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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fachwechsel nach 4 Jahren?



OP-Ende
21.10.2016, 20:25
Hallo ihr Lieben,

bräuchte mal einen Rat von Leuten, die sich mit dem Umfeld auskennen. Meine Situation ist die, dass ich jetzt fast 4 Jahre HNO an einer Uni Klinik geschafft habe und mich jeden Tag nur noch irgendwie hinschleppe, weil ich das Interesse und die Freude an dem Fach völlig verloren habe.
War dort im PJ, Doktorarbeit dort gemacht, fand das Ohr und den ganzen Kram drumherum recht ansprechend, bisschen neurologisch, kleine feine chirurgische Tätigkeiten, nehm ich, dachte ich damals nach dem Examen. Auch weil ich mich immer für viele Dinge in der Medizin interessiert habe und noch nicht so ganz wusste, womit anfangen.
Meine Fähigkeiten sind soweit im guten Mittelfeld, ich komme regelmäßig in den OP zu eigenen Eingriffen und mag aber einfach nicht mehr weiter machen. Am liebsten noch in der Ambulanz, weil ich da mit leuten sprechen kann und die Arbeit mich nicht erschlägt. Das, was ich in der HNO selbst machen und können wollte, habe ich erreicht, alles andere brauche ich nicht.
Meine Versuche um herauszufinden, ob es auch an anderen Dingen liegen könnte waren, sehen so aus: seit 9 Monaten in 75% Teilzeit: Leben ist schön, aber in Bezug auf die HNO-Abneigung nix gebracht, jetzt 6 Monate Rotation an ein ambulantes Versorgungszentrum mit weniger schweren Erkrankungen, dafür sehr auf Kinder und die neurologische Entwicklung beim Hören ausgerichtet: hat nix gebracht, die Luft ist einfach raus. Ich habe es inzwischen für mich ausgeschlossen, dass ich in diesem Fach jemals arbeiten möchte, auch nicht in Nischen.

Auf der anderen Seite hat sich in den letzten Jahren ein anderes Interesse bei mir ziemlich stark ausgebildet: die KJP. Habe mich seit knapp 1,5 Jahren mehr dazu belesen als in meiner ganzen HNO-Zeit über HNO, habe in meiner Teilzeit aus Neugier einige Fortbildungen besucht und bin mir ziemlich sicher, dass das eine dauerhafte Perspektive für mich ist.

Frage: was nun? Mein Inneres sagt mir: schnellstmöglich kündigen und in der KJP anfangen.
pro:
- Ich will nicht in der HNO arbeiten, also brauche ich auch keinen FA dazu
- mit FA würden nur meine versicherungen teurer, während ich gleichzeitig doch wieder 5 jahre als Assistenzarzt arbeite, lohnt sich nicht
- könnte mich auch absolut nicht mehr aufraffen für das Jahr (eher 1,5-2, da der Katalog hier an der Klinik eben nicht pünktlich nach 5 Jahren voll ist) und noch einige Zeit für die FA-Prüfung zu lernen (unser Chef macht ziemlich knackige Vortestate zur logbuchunterzeichnung) geht mir völlig ab, da sinnlos
- HNO ist für die KJP sowieso nicht anrechenbar, würde also nur Zeit verlieren
- ich bin unglücklich mit der Arbeit und das belastet mich immer mehr, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit etc.

contra:
- nach 4 Jahren hätte man "kurz vor Ende" abgebrochen - wie wird das gewertet, wenn man sich bewirbt? Fühle die Last des Aufgebers schon ein bisschen auf mir, obwohl ich es eher mutig finde, zu handeln, wenn man einen konkreten Plan hat, anstatt sich irgendwo durchzuquälen, was dann später nur im Lebenslauf schön aussieht.
- was, wenn ich mir das jetzt nur alles einbilde, und raus will, weil ich vielleicht überfordert bin mit den immer mehr wachsenden Anforderungen an die eigenständige Arbeit ohne Backup?
- was, wenn KJP auch nichts für mich ist und ich nach 4 Jahren genauso dastehe wie jetzt?

Im Prinzip, ginge mir meine bisher gesammelte weiterbildungszeit nicht verloren, ih könnte also als Notnagel wieder anknüpfen. Fühle mich ein bisschen zwischen Flucht vor dem Bisherigen aus Vermeidungsgründen und mutigem Aufbruch zu dem, was mich wirklich interessiert.

Problem ist auch noch, dass ich die Stadt auf keinen fall wechseln will und meine Recherchen hintenrum ergeben haben, dass die KJP hier entgegen dem überall beschrienen Stellenüberschuss ziemlich hohe Maßstäbe an Bewerber setzt und die wenigen Stellen sehr ausgewählt besetzt werden - habe da doch noch nix zu bieten. Einfach bewerben? Wäre ja auch noch die gleiche Uniklinik, wie soll das dann mit Arbeitszeugnissen und Erkundigung beim alten Chef laufen, wenn ich eigentlich noch gar nicht gleich mit der Kündigung wedeln will?

Wäre für ein paar Tipps von euch dankbar.
Eure HNO-te

Feuerblick
21.10.2016, 20:50
Einfach bewerben und abwarten, was passiert. Ein "Fremdjahr" schadet auch dann nicht, wenn es nicht anrechenbar ist. Und zurück in die HNO geht es doch mit vier Jahren Berufserfahrung bestimmt wieder zurück, wenn KJP nicht deins ist. Vielleicht auch einfach an ein anderes Haus in einer anderen Stadt oder so.
Ich würde es machen. Manchmal schadet es nicht, sich das Gras auf der anderen Seite man anzuschauen.

Pflaume
22.10.2016, 14:48
Ich sehe das exakt so wie Feuerblick. Und ich vermute, daß du leichter eine Stelle bekommst als du glaubst.

davo
22.10.2016, 15:20
Theoretisch gäbs ja sogar gewisse Kombinationsmöglichkeiten, elektiver Mutismus, Sprachstörungen, usw.

OP-Ende
23.10.2016, 13:35
Vielen dank schonmal für eure Einschätzung?

Wie würdet ihr das mit dem Arbeitszeugnis angehen? Einfach ohne bewerben, weil ich ja nicht schon kündigen will und um Diskretion bitten, damit der Chef nichts mitbekommt? Gibt es jemanden, der sich im gleichen Haus schonmal in eine andere Fachabteilung wegbeworben hat?

Moorhühnchen
23.10.2016, 13:37
Gleiches Haus, andere Abteilung: nein. Aber alle Bewerbungen (immerhin 5 an der Zahl) immer ohne Zeugnis. War nie ein Problem. Mußte auch nur einmal eins nachreichen nach Stellenantritt, die anderen haben die Zeugnisse nie interessiert. Die sind dann nur für die Anmeldung zur FA-Prüfung relevant gewesen.

OP-Ende
23.10.2016, 13:37
Das erste sollte ein Ausrufezeichen sein. Leider habe ich die Schaltfläche zum Ändern von Beiträgen nicht gefunden, ist das deaktiviert?

Moorhühnchen
23.10.2016, 13:38
Nein, der Button erscheint erst, wenn Du eine gewisse Anzahl an Beiträgen hier geschrieben hast (15 oder 50). :-D

OP-Ende
23.10.2016, 13:40
Danke, Moorhühnchen. ich meinte allerdings eines von diesen Blabla-Zeugnissen in Richtung fleißiger Mitarbeiter, war immer früher da und ist später gegangen, auch weil er so langsam gearbeitet hat etc. Das für die Facharztprüfung ist doch mehr das Logbuch mit allen Bestätigungen.

Moorhühnchen
23.10.2016, 13:46
Danke, Moorhühnchen. ich meinte allerdings eines von diesen Blabla-Zeugnissen in Richtung fleißiger Mitarbeiter, war immer früher da und ist später gegangen, auch weil er so langsam gearbeitet hat etc. Das für die Facharztprüfung ist doch mehr das Logbuch mit allen Bestätigungen.Nein. Bei uns (Anä, Hessen) brauchst Du das Logbuch mit den Narkosezahlen UND die Arbeitszeugnisse, um Dich zur Prüfung anzumelden. Logbuch alleine bringt nix.
Die potenziellen Arbeitgeber, bei denen ich mich jedweils ohne Zeugnis beworben habe (eben aus genau Deinem angeführten Grund, daß der jetzige AG es nicht wissen soll), wollten auch nach Stellenantritt nie ein Zeugnis haben. Auch wenn es dann vorhanden gewesen wäre. Meine aktuelle Stelle ist die einzige, wo ich jemals ein Zeugnis vorlegen mußte - und denen hat dann auch nicht das Zeugnis von der FA-Anmeldung gereicht, obwohl das erst ein paar Monate alt war und wortwörtlich den selben Inhalt hatte, wie das, was ich dann vorgelegt hab.

Zurück zum ersten Posting: würde auch HNO schmeißen und KJP ausprobieren. Zurück kannst Du immer!

Eilika
23.10.2016, 13:51
Eine Freundin von mir hat nach über 3 Jahren gewechselt von Chirurgie zu Anästhesie und es nie bereut. Und ich kenne eine Radiologin, die vorher den FA Chirurgie gemacht hat. Zu Zeugnissen kann ich nichts sagen. Das ist hier eh anders...

sonnenblume42
23.10.2016, 13:51
Liebe OP-Ende,

ich bin zwar selber Berufsanfängerin, habe mich aber gerade einige Vorstellungsgespräche und Hospitationen in der KJP absolviert und somit eine Idee von der Stellensituation bekommen.

Ich habe das Gefühl, du weißt schon, was du tun möchtest. Kann es sein, dass du das Bedürfnis hast, die Entscheidung nochmal rational zu begründen? Ich versuche mal, dir damit in einer möglichst strukturierten Antwort zu helfen. :-)

- du möchtest keine HNO mehr machen:
Ich finde deine Darstellung nachvollziehbar und denke, dass du dir wirklich Gedanken zu deiner Zukunft in der HNO gemacht hast. Du sagst selbst, dass du dieses Fach ausschließen kannst. Also solltest du auch auf jeden Fall damit aufhören! Das Berufsleben ist einfach zu lang, um die Situation so zu lassen.

-Alternative KJP:
Also brauchst du eine Alternative, da du ja weiterhin gerne als Ärztin arbeiten zu wollen scheinst. Auch hier hast du dich umfassend informiert (1,5 Jahre ist eine lange Zeit für eine solche Entscheidung!) und scheinst es dir nicht leicht gemacht zu haben. Auch sagst du, dass du mehr KJP-Themen als HNO-Themen gelesen hast. Das sagt schon alles. Ich denke nicht, dass du Angst haben musst, diese Entscheidung voreilig getroffen zu haben. "Ziemlich sicher" mit der Wahl zu sein, ist mehr als ausreichend und mehr als viele je von sich behaupten könnten.

-Facharzt HNO vorher machen:
Du sagst selbst, du brauchst ihn nicht. Warum solltest du dich jetzt also durchquälen? Solltest du deine Meinung später unwahrscheinlicherweise doch ändern, kannst du zu 100% immernoch zurückkommen. Die Argumente die bei einem Chefarzt für dich sprechen sind a) hat mehr Erfahrung als ein Anfänger, wird also favorisiert (Dienste, muss kaum angelernt werden, nur kurzer Arbeitsvertrag nötig) und b) hat sich andere Disziplin angeschaut und ist deshalb umso glaubwürdiger in seiner Facharztwahl (im Gegensatz zu einem Anfänger, der ja vllt. doch nur Zeit bis zur Traumstelle überbrücken möchte und nach der (eventuell stattfindenden) Einarbeitung wieder verschwindet, weil er was besseres bekommen hat)
Das Argument der Versicherung und der fehlenden Anrechenbarkeit sprechen auch für das Abbrechen der HNO-Zeit.
Aber viel wichtiger ist dein psychischer Zustand, du schreibst selbst, dass es dir zur Zeit nicht gut geht.

-Zur Bewerbung in der KJP:
Wie wird gewertet, dass du kurz vorm Ende abgebrochen hast? Als mutig! Das zeigt, dass du wirklich weißt was du willst und dass du unbedingt KJP machen willst. Denn du gibst die Sicherheit des baldigen Facharztes auf, um wieder ganz unten anzufangen. Die Chefs die ich in der KJP getroffen habe, hätten meiner Einschätzung nach das alle interessant gefunden und nicht als Schwäche aufgefasst. Zumal ihnen auch klar ist, dass du nicht einfach zum Fremdjahr kommst und nur flunkerst, du möchtest 4 Jahre bleiben.
Wenn du vorher den FA fertig machst, ändert das doch überhaupt nichts bei der Bewerbung in der KJP, du wärst als Kandidat nicht interessanter.

-Was, wenn du dir das alles einbildest?
Tatsache ist, dass du dir nicht einbildest, dass es dir schlecht geht. Also sollte sich etwas ändern.
Selbst wenn dir KJP wider Erwarten nicht gefalllen sollte, heißt das nicht, dass du einen Job (in dem Fall HNO) machen musst, den du gar nicht willst, aus Angst davor, Zeit verloren zu haben. Was ist schlimmer: ein paar Jahre in der falschen Fachrichtung bevor du das optimale gefunden hast oder Jahrzehnte im falschen Job aus Angst? Du hast eine ausgezeichnete Ausbildung und es gibt unendlich viele Betätigungsfelder (auch in der Wirtschaft, Beratung, Politik) für dich. Eines wird auf jeden Fall passen! Der Lohn wird auch nicht weniger werden.

- zur Bewerbung:
1. Du möchtest die Stadt nicht wechseln: dann bewirb dich erstmal in der KJP in deiner Stadt. Und zwar mit Bitte um Diskretion im Anschreiben. Dass du keine Zeugnisse vorzuweisen hast, ist in der Situation klar und kein Problem. Probiere es erstmal, bevor du ewig überlegst ob du Chancen hast. DU hast viel zu bieten: Berufserfahrung, somatische Kenntnisse, persönliche Reife UND du möchtest nicht nur ein Fremdjahr auf den Weg in die Päd absolvieren (denn auch da würdest du direkt reinkommen).

2. Falls das nicht klappt: Reevaluiere, notfalls ziehst du für ein Jahr um und kommst dann mit Berufserfahrung zurück in deine Heimatstadt. Das ist sicher machbar und kann auch vorher besprochen werden.

3. Die Situation in der KJP: Ich hätte jede (!) KJP-Stelle haben können, auf die ich mich beworben habe. Und das im Umfeld einer Großstadt, in dem kaum Einer Stellen in Derma, HNO oder Päd finden kann. Das trotz fehlendem PJ und ohne Versprechen, dass ich auf jeden Fall den FA machen möchte.

4. Ein letzter Tipp: In einigen KJPs gibt es trotz Personalmangel die blödesten Dienstsysteme (z.B ewige Minusstunden durch Bereitschaftsdienste, die man dann mit unbezahlten Überstunden ausgleichen soll). Frag vorher nach, denn einige machen das nicht und ich sehe keinen Grund, warum man sich bei der Masse an freien Stellen auf so etwas einlassen sollte.


Ich hoffe, ich konnte dir deine eigenen Argumente überzeugend darstellen und wünsche dir viel Mut, damit du endlich diese Bewerbung abschicken kannst! :-meinung

OP-Ende
23.10.2016, 18:41
Sonnenblume, ich bin beeindruckt. Das ist so, als hättest du meinen inneren Monolog der letzten Monate strukturiert aufgeschrieben und alle offenen Fragen stimmig beantwortet. Ich danke dir sehr dafür! [-::-]

sonnenblume42
23.10.2016, 19:11
Sehr gerne! [-::-]
Uuund, schon entschieden? :-wow

dmtec
26.10.2016, 16:39
Sorry, etwas off-topic, aber:
Was ist am Dienstsystem mit Minusstunden so schlecht? Ich finde das super. Der Dienst wird voll bezahlt ohne 8 Stundensätze abzug, und da man eh jeden Tag 2 ÜS macht, ist das Konto ausgeglichen. Besser als zum Chef mit nem ÜS-Zettel zu rennen und betteln, dass man mal einen Tag Überstundenfrei kriegt.
In den meisten Kliniken sind regelmässige Überstundenfrei-Tage sowieso nicht zu kriegen.

sonnenblume42
26.10.2016, 22:26
Hi dmtec,

vielleicht hab ich das ja auch falsch verstanden. Das wäre super! :-top

Also mir ist folgendes untergekommen: 24h-Dienste, davon sind je 16h Bereitschaftsdienst, die man in der Realität aber durcharbeitet. Für den nächsten dienstfreien Tag sammelt man Minusstunden.

Beispiel: bei 6 Diensten im Monat und davon z.B. 4, die vor einem Wochentag stattfinden: 32 Minusstunden.

Dazu kommt die Anordnung die Minusstunden "nachzuholen" innerhalb weniger Wochen. Das führt doch dazu, dass Mann/Frau die Dienstnächte schlechter bezahlt bekommt als tagsüber (weil ja als Bereitschaftsdienst berechnet) + 32 unbezahlte Überstunden im Monat (erst die 33te wird ausgezahlt/für FZA aufgeschrieben).

Hab ich einen Denkfehler? :-notify