lernt man" immer wieder. Nur wenn sie nicht aufgearbeitet werden, weiß ich nicht, wie das gehen soll.

Kackbratze
09.05.2016, 22:56
Das CIRS bei uns wird kaum bis garnicht genutzt, da es nicht alle Abteilungen umfasst.
Wir haben 1x monatlich M&M-Konferenz innerhalb der Abteilung, da werden auch Dinge angesprochen, die ins CIRS gehören würden und sie werden tatsächlich wertfrei innerhalb der Abteilung aufgearbeitet.

Christoph_A
10.05.2016, 07:40
Die Fehlerkultur in deutschen Krankenhäusern ist oftmals einfach als katastrophal zu bezeichnen. liegt aber auch daran, daß die ganzen CIRS und MMR Bögen ja meist nur als Denunziationstool seitens ärztlicher/pflegerischer Leitungen genutzt werden und oftmals einfach ein Schuldiger gesucht wird, den man dann wie die sprichwörtliche S** durchs Dorf treiben kann. Außer natürlich, es war jemand aus der obersten Heeresleitung, dann nennt man Fehler schicksalhafte Verläufe.
Von einem offenen Fehlermanagment sind wir in D sehr weit entfernt.

Absolute Arrhythmie
10.05.2016, 08:14
Die Fehlerkultur in D ist wirklich gruselig. Allerdings kann ich nicht beurteilen wie es in anderen Ländern ist. Hier jedenfalls beschränkt die "Kultur" sich meist darauf, anderen die Schuld zuzuweisen.
Allerdings gibt es an meiner Klinik seit Jahren schon ein CIRS. Mittlerweile wird da auch einmal im Monat ein interessanter Case veröffentlicht und diskutiert. Das finde ich schonmal gut.

Bandwurm
10.05.2016, 14:44
Bei uns gibt es CIRS seit kurzen, ist noch ein vorsichtiges Ausprobieren. Bei uns ist ein Kleinkind unter dem Treppengeländer durchgerutscht und nur die Windel, mit der es hängengeblieben ist, hat einen 3 Meter Sturz verhindert. Nach einer CIRS-Meldung, war das Problem so was von schnell erledigt, dass hätte ich anderweitig sicherlich nicht so flott hinbekommen. Also bis dato: Erster Eindruck recht vielversprechend.

Kackbratze
10.05.2016, 16:30
Tragen die Kinder jetzt keine Windeln mehr?

Lava
11.05.2016, 20:36
Ich finde wir sind etwas vom Ursprungspost abgekommen. Mir kommt das Problem bekannt vor. Ich denke zuhause auch oft über die Arbeit und Patienten nach. In meiner alten Klinik noch häufiger als in meiner jetzigen, aber ich habe immer wieder mal das Gefühl der Hilflosigkeit. Dass ich Patienten nicht wirklich helfen kann. Vor allem die alten Omis ohne soziales Netztwerk tun mir leid, die bisher noch so leidlich über die Runden gekommen sind und die dann durch einen Sturz oder einfach nur aufgrund von Schmerzen bei degenerativen Erkrankungen im Krankenhaus landen. Wird nix operiert, wird der Patient so schnell wie möglich entlassen - an seiner Situation haben wir aber leider nichts geändert. Sowas bedrückt mich irgendwie.

Manchmal fallen mir auch auf dem Heimweg Sachen ein, die ich vergessen habe (nochmal mit einem Patienten reden, irgendwelche Röntgenbilder oder Laborwerte nachgucken). Wenn es nichts Wichtiges ist, ignoriere ich das. Wenn es was Wichtiges ist (z.B. wenn es eine für den nächsten Tag geplante OP betrifft), rufe ich auch nochmal in der Klinik an.

Ich denke schon, dass es krankhaft sein kann, wenn man gar nicht mehr abschalten kann und sein Privatleben zu sehr von der Arbeit beeinflussen lässt. Mich würde es daher auch interessieren, ob es bei euch hausinterne Angebote/Kurse/Seminare zur Stressbewältigung gibt. Wenn man das zu lange einfach laufen lässt, landet man sonst irgendwann beim Psychiater.

Miss_H
11.05.2016, 21:32
Ich bin zwar Student, aber da hat man ja auch Jobs. Lava, hat ja schon den Punkt angesprochen, ist es jetzt relevant oder kann es bis morgen warten. Alles was warten kann schreibt man auf einen Zettel und er kommt zum Schlüssel und kann man morgen erledigen. Falls es was wichtiges ist muss man wohl anrufen.

anignu
11.05.2016, 22:03
Es ist ja dann immer alles die Frage nach Maß und Ziel. Ich ruf auch in der Klinik an wenn ich was Wichtiges vergessen hab. Aber das kommt nur einmal alle paar Monate vor. Wenn ich einen Katastrophentag hatte und ich vollkommen durcheinander die Klinik verlasse. Ansonsten hab ich Listen. Und ich geh erst heim wenn die Liste abgearbeitet ist oder der Punkt auf der Liste für den nächsten Tag steht. Das Heimkommen ist zwar dann manchmal eher spät, aber dafür bin ich wenn ich heimkomm völlig entspannt, weil ich nicht mehr an die Klinik denk weil meine Listen abgearbeitet sind.

Außerdem hab ich mir angewöhnt eher großzügig mit Diagnostik umzugehen. Im Zweifel macht man halt ein Labor zu viel. Oder ein Röntgen. Oder ein CT. Wenn ich schon drüber nachdenk ob ein CT Sinn macht, dann macht es meist Sinn. Und wenns nur darum geht einen Zweifel auszuschließen, dass ich nachts gut schlafen kann.