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Fr.Pelz
20.10.2016, 19:26
Hallo,
ich habe gerade zwei (manchmal gibts ja komische Zufälle) Patienten, die initial mit einer Sepsis bzw einem akuten Nierenversagen und deutliche Desorientiertheit kamen, welches durch das akute Krankheitsbild ja erklärbar war. Beide Patienten wurden therapiert und sind jetzt klinisch sowie laborchemisch wieder im Rahmen, sind aber immer noch völlig desorientiert und delirant.
Beide Patienten waren vorher geschäftsfähig (einen kannte ich schon vorher, bei der anderen versichern das die Angehörigen glaubhaft).
1. Wie kann man diese Patienten therapieren? Die üblichen Maßnahmen der Delirtherapie (Ursachenbekämpfung, Orientierungspunkte bieten, medikamentöse Therapie) scheinen nicht zu greifen.
2. Was wäre an Diagnostik sinnvoll? Ich hatte zb überlegt ein CT mit der Frage nach stattgehabtem Insult zu machen. Die eine Patientin hat eine niedrige klinische Wahrscheinlichkeit, sie war die ganze Zeit therapeutisch antikoaguliert und keine neurologischen Ausfälle. Der andere Patient weist eine sehr verwaschene Sprache auf.
3. Wenn ich eine Diagnostik wie CT machen würde wollen, müsste ich, weil beide Patienten nicht mehr geschäftsfähig sind eine Eilbetreuung einleiten, oder? Bis die nicht da ist, sind mir eh die Hände gebunden, denn ich kann es ja nicht mehr als "Notfall" deklarieren (und somit ohne Aufklärung durchführen), da bei beiden Patienten das Zustandsbild seit über 1 Woche da ist.
Was sagt ihr dazu?

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20.10.2016, 22:41
Septische Enzephalopathie kann schonmal länger dauern, glgtl. auch persistierende Defizite.
Als Auschlussdiagnostikum anderer intracran. Ursachen wäre MRT vmtl. sensitiver als CT. Für die sept. Enzephalopathie/CIP/CIM ist AFAIK EEG und SEPs üblich (-> Neuro Konsil). Der Form halber würde ich auch einmal die B-Vitamine und TSH/T3T4 durchhecheln, falls nicht routinemäßig bereits abgekaspert - unsere Neuro fragt da immer nach...
Die letzte Pat. mit so einer Sache haben wir nach 3 Wochen in eine Neuroreha verlegt... Kürzlich kam sie zu Besuch, wieder gut sortiert. Haben die Kollegen super gemacht :-top
@ Betreuung: ~1 Woche würde ich bei überschaubarem Prozeduralem Risiko (CT) so unter mutmaßlichem Willen begründen. Du postulierst ja den V.a. auf eine intracr. Ursache (bspw. etwas "gesponnen": Einblutung unter Sepsis/DIC plus Antikoag.) die mglw. einer Thp. bedarf...! Eine Betreuung würde ich aber parallel anschieben, machst sich immer gut in der Jurist. Aussenwirkung 😉
Hängt auch vom Richter ab. Unser ist sehr vernünftig und kulant wo es sinnvoll ist.

Lava
21.10.2016, 17:28
Herrje, ihr scheint ja große Angst zu haben vor juristischen Konsequenzen! Ich würde wohl auch ein CCT machen und danach ein Neurokonsil.

Fr.Pelz
21.10.2016, 18:46
Naja, unsere Radiologie ist da sehr streng, was die Aufklärungen angeht. Vor allem muss ich ja schon in die Anforderung "Verwirrtheitszustand" oä schreiben und damit ja ausdrücken, dass der Patient nicht aufklärungsfähig ist.

Aber ich habe heute mit einem netten Radiologen (und einem unserer OÄ) gesprochen und beide haben die CTs befürwortet bzw durcheführt (ist ja eh ohne KM, also wirklich überschaubares Risiko). Bei beiden kein Ischämienachweis.
Der eine Patient war heute morgen mal zeitweise wieder relativ orientiert, mittags dann nicht mehr, also wirklich typisch delirant.

Die andere Patientin war weiterhin sehr verwirrt (Frage: "Wie heißt ihr Sohn?" Antwort: "Ah ja"). TSH ist bei beiden ok, B-Vitamine kann ich ja mal abnehmen und dann ein Neuro-Konsil stellen. Würde

Eilika
21.10.2016, 20:42
Da lobe ich mir mal wieder meine Schweiz. Für ein CT gibt es hier gar keine Aufklärung. Fürs MRI muss ein Fragebogen ausgefüllt werden (Herzschrittmacher und so)...

Fr.Pelz
21.10.2016, 21:05
Und die Strahlenbelastung lasst ihr unter den Tisch fallen? Und die KM-Nebenwirkungen und mögliche Allergien? Und wenn ihr
jemand mit KM ins akute Nierenversagen schiesst, sagt ihr ihm dann "Ach ja, das war übrigens das CT"?


Bin gerade so in der Findungsphase, wie genau ich solche Dinge nehmen will, merke ich gerade :-D

Eilika
21.10.2016, 21:08
Dass es bei Niereninsuffizienz kein Kontrastmittel gibt, das ist klar und steht auf einem anderen Blatt. Ja, die Strahlenbelastung fällt vielleicht "unter den Tisch". Dafür kann ich jetzt ein CT anmelden und normalerweise habe ich bei guter Indikation in spätestens 2 Stunden einen Befund. Keine Ahnung, ob das jetzt gut/besser/schlecht ist. Aber manchmal scheint mir auch der Aufklärungswahn etwas übertrieben. Habe schon gesehen, dass für Blutentnahmen schriftlich aufgeklärt werden musste...

Lava
21.10.2016, 21:10
Wie alt waren denn die Patienten? Ab einem gewissen Alter sehe ich die Strahlenbelastung nicht mehr so kritisch. Bei KM und erhöhtem Krea muss man natürlich schon Risiken und Nutzen abwägen.

THawk
21.10.2016, 21:45
Das ist hier in Kanada schön. Ich kläre nur für das auf, was ich auch selber mache. Und die Aufklärung ist auch i.d.R. deutlich kürzer - für mich sind das LP und Transfusion, Thoraxsaugung falls 'elektiv'. Keine Aufklärung mehr über "kleine Eingriffe" (Magensonde, Blutentnahme, Einlauf(!)), über Ernährungssachen klären die Schwestern auf. Und für MRT / CT / Röntgen gibt es keine Aufklärung.

Fr.Pelz
21.10.2016, 22:06
Wie gesagt, dieses relativ strenge Aufklären über Diagnostik geht hier von den Radiologen aus. Wobei, wenn sie es wirklich streng nehmen müssten, sie alles selbst aufklären müssten. Das geht auf manchen Stationen so weit, dass die Schwestern nur den Bogen hinhalten "Hier unterschreiben Sie mal schnell"- aber wenn der Bogen halt fehlt, die Radiologen den Patienten eiskalt zurückschicken. Hier ist es so: entweder es ist ein Notfall-CT- das bedeutet, ohne Aufklärung, sofortiges CT-Anfertigen und Befunden, es MUSS allerdings zwingend der anfordernde Arzt mitgehen und mit dem Radiologen sprechen.
Oder es ist kein Notfall, sondern nur "dringend", dann braucht es eine Aufklärung. Selbst bei relativ akuten Sache aus der Notaufnahme. Ein SHT beispielsweise unter laufender Antikoagulation mit Kopfschmerzen muss auch noch die Aufklärung unterschreiben. Netterweise haben da die Kollegen meistens ein Einsehen mit dem armen Notaufnahme-Arzt und machen dann die Aufklärungen mal selbst.

Die beiden genannten Patienten sind schon ü60 und brauchten kein KM, deswegen waren die Radiologen auch nicht so streng.

FirebirdUSA
21.10.2016, 23:09
Klärt ihr Röntgenaufnahme auf? Ansonsten ist die Argumentation bei nativen CTs doch hinfällig. Rechtfertigende Indikation muss doch sowieso der Radiologe stellen.
Bei uns klärt der Radiologe inzwischen immer auf. Bei Nativuntersuchung im CT dauert das natürlich nur extrem kurz. Bei Kindern und mit KM länger.
Was sagst du denn zu Strahlenbelastung: Risiko nicht bestimmbar?
@Logo: Was erwartest du denn, dass du ein MR für besser hälst? RF, Blut, Ödem, Aufstau seh ich im CT... MR wird von duesem Patientengut meist verwackelt, ich hab eher eine mögliche Patientengefährdung ohne sichere Anamnese, etc. CT würdest du von mir bekommen, MR nur mit Betreuung oder unklarem CT Befund.
Delier untypisch lange, DD cSDH --> ggf akute Behandlungsindikation. Wenn der Radiologe meint das reicht ihm nicht würde ich das so dokumentieren und Betreuung beantragen.

Edit: Gerade diese relativ aktuelle Stellungnahme gefunden: Ärztliche Aufklärungspflichten bei diagnostischen Röntgenuntersuchungen (1. &2. Teil) unter: http://www.radiologie-und-recht.de/de/archiv.radiologie.und.recht/arzthaftung.und.patientenrechte/

Danach muss du native CTs nicht aufklären (außer Schwangere und evtl Kinder), aber Indikation muss durch Radiologen geprüft werden.

Fr.Pelz
22.10.2016, 13:28
Danke Firebird, das ist ja sehr interessant! Das werde ich mal mit den Radiologen besprechen (oder mein Chef).

Reflex
22.10.2016, 23:21
Wenn die Radiologen für jeden akuten Verwirrtheitszustand so einen Bohei um jedes nativ cCT machen würden, würden in der Neurologie keine Patienten adäquat behandelt werden können. Wenn keine dementielle Symptomatik vorbekannt ist und auch eine metabolische Enzephalopathie möglicherweise wahrscheinlich ist, würde ich zeitnah eine cerebrale Bildgebung machen, um nicht andere Ursachen wie z.B. einen Posteriorinfarkt etc. zu übersehen. Da greift meines Erachtens auch der rechtfertigende Notstand im Sinne des Patienten...

Sebastian1
23.10.2016, 00:54
Ich würd' gern nochmal zu Punkt 1 der ursprünglichen Frage zurück, da da erfahrungsgemäß schon echt viel schief laufen kann. Medikamentöse und konservative Therapie klingt ja schonmal gut, aber wie konkret sieht die denn aus? Und un welchem Setting (Intensiv? IMC? Normalstation).
Was ich leider häufig erlebe: Fest angesetzte antidelirante Medikation wird durch Pflege eigenmächtig nicht gegeben ("der war doch gut"), falsche Auswahl der Medikamente (Benzos bei geriatrischen Patienten, insbesondere langwirksame, andere Medikamente mit potentiell prodeliranten Eigenschaften (Opiate, teilweise auch Neuroleptika), falsche Dosierung der Medikamente, Anordnung nur bedarfsweise. Desweiteren fehlendes Delirmonitoring.
Gibt zum Status quo einen ganz guten Artikel im aktuellen Anästhesisten.

Fr.Pelz
23.10.2016, 13:19
Die eine Patientin, die mit ANV kam wurde initial auf der Nephro behandelt und kam dann als das NV schon wieder abgeklungen war, jetzt sind Crea, Hst, E´Lyte wieder normal (bzw Crea noch leicht erhöht). Sie hat also keine ITS erlebt, Benzos wurde zwischenzeitlich mal gegeben, hab ich aber schnell abgesetzt, als ich das gesehen habe. Ist auch schon eine Woche her. Hat dann Melperon 10mg bekommen und, vielleicht war das der Fehler, bedarfsweise (also nach dem "Bedarf" der Schwestern nach Ruhe). Opiate hatte sie relativ hochdosiert, die hab ich auch runtergefahren. Mal sehen, was die Neurologen dazu sagen.

Der andere Patient war gestern schon wieder etwas besser und heute morgen dann sogar örtlich orientiert und konnte adäquat auf einfache Fragen antworten. Da hat vielleicht einfach das Delir doch noch länger gebraucht zum Abflauen.

FirebirdUSA
23.10.2016, 14:39
wie z.B. einen Posteriorinfarkt etc. zu übersehen. Da greift meines Erachtens auch der rechtfertigende Notstand im Sinne des Patienten...

Welcher Posteriorinfarkt macht Verwirrtheit? Bis auf cSDH kann ich mich an keine Pathologie erinnern die bei solchen Patienten jemals raus kam.
Edit: Oder meinst du Infarkt in drn temporalen Anteilen des Posteriorstromgebiets?

Trenn
23.10.2016, 22:34
Hirninfarkte/ICBs können doch generell ein akutes Delir auslösen, Inzidenzen liegen ja zwischen 20-30%. Das kann man bei (etwas) älteren Patienten auf der Stroke relativ häufig beobachten. Meistens zur Nacht, wenn Oberärzte weg sind und CTs schon längst gelaufen sind. (Beidseitige) ACP-Infarkte machen die schlimmsten Delire, der Patient ist blind, in einer fremden Umgebung, hat teilweise noch visuelle Halluzinationen, und versteht nicht was um ihm geschieht. Alleine dadurch hat er schon Angst und ist agitiert. Eine gute pathophysiologische Erklärung gibt es ja leider nicht, es werden Imbalancen im Neurotransmitterhaushalt (besonders ACh und Dopamin) postuliert.

Fr. Pelz: Der Pat. mit dem ANV hatte doch initial eine urämische Enzephalopathie? Vielleicht dauert es bei älteren einfach etwas länger, bis das Gehirn sich von der Überflutung an Giftstoffen erholt hat.

FirebirdUSA
24.10.2016, 06:43
Das Patienten mit Schlaganfall gern ein Delier haben bestreite ich nicht. Meistens aber auch noch eindeutige Syptome ihres Schlaganfalls.

Reflex
24.10.2016, 07:01
Ich meinte im neurologischen Umgangsslang schon Hirninfarkte im Stromgebiet der A. cerebri posterior und bei denen kommen Verwirrtheitszustände schon relativ häufig vor, jenach Ausdehnung und betroffenen Hirnanteilen. Erfahrungsgemäß kann bei solchen Patienten die klinische Beurteilung des Gesichtsfeld, Paresen etc. schwierig sein, wenn diese Ausfälle nicht gerade hochgradig sind. Unabhängig davon habe ich aber auch schon erlebt, dass eine Aphasie als Delir verkannt wurde. Nichts desto trotz cerebrale Bildgebung finde ich beim einem akuten Verwirrtheitszustand einfach obligat, auch wenn eine metabolische Ursache naheliegend sein wird. Insbesondere wenn ich unkooperative Patienten habe, die klinisch-neurologisch krankheitsbedingt nicht sicher exploriert werden können.

Fr.Pelz
24.10.2016, 19:50
Nee explorieren kann man die nicht, sie versteht bei einfachen Fragen nicht mal dass es Fragen sind. Andererseits scheint schon irgendwas zu ihr durchzudringen. Ich hab ihr z.B gesagt, dass wir sie noch etwas aufpäppeln wollen, da hat sie richtig laut gelacht und völlig adäquat gesagt, dass das mit DIESEM Essen wohl nicht ginge. :-))
Dann hat sie um ihre Entlassung aus der Armee gebeten.

Neurologe war heute noch nicht da.