PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Uni HD für EU-Ausland und Nordamerika von Vorteil?



medcat
08.05.2016, 12:00
Hallo meine Lieben,

ich studiere an der Uni Heidelberg und brauche mal euren Rat. Ich habe mich in Heidelberg an der Uni nie wohlgefühlt (snobby Leute, wahnsinnig viele Pflichtveranstaltungen, die mir persönlich nichts bringen, weil ich aus Vorlesungen so gut wie nichts mitnehme,...) und wollte deshalb auch immer die Uni wechseln zum Klinischen Abschnitt.

Ich würde später u.U. gerne das Amerikanische Stex machen und versuchen in den USA zu arbeiten. EU Ausland könnte ich mir auch vorstellen. Jetzt eben meine Frage: Hat ein Abschluss von HD wirklich so viel Gewicht und wird hilfreich sein, um später ins Ausland zu kommen? Heidelberg stellt sich immer als die Medizinische Fakultät von Weltruf dar, aber ich zweifle da ja etwas dran....Ich strebe keine Karriere in der Forschung, etc. an. Ich möchte einfach nur ganz stinknormal als Ärztin arbeiten.

Was meint ihr? Verbaue ich mir durch einen Wechsel all zu viel? Oder ist es das wert, nochmal relativ unglückliche Klinikjahre hier zu verbringen? Ich würde mich da auch ein wenig nach dem Angebot richten, also ich hätte Unis wie Kiel, Marburg, Köln, Bonn, Leipzig, im Auge...

Vielen Dank für Eure Hilfe!

R4nd0m
08.05.2016, 13:40
Wichtig für eine US-Residency ist (neben den USMLE-Score) "echte" US-Clinical Experience sowie Empfehlungsschreiben von in den USA praktizierenden Leuten.
(und noch einiges mehr, was aber wohl hier den Rahmen sprengen würde)

Du solltest kurz gesagt so viel Zeit wie möglich in den USA sein. Dafür ist Deine Heimatuni erstmal zweitrangig.

Wichtiger kann es da schon sein, ob entsprechende Kontakte deiner Uni zu den USA bestehen, über die du dann ggf. leichter nach "drüben" kommst als ohne Vitamin B.

Falls es konkrete Kooperationen (bzw. -möglichkeiten) in HD gibt (die du auch nutzen kannst bzw. die dir offenstehen), kann HD ein gutes Sprungbrett sein.

An deiner Stelle würde ich in HD bleiben. Ich habe schon öfter gehört, das es dort Kooperationen gibt bzw. das die CV's von deutschen Postdocs, Residents etc. Heidelberg als deren frühere Medical School aufweisen. München ist auch relativ oft vertreten.

medcat
08.05.2016, 16:57
Danke, R4nd0m!

Hm, habe mir das jetzt nochmal angeschaut, die Kooperation von HD mit den USA.... also ich hätte da keine Chance, über diese in die USA zu kommen. Sind nur 2 Unis, die Duke und Texas, die aber jeweils auch nur 1 bis 2 Studenten für ein PJ Tertial aufnehmen. Noch dazu, mindestens ne 1 oder 2 im 1. Stex (davon bin ich weit entfernt...) und halt sonst auch Top Noten... Wenn ich es in die USA schaffen würde, dann eher weil ich 'along the way' Leute kennenlerne, die mir Türen öffnen, aber eben nicht durch diese Top Noten. Ich müsste das alles wirklich selber organisieren, denn darauf, über eine dieser Kooperationen in die USA zu kommen kann ich wirklich gar nicht bauen.

Eine für mich wirklich schwierige Entscheidung, denn einerseits denke ich, jetzt bist du schon mal in HD. Andererseits zieht mich das snobby und kühle Umfeld hier psychisch wirklich runter, so das ich mich auch frage, ob es mir das wert ist, die Zeit bis zum PJ hier im wahrsten Sinne des Wortes auszuharren und mich ständig versuchen 'happy' zu halten (was auch anstrengend ist, mir HD ständig schön zu reden), damit ich nicht alles hinschmeisse.

Noch jemand, der Vorschläge hat?

davo
08.05.2016, 17:53
Das Wesentliche wurde meiner Ansicht nach schon gesagt. Ohne gute USMLE-Scores hat man keine Chance, und U.S. clinical experience erhöht die Chancen deutlich (bzw. wird von vielen Programmen auch explizit vorausgesetzt). Ich persönlich glaube nicht, dass man in den USA sehr viel von deutschen Unis hält. Auch nicht von Heidelberg. Die Tatsache, dass es auch anderswo Spitzenforschung (oder Spitzenmedizin) gibt, ist dort eher eine Minderheitenmeinung :-)) Und auch wenn man in den USA studiert hat, ist die Herkunftsuni nicht sehr bedeutsam. Die USA sind insgesamt einfach sehr meritokratisch - was man aus seinem Umfeld gemacht hat, ist viel wichtiger, als aus welchem Umfeld man kommt. Kontakte werden dir in den USA keinen Platz verschaffen. Kontakte sorgen vielleicht dafür, dass deine Bewerbung etwas näher angesehen wird - aber wenn deine Ergebnisse nicht gut sind, wirst du trotzdem keine Chance haben.

Deshalb meine Empfehlung: Wenn dich die Atmosphäre in Heidelberg runterzieht, dann wechsle. Dann wirst du auch bessere USMLE-Scores schaffen, was wiederum deine Chancen signifikant erhöht. Am Ende macht ohnehin nur ein kleiner Teil derer, die immer von den USA geträumt haben, das USMLE, und ein noch kleinerer Teil bewirbt sich dann auch wirklich, und bekommt auch einen Platz. Der Step 1 ist ja nicht gerade einfach - da ein kompetitives Ergebnis zu schaffen, ist sicher deutlich schwerer, als das Physikum zu bestehen. In vielen Fächern hat man ja selbst als US-Amerikaner nur als absoluter Top-Student eine Chance. Und in family medicine wird vielerorts fast jeder mit ECFMG-Zertifizierung genommen (jedes Jahr viele Plätze, die im Match nicht besetzt werden können). Und falls es dann doch eher das EU-Ausland wird: da ist die Uni ja erst recht irrelevant.

Nessiemoo
08.05.2016, 18:20
Ich würde noch folgende Punkte aufschreiben für dich zu bedenken:
- In der Vorklinik in HD sind noch nicht so viele Pflichtveranstaltungen, wenn man jetzt mal ehrlich ist. Wenn man die integrierte Vorlesung nicht besucht, hat man doch meistens 1-2 Tage pro Woche ohne Pflichtveranstaltungen, und dann ein paar Seminare/Praktika. Das wird im klinischen Abschnitt dann doch erstmal viel mehr. (Auch wenn ich finde, dass man in Klinik ohne Anwesenheit auch wenig lernen kann, aber das mal beiseite), da hat man erstmal jeden Tag mehrere Stunden Pflichtveranstaltungen, teilweise 6-8h.
- Ich glaube nicht, dass es andere Unis viel weniger Anwesenheitspflicht haben - wenn es dich aber interessiert, versuche die Stundenpläne von anderen Unis zu kriegen und vergleichen.
- Für den sehr beliebten PJ-Austauschprogramm muss man, wie du richtig schon weiß Physikum mit 2 oder höher haben UND eine gute klinische/experimentelle Doktorarbeit.
- Erasmus-programm ist andererseits in Heidelberg wirklich sehr gut mit vielen Plätzen, da zählen auch die Noten viel weniger als Sprachenkenntnisse und soziales Engagement.
- Bei >300 Leuten aus verschiedenen Hintergründen, inkl 20% Wartezeitquote im Jahrgang finde ich es immer noch schwer zu glauben, dass da alle Leute snobisch und kühl sind, in der Klinik wird ja dann nochmal ordentlich durchgemischt zwischen Jahrgängen in den Kursen...da stellt sich die Frage, ob du an einer anderen Uni, die dann noch kleiner und weniger Auswahl an potentiellen sozialen Kontakten bietet, wirklich viel glücklicher wirst?
- Insgesamt willst du von dem Ruf von Heidelberg profitieren, gleichzeitig bist aber genervt davon. Da musst du erstmal entscheiden, was dir wichtiger ist. ;)

Haricotrouge
10.05.2016, 13:15
Ich studiere auch in Heidelberg und kann schon auch verstehen, dass einem die Kommilitonen manchmal auf die Nerven gehen. Aber in den ersten Semestern sind es immerhin fast 400 und darunter sind viele, die nicht snobby, kühl und überehrgeizig sind sondern interessiert, engagiert und die die Uni auch nicht zu ernst nehmen. Vielleicht musst du dem ganzen mehr Zeit geben? Nach dem Physikum ändert sich auch nochmal viel, weil Gruppen neu zusammengewürfelt werden.

Und was die Austauschprogramme angeht: es gibt ähnlich zum Erasmus-Programm auch Austauschplätze in Kentucky (ich hab gehört es ist nicht schwer ienen Platz zu bekommen weil sich nicht viele bewerben) und soweit ich weiß immer mal wieder Famulaturplätze (zB in Kalifornien). Viele wissen davon nicht, deshalb hält sich die Konkurrenz um die Plätze in Grenzen. Aber du kannst ja auch einfach mal zu Fr. Lampe gehen und dich erkundigen was es für Möglichkeiten gibt. Selbst organisieren in den USA ist glaube ich oft ziemlich teuer weil du Studiengebühren der dortigen Uni bezahlen musst. Und wenn du ins europäische Ausland willst gibt es glaub ich nicht viele Unis die so viele Erasmusplätze haben wie HD und es ist auch nicht schwierig, einen Platz zu bekommen. Ich war im Physikum nicht besonders gut aber für die Erasmusbewerbung zählen eher Sprachkenntnisse und Engagement.

Und was die Pflichtveranstaltungen angeht: in der Vorklinik hält sich das noch in Grenzen finde ich, natürlich sind Praktika und Seminare nervig aber wenn man die Vorlesung nicht besucht hat man auch schonmal 1-2 Wochen frei und Fehltermine gibts ja auch noch.
In der Klinik werden die Pflichtveranstaltungen nicht weniger aber die Anwesenheit wird oft nicht kontrolliert, sodass du letztendlich doch ziemlich oft fehlen kannst. Und die Lehre in der Klinik ist mit der Vorklinik nicht zu vergleichen, ab der Klinik merkt man eher den "Eliteuni" Status von HD und das Geld, dass in Lehre und Ausbildung fließt. Kleine Gruppen, viel praktischer Unterricht und enger Kontakt zu Dozenten haben mich in der Klinik bisher mehr motiviert als das in der Vorklinik je der Fall war.

Ich will dir HD nicht schönreden, wenns dir nicht gefällt und du die Möglichkeit hast dann wechsel, aber die Vorklinik ist nicht alles und das Studium wird danach besser ;)

medcat
11.05.2016, 12:24
Haricotrouge - vielen, vielen Dank für deinen Einblick! Ok, also in der Vorklinik war ich hier gar nicht zufrieden, fand die Lehre auch nicht so brilliant wie immer suggeriert wird - aber vielleicht wird es in der Klinik wirklich besser, deinem Urteil nach. Hatte einfach nur Angst, dass die Pflichtveranstaltungen in der Klinik wirklich 6h am Tag sind, so wie Nessiemoo geschrieben hat - ich bin nicht faul, aber meine Aufmerksamkeitsspanne reicht für so etwas nicht aus, ich schalte dann ab, was bedeutet Lerneffekt gleich null. Dann kommt man todmüde nach Hause und hat im Prinzip immer noch nix gelernt....Das war so mein Gedanke - ich weiss aber, dass man an vielen anderen Unis wirklich nur max. 3 h am Tag Anwesenheitspflicht in der Klinik hat. Glaube schon, dass es in HD etwas strenger ist.

Davo, danke auch für deine Einschätzung. Family Medicine könnte ich mir persönlich sehr gut vorstellen - glaube letzen Endes ist es wirklich die Entscheidung, ob mir HD auf dem Diplom wichtig genug ist, hier nochmal die Klinik zu absolvieren....

Haricotrouge
11.05.2016, 22:02
Die Lehre wird auf jeden Fall um Längen besser! Und es gibt auch Vorträge und Vorbereitungsseminare für das amerikanische Staatsexamen die du noch zusätzlich machen kannst, das hatte ich in meinem anderen Beitrag vergessen zu erwähnen.

Anwesenheitspflicht ist von Block zu Block sehr unterschiedlich, aber in Innere muss man z.B. in keine Vorlesung anwesend sein und im Modulunterricht wird Anwesenheit meist auch nicht kontrolliert. Theoretisch kannst du dann den ganzen Tag fehlen, erstrecht wenn du jemanden hast der im Zweifeslfall für dich mit unterschreibt - bringt aber nicht so viel weil man dann auch nix lernt ;) Und die praktischen Kurse sind anwesenheitspflichtig weil es teilweise Gruppen von 3 Leuten sind und dann fällts auf wenn man fehlt. Ich war auch immer ein großer Gegner von Anwesenheitspflicht und mir hat es deshlab ein wenig vor der Klinik gegraust aber letztendlich ist es weniger schlimm als gedacht, vorallem die Propädeutik (1. Sem nach dem Physikum) ist echt entspannt. Aber ich hab noch nicht alle Module der Klinik durch und es sind wohl auch welche dabei, wo das alles strenger gehandhabt wird und man oft da sein muss und kaum fehlen darf.

R4nd0m
17.05.2016, 10:58
Die USA sind insgesamt einfach sehr meritokratisch - was man aus seinem Umfeld gemacht hat, ist viel wichtiger, als aus welchem Umfeld man kommt.


Zur Meritokratie: Das habe ich schon häufiger gehört, aber ist das auch wirklich so?

Ich kann die Steine bald nicht mehr zählen, die mir in den Weg gelegt wurden / werden, aber ob mein erfolgreiches Lösen solcher Probleme positiv ausgelegt wird - im Vergleich zu jemandem, die nie mit ernsthaften / existenzbedrohenden Problemen konfrontiert war - wage ich zu bezweifeln.

Falls dem so sein sollte, "echte" Problemlösungskompetenz also honoriert wird, fände ich das natürlich sehr gut. Leider sind mir solche Beispiele nicht bekannt. Kennt Ihr welche?

eny
21.05.2016, 17:58
Nun, wenn Du Dich in HD nicht wohl fühlst, dann würde ich gehen. Allerdings würde ich die Hochschule dann aber auch sehr genau auswählen und mich gut informieren, ob sie deine persönlichen Kriterien erfüllt, sonst wäre es ein unnötiger Stress.
Selber hab ich von HD genau das gehört, was Du geschrieben hast, kann aber aus eigener Erfahrung nichts beitragen.

medcat
03.06.2016, 19:19
Vielen Dank für die verschiedenen Blickwinkel! Ich habe nun herausgefunden für mich selber, dass mir der Name der Uni egal ist. Ich habe gemerkt, dass es mir am wichtigsten ist, an einer Uni zu sein, die wirklich gute, strukturierte, praxisnahe Lehre macht in der Klinik. Nun gut, ich glaube in HD ist das wohl schon so, hätte ich nicht solche Probleme mit der Atmosphäre dort und letzten Endes leidet da auch das Studium drunter..,Ich habe nun Leipzig in die engere Auswahl genommen, weil ich die Stadt wirklich sehr mag. Nur weiss jemand etwas zur Lehre in der Klinik dort? Ich habe mir alles detailliert auf der webseite angeschaut aber falls jemand mehr weiss über die Lehre und vor allem inwiefern man praktische skills beigebracht bekommt in Leipzig, dann her damit! Weil eny hat das schon richtig erkannt, unnötigen Stress will ich mir auch nicht aufladen mit irgendwohin tauschen ohne das gut recherchiert zu haben.