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Herbstblume90
25.08.2016, 11:55
Hallo!

Ich habe in der Suche nur recht alte Beiträge entdeckt, deswegen eröffne ich diesen neuen.

Ich überlege, welchen Facharzt ich machen möchte. Eigentlich wollte ich immer in die Pädiatrie, aber nun bin ich mir nicht mir so sicher. Es würde mich auch die KJP reizen. Das hat sich aber erst in letzter Zeit herauskristallisiert, deswegen habe ich keine Famulatur dort gemacht. Gibt es hier jemanden, der ein bisschen "aus dem Nähkästchen" plaudern könnte? Wie ist der Alltag? Wie sind die Berufsaussichten? Wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus?

Ich würde mich sehr über ein paar Erfahrungsberichte freuen!

Elena1989
25.08.2016, 12:21
Hallo Herbstblume,

ich arbeite seit Anfang des Jahres in der KJP. Famulatur habe ich auch nie gemacht, allerdings kam mein Interesse vor dem PJ, daher habe ich kurzentschlossen mein PJ Wahlfach dort gemacht und es hat mir gut gefallen.
Der Alltag hängt natürlich stark davon ab, auf welcher Station man eingesetzt ist. Prinzipiell besteht er aber v.a. aus Einzelterminen mit den Patienten, Familiengesprächen, Besprechungen, aber natürlich auch sehr viel Dokumentation. Zumindest in meinem Haus (und in dem Haus in dem ich PJ gemacht habe auch) ist es so geregelt, dass man therapeutisch für die Hälfte der Patienten auf Station verantwortlich ist. Medizinisch für alle Patienten (außer es gibt mehrere Ärzte auf Station). Medizinisch sind v.a. Routinelabor, Medikamenteneinstellung, aber auch allgemein pädiatrische Sachen (Husten, Schnupfen, irgendwo runtergefallen) Bei Jugendlichen natürlich auch das Beurteilen von Ritzwunden o.ä.

Berufsaussichten sind denk ich gut, es gibt nicht allzu viele, die das Fach machen wollen und der Bedarf ist da. Die Arbeitszeiten und auch das Dienstsystem kommen denk ich auf die Klinik an, wie viele Überstunden man hat aber sicher auch auf die eigene Selbstorganisation.

Viele Grüße
Elena

erdbeertoertchen
25.08.2016, 14:40
Elena hat eigentlich alles gesagt. Ich bin auch eine "Spätberufene". Eigentlich wollte ich Augenärztin werden, habe mich nach dem Examen kurzentschlossen doch noch etwas anderes auszuprobieren und bin über meine Doktorarbeit in der Erwachsenenpsychiatrie in der KJP gelandet. Ich konnte also nichtmal eine Famulatur oder ein PJ nachweisen, eine Stelle zu finden war trotzdem kein Problem, von drei Bewerbungen hatte ich eine Stellenzusage gleich, bei der zweiten war nichts geeignetes frei, nach 2 Monaten kam eine Anfrage ob ich noch Interesse habe, es wäre etwas frei geworden und bei der dritten Stelle kam gar nichts.
Das Arbeiten empfinde ich als angenehm, allerdings bin ich nicht auf einer Akutstation, dort kann es mit den ganzen Notaufnahmen, die kommen und gehen, schon stressiger sein.
Man arbeitet mit Kindern, zumindestens bei uns, von 6-17,9 Jahre und ist quasi auch der Hausarzt, solange diese (teil)stationär sind. Arbeitsalltag ist in jeder Klinik etwas anderes, vom Prinzip her hat man Einzelgespräche mit den Kindern, Gespräche mit den Eltern und je nach dem Gespräche mit dem Jugendamt und den Eltern zusammen und bei Unterbringungen spricht man auch mit Richtern.
Zusätzlich dazu fallen noch Tagdienste an, das heißt, man ist an dem Tag, oder an diesem halben Tag noch telefonisch für die Notfälle, die während der Arbeitszeit reinkommen, zuständig und muss auch mit diesen sprechen und ggf aufnehmen.
Zustätzlich kommen noch Dienste hinzu, die in jeder Klinik etwas anders geregelt sind.
Der Facharzt geht in der Regel 4+1 Jahr, in diesem Fremdjahr kann man Päd, Neuro oder Erwachsenenpsychiatrie machen.
Ausserdem müssen bestimmte Dinge am Ende durchlaufen sein, wie Fallsupervision, Stationssupervisionen, Gruppentherapie, Balintgruppe, Selbsterfahrung etc.
Selbsterfahrung zB kostet zusätzlich Geld, manche Kliniken bieten Unterstützung an.
Berufsaussichten denke ich sind gut, es gibt immer mehr Kinder mit Problemen, die vorgestellt werden und es möchten nicht viele in die KJP.

roxolana
25.08.2016, 15:07
Wie ist eigentlich die Arbeit mit den Eltern? Die stelle ich mir klischeemäßig eher schwierig bzw. nervig vor. Ist das was dran?

erdbeertoertchen
25.08.2016, 15:58
Wie ist eigentlich die Arbeit mit den Eltern? Die stelle ich mir klischeemäßig eher schwierig bzw. nervig vor. Ist das was dran?

Es gibt schwierige Eltern keine Frage. Im großen und ganzen läuft die Arbeit mit den Eltern gut und es werden die Tipps auch angenommen.

Elena1989
25.08.2016, 17:07
Ja, richtig. Es gibt schwierige Eltern, aber die meisten Eltern sind sehr bemüht. Auch wenn man einigen manchmal ziemlich hinterher telefonieren muss :-wow
Ja, Akutstation ist sicher noch einmal etwas anderes, da hat man einfach einen hohem Durchlauf mit vielen Aufnahmen, Entlassungen und Beschlüssen. Aber natürlich auch Krisen etc.

Wir haben sogar noch eine Tagesklinik für Kleinkinder, das heißt bei uns geht das Spektrum von etwa 2,5 bis 17,9. Wobei man meistens natürlich schon mit dem Alter ab 6 Jahren zu tun hat.
Ich finde aber an der KJP gerade diese Vielseitigkeit toll, die Krankheitsbilder zwischen Grundschul - und Jugendalter unterscheiden sich doch deutlich und haben ganz andere Schwerpunkte.

Solara
25.08.2016, 18:56
Was hat denn ein Kleinkind zB für psychische Probleme? Autismus fällt mir ein, gibt es da sonst noch was?

davo
25.08.2016, 19:05
Enuresis, Enkopresis, Bindungsstörungen, selektiver Mutismus, somatoforme Störungen, uvm.

Solara
25.08.2016, 19:17
Enuresis, Enkopresis, Bindungsstörungen, selektiver Mutismus, somatoforme Störungen, uvm.

Mit 2,5 Jahren?

davo
25.08.2016, 19:20
Das kann ich nicht sagen, da ich mir von KJP nur den J-Teil angeschaut hab. Hab also keinen Überblick, was in welchem Alter vorkommt. Aber die o.a. Probleme sind jedenfalls typisch für den K-Teil von KJP.

(Du siehst also, dass ich die Definition von Kleinkind nicht kannte. Oops :-oopss)

Solara
25.08.2016, 19:25
Vielleicht mag Elena ja nochwas dazu schreiben, was man denn mit 2,5 J (da beginnt ja bei ihnen das Klientel) so haben kann. Wie gesagt, Autismus könnte ich mir vorstellen, aber sonst? Die mit bekannten 2,5 jährigem tragen zum überwiegenden Teil Windel und sind sprachlich dermaßen unterschiedlich, so dass ich mir es schwer vorstelle, da irgendwas anderes festzustellen. Oder zu therapieren.
Aber ich bin kinderpsychiatrisch auch deutlichst überfordert, da kenne ich mich gar nicht aus. Deswegen frage ich ja ;-)

Elena1989
25.08.2016, 19:58
Ich hab selber noch nicht in dem Altersbereich gearbeitet, kann dazu also noch nicht allzu viel sagen, aber zumindest ein bisschen.

Autismus ist natürlich ein häufiger Vorstellungsgrund, bzw. meistens die Symptome, die Diagnose erfolgt oft erst durch uns. Prinzipiell aber auch Entwicklungsstörungen der Sprache und der Motorik, Bindungsstörung (kann man natürlich auch schon mit drei haben), Anpassungsstörungen, ab nem Alter von 4-5 aber auch Hyperkinetische Störungen (allen häufig erst im Schulalter auf, gibt es aber auch schon früher)
Die Aufnahme erfolgt ganz häufig, weil die Kinder im Kindergarten nicht tragbar sind. Meistens aufgrund ihres Sozialverhaltens: nicht Gruppenfähig, gezieltes Ärgern vom anderen Kindern, benötigen 1:1 Betreuung, massive Wutausbrüche etc.
Therapeutisch geht es da meistens eher um einen geregelten Alltag mit klaren Strukturen als um Einzeltherapie. Aber natürlich auch Fachtherapien wie Logopädie o.ä.

Aber meine Erfahrung in dem Bereich ist begrenzt, hatte da bisher wenig Berührungspunkte, da ich aktuell in einer anderen Altersklasse arbeite.

Herbstblume90
25.08.2016, 20:05
Vielen Dank für die vielen Antworten! Das klingt wirklich sehr sehr spannend.

Gehören eigentlich Schreibambulanzen auch zum Spektrum? Es klang ja nicht so durch, würde mich aber mal interessieren...

Meint ihr, dass es Sinn macht, erst das Fremdjahr in der Pädi zu machen?

Und kann man tendenziell Teilzeit arbeiten?

Wie läuft das mit der Selbsterfahrung usw? Das macht man dann noch zusätzlich?

Elena1989
25.08.2016, 20:12
Vielen Dank für die vielen Antworten! Das klingt wirklich sehr sehr spannend.

Gehören eigentlich Schreibambulanzen auch zum Spektrum? Es klang ja nicht so durch, würde mich aber mal interessieren...

Meint ihr, dass es Sinn macht, erst das Fremdjahr in der Pädi zu machen?

Und kann man tendenziell Teilzeit arbeiten?

Wie läuft das mit der Selbsterfahrung usw? Das macht man dann noch zusätzlich?

Wir haben eine Ambulanz für Säuglinge und Kleinkinder, die sind aber häufig auch an Sozialpädiatrische Zentren angeschlossen, hat sicher nicht jede KJP.

Klar kann man Teilzeit arbeiten, bei uns arbeiten sogar sehr viele in Teilzeit wegen Kindern. Die Ausbildung dauert halt dann länger.
Die Psychotherapieausbildung muss man zusätzlich machen. Manche Kliniken zahlen was dazu, manche nicht. Bei manchen wird das von der Klinik organisiert, bei manchen nicht.

Und bezüglich Fremdjahr: ich wüsste nicht, warum man das zuerst machen sollte. Das meiste somatische kriegt man auch so hin (meistens banale virale Infekte) und wenn nicht, muss man halt nen Pädiater fragen :-))

davo
25.08.2016, 20:13
Da wo ich gerade Famulatur mache wird die Schreiambulanz von der Neuropädiatrie durchgeführt, in Zusammenarbeit mit der KJP.

Herbstblume90
26.08.2016, 10:37
Vermutlich ist es auch einfacher, erst mit der KJP anzufangen, und dann das Fremdjahr zu machen vjn der Stelle her.. Aber wenn du sagst, das somatische bekomme man hin... Ich bin ja im PJ auch noch in der Pädi, wo ich bestlmmt genug Erfahrungen sammeln kann. Vielleicht kann ich ja auch mal in die angeschlossene KJP rotieren, das hilft vermutlich am meisten.

Aber wie schafft man es denn, als Berufsanfänger die Kinder zu therapieren? Wird man lange eingearbeitet?

Darf ich frage, wo ihr arbeitet, gerne als PN?

Solara
26.08.2016, 11:11
Danke für die Infos!
Wie ist es denn mit Sprachstörungen? Ich war bislang im Glauben, dass man da frühestens mit 4 oder besser 5 interveniert und zum Logopäden geschickt wird. Stimmt das oder bin ich falsch informiert? Oder ist damit noch was anderes gemeint aus KjP-Sicht?

Elena1989
26.08.2016, 16:35
Danke für die Infos!
Wie ist es denn mit Sprachstörungen? Ich war bislang im Glauben, dass man da frühestens mit 4 oder besser 5 interveniert und zum Logopäden geschickt wird. Stimmt das oder bin ich falsch informiert? Oder ist damit noch was anderes gemeint aus KjP-Sicht?

Wie gesagt, ich bin auf dem Gebiet kein Profi, da ich mit der Altersklasse noch nicht so viel zu tun hatte (na gut, gar nichts). Aber bei "klassischen" Artikulationsstörungen, die viele Kinder haben kann man mit Logopädie sicher etwas warten, da sich das häufig von selbst gibt.
Es gibt aber Kinder, die imAlter von 3-3,5 noch fast gar nicht sprechen oder zumindest eine kaum verständliche Sprache haben, teilweise auch schlecht Sprache verstehen.Da sollte man schon Ursachenforschung betreiben und natürlich auch versuchen zu fördern. Es gibt Kinder, die fangen einfach später an zu sprechen, aber es steckt halt auch immer mal wieder etwas anderes dahinter.

erdbeertoertchen
26.08.2016, 18:56
Vermutlich ist es auch einfacher, erst mit der KJP anzufangen, und dann das Fremdjahr zu machen vjn der Stelle her.. Aber wenn du sagst, das somatische bekomme man hin... Ich bin ja im PJ auch noch in der Pädi, wo ich bestlmmt genug Erfahrungen sammeln kann. Vielleicht kann ich ja auch mal in die angeschlossene KJP rotieren, das hilft vermutlich am meisten.

Aber wie schafft man es denn, als Berufsanfänger die Kinder zu therapieren? Wird man lange eingearbeitet?

Darf ich frage, wo ihr arbeitet, gerne als PN?

Ich hatte auch keine Pädiatriefamulatur oder ähnliches und bekomme die paar wenigen Krankheitbilder auch so hin und wenn nicht frage ich meine Kollegen oder meine OÄ.
Einarbeitung ist auch von Haus zu Haus unterschiedlich von wenig bis länger. Kinder bekommt man in der Regel sehr früh und eigentlich sollte eine Supervision mit dem OA der OÄ einmal wöchentlich erfolgen, den Rest eignet man sich langsam durch learning by doing und mit Hilfe von Büchern an.
Ich arbeite in einem eher kleinerem nicht universitärem Haus. Meine Präferenzen spiegel sich schon raus, dass ich persönlich etwas lieber mit Jugentlichen arbeite.

Elena1989
26.08.2016, 19:14
@erdbeertoertchen: Ich denke,Jugendliche sind gerade für Anfänger "leichter", weil sich einfach mehr Gesprächsthemen ergeben und auch mehr Verständnis für Termine etc. da ist. Bei Kindern muss man ja doch vieles spielerisch machen und das ist ohne Hintergrundwissen eben doch noch mal schwieriger. Ich würde jetzt auch tendenziell sagen, dass mir Jugendliche mehr liegen. Aktuell bin ich im Grundschulalter, ich wechsle jetzt aber zum September zu Jugendlichen, also mal sehen ob ich das dann immer noch sage :-wow
Ich arbeite in einem für KJP sehr großen Haus, allerdings auch nicht- universitär. EInarbeitung ist von OA zu OA unterschiedlich, daher kann man das noch nicht mal verallgemeinernd für eine Klinik sagen. Aber man kommt schon rein.