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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Substitution Hyponatriämie



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patkher
26.09.2016, 21:30
Hallo zusammen,

ich habe lange gesucht und leider nirgendwo eine vernünftige Anleitung über die Substitution einer Hyponatriämie gefunden. Je nachdem welches Buch man aufschlägt, findet man sogar unterschiedliche/widersprüchliche Angaben z. B. bzgl. Berechnung des Na-Defizits, Diagnostik (ADH-Bestimmung ja/nein), wie schnell substituieren... usw.
Angenommen ihr habt einen Patienten: 70 Kg schwer, Na.-Ist-Wert 105 mmol/l, symptomatisch. Wie sollte man hier am besten vorgehen bzgl. Substitution??
1) Berechnung des Na.-Defizits ...welche Formel am besten?
2) Gabe von 3%-iger oder 10%-iger Nacl-Lösung?? Wie viel mmol sind das?? Wie schnell (Perfusorrate)??
3) Anhebung um max. wie viel mmol/L/std? Worauf genau bezieht sich L hier (Serum/Blut ??).
Sind zwar Basics-Sachen, es scheint aber kein einheitliches "Substitutionsschema" zu geben.
Ich bedanke mich im Voraus für jegliche Hilfe.

Corinna
27.09.2016, 22:57
1. na-senkende medis absetzen (hct!)
2. bei na<110 und/oder symptomatisch ==> intensiv
3. gucken ob die Leute überwässert sind oder trocken (meistens, da hct, vgl 1.). 1x Na im Urin, um Renaten Verlust auszuschließen. Spezial-Schnickschnack sonst nur in Spezialfällen.
4. Infusion geben, meist ist stero ok, bei Na < 110 halbe halbe mit G5% bis zur ersten Kontrolle. hochprozentiges NaCl??? nö, lieber langsam anheben. (für operativ-intensivmedizinische Pat. (TURP-Syndrom etc.) gilt wohl, wenns na sehr schnell gefallen ist, darf/soll mans auch schnell wieder anheben?). ich kenn mehr so die internistischen ömchen mit ihrem hct, die dann komisch werden oder krampfen... aber ja, die pontine myelinolyse bei zu raschem anstieg gibt es auch in echt! und ist Mist.
5. Na-Kontrolle: bei Na >110 nach 4h, bei <120 nach 6h, bei < 130 am nächsten tag. Ziel anstieg nicht mehr als 0,5mmol/l und Stunde
...trotzddem alles auch so ein bisschen "nach Gefühl"

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28.09.2016, 21:55
Pat. trocken/E'lytverlust extrarenal -> 0,9 NaCl primär.
Hypervoläm -> Restriktion 😉 (Aber die meinst du vmtl. nicht).
Normovoläm -> SIAD? HCT ab? Ggf Tolvaptan sinnvoll?
Akut Intervention wenn relevant symptomatisch (Komatös etc.), dann auch initial straffer und im Verlauf prolongierter dann Ausgleich. D.h. schnelle Entwicklung = schneller Ausgleich. Primär Laborphänomen und wenig Klinik = Piano.
Wenn Akut:
NaCl 3% (ca. 0,5 mmol Na/ml) 100ml als "Kurze" via 2-3h dann Kontrolle usw.
Delta-Na+ sollte dabei in 24h nicht über 8 mmol/l. Das ist etwas defensiver als Delta 0,5 mmol/l pro Stunde.
Nach dem der Patient aus der akut Symptomatik raus ist, operieren wir dann eher mit Delta 2-4mmol/l/24h für den Restausgleich.
Defizit berechnen hat mich inhaltlich meist nicht viel weiter gebracht, da ich ja eh laufend kontrollieren muss, aber berechnen würde ich es mit Gewicht*0.6*(Na-Soll - Na-Ist).

Kackbratze
28.09.2016, 22:20
Nach dem der Patient aus der akut Symptomatik raus ist, operieren wir dann eher mit Delta 2-4mmol/l/24h für den Restausgleich.

Ist das ein 11er oder eine 15er Klinge? ;-)

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29.09.2016, 17:40
Ist das ein 11er oder eine 15er Klinge? ;-)

Nachdem es mir nicht wie dir vergönnt ist, als quasi Superpredator die evulotionäre Speerspitze der Fachdisziplinen darstellen zu dürfen, möchte ich im Rahmen meines Daseins als "stets unentschlossener Philosoph und Pillendreher" halt auch einmal "operieren" - wenn auch nur verbal ;-) ;-)

Brutus
29.09.2016, 17:44
https://www.medi-learn.de/cartoons/4images/data/media/283/xNachkommastellen_klein.jpg.pagespeed.ic.Mun_O4x5F P.jpg

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29.09.2016, 19:15
:-)):-top

patkher
01.10.2016, 23:02
So thx für die vielen Antworten liebe Kolleginnen und Kollege.

ChillenMitBazillen
21.10.2016, 22:23
Hier ist ein ganz handlicher Artikel zum Thema:
http://akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201604/188.pdf

Hoppla-Daisy
22.10.2016, 05:42
Danke! Sehr schöner Artikel, der für die klinische Praxis hilfreich ist.

Nefazodon
06.03.2021, 22:29
Sorry für das Wiederbeleben dieses Threads, aber ich bin neulich in der klinischen Praxis mal wieder mit diesem Thema konfrontiert worden, nachdem ich einige Zeit eine Auszeit von der klinischen Medizin hatte und davor nicht wirklich oft mit diesem Thema zu tun hatte.

Ich hatte eine Patientin mit Hyponatriämie (sagen wir bei 120mmol/L) bei der wir den Natriumspiegel wieder anheben wollten. Klar ist soweit, dass man den Natriumspiegel langsam anheben muss. Es sollen wegen der Gefahr einer pontinen Myelinolyse laut Literatur nicht mehr als maximal 10mmol/L in 24h sein laut verschiedener Angaben.

Aufgrund mangelnder klinischer Erfahrung in diesem Bereich bestehen jedoch Unklarheiten/Unsicherheiten beim genauen praktischen Vorgehen:
1. Was benutzt man am Besten? Infusionen mit 0,9% NaCl?
2. Wie schnell stellt man die Infusion ein? (Tropfenzähler hatten wir zu dem Zeitpunkt akut nicht.) Um wieviel mmol/L hebt denn eine Infusion von 500ml NaCl ca. den Natriumspiegel? Besteht bei der Menge schon die Gefahr einer Übersubstitution?
3. Benutzt ihr eine Formel um den zu erwartenden Natriumanstieg zu berechnen, wenn ja, welche? Oder macht ihr das "nach Gefühl"?
4. Wann und wie engmaschig kontrolliert ihr den Natriumspiegel?

Ehrlich gesagt ist mir diese Frage schon ein wenig peinlich, aber ich hab zum praktischen Vorgehen akut bei Google nichts gefunden, gleichzeitig bin ich in solchen Situationen immer etwas unsicher, möchte deshalb aber auch ungern einen Oberarzt fragen.

Für konkrete Antworten bin ich in jedem Fall sehr dankbar!

cartablanca
06.03.2021, 22:41
Also ich kenn das so das bereits unter 120 mmol Intensivmonitoring notwendig ist und nicht unter 110. Hat sich da was geändert?

Nefazodon
06.03.2021, 22:47
Also ich kenn das so das bereits unter 120 mmol Intensivmonitoring notwendig ist und nicht unter 110. Hat sich da was geändert?

Auch das ist eine gute Frage, für deren Beantwortung ich dankbar wäre...!

P.S: ich habe das Problem mit dieser Patientin übrigens auf die bestmögliche und eleganteste Weise gelöst: Verlegung zu den Internisten! :-))

Trotzdem wäre es mir lieber in Zukunft selbst mehr Sicherheit im Umgang mit diesem Problem zu haben!

DA1994
07.03.2021, 08:19
Mit einer englischsprachigen Suche findest du haufenweise Literatur, ich persönlich kann dir uptodate empfehlen.

Natürlich kann man mit 500 NaCl 0,9 keine Hyponatriämie auslösen, in der Regel wird man den Patienten damit auch kein Stück behandeln. Von zentraler Bedeutung sind die Dynamik und die Ursache. In aller Regel hat sich die Hyponatriämie schleichend über Wochen und Monate unter Medikation entwickelt (z.B. HCT), dementsprechend besteht auch kein notfallmäßiger Handlungsbedarf. Eine intensivmedizinische Überwachung ist nur bei schweren neurologischen Symptomen notwendig, bei sehr niedrigen Spiegeln kann es sinnvoll sein für ein besseres Management mit regelmäßigen BGA-Kontrollen eine IMC-Überwachung für die ersten 24 Stunden zu veranlassen.

Bei den typischen asymptomatischen oder milde symptomatischen Verläufen muss die Medikation abgesetzt werden, man kann auch mit NaCl 0,9 etwas gegensteuern. Ansonsten braucht es bei schweren Verläufen eher 3%-Zubereitungen, als Kurzinfusionen oder per Perfusor.
Das würde ich dann nach einigen Stunden (z.B. zum Nachmittag hin) kontrollieren und am nächsten Tag nochmal.

Grundsätzlich ist die Therapie hier hier potentiell gefährlicher als die Erkrankung selbst. Von daher lieber entspannt angehen, anders als bei Kaliumverschiebungen. Und man sollte, auch wenn man ein Konsil stellt, bitte Serumosmolarität und idealerweise auch Natrium und Osmolarität im Urin bestimmen. Damit kann man dann einfach an einer Tabelle ablesen, wo das Problem liegt. Vielleicht fischt man so mal ein kleinzelliges Lungenkarzinom raus. Bei neuroonkologischen und neurochirurgischen Patienten kann die Situation durchaus gefährlicher sein als bei der üblichen Schwindeloma aus dem Heim. Wichtig ist vor Therapie die Diagnostik mit der Frage: Natriummangel oder Hypervolämie?

daCapo
07.03.2021, 09:18
Edit: jetzt hat DA1994 das schon beantwortet. Natürlich trifft die Entscheidungen der OA, hier gibt es einigen Spielraum und es gibt verschiedene Wege zum Ziel.

Wichtig ist wie gesagt die Ursache kennen
z.B. Leberzirrhose (schwere Hyponatriämie im fortgeschrittenen Stadium)-->Leberzirrhose behandeln/Anpassung der Medikation
z.B. Diuretika: eher milde Verläufe/Diuretika absetzen-verändern
z.B. SCLC mit SIADH: eher ausgeprägt-->SCLC behandeln und Tolvaptan


Also ich kenn das so das bereits unter 120 mmol Intensivmonitoring notwendig ist und nicht unter 110. Hat sich da was geändert?

wir hatten in der inneren einen sehr jungen (in den 20ern) Patienten mit weit fortgeschrittener äthyltoxischer Leberzirrhose+Aszitesventil.
Der hatte immer Werte von 106-109 und man konnte trotz Substitution, Anpassung der Medikation, Anpassung der Aszitesdrainage (Incompliance) nicht wirklich was verändern, mal wieder um die 120, dann wieder Abfall. Diverse OÄ und CA haben sich daran ausprobiert. Da er immer wieder kehrte (bekannte Incompliance) wegen diverser Problemen und es im ambulanten Bereich beim Hausarzt auch nicht funktionierte, war er dann später immer auf Normalstation (anfangs Intensiv). Transplantation war eigentlich geplant.

LasseReinböng
07.03.2021, 11:27
Natürlich kann man mit 500 NaCl 0,9 keine Hyponatriämie auslösen, in der Regel wird man den Patienten damit auch kein Stück behandeln. Von zentraler Bedeutung sind die Dynamik und die Ursache. In aller Regel hat sich die Hyponatriämie schleichend über Wochen und Monate unter Medikation entwickelt (z.B. HCT), dementsprechend besteht auch kein notfallmäßiger Handlungsbedarf. Eine intensivmedizinische Überwachung ist nur bei schweren neurologischen Symptomen notwendig, bei sehr niedrigen Spiegeln kann es sinnvoll sein für ein besseres Management mit regelmäßigen BGA-Kontrollen eine IMC-Überwachung für die ersten 24 Stunden zu veranlassen.


Auch ein 500 ml NaCl 0,9%-Beutel kann bei einer schweren Hyponatriämie schon zu viel sein, hier kann man z.B. auch mit G5+NaCl 0,9% 50/50 arbeiten. Wie engmaschig das Na+ kontrolliert wird hängt natürlich auch von hausinternen Gepflogenheiten ab, es gibt Abteilungen wo initial alle 2h kontrolliert wird.






Und man sollte, auch wenn man ein Konsil stellt, bitte Serumosmolarität und idealerweise auch Natrium und Osmolarität im Urin bestimmen. Damit kann man dann einfach an einer Tabelle ablesen, wo das Problem liegt.

Ja, die Bestimmung der o.g. Parameter wird leider häufig vergessen und gleich lostherapiert bzw. erst nach ein paar Tagen, wenn man nicht weiterkommt und ein nephrologisches Konsil anmeldet, abgenommen. Und dann eben unter laufender Therapie und mit sicherlich eingeschränkter/ fehlender Aussagekraft.

Nefazodon
07.03.2021, 12:51
Vielen Dank für die vielen ausführlichen Antworten!

Was mir aber noch nicht ganz klar ist: wie entscheidet ihr, wieviel Natrium (ob 0,9% oder 3% oder 50/50 gemischt mit Glukose) ihr gebt und wie schnell? Gibt es da auch Tabellen, oder rechnet ihr das vorher aus, oder macht man das "nach Gefühl"?

VG
Nefazodon

daCapo
07.03.2021, 12:57
Ja, die Bestimmung der o.g. Parameter wird leider häufig vergessen und gleich lostherapiert bzw. erst nach ein paar Tagen, wenn man nicht weiterkommt und ein nephrologisches Konsil anmeldet, abgenommen. Und dann eben unter laufender Therapie und mit sicherlich eingeschränkter/ fehlender Aussagekraft.

naja Nephrokonsil macht man nur wenn man nicht nicht weiterkommt bzw. bei schweren Fällen bzw. Kann der Patient auch dann Internistisch/nephrologisch werden, wenn die Hyponatriämie im Vordergrund steht. In der großen Mehrzahl der meist leichten Fälle geht es ohne Nephrokonsil und mit Medikamentenumstellung wie von da1994 beschrieben.

Und bei dem von mir geschilderten Fall mit der dekompensierten Leberzirrhose haben weder Nephrokonsil noch Gastrokonsil genutzt bzw. der Patient war auf der Gastro Station. Die Folgen der Grunderkrankung waren nicht mehr zu kaschieren mit Tabletten, Infusionen, Einschränkung der Aszitesdrainage bei Incompliance.

nie
07.03.2021, 13:00
Ja, die Bestimmung der o.g. Parameter wird leider häufig vergessen und gleich lostherapiert bzw. erst nach ein paar Tagen, wenn man nicht weiterkommt und ein nephrologisches Konsil anmeldet, abgenommen. Und dann eben unter laufender Therapie und mit sicherlich eingeschränkter/ fehlender Aussagekraft.


Das möchte ich nochmal unterstreichen. Ohne die genannten Werte ist keine sinnvolle Ursachenforschung möglich und oft wird schonmal unreflektiert NaCL reingeschüttet ohne dass sich jemand um diese Werte kümmert. Wenn der Patient nicht schwer neurologisch auffällig ist (und dann ohnehin auf eine Überwachungsstation gehört) hat man immer Zeit, diese Parameter noch zu bestimmen.

Patienten ohne Symptome, die offensichtlich staub trocken sind (klassischen Altenheimomi) bekommen bei uns erstmal einen Liter Jono, damit kann man schon viel erreichen. Mein Chef schwört bei leichten Hyponatriämien zudem auf natriumhaltiges Mineralwasser und Brühe.

Bei offensichtlich überwässerten Menschen ist ein gezieltes Volumenmangement erstmal sinnvoller als weitere Infusionen reinzuschütten.


Unter Strich sollte man sich vor Therapie erstmal Gedanken um die Ursache der Hyponatriämie machen. Denn davon hängt letzten Endes auch die Therapie ab.
Man muss jetzt nicht bei jeden Natrium von 129 mmol/l bei komplett trockenen oder völlig überwässerten Patienten die komplette Diagnostik abnehmen aber bei schwere Hyponatriämien (hier heißt das < 125 mmol/l und/oder Symptome) ohne offensichtliches Volumenproblem sollte man das nicht aus den Augen verlieren.

Es gibt ganz gute (Kitteltaschen-)Bücher zu internistischen Notfällen, da sind sehr übersichtliche Tabellen zu Elektrolytentgleisungen drin.

MissGarfield83
07.03.2021, 13:06
Schöner PinUp Docs Artikel dazu : http://pin-up-docs.de/2020/08/21/akutmanagement-der-hyponatriaemie/