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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Adrenalin bei anaphylaktischem Schock: Warum zuerst i.m. und nicht i.v.?



schlaufuchs
20.05.2016, 19:59
Hey Leute,

Die Leitlinien zur Akuttherapie bei Anaphylaxie besagen, dass auch in hospitalisierter Umgebung Adrenalin als Erstmaßnahme i.m. gegeben werden soll (nachdem die Allergenzufuhr gestoppt wurde). Um genau zu sein 0,5 mg i.m. in den mittleren anterolateralen Oberschenkel (mit Wiederholung ggf. nach 3-5 min). Hier nun meine Frage: Warum i.m. und nicht wie bei der Reanimation i.v.? Welche Vorteile hat das? Ich mein eigentlich soll bei einem anaphylaktischen Geschehen ja auch eine möglichst schnelle Wirkung erzielt werden. (Hinweis: Laut Leitlinie ist der nächste Schritt bei nicht ausreichendem Ansprechen auf das i.m.-Adrenalin eine i.v. Gabe (1mg auf 9ml 0,9% NaCl), warum nicht also gleich im ersten Schritt so?)

Viele Grüße

FirebirdUSA
21.05.2016, 10:19
Hey Leute,

Die Leitlinien zur Akuttherapie bei Anaphylaxie besagen, dass auch in hospitalisierter Umgebung Adrenalin als Erstmaßnahme i.m. gegeben werden soll (nachdem die Allergenzufuhr gestoppt wurde). Um genau zu sein 0,5 mg i.m. in den mittleren anterolateralen Oberschenkel (mit Wiederholung ggf. nach 3-5 min). Hier nun meine Frage: Warum i.m. und nicht wie bei der Reanimation i.v.? Welche Vorteile hat das? Ich mein eigentlich soll bei einem anaphylaktischen Geschehen ja auch eine möglichst schnelle Wirkung erzielt werden. (Hinweis: Laut Leitlinie ist der nächste Schritt bei nicht ausreichendem Ansprechen auf das i.m.-Adrenalin eine i.v. Gabe (1mg auf 9ml 0,9% NaCl), warum nicht also gleich im ersten Schritt so?)

Viele Grüße

Wegen dem Nebenwirkungsprofil. Adrenalin wirkt auch i.m. relativ schnell hat aber deutlich geringer kardiovaskuläre Risiken als eine i.v. Gabe. Wenn du Monitoring (EKG, Blutdruck, etc.) hast und weißt das der Patient nicht kardial vorbelastet ist kannst du es natürlich auch i.v. geben, machen bei uns auch manche Anästhesisten so. In der Akutsituation die primär ja häufig erstmal unklar ist, ist i.m. aber mit deutlich weniger Risiken verbunden. Wenn es nicht hilft hast du bis dahin ja häufig Unterstützung, Monitoring angeklebt, etc., da ist dann die i.v. Gabe in einem ganz anderen Setting möglich.
Hast du mal erlebt wie es einem Patienten geht dem du wach Adrenalin i.v. gibst? Ist sehr beeindruckend..

schlaufuchs
21.05.2016, 14:23
Danke für deine Antwort!:-stud das leuchtet ein wenig ein und wäre ich so nicht darauf gekommen.


Hast du mal erlebt wie es einem Patienten geht dem du wach Adrenalin i.v. gibst? Ist sehr beeindruckend..
Nein habe ich nicht. Ich könnte mir aber Herzrasen, Palpitationen und Unruhe vorstellen?

Habe ehrlich gesagt auch noch nie eine i.m. Injektion in den lateralen Oberschenkel gemacht. Ist das nicht eigentlich eher ungewöhnlich? I.m. Injektionen haben wir in der Uni "nach von Hochstetter" (M. gluteus medius) gelernt. Oder bei Impfungen halt in den M. deltoideus..

FirebirdUSA
21.05.2016, 19:18
Nein habe ich nicht. Ich könnte mir aber Herzrasen, Palpitationen und Unruhe vorstellen?


Ich hab es einmal gesehen. Die Patienten war innerhalb von Sekunden kreideweiß, schreckensgeweitete Augen und wusste nicht wie ihr geschieht. Hat es als SEHR unangehm empfunden (max. Stressreaktion wird ja im Prinzip ausgelöst).



Habe ehrlich gesagt auch noch nie eine i.m. Injektion in den lateralen Oberschenkel gemacht. Ist das nicht eigentlich eher ungewöhnlich? I.m. Injektionen haben wir in der Uni "nach von Hochstetter" (M. gluteus medius) gelernt. Oder bei Impfungen halt in den M. deltoideus..


Nach Hochstetter Patient drehen und suchen ist halt im Notfall schwierig, ich denke da geht es einfach um eine Lokalisation wo man relativ leicht den Muskel trifft und wenig Chancen hat etwas anderes zu treffen. Im Prinzip ist es egal wo du im Muskel bist. Du solltest halt im Muskel auch sein.

schlaufuchs
22.05.2016, 14:38
Danke! :-)

Feuerengelchen
22.05.2016, 17:04
... mal ganz abgesehen davon, dass es mitunder nicht besonders einfach ist, bei einem schockigen Patienten einen i.v.-Zugang zu legen, sollte der Patient gerade keinen liegen haben.

Was den i.m.-Injektionsort betrifft: Für die "von-Hochstetter"-Methode müsste der Patient seitlich liegen ... mach es mal mit einem dyspnoeisch-kollaptischen Notfallpatienten.... und die Hose ist meist auch noch im Weg......
Außerdem gibt es Hinweise auf erhöhte Komplikationsraten bei den glutealen Injektionsmethoden (und die Technik ist m.E. auch fehleranfälliger), daher werden in den meisten Abteilungen, in denen ich bisher gearbeitet habe, Deltoideus (zum Impfen) und Vastus lateralis bevorzugt.

Nessiemoo
23.05.2016, 06:05
Hm, was macht man eigentlich bei einem stark adipösen Patienten? Da reicht doch gefühlt kein Nadel aus um wirklich Muskel am Oberschenkel zu erreichen?

Philip_MHH
23.05.2016, 07:23
Deswegen ja Delta. Da sollte man in aller Regel Durchs fett durchkommen.

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23.05.2016, 17:38
Anmerkung:
Es besteht durchaus die Möglichkeit Adrenalin bei iv. Gabe zu titrieren. 1mg in 100 NaCl und Mililiterweise spritzen bis zur Symptomkontrolle oder 0.5 in eine 500er VEL und dann eindosieren. Mache ich eigentlich gerne bei Anaphylaxie in der Ambulanz....
So gekickt sind die jetzt bisher nicht gewesen. Tachycard und Dyspnoeisch waren sie ja schon 😉

Pro Adrenalin 👍🏻

FirebirdUSA
24.05.2016, 19:18
Das mit 1ml in 100ml Flasche ist keine dumme Idee, da entfällt das fehleranfällige erst 1:10 und dann nochmals 1:10 verdünnen.

i.m. kann man halt die 0.3ml direkt aus der Ampulle spritzen ohne irgendetwas zu verdünnen etc.

Brutus
24.05.2016, 19:30
Jetzt ist aber der Fehlerteufel am Werk oder?
Ich habe noch gelernt 300µ Adrenalin bei Anaphylaxie repetitiv. Ob jetzt 300 oder 500 sei mal dahingestellt.
Aber wenn ich eine Ampulle auf 10ml aufziehe, dann sind das davon 3ml. Oder habe ich gerade einen Knoten im Hirn?
Die 1:100 Verdünnung kenne ich eigentlich nur aus der Kinderanästhesie / -reanimation. Da gibt man einfach von der 1:100 das Gewicht in kg als ml. :-nix

FirebirdUSA
25.05.2016, 07:30
i.m. wird unverdünnt gespritzt, somit 0,3ml = 300µ, wenn du es i.v. gibst dann 3ml deiner 1:10 verdünnten Lösung.

Markus-HEX
26.05.2016, 20:32
Jetzt ist aber der Fehlerteufel am Werk oder?
Ich habe noch gelernt 300µ Adrenalin bei Anaphylaxie repetitiv. Ob jetzt 300 oder 500 sei mal dahingestellt.
Aber wenn ich eine Ampulle auf 10ml aufziehe, dann sind das davon 3ml. Oder habe ich gerade einen Knoten im Hirn?
Die 1:100 Verdünnung kenne ich eigentlich nur aus der Kinderanästhesie / -reanimation. Da gibt man einfach von der 1:100 das Gewicht in kg als ml. :-nix
Die 1:100 Verdünnung (10µg ml) finde ich für Katecholamine ohne Perfusor i.v. die beste Lösung. Mache ich gerne bei Noradrenalin bei der Intubation von kritisch kranken Patienten oder halt Supra bei allerg. Schock.
da hat man nach 10 - 20 µg schon beeindruckende Wirkung.
Es ist richtig,dass die Leitlinien 300 - 500 µg i.m. empfehlen (der Notfall-Epi-Pen für Allergiker zur Eigentherapie enthält ja auch 300µg bzw 150 µg in der pädiatrischen Variante), allerdings reicht direkt i.v. deutlich weniger, dafür ist die HWZ halt sehr kurz und man hängt ständig an der Spritze (bzw. zieht nach initialer Anhebung mit dem Bolusprinzip was in den Perfusor und arbeitet damit weiter) - da hat man nach ner i.m. gabe nen längeren Zeitraum.

BTW: Supra i.m. bzw. s.c. bei massivstem asthma? schon mal wer gemacht? soll ja in anderen Ländern durchaus etabliert sein. ich habe keine Erfahrung und mich auch noch nicht getraut

Brutus
27.05.2016, 08:58
Keine Frage, wir nutzen das Noradrenalin auch in 1:100 im OP als Perfusor. Ist einfach gut zu steuern und schnell fertig gemacht.

Supra bei Asthma kenne ich nur als Inhalation. Das mache ich ganz gerne mal. Funktioniert auch gut. i.v. gibt es halt zum SDH meist noch Bronchospasmin / Theophyllin, je nachdem was auch dem Auto / in der Schublade ist...

Feuerengelchen
27.05.2016, 16:43
Brutus, wieviel Adrenalin nehmt ihr zum Inhalieren bei Asthma? bei uns ist 2,5 Salbutamol+Atrovent verbreiteter...

Markus-HEX
28.05.2016, 17:11
Keine Frage, wir nutzen das Noradrenalin auch in 1:100 im OP als Perfusor. Ist einfach gut zu steuern und schnell fertig gemacht.

Supra bei Asthma kenne ich nur als Inhalation. Das mache ich ganz gerne mal. Funktioniert auch gut. i.v. gibt es halt zum SDH meist noch Bronchospasmin / Theophyllin, je nachdem was auch dem Auto / in der Schublade ist...

Als Perfusor gibt's bei uns 1:50 - sprich 1 mg auf 50 ml, bzw. 20µg ml, auch gerade noch bolustauglich, gerade wenn man den titriert über den Perfusor gibt


Ab und an lasse ich auch Supra inhalieren, dann nehme ich meist 3 mg in 10 ml - Indikation ist hier aber meist eher unklare Schwellung, Allergie oder Pseudokrupp

Ansonsten nehme ich auch gerne supportiv magnesium

BTW: Narkose - Asthma - Ketamin - ich habe letztens mal gelesen, dass nur das "alte" Razemat bronchodilatatorisch wirkt, das Esketamin jedoch nicht mehr - hat dazu jemand verlässliche Quellen?

Brutus
29.05.2016, 21:41
Die spasmolytischen Effekte von Ketamin bei Histamin-induzierter Bronchokonstriktion lassen sich bronchoskopisch mittels hochselektiver fiberoptischer Bronchskopietechnik in vivo nachweisen. Mit gleicher Methode gelingt der Nachweis, das die durch Adrenalinvermittelte Bronchodilatation durch Ketamin zu potenzieren ist.
Beim S(+)Ketamin ist diese Reaktion signifikant stärker ausgeprägt.
In der Prävention einer experimentell induzierten Bronchokonstriktion beim Hund ist Ketamin vergleichbar effektiv wie Halothan oder Enfluran.
Die bronchorelaxierenden Effekte des Razemat-Ketamin lassen sich tierexperimentell beiden Enantiomeren zuordnen. Es finden sich jedoch Hinweise für unterschiedliche Wirkmechanismen.
Bei R(-)-Ketamin fand sich tierexperimentell am isolierten Trachealmuskelpräparat vom Hund eine stärkere Relaxation der Acetylcholin-induzierten Bronchokonstriktion.
Der Unterschied zum S(+) Ketamin scheint durch untersciedliche rezeptorvermittelte Aktivitäten am Kalziumkanal bedingt zu sein.
=> http://ssl.incentive-med.com/cms/cms/pdf/bibliothek/ketamin.pdf
Ich weiß jetzt nicht, ob Du das meinstest, aber danach müsste eigentlich beides bronchodilatatorisch wirken, zwar mit unterschiedlichen Rezeptoren, aber wirken tun beide.


Brutus, wieviel Adrenalin nehmt ihr zum Inhalieren bei Asthma? bei uns ist 2,5 Salbutamol+Atrovent verbreiteter...
Auf der Intensiv nehme ich das auch so. Allerdings haben wir auf den Autos kein Salbutamol und Atrovent. Ich nehme meistens 1mg auf 5ml. Bei 10ml sind unsere Inhalationsmasken schon sehr voll..

Feuerengelchen
30.05.2016, 17:22
Thanks. Hast du Unterschiede in der Stärke/Anschlagzeit der Wirkung Adrenalin vs Atrovent/Salbutamol beobachtet? Hatte da neulich die (empirische) Aussage eines OA, dass Adrenalin stärker und schneller wirken würde.....