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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Einstieg Labormedizin, etc. mit/ohne Erfahrung



TheArtfulRobber
12.01.2017, 10:30
Hallo erstmal!

Nach Staatsexamen und Abschluss meiner Doktorarbeit steht jetzt für mich ominös der Berufsanfang voraus. Jedoch habe ich mich selbst nie als den praktisch am Patienten tätigen Arzt gesehen und auch meine Famulaturen und das PJ (abgesehen vom Wahltertial) waren mehr etwas, das ich überstanden habe, als eine Offenbarung bezüglich dieses Bereiches.
Dagegen hat mir die Arbeit im Labor in Praktika und experimenteller Doktorarbeit immer sehr gut gefallen. Ich will mich aber nicht primär auf die Forschung verlegen, das ist mir zu unsicher in Bezug auf Zukunftsaussichten (kurze Verträge, Abhängigkeit von Forschungserfolg, hohe Konkurrenz), sodass ich aktuell an Labormedizin oder vielleicht Mikrobiologie als mögliche Tätigkeitsfelder für mich denke.

Auch dort werde ich laut WBO aber nicht um ein Jahr in der unmittelbaren Patientenversorgung herumkommen und davor hab ich richtig Bammel und fühle mich sehr unsicher/unvorbereitet. Insbesondere bei der Vorstellung, in einem akuten Notfall direkt für das Leben/Wohlergehen eines Patienten verantwortlich zu sein oder im Nachtdienst alleine darzustehen, graust es mir. Vielleicht ist das nur eine Frage der fachlichen Sicherheit und (bei mir aktuell nicht-existenten) Erfahrung, aber so oder so ... :-nix

Wie realistisch ist es aber erstmal direkt mit Labormedizin anzufangen und die klinischen Pflichtzeiten im späteren Verlauf abzuleisten? In Stellenausschreibungen heißt es häufig, ein abgeschlossenes klinisches Jahr sei "von Vorteil aber nicht Voraussetzung" - ist das wörtlich zu nehmen, oder heißt das eher sie nehmen Leute ohne nur wenn sie niemanden mit entsprechender Erfahrung finden?

Und was für einen Unterschied macht es für spätere Chancen, in einer Universitätsmedizin, einem größeren Haus, oder einem Labor anzufangen? Ich hab da aktuell so die Vorstellung, dass man mit Background in der Universitätsmedizin problemlos anderswo hingehen kann, aber nicht unbedingt umgekehrt. Oder ist das mehr eine Frage, ob man weiter Erfahrung in Forschung, etc gesammelt hat oder nicht?

Was sollte ich noch bedenken oder beachten für einen Einstieg im Bereich Labormedizin, bzw. generell unter dem Gesichtspunkt, dass ich am liebsten so wenig wie möglich direkt am Patienten tätig sein möchte?

Locutus001
12.01.2017, 13:13
Hallo zurück.

Herzlichen Glückwunsch, mit forschender Diss. hast Du ja schonmal das Zeug für die Unis.

Um die Nahtoderfahrungen eines Dienstarztes im Akutkrankenhaus könntest du ja ggf. herumkommen indem Du bspw. bei einer Rehaklinik, Geriatriezentrum oder einem Herzzentrum etc. ohne Ambulanz anfängst.

Notfälle wirst Du auch da haben, aber ich muss zugeben es ist viel weniger belastend, da Du ja nicht noch quasi im Nebenbei die Ambulanz hast. Zusätzlich ist der Großteil der Pat. auch schon etwas älter, zumindest ich empfinde das als entlastend (auch wenn hierdurch ganz andere Tücken auf einen zukommen können...). Und die Hauptdiagnosen stehen ja auch schon ;-)

Das um nur eine Möglichkeit zu nennen, wie es doch etwas stressfreier gehen könnte.

Die meisten suchen natürlich jemanden den sie ausbilden um ihn dann bei sich zu behalten. Die haben nicht unbedingt Lust für ein Jahr Innere jemanden dann rauszuschicken und ggf. noch zu bezahlen. Aber 1 Jahr Klinik ist eben doch Pflicht in der WBO. Deshalb ist es selbstverständlich von Vorteil das einfach schon voll zu haben. Hinzu kommt ja, dass man auch etwas ärztliche Erfahrung hat, das ist ja mitunter auch nicht verkehrt für die Aufgabe die dann auf einen zukommt. Hinter der Theorie im Labor steht ja am anderen Ende ein Einsender mit ganz akuten Fragen. Da hilft es natürlich auch schonmal nen Pat. klinisch erlebt zu haben.

Und zuguter Letzt sicherlich wie überall: Standortabhängig. Wo soll es denn hingehen? Ich meine in Schwerin findest Du sicherlich leichter etwas als in Berlin. In Krefeld leichter als in Köln. In Hamm leichter als in Hamburg. Wobei das natürlich auch irgendwie wieder drauf ankommt. Ich stelle mir aber vor, dass in den größeren Städten es einfach so ähnlich sein wird wie in den anderen Fächern auch.

Viel Erfolg und halt uns auf dem Laufenden wie es weitergeht :-)

davo
12.01.2017, 13:23
Unsere Labormediziner meinten auch, dass es enorm wichtig ist, diese klinische Erfahrung bereits zu besitzen. Macht ja irgendwie auch Sinn - du musst ja auch Einsender beraten können, Ergebnisse interpretieren können, usw. Manche unserer Laborärzte haben vorher sogar mehrere Jahre Innere gemacht, bevor sie dann den Fachwechsel gemacht haben.

Pflaume
12.01.2017, 14:20
Wahrscheinlich würdest du, wenn du Kompromisse eingehst, auch ohne das klinische Jahr eine Laborstelle finden und dann später die Klinik nachholen können. Das macht es aber doch nur schwerer. Dann hast jahrelang Bammel davor, daß du das klinische Jahr noch machen mußt. Gleichzeitig kannst die Erfahrung aus dem Klinischen Jahr nicht bei deiner Laborausbildung nutzen, weil du sie ja noch gar nicht hast.

Mach das Klinische Jahr am Anfang, dann hast du es weg, und es ist auch gar nicht so schlimm wie du denkst.
Macht sich auch auf jeder Bewerbung besser.

Mano
12.01.2017, 23:44
Ich würde dir auch raten das klinische Jahr als erstes zu machen. Jetzt ist dein Wissen aus Studium und PJ noch frisch - wenn du erstmal vier Jahre aus der Akutmedizin raus bist wird es denke ich umso schwerer.
Als Stelle würde ich mir dann lieber ein großes Haus aussuchen - da bist du dann im Dienst eben nicht alleine. Ansonsten: Andere haben es auch geschafft ;-)

Echinococcus
13.01.2017, 10:05
Ja, kleine Häuser fordern oft das klinische Jahr schon absolviert zu haben, aber an großen Häusern sieht das ganz anders aus. Auch manche privaten Labors möchten lieber dass du ERST bei ihnen beginnst und dann während deiner Tätigkeit dort bei bestimmten Partnern deine klinische Zeit runterratterst. Vor allem ist es gut, wenn dein Weiterbildungsprogramm (wie es z.B. die Charité für MiBis anbietet) dich dann auch spezifisch dorthinschickt, wo du dein infektiologisches Wissen/Antibiotic Stewardship etc. anwenden kannst und nicht nur Leute mit Kreuzbandruptur oder Hüft-TEP versorgst.
Ich war übrigens auch nie der Patientenfreund, wurde dann aber im PJ alleine auf eine Station geworfen und musste lernen das alles zu organisieren und durchzustehen. Und, oh Wunder, es klappte ganz gut und hat sogar ein bisschen Spaß gemacht. Stehst du also auch durch.
Wenn du spezifische Fragen hast, schreib mir gern eine PM, bin auch im Bereich Mibi/Hygiene tätig.

Healix
14.01.2017, 10:34
Falls die potentielle Weiterbildungsstätte keine festen Kooperationen für das klinische Jahr hat, ist es definitiv besser, es vorher zu erledigen. Die Erfahrung macht definitiv was aus, in der Labormedizin ist ein großer Teil der Arbeit Beratung von klinisch tätigen Kollegen. Außerdem ist es für die spätere Übernahme als Facharzt natürlich einfacher, wenn man nicht noch mal ein Jahr woanders hin muss vor der Prüfung.
Verantwortung hat man auch - gerade in den großen Privatlabors kommt die Masse der Proben von Allgemeinmedizinern, die sehr variable Fachkenntnisse haben. Es kommt bei uns im Dienst immer mal wieder vor, dass in Blutausstrichen Erstdiagnosen von Leukämien gestellt werden. Wenn der Einsender nicht erreichbar ist, muss man dann selbst die Indikation zur Einweisung stellen und das mit dem Notdienst regeln.
Außerdem: Forschung gibt es nicht nur an der Uniklinik. Für die großen Privatlabore ist das inzwischen durchaus fürs Prestige erwünscht, wenn auch publiziert wird - natürlich nicht hardcore experimentell.

stuggi2017
20.01.2017, 06:23
Ich habe 2009 in einem niedergelassenen Labor mit meiner Facharztweiterbildung angefangen. Beim Vorstellungsgespräch haben wir vereinbart, dass mir das Labor eine 12-monatige Zeit in der Inneren vermittelt. Letztlich war mir das alles zu kompliziert und ich habe mich 2012 selbst darum gekümmert. Das war auch absolut kein Problem. In den 90er als es noch einen Ärzteüberschuss gab, war es sicher schwierig als angehender Laborarzt für 1 Jahr eine Innere Stelle zu bekommen. Damals hat man dann halt in der Inneren angefangen und so getan, als ob man Internisten werden will. Dann nach 12 Monaten kam dann der „plötzliche Sinneswandel“ und der Wechsel in die Labormedizin.

Im Jahr 2017 muss doch jeder (Innere) Chefarzt froh sein, seine Stellen noch mit gut deutsch sprechenden Assistenten zu besetzten. Bei mir war von Anfang an klar, dass ich nur ein Jahr bleibe und es gab überhaupt keine Probleme. Ehrlichkeit finde ich für alle Seiten am besten. Wenn Du nur ein Jahr Innere als Anfänger nach der UNI machst, bringt das ehrlich gesagt nicht so viel für die Labormedizin. Man lernt vor allem das Verwalten der Bürokratie auf den Stationen. Mein persönliches Resümee nach einem Jahr Innere war, dass es doch nicht so schwer ist wie erwartet, da sich die Diagnosen doch recht rasch wiederholen (DM, Hyertonie, COPD etc) und dann immer nach Leitlinie / Stationsstandard vorgegangen wird. Also alles nicht so schlimm!

Laborant
09.06.2017, 12:16
Ich stehe gerade kurz vor der Entscheidung Labormedizin als Wahlterital zu nehmen. Wenn hier schon einige Laborärzte schreiben würde ich gerne fragen:

Wie stehen die Chancen sich nach dem Facharzt an einer Praxis zu beteiligen?

Ist Labormedizin im PJ wichtig um nachher eine gute Stelle zu bekommen ?

Healix
10.06.2017, 09:30
1. Schlecht - es gibt nur noch wenige Labore in Deutschland, die inhabergeführt sind und nicht großen Konzernen gehören. In der Regel bist du als Facharzt angestellter Arzt.

2. Ich kenne persönlich niemanden, der Labormedizin im PJ hatte. Eigentlich ist allen Labormedizinern klar, dass es ein Fach mit vielen "Quereinsteigern" ist, die Leute haben meist sehr diverse Hintergründe.

roxolana
10.06.2017, 09:53
Healix, wie schwer ist es denn eine Stelle zu finden bzw. wie begründet man im Bewerbungsgespräch, dass man in die Labormedizin will, wenn man noch keine Erfahrungen darin hat? Würde eine vorherige Hospitation was bringen, auf die man sich berufen kann?

Laborant
10.06.2017, 21:00
Vielen Dank für die schnelle Antwort, Healix. Gibt es dann bei diesen Konzernen sowas wie Fach- Ober- und Chefarzt, oder wie kann man dort dann "Karriere" machen?

Healix
13.06.2017, 18:23
So viel verschiedene Settings kenne ich nicht - bei uns ist es so, dass jeder Bereich (Genetik, Mikrobio, Labor) einen Leiter hat, der a.e. einem Chefarzt entspricht, jeder in diesem Bereich angestellte Facharzt hat aber meist Freiheiten und eigene Aufgaben, die einem Oberarzt entsprechen. Mein Chef ist z.B. der Leiter der Labormedizin, ich bin Leiter der Hämatologie / Hämostaseologie - meist ist man aber für "sein" Teilgebiet der einzige Arzt, selten mal 2-3 für größere Gebiete. In kleineren Laboren ist man entsprechend für mehr zuständig. Aufstiegsmöglichkeit dann eher nicht mehr im medizinischen Sinne, höhere Positionen wie Standortleitungen sind meist viel mehr Organisationsarbeit - aber das ist wahrscheinlich im Krankenhaus nicht anders.

Hm, wie begründet man das im Bewerbungsgespräch... Meine Erfahrung ist, dass die Einstellenden ganz genau wissen, dass kaum jemand primär in die Labormedizin will und dass das Fach einige auch wegen des "Lifestyle" anzieht. Das ist nicht unbedingt schlimm. Ich konnte evtl. mit Hiwi-Jobs in Mikrobio und klinischer Chemie während des Studiums punkten, aber das war damals auch nicht mit dem Ziel ausgesucht, später mal Laborarzt zu werden. Ich hatte dann gesagt, dass ich die diagnostische Seite der Medizin immer am spannendsten fand und auch gern wieder mit Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen zu tun haben wollte.

Ulle
18.06.2017, 20:10
Ich finde, dass das klinische Jahr mit Abstand das wichtigste ist und fände es sehr sinnvoll, wenn bis zu 12 weitere Monate Klinik optional auch für den Facharzt angerechnet werden könnten (ähnlich wie in der Transfusionsmedizin). Insofern mein Rat: auf keinen Fall irgendeine Reha-Klinik etc. nehmen, sondern mitten ins Getümmel. Damit tust Du in der Gesamtheit den Patienten einen größeren Gefallen.

Jul1029
19.06.2017, 01:09
Mir wurden nach ca. 1.5 Jahren der Suche nur 2 Stellen angeboten. Eine im Labor edizin und das andere in Patho. Und ich habe ca. 10 Vorstellungsgespraechen insgesammt gehabt. Ich hatte bereits eine Facharztqualifikation aus dem Ausland in den beiden Fachgebieten, und aktualisierten Fortbildungscertifikate (mit viel Muehe , da ich statt Urlaubs 2 Jahre lang Fortbildngen in Heimatland gemacht habe). Ausserdem, 2 Jahren der wissenschaftliche Erfahrung in Bereich Molekulaeren Medizin aus Deutschland, und noch einige Jahre in Detschland als Assistenzaerztin im nicht Labor/Patho Bereich. waren da. Seitens Motivation war bei mir alles ziemlich eindeutig - das war mein Fachgebiet in Heimatland und ich hatte aehnliche Erfahrung im Molekulaeren Medizin aus Deutschland noch dazu. Ich hatte auch 10 oder 12 Fortbildungszertifikaten aus Deutschland von meiner Zeit in Wissenschaftszentrum darueber, dass ich mit bestimmten Methoden der Molekularen Medizin, Patho und Gystologie auskennte. Und trotzdem war es fuer mich ziemlich schwer die Stellen zu kriegen.
Manchmal war es einfach das Menschliche Faktor. Z.B., an einem Uniklinikum hat man mir am Ende abgesagt, weil ich mehr Erfahrung hatte als die Abteilungleiterin (sie sagte es direkt)).
Vielleicht, ist das etwas einfacher fuer die Deutschen. Ich war eine auslaendische Aerztin, aus einem nicht EU-land, dass koennte gegen mich spielen (obwohl, Deutsche Approbation, sowie uneingeschraenkter Zugang zum Arbeitsmarket waren bereits vorhanden bevor ich mit der Suche angefangen habe. Auch Gleichwertilekeitspruefungen waren laengst bestanden, und die 3 Jahren als Assistenzaerztin habe ich hier auch schon gearbeitet).

NolleIsa
26.06.2017, 22:28
Hi zusammen,

leider habe ich ähnliche Erfahrungen, wie die meisten hier gemacht.
Ohne Berufserfahrung in der Labormedizin ist es fast unmöglich eine Stelle zu bekommen.
Oder sagen wir es mal so, man muss schon richtig viel Glück haben bei den wenigen Stellen.
Ich konnte jetzt zumindest mal ein Praktikum in diesem Bereich absolvieren.
Das war sehr interessant und hat mich im Bestreben nach dieser Tätigkeit noch weiter gestärkt.
Vor allem das Arbeiten mit der neuesten Labortechnik von Karl Kolb (http://www.karlkolb.com/) hat mir unheimlich viel Spaß gemacht.
Ich hoffe ich werde bald fündig und wünsche auch allen anderen suchenden hier viel Glück! :)

LG