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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie wertvoll sind Assistenzärzte für Kliniken?



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geisterhome
16.12.2016, 15:10
Mein CA meinte kürzlich das Kliniken eigentlich nur FÄ, die Operationen (ist ein chirurgisches Fachgebiet) selbstständig, am besten allein mit der Op-Schwester, durchführen, einstellen möchten.
Assistenzärzte seien dagegen zumindest in die chirurgischen Fachgebieten kaum gefragt da deren Ausbildung viel zu teuer sei.

Ehrlich gesagt habe ich mich etwas auf den Schlips getreten gefühlt :-D

Wenn ich mir Stellenanzeigen durchschaue bekomme ich subjektiv ein anderes Bild, es sind durchaus viele Gesuche für AA vorhanden, auf der anderen Seite sind OÄ mit Erfahrung (also gestandene FA) gefragt.

Gleichzeitig gibt es in der Klinik meines Erachtens nach durchaus viele Tätigkeiten die von Ärzten erledigt werden müssen für die es aber keinen (besser bezahlten) FA braucht.

Wie seht ihr das?

pottmed
16.12.2016, 15:22
Natürlich braucht eine Klinik Assistenten, wer soll denn die ganzen Vordergrund-Dienste machen ?

Wer soll Deinen CA operieren, wenn er selber mal einen Chirurgen braucht, aber leider keinen Assistenten ausgebildet hat. Wer soll die Briefe schreiben, wer soll Blut abnehmen, etc. Blabla, die Liste lässt sich lange fortsetzen.
Daher ist die Aussagen des CA äußerst dämlich.

roxolana
16.12.2016, 15:26
Naja, es gibt durchaus chirurgische Abteilungen, wo nur FÄ arbeiten. In so einer mache ich gerade PJ. Da ist es wirklich so, dass die oft alleine mit OP-Schwester operieren. Bei größeren Eingriffen kommt noch ein 2. FA dazu.

Mano
16.12.2016, 17:17
Ganz von der Hand zu weisen ist das sicher nicht - im niedergelassenen Bereich arbeiten ja auch fast keine Assistenten. Fürs Blutabnehmen und Briefe schreiben (zumindest in vielen Fällen) brauche ich keinen Arzt und viele andere Dinge für die ein Assistent deutlich länger braucht, macht ein erfahrener Facharzt so nebenbei. In der Anästhesie und kleineren chirurgischen Fächern ist eine reine Facharztbesetzung in kleinen Abteilungen an Grundversorgern sogar recht häufig.
Vorraussetzung ist natürlich besonders gutes Pflegepersonal und eine optimale Ablauforganisation (letzteres setzt aber eine möglichst hohe Standardisierung vorraus: d.h. möglichst nur elektive Hüft-TEPs und keine multimorbiden Patienten) - beides in einer Klinik nicht umbedingt selbstverständlich, im ambulanten Bereich hingegen schon.
Und natürlich muss man auch Fachärzte finden, die das wollen - auch hier dürfte es meist schwierig werden (weshalb oben genannte Grundversorger dann eben 2 Chef und 2 leitenden Oberarzt haben, aber eben keine normalen Ober-/ Fachärzte)...

Kackbratze
16.12.2016, 17:33
Das klassische Gelaber von Jemandem ohne Weitsicht. Erst nicht ausbilden und danach rumheulen, dass man kein vernünftiges Personal mehr findet. Einfach abwarten, irgendwann wird ein FA ohne Ahnung eingestellt, dann implodieren auch solche Abteilungen.

Pampelmuse
16.12.2016, 17:45
Naja, es gibt durchaus chirurgische Abteilungen, wo nur FÄ arbeiten. In so einer mache ich gerade PJ. Da ist es wirklich so, dass die oft alleine mit OP-Schwester operieren. Bei größeren Eingriffen kommt noch ein 2. FA dazu.

Herzchirurgie?

anignu
16.12.2016, 19:55
Insgesamt würde ich auch sagen: der Chef hat einerseit völlig recht und liegt andererseits völlig daneben.
Letztlich stimmt es natürlich, dass in einer chirurgischen Abteilung die DRGs durch Operationen erbracht werden die nur in seltenen Fällen durch Assistenten (ohne FA) erbracht werden. Insofern sind schon die Leistungsträger die Fachärzte. Auf der anderen Seite kann es auch nicht nur Häuptlinge geben. Es braucht auch Wasserträger. Irgendjemand muss Sprechstunde, Voruntersuchungen, Aufklärungen, Stationsarbeit, Nachtdienste, Notaufnahme etc. machen. Und ein paar Dinge sind da schon dabei die sind halt dann doch streng ärztlich. Es braucht einen ärztlichen Nachtdienst, es müssen Ärzte sein die die Aufklärungen übernehmen, es müssen Ärzte sein die in der Notaufnahme arbeiten, es müssen Ärzte erreichbar sein und reagieren können wenn es den Patienten auf Station schlechter geht.

Grundsätzlich: das was dein Chef will klappt als Belegarzt oder Belegabteilung in öffentlichen oder privaten Kliniken. Und ich kenn das System auch als winzige Abteilung angegliedert an eine größere Abteilung in einer öffentlichen Klinik. Aber irgendwann ist es schon so dass der Nachtdienst eines Facharztes mit 10 Jahren Berufserfahrung teurer ist als der eines Assistenzarztes frisch von der Uni. Das kostet hat mal das 1,5fache. Und man wird auch keinen mehr finden der das regelmäßig macht. Also braucht man schon irgendwelche Deppen die man mit "wir bilden Sie immerhin aus" zu Nachtdiensten überredet.

Und bzgl. Ausbildung: und wenn dann ein Chef nicht ausbildet weil "is zu teuer" dann gibts die Abstimmung mit den Füßen und die funktioniert meist sehr gut. Auch ich akzeptiere die aktuell sehr hohe Dienstbelastung nur weil ich wirklich extrem viel lern und meiner Meinung nach gut ausgebildet werde. Sonst würde ich auch sagen: leckt mich, sucht euch einen anderen Deppen für die Nacht- und Wochenenddienste.

Kackbratze
16.12.2016, 23:18
Letztlich stimmt es natürlich, dass in einer chirurgischen Abteilung die DRGs durch Operationen erbracht werden die nur in seltenen Fällen durch Assistenten (ohne FA) erbracht werden.

Bei uns laufen "Masse" und "Klasse" parallel gut. Nur mit Ösophagus, Pankreas, Leber und Magen können wir nicht den Schnitt halten, wir benötigen genauso die Gallen, Hernien und Abszesse.
Wer behauptet, nur gross ist gut...naja, 20cm sind nicht immer 20cm. Man muss nicht nur mit Größe, sondern auch mit Abwechslung glänzen können.

anignu
16.12.2016, 23:39
Bei uns laufen "Masse" und "Klasse" parallel gut. Nur mit Ösophagus, Pankreas, Leber und Magen können wir nicht den Schnitt halten, wir benötigen genauso die Gallen, Hernien und Abszesse.
Wer behauptet, nur gross ist gut...naja, 20cm sind nicht immer 20cm. Man muss nicht nur mit Größe, sondern auch mit Abwechslung glänzen können.
Auch bei deinen Gallen+Hernien+AE stehen Fachärzte dabei oder sind in der Nähe oder haben es den Assistenten beigebracht etc. Auch dafür brauchts Fachärzte. Bei uns machen die kleineren Eingriffe auch ich allein obwohl ich grad noch nicht Facharzt bin, aber es ist (fast) immer noch ein Facharzt im Haus falls was schief geht oder um kurz drauf zu schauen.
Es geht ja nichts ums Niveau. Es geht drum dass rechtlich jemand da sein muss.

Kackbratze
17.12.2016, 00:03
Das man FÄ braucht um ausbilden zu können ist unbestritten, es geht hier doch um die glorreiche Idee, dass man keine Weiterbildungsassistenten braucht, damit das Leben bis ans Ende schön und erfolgreich in einer Klinik gehandhabt werden kann und das ist faktisch falsch.
Keine Ausbildung keine neuen Fachärzte. Keine neuen Fachärzte, leere OP-Sääle, weil die Operateure fehlen. So einfach ist das.

anignu
17.12.2016, 10:26
Schon, aber wer so denkt wie der besagte Chef, der denkt auch "sollen doch die anderen ausbilden".

@geisterhome: und das mit den gestandenen Fachärzten / Oberärzten ist ja so, dass ein Assistenzarzt nicht von heute auf morgen durch eine Prüfung plötzlich selbständig wird. Auch der braucht erst noch seine Zeit bis wirklich alles alleine funktioniert. Insofern sucht man sich Selbständige oder Wasserträger.

Im Endeffekt ist ja jeder Arzt irgendwo ein Ärgernis für den Chef: der frische Assistenzarzt weil er nichts kann, der erfahrene Assistenzarzt weil er so hohe Ansprüche hat und gefördert werden will in seiner Ausbildung, der frische Facharzt weil er auch viel operieren will, der erfahrene Facharzt weil er endlich eine Oberarztstelle haben will und der Oberarzt weil spätestens der teuer wird und auf gar keinen Fall mehr Vordergrunddienste machen will. :-)

Man bräuchte einen Mittelweg für solche Chefs: einen erfahrenen Arzt, der Facharzt ist, der auch Vordergrunddienste macht und kein Geld verlangt. Und der alles tut was der Chef will.

Feuerblick
17.12.2016, 12:26
Jo, oder wie ein mir bekannter Chefarzt mal vorgeschlagen hat: Assistenzärzte, die für ihre Ausbildung Geld bezahlen... :-))

Umbie
17.12.2016, 14:32
Jo, oder wie ein mir bekannter Chefarzt mal vorgeschlagen hat: Assistenzärzte, die für ihre Ausbildung Geld bezahlen... :-))

*Kopfschüttel*, aber leider gar nicht mal völlig unrealistisch. In der Ausbildung von psych. Psychotherapeuten ist ja genau das der Standard :-nix .

roxolana
17.12.2016, 19:51
Herzchirurgie?

Ne, Gefäße.

Kackbratze
18.12.2016, 02:10
Da rennen auch viele Psychos rum....

kut66
18.12.2016, 18:08
Wütendes Kopfschütteln bei Aussagen wie die des besagten Chefs...
Gut, unklar ist, ob das nur eine allgemeine Feststellung war oder ob das seine persönliche Meinung widergibt.

Jedenfalls würde ich von jemandem in einer verantwortungsvollen Position deutlich mehr Weitsicht erwarten.
Naja, die schon angeklungene "Abstimmung mit den Füßen" wird sich auch da irgendwann bemerkbar machen. Allerdings ..solange immer noch Nachschub da ist, der schlechte Arbeits-/Ausbildungsbedingungen in Kauf nimmt, zB um auf dem deutschen Markt erstmal überhaupt Fuß zu fassen, wird das wahrscheinlich weniger Effekt auf die Ausbildungsqualität haben als erhofft.

kut66
18.12.2016, 18:09
doppelposting

geisterhome
18.12.2016, 18:34
Wütendes Kopfschütteln bei Aussagen wie die des besagten Chefs...
Gut, unklar ist, ob das nur eine allgemeine Feststellung war oder ob das seine persönliche Meinung widergibt.

Jedenfalls würde ich von jemandem in einer verantwortungsvollen Position deutlich mehr Weitsicht erwarten.
Naja, die schon angeklungene "Abstimmung mit den Füßen" wird sich auch da irgendwann bemerkbar machen. Allerdings ..solange immer noch Nachschub da ist, der schlechte Arbeits-/Ausbildungsbedingungen in Kauf nimmt, zB um auf dem deutschen Markt erstmal überhaupt Fuß zu fassen, wird das wahrscheinlich weniger Effekt auf die Ausbildungsqualität haben als erhofft.

Also der besagte Chef stellt ja Assistenzärzte ein, er wollte damit schon eher auf die Situation in der Medizin allgemein und in den chirurgischen Fachrichtungen im speziellen hinweisen. Ob er es nicht trotzdem auch selbst so sieht hat er offen gelassen.

Wenn es nach Weiterbildungsqualität in seiner Abteilung geht interessiert ihn Ausbildung allerdings nur wenig. Auch kann sie zumindest hier auch nicht viel kosten verursachen, mir fällt wirklich nicht ein wie?

Lava
19.12.2016, 08:44
Das kommt wohl ganz drauf an, wie die Klinik strukturiert ist. Bei meinem letzten Arbeitgeber war es eher so, dass es da keinen wirklichen Bedarf für Fachärzte gab. Da gab es eine relativ große Anzahl an Oberärzten (9, wenn ich mich nicht irre), die halt ihre Hüften, Knie, Schultern, Füße und Wirbelsäulen operiert haben und dann brauchst du eigentlich nur noch eine große Anzahl an Deppen zum Haken halten (1. Assistenz machen da Ärzte, 2. Assistenz bezahlte Studenten) und die Station, die Aufnahmen, etc.
Eigentlich ist man da als Weiterbildungsassistent eher ein Störfaktor, weil eine OP gerne mal doppelt so lange dauert, wenn ein Assistent sie macht.
Also in dieser Klinik hatte ich mehr das Gefühl, die brauchen Assistenten als Deppen vom Dienst. OK, hin und wieder durfte man auch was operieren, aber bei über 1000 Prothesen und 1000 Wirbelsäulen im Jahr war der Anteil, den Assistenten operiert haben, sicher im 1-stelligen Prozentbereich. Gut, bei den Wirbelsäulen eher zweistellig, weil halt die Facettendenervierungen idR von einem Assistenten allein gemacht wurden und bei den Kyphoplastien stand auch meist der Assistent als Operateur drauf, auch wenn man da eher nur auf Anweisung vom OA handelt.

John Silver
23.12.2016, 22:06
Es ist an sich möglich, eine Klinik ohne Weiterbildungsassis aufzuziehen. Fachärzte machen das, was Kohle bringt (OPs, Interventionen, Untersuchungen etc.), den Rest besorgen Pflegekräfte und Arztassistenten, Hakenhalter sind dann chirurgisch-technische Assistenten oder Studis. Die Notaufnahme kann mit primär dort beschäftigten Ärzten geschmissen werden, und die Vordergrunddienste kann man auch regeln. Auf genau dieses System steuern langsam, aber sicher alle privaten Klinikbetreiber hin. Das wird einem zwar mit der "Ärztemangel"-Sauce serviert, garniert mit dem "Entlastung der Ärzte im Alltag"-Brei; letztlich schauen alle Beteiligten jedoch nur auf die Kohle, und ein System, das die aktuelle Leistungsfähigkeit behält, dafür jedoch deutlich weniger Ärzte braucht (und diese durch billigere Berufe mit niedrigerer Qualifikation ersetzt), ist profitabler.
Die Weiterbildung junger Ärzte ist eine Aufgabe, der sich Klinikbetreiber aller Arten nur widmen, weil es die aktuellen Möglichkeiten nicht anders erlauben. Mit der Zeit wird das von mir oben beschriebene Szenario jedoch immer besser umsetzbar werden, weil das entsprechende Personal zunehmend die Ausbildung beenden und auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wird. Die Tatsache, dass man junge Ärzte weiterbilden muss, um nicht eines Tages ohne Fachärzte dazustehen, interessiert die Klinikbetreiber nur insofern, als dass sie bestrebt sind, die Befriedigung des eigenen Bedarfs zu sichern; Weiterbildung mag teuer sein, aber wenn man nicht weiterbildet und die Zahl der auf dem Markt verfügbaren Fachärzte kontinuierlich sinkt, werden die Fachärzte teurer, was auf Dauer die Mehrkosten der Weiterbildung aufwiegt. Das ist der einzige Grund, zumindest an bestimmten Standorten die Weiterbildung zu betreiben.