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maja
26.09.2003, 07:02
Morgen zusammen,

ihr habts ja sicher gehört. Es gibt nun endlich die Entscheidung vom BVerfG zum Kopftuch. Geklagt hatte eine Muslima, dass sie während des Unterrichts in ihrer Funktion als Lehrerin in Deutschland das Kopftuch tragen darf.

Das BVerfG ermöglichte jetzt mit seiner Entscheidung, dass es den Ländern unbenommen bleibt, Gesetze zu erlassen, die diese Frage ausdrücklich regeln. Meines Wissens haben schon die Union-regierten Länder Pläne für ein solches Gesetz. Sachsen, Brandenburg ... erwägen im Gegensatz dazu keine Verabschiedung eines solchen Gesetzes, weil man keine Notwendigkeit dazu sieht (in Sachsen ist die Quote der Muslime nicht sehr hoch).

Was sagt ihr zu der Entscheidung? Findet ihr, dass Lehrerinnen dem Neutralitätsgrundsatz folgen müssen und religiöse Neutralität in der Schule zeigen müssen? Oder meint Ihr, das Kopftuch soll ebenso erlaubt sein wie das Lernen unter dem Kreuz?

Ich denke ja, dass das Kopftuch schon eine gewichtigere Symbolwirkung hat als das Kreuz, denn wenn eine Lehrerin das Kopftuch trägt, dann zeigt mir das, dass sie sich persönlich mit dem Islam identifiziert. Im Gegensatz dazu erscheint mir die Wirkung eines an der Wand hängenden Kreuzes noch nicht automatisch dieselbe zu sein.
Andererseits ist mittlerweile wirklich zu überdenken, ob wir unsere Gesellschaft nicht (weiter) öffnen sollten und für ein Nebeneinander der Religionen sorgen sollten.
Vielleicht wäre auch eine Differenzierung nach der Altersstufe der Schüler zu erwägen, in dem Sinne, dass Lehrerinnen in der Sek II das Kopftuch tragen können, weil anzunehmen ist, dass die Schüler dann schon eine gefestigte religiöse Meinung haben und sich nicht mehr so stark vom Leitbild Lehrerin beeinflussen lassen.


Bin mal gespannt, was Ihr dazu sagt.


Viele Grüße von der erkälteten
~maja

airmaria
26.09.2003, 07:16
Prinzipiell meine ich natürlich, daß für alle Religionen die gleichen Rechte gelten sollten, d.h.: wenn Kreuz, dann auch Kopftuch, Budda in der Ecke oder was weiß ich noch was...

Zudem sollte der Staat für andere Religionen genauso Gelder eintreiben und weitergeben, wie er es für die heimischen Religionen tut, alles andere ist Diskriminierung!

Allerdings denke ich insgesamt, daß Religionen zwar als Unterichtsstoff für den Allgemeinwissensbereich selbstverständlich vermittelt werden sollten, aber in der Schule keine Religionen als Unterricht "praktiziert" werden sollten...
den Hokuspokus kann doch jeder wie er möchte bitteschön in seiner Freizeit machen - wenn einem die Eltern das denn aufzwingen möchten - aber nicht in öffentlichen Bildungseinrichtungen eines modernen freien Staates.

"Mary" airmaria

Sebastian1
26.09.2003, 09:28
Das sehe ich prinzipiell genauso. Wenn das Kopftich Ausdruck einer religiösen Überzeugung ist und man den Lehrerinnen dies im Unterricht verbietet, dann müsste das meiner Meinung nach genauso für das Kreuz im Klassenzimmer oder aber an der Halskette einer christlichen Lehrerin gelten. Sowie für alle weiteren religiösen Symbole anderer Religionen.

Die Leute, die da momentan gegen argumentieren, dass das auch das Kreuz beträfe, ziehen sich als Argument immer dieses "gehört zu unserer nationalen Kultur" herbei. Ja, sicher ist die deutsche Kultur mehr durch das Christentum als durch andere Religionen geprägt worden, aber es scheint doch um die Respräsentation staatlicher Neutralität zu gehen, oder? Und da kann ich schlecht sagen, ich verbiete das eine und erlaube das andere. Das ist NICHT neutral. Im Endeffekt bin ich dafür, das Tragen von Kopftüchern zu erlauben - das tut doch bittesehr keinem weh!

Gruß,
Sebastian

ehemalige Userin 24092013
26.09.2003, 09:29
Ich finde es o.k., wenn man in der Schule sein Kopftuch trägt, das Kreuz um den Hals hat oder seine Religion sonst wie zeigt, denn entweder glaubt man an was und steht dazu oder man lässt es.

Klar sollte man das nicht tiefergehend praktizieren und damit den Versuch starten, es anderen auf zu zwingen.
Aber man sollte in den Schulen Aufklären....warum trägt man ein Tuch oder ein Kreuz ect....man sollte eben seine Meinung dazu sagen und dem anderen dennoch seine Ansichten lassen.
Jedem das Seine eben.

Nur so denke ich, kann man Toleranz entwickeln, "offener" sein und auch verstehen.

Was bringt es, das Ganze zu verbieten?
Am Ende, wird es schnell als was "schlechtes" hingestellt und was dann rauskommt, kann man sich ja denken........




Gruss Kaddel

Leelaacoo
26.09.2003, 11:13
Die gleiche Frage stelle ich mir aber auch schon seit einiger Zeit in Bezug auf den Arztberuf. Ich habe viele Kommilitoninnen, die ein Kopftuch tragen, habe aber in den Kliniken wirklich noch nie eine Ärztin damit gesehen und auch keine Schwester. Werden die einfach nicht eingestellt? Gibt es da Gesetzesvorlagen?
Na ja, ich denke grundsätzlich, Religion ist nicht Aufgabe des Staates, hat sich also aus Schulen und sonstigem rauszuhalten. Auch die Finanzierung über die Kirchensteuer gehört dazu. Entweder die Kirche zieht genug Leute an, die freiwillig spenden oder ist eben antiquiert und geht unter. Wenn man sich den Fundamentalismus sowohl von islamischer Seite als auch von den USA (und ja, ich finde Präsident Bush ist ein fundamentaler Christ), dann kann man staatliches Engagement hier wohl kaum befürworten. Klar kann man aus der Kirche austreten, das weiß ich auch, aber ich möchte mein Kind später nicht in den Reliunterricht zwingen lassen, wenn es nicht will. In Baden-Württemberg gibt es aber bis zur 7ten Klasse keinerlei Alternativen, da erst ab hier Ethik angeboten wird. Seh ich nicht ein. :-dagegen

Jedem das Seine, aber bitte nicht staatlich :-meinung
LG Lee

milz
26.09.2003, 11:27
Das Problem ist mMn an den Haaren (bzw. am Kopftuch) beigezogen.
In der Grundschule wurden wir u.a. von einer Nonne unterrichtet. Die hatte auch ein Kopftuch. Das ist dann aber anscheinend wieder was anderes.
Ab morgen verteile ich Punkte für Doppelmoral! :-))

Ethikunterricht ist auf jeden Fall gut. Nicht um Glauben zu vermitteln, sondern Wissen über Religionen.

Froschkönig
26.09.2003, 11:28
Original geschrieben von Leelaacoo
Religion ist nicht Aufgabe des Staates, hat sich also aus Schulen und sonstigem rauszuhalten.

Mag sein, aber abgesehen davon und vom konkreten Fall der Lehrerin :

Gerade ein Kopftuch ist nicht gerade ein subtiles Kleidungsstück und hier ist eine schwierige Gratwanderung nötig zwischen der demokratisch garantierten Religions und aller anderen Freiheiten ABER auch der Integration in die bei uns (zumindest noch ;-) ) vorherrschende Kultur.

Hellequin
26.09.2003, 11:42
Die gleiche Frage stelle ich mir aber auch schon seit einiger Zeit in Bezug auf den Arztberuf. Ich habe viele Kommilitoninnen, die ein Kopftuch tragen, habe aber in den Kliniken wirklich noch nie eine Ärztin damit gesehen und auch keine Schwester. Werden die einfach nicht eingestellt? Gibt es da Gesetzesvorlagen?

Mmh, bei uns im Krankenhaus gabs eine MTA mit Kopftuch, aber
sonst fällt mir auch niemand ein!
Gibt es da nicht irgendwelche Hygieneregeln? :-???

Wobei Kopftuchträgerinnnen wohl eh nicht in einem "normalen"
KH arbeiten wollen, wegen der männlichen Patienten, oder?
Wohl eher in der Gyn. oder Päd.. :-notify

Leelaacoo
26.09.2003, 11:44
Mir ist auch klar, daß es keine einfache Lösung dafür geben kann, und man muß sich natürlich bemühen, jedem das Leben zu ermöglichen, das dieser führen will. Sobald es aber in die Privats- und Gewissensphäre des anderen dringt, ist es eben nicht ok. So gesehen kann man ja auch argumentieren, daß die Kinder ja wohl oder übel in die Schule müssen, wo die Lehrerin sich ja dafür oder dagegen entscheiden kann. Nicht, daß jetzt der Verdacht aufkommt, ich hätte was gegen den Islam oder generell gegen fremde Kulturen, ich bin auch keine Deutsche, aber es wird schnell zu emotional reagiert hier, um sich ja keinem böswilligen Verdacht der Fremdenfeindlichkeit auszusetzen. So soll es ja Menschen geben, die nichts gegen die Beschneidung von Mädchen haben, weil sie eben kulturell "gefestigt" wäre. Da stehen ja wohl jedem die Haare zu Berge. Es ist vielleicht radikal von mir zu fordern, Religion völlig vom Staat zu trennen, aber es ist sicher auch unmöglich, alles zu erlauben (und damit meine ich nicht das Kopftuch, das ist wirklich das kleinste Problem) und immer noch allen alle Grundrechte zu erhalten. Da wären wir ziemlich bald in einem Glaubenskrieg...und wohin die geführt haben, ist ja nur allzu deutlich.
Also nochmal, ich habe kein Problem mit dem Kopftuch, ist mir wurscht ob jemand Turban oder Kopftuch oder Rastas oder Glatze oder ein Krönchen tragen will, solange er für seinen Beruf geeignet ist. Aber es geht hier ja um eine prinzipielle Frage: was tun, wenn die Religionsausübung des einen die Privatsphäre des anderen stört?
So long,
LG Lee

Heinz Wäscher
26.09.2003, 15:09
Original geschrieben von Leelaacoo
Ich habe viele Kommilitoninnen, die ein Kopftuch tragen, habe aber in den Kliniken wirklich noch nie eine Ärztin damit gesehen und auch keine Schwester. Werden die einfach nicht eingestellt?

hatte gerade eben wieder Frühdienst mit Sr Aynur, gläubige Muslimin, hat schon kopftuchtragend ihre Ausbildung begonnen, trägt Kopftuch, langärmelige Kleidung und wird auch sehr gut von den Patienten akzeptiert

gibt da ganz selten Probleme, daß ein Pat irgendwas unverschämtes vom Stapel läßt

sie hat aber auf jeden Fall Unterstützung von den Kollegen

Studmed1
26.09.2003, 16:03
Für mich stellt sich eher die Frage, ob das Kopftuch Symbol der Religion oder der politischen Einstellung ist. Schließlich darf heutzutage auch kein Hakenkreuz getragen werden.
Wir hatten hier in Kiel mal ein Praktikum. Anschließend wollte der Prof uns noch ein paar Fragen stellen. Mich (blond und blauäugig) guckte er an (wir waren in Zweiergruppen) und sagte: "Sie wissen bescheid. Ich möchte nur Ihre Kollegin etwas fragen." Er wandte sich meiner Kommilitonin zu mit den Worten:" Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen." Sie antwortete offenherzig: "Ja, gerne." Und er fragte: "Warum tragen Sie ein Kopftuch?" Nach der ausführlichen antowrt meiner Kommilitonin erzählte der Prof., dass er eine MTA suchte, und eine mit Kopftuch nicht einstellen wolle, weil "die Patienten" damit nicht klar kämen, usw..
Jeder mag sich das seine denken...

maja
26.09.2003, 16:44
Das Probleme, wieso diese ganze Sache schon so lange dauert und (da bin ich mir sicher) auch noch nicht der Weissheit letzter Schluss ist, ist die, dass die Lehrerin, wenn sie in Deutschland (Religions-)unterricht gibt, vermittelt, dass sie eben nicht dem Christentum zugehörig ist, sondern den Regeln des Korans folgt. Und wenn sie dann 4t- oder 5t-Klässler (wann hat man so ReliUnterricht?) unterrichtet, befürchtet man, dass sich die Kinder beeinflusst sehen und keine eigene Entscheidung mehr in bezug auf ihre Religion mehr treffen können.

Ich denke, dass diese Befürchtungen v.a. in Richtung Religionsunterricht zielen, denn ich würde nicht an der Aufgabe 2+2=4 zweifeln, nur weil sie eine Muslima mit Kopftuch an die Tafel schreibt. Wenn es um Religionsunterricht geht, kann ich die Befürchtungen eher nachvollziehen, wenngleich ich meine, dass dem vorgebeugt werden kann, indem man den Lehrplan entsprechend ausgestaltet und die Art der Unterrichtung überprüft (nicht nur bei den kopftuchtragenden Lehrerinnen), ob die Lehrer den Schülern etwas aufoktroieren.

Wenn man jetzt alles verbieten wollte, Kopftuch, Kreuz/Kruzifix ... dann geht das schon unter dem Aspekt nicht, dass mittlerweile die einst religiösen Symbole bei vielen zum Schmuckstück avanciert sind und die Träger dergleichen diese nicht aus Gründen der Religion tragen. Verbietet man das Kreuz um den Hals, dann verletzt man damit dann das Persönlichkeitsrecht desjenigen, der das Kreuz trägt. Das geht also nicht, denn man kann ja nicht jeden Lehrer oder andere Personen, denen eine besondere Stellung innehaben und auf andere Personen "einwirken", fragen, wieso er das Kreuz o.ä. trägt.

Ich denke, man sollte sich schon in Sachen Kopftuch & Co. öffnen, aber gleichzeitig auch entsprechende Maßnahmen treffen, die eine negative Beeinflussung der Schüler verhindern. Das sollte aber nicht ausschließlich für die muslimischen Lehrerinnen gelten, sondern ein allgemeiner Anspruch der Eltern sein, darauf, dass ihren Kindern eine religiös-neutrale Ausbildung zu Gute kommt.


In dem Sinne.
~maja

Heinz Wäscher
26.09.2003, 17:14
Original geschrieben von maja
Das Probleme, wieso diese ganze Sache schon so lange dauert und (da bin ich mir sicher) auch noch nicht der Weissheit letzter Schluss ist, ist die, dass die Lehrerin, wenn sie in Deutschland (Religions-)unterricht gibt, vermittelt, dass sie eben nicht dem Christentum zugehörig ist, sondern den Regeln des Korans folgt. Und wenn sie dann 4t- oder 5t-Klässler (wann hat man so ReliUnterricht?) unterrichtet, befürchtet man, dass sich die Kinder beeinflusst sehen und keine eigene Entscheidung mehr in bezug auf ihre Religion mehr treffen können.


1. ist das eine Abwertung des islamischen Glaubens gegenüber dem christl. Gauben
2. können sich Kinder besser mit christlichem Unterricht wirklich frei entscheiden? in diesem Alter?
ich denke nicht


man sollte besser zu einem verallgemeinerndem Ethikunterricht übergehen un von mir aus, sämtliche Religionsinhalte der Weltreligionen besprechen

maja
26.09.2003, 17:20
1. ist das eine Abwertung des islamischen Glaubens gegenüber dem christl. Gauben
2. können sich Kinder besser mit christlichem Unterricht wirklich frei entscheiden? in diesem Alter?

@Heinz: ist doch nicht meine Meinung, sondern einer der Gründe, wieso man (BVerfG u.a.) sich überhaupt ne Platte macht.

Lava
26.09.2003, 17:20
Ich oute mich mal: ich hatte überhaupt nie nich Religionsunterricht :-) Gabs an meiner Schule nicht. Jetzt fehlt mir zwar etwas Allgemeinbildung, aber ich bin glaubenstechnisch total unbeleckt und kann frei entscheiden und habe mich entschieden für..... nix :-D

Zum Thema Kopftuch kann ich nicht viel sagen. Erlauben - basta.

Christoph_A
27.09.2003, 16:54
Die Kopftuchentscheidung ist verdammt schwierig zu treffen,beneide da die Richter am BVG nicht wirklich. Man hat ja auch an dem sehr knappen Ergebnis gesehen,daß da die Meinungen sehr auseinandergehen. Es ist halt schwierig staatliches Neutralitätsgebot und Religionsfreiheit in einem solchen Fall gegeneinander abzuwiegen. Ich tendiere zur Entscheidung der Karlsruher Richter, es der Frau zu erlauben,kann aber auch die andere Seite verstehen. Dennoch denke ich,solange die Frau ihren Job gut macht,was sie ja offensichtlich tut,gibt es keinen Grund,ihn ihr zu verwehren. Wo ich den Strich ziehen würde,wären tief schwarz verschleierte Frauen, die ihren Glauben auch anderen aufzwingen wollen-hatten da mal so eine Krankenschwester,aber das ist wirklich gottseidank die Ausnahme. Und ob sie nun ein Tuch auf dem Kopf oder,wie ich,ein Kreuz um den Hals hat, das ist mir egal,wichtig ist der Mensch dahinter.

Leelaacoo
27.09.2003, 20:23
Dieser Vergleich mit dem Kreuz hinkt aber doch, wie ich finde. Wenn ich, angenommen, ein gläubiger Christ wäre, so könnte ich doch das Kreuz abnehmen, ohne mich dabei als minderwertiger Christ zu fühlen, oder? Das kann diese Lehrerin ja offensichtlich nicht. So muß ja auch jemand, der z.B. bei einer Bank eine Ausbildung macht, oder dort arbeitet, einen Anzug tragen und hat gefälligst nicht darüber zu diskutieren, ob er nicht lieber in T-Shirt oder Fetzenjeans kommen dürfte, weil es eben seiner Auffassung und überzeugung besser entsprechen würde? (Obwohl ichs auch mal klasse fände, sehen immer so brav aus, diese Bankleute...)
Sorry, mache heut so seltsame Sätze...
Ich muß ehrlich sagen, daß ich es einfach nicht verstehe, wie ein persönlicher Glaube von einem Kleidungsstück abhängen kann. Wozu ist es denn eigentlich da? Trauen die Männern so wenig Selbstbeherrschung zu, daß diese über sie herfallen würden, wenn die Frauen ohne Kopftuch rumliefen? Dann hätte der Koran ziemlich wenig übrig für die Männer. Kann mir jemand (vielleicht ja jemand, der selbst ein Kopftuch trägt) den Sinn erklären? (Soll jetzt nicht respektlos klingen, wirklich, aber ich habe einfach noch keine Begründung dafür gefunden, die befriedigend für mich wäre...heiß nicht, daß es mir was ausmacht, aber wissen würd ichs schon gerne, aus Interesse).
Ansonsten halte ich es mit dem hippokratischen Eid...jeden gleich behandeln, egal welcher Religion, Hautfarbe, Schicht und Geschlecht er/sie angehört. :-dafür
Also bis denne
LG Lee

maja
27.09.2003, 21:32
Es besteht im Islam kein Konsens, ob und wie sich die Frauen verschleiern sollen. Oft werden die Suren 24:31 und 33:59 des Korans als Grundlage benannt (Sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen.)

Es gibt viele Unterschiede der Verhüllung. Manche Musliminnen tragen ein Ganzkörpergewand, was nur ein Netz in Augenhöhe hat (Tschador), manche tragen ein Kopftuch, was nur die Haare bedeckt, manche eines, das Haare, Brust udn Schultern bedeckt (Djilbab). Außerdem gibt es Musliminnen, die gar kein Kopftuch tragen, weil es im Koran eben nicht ausdrücklich steht. Ihnen wird zwar nicht ihre Gläubigkeit abgesprochen, aber es wird an der Ernstlichkeit ihres Glaubens gezweifelt.

Mal abgesehen von den im Koran niedergelegten Geboten, existiert die Tradition des Kopftuchtragens seit der Zeit Mohammeds. Hieraus leitet sich eine kulturell bedingte, religiöse Verpflichtung zum Tragen des Djilbab / Tschador ab. Die Verschleierung ist für die gläubigen Muslime Teil ihrer Religion, weil sie zur tradierten Lebenspraxis des Islam gehört.


:-? Vielleicht hilfts Dir ja weiter, Leelaacoo.


~maja

Leelaacoo
28.09.2003, 12:03
Danke dir für die ausführliche Antwort.
Jedoch stellt sich auch die Frage, inwiefern die Lebenspraxis des Islam übertragbar ist auf nicht hauptsächlich islamische Staaten. So würde ich ja auch aus Respekt vor der fremden Kultur nicht im Bikini durch eine islamische Stadt laufen, weil eben in verschiedenen Ländern andere Sitten, Gebräuche und Anstandsregeln herrschen. Respekt vor einer Kultur ist nie eine nur von einer Seite gefordert, sondern von beiden. Ich denke aber, das dieses Thema ja doch nie ausdiskutiert werden kann, weil Glauben eben nicht rational ist und deshalb kaum zugänglich.
Mir tut es nur manchmal leid, daß viele meiner Komilitonninen, die ein Tuch tragen, weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden, obwohl die meisten von ihnen wesentlich fleißiger und besser sind als viele andere. Da wird noch lange lange Zeit vergehen, bis es normal sein wird, von einer kopftuchtragenden Ärztin behandelt zu werden...ebenso wie die Lehrerin zwar vor Gericht rechtbekommen hat, aber sicher sehr schwer eine Einstellung finden wird. Deshalb finde ich auch das Gerichtsurteil etwas scheinheilig...bin nämlich schon gespannt auf die erste kopftuchtragende Richterin am Bundesgerichtshof...man wird ja sehen.
Also, LG Lee (meine Oma trägt auch Kopftuch, wollt ich nur mal anmerken:-)

Rico
28.09.2003, 14:27
Original geschrieben von maja
Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen.)Kopftuchgegner unter den Islamexperten argumentieren übrigens auch mit dieser Passage:
Das Kopftuch ist nämlich ein vor Jahrhunderten ansich weit verbreitetes Kleidungsstück gewesen. (Auch in Mitteleuropa trugen die Frauen Kopftücher in der Ära vor den Haargummis, eben einfach um die Haare irgendwie "einfach" zu bändigen und sie nicht ständig im Gemüsetopf oder im Fluß beim Wäschewaschen hängen zu haben.)
Will sagen: Die Frauen haben eh ein Kopftuch getragen und besagte Koranstelle kann auch dahingehend interpretiert werden, daß die Frauen eben ihre Dekoltee bedecken sollen und dazu rät der Koran das ohnehin vorhandene Koptuch zu benutzen.

Aber es war ja noch nie eine Eigenschaft von religiösen Schriften sich eindeutig zu etwas zu äußern und deshalb ist das ganze natürlich auch Interpretationssache.