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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weiterbildung (Allgemein-)Chirurgie



Dormicum
10.02.2017, 22:31
Ich bin momentan dabei, einen 2. FA zu machen.
Eigentlich soll es der Allgemeinchirurg werden. Momentan arbeite ich in einer viszeralchirurgischen Sektion, die aus 2 Oberärzten, einer Fachärztin und mir besteht. Laut Logbuch braucht man insgesamt 360 OPs. Wenn ich meine aktuellen Zahlen so hochrechne, bräuchte ich da noch eeeeewig zum FA (knapp 50 OPs in einem Jahr) :-(.
Da ich aufgrund der eben beschriebenen Personalsituation keine Vergleiche zu anderen Assistenten habe, würden mich mal interessieren, welche Zahlen und auch welche Art von Eingriffen in welchem WBJ so üblich sind.

anignu
10.02.2017, 22:58
Was hast du denn schon für einen Facharzt? Einen chirurgischen oder konservativen? Hast du schon operative Vorerfahrungen?

Das Problem das ich auf dem Weg für meinen chirurgischen Facharzt seh, und das ich bei jedem Kollegen irgendwie auch seh, ist dass man im ersten Jahr irgendwie gefühlt gar keine Eingriffe macht und das Ganze dann irgendwann explodiert. Ich hatte in einem Abschnitt bis zum Beginn des 6. WBJ null Eingriffe. Und aktuell sammeln die sich ganz gut zusammen.

Dormicum
10.02.2017, 23:15
Anästhesie, also keine operative Vorerfahrung, höchstens ein paar dilatative Tracheotomien :-D. 6 Monate Intensiv und ein Jahr Anästhesie wären theoretisch anrechenbar.
Ist "gar keine Eingriffe" im ersten Jahr nur gefühlt oder tatsächlich?

anignu
11.02.2017, 00:22
Bei mir? Naja, ich kam in den ersten 2 Jahren schon auf meine 50 Eingriffe aus dem Bereich der ambulanten Chirurgie (eine Abszessspaltung oder Wundversorgung in LA sind ja auch "Eingriffe") und die "ersten Assistenzen und angeleiteten Operationen". Also eigentlich die Assistenzen. Die Anzahl an für mich damals großen Operationen (Leistenhernie, Portanlage, Nabelhernie, Metallentfernungen) waren in den ersten zwei Jahren zusammen unter 20. Inzwischen bin ich sowohl in den Zahlen deutlich über 100/Jahr als auch entsprechend größere Sachen bzw. einfach ein Mix aus großen und kleinen OPs.

Ich sag meinen Kollegen auch immer "habt Geduld". Ihr kommt schon noch dran. Aber wenn ich teilweise einer eine kleine OP assistier und seh wie deren Umgang mit dem Gewebe ist, da versteh ich, dass die bei den Oberärzten nichts mittleres oder größeres machen darf. Weil sie erstmal die kleinen Sachen lernen muss...
Und so ein "fang die OP schonmal an, ich bin noch kurz beschäftigt und komm in ner halben Stunde bis Stunde nach" muss auch erstmal verdient sein.

Die Frage ist halt wie die Perspektive ist. Eigentlich sollte die sehr gut sein in so einer Abteilung, weil es null Konkurrenz gibt. Keiner "muss" mehr die Eingriffe machen, und wenn du dich mit denen gut verstehst und selbst Fortschritte machst, kann es gut sein, dass du auch in kurzer Zeit sehr weit kommst.

Kackbratze
11.02.2017, 06:00
Die Frage ist, wie die weitere Ausbildung ist. Differentialdiagnosen, postoperatives Management, Komplikationsmanagement. Was nützt dir ein voller Op-Katalog, wenn Du nicht den Patienten chirurgisch behandeln kannst?
Der Katalog füllt sich mit der Zeit, da muss man manchmal ruhig bleiben (wenn er sich garnicht füllt fehlt die Weiterbildung). Wenn man ausschliesslich operiert ist man nicht besser als eine OTA, die zum Hakenhalten ausgebildet wird.
Du musst wissen wann Du welchen Patienten wie operierst und die Komplikationen versorgen kannst.
DAS ist Chirurgie, nicht bloss die Kür, die auf youtube immer gezeigt wird. Das ist im Endeffekt der kleinste Teil.
:-meinung

anignu
11.02.2017, 09:18
Ich stimme dir zum großen Teil zu, das Problem dabei ist jedoch, dass dieser Teil einfach nicht wirklich messbar ist. Komplikationsmanagement und postoperatives Management bekommt man irgendwie schon mit, einfach indem man da ist und sich ständig Gedanken über die Patienten macht und das mit den erfahreneren Kollegen durchdiskutiert. Ob man bzgl. Differentialdiagnosen ausgebildet wird und sich selbst Gedanken machen muss hängt auch von der Abteilung ab.

Bei mir ist es so, dass ich inzwischen als Nichtfacharzt Hintergrunddienste mach, die entsprechend gecovert sind. Der erste Anruf geht an mich und ich mach mir Gedanken und treff Entscheidungen. Und wenn es was lebensbedrohliches ist, dann halte ich grundsätzlich Rücksprache mit dem Hinterhintergrund. Dienstanweisung vom Chef. Ebenso OPs: für kleinere kommt nur ich rein, sobald es gefährlich werden könnte kommt der Cover auch. Das ist für mich ein echt wertvoller Teil der Ausbildung. Der Schritt Richtung selbst entscheiden müssen. Und wenn man sich hier bewährt bekommt man Selbstvertrauen, von den Kollegen Respekt und darf wieder mehr machen etc.

In der Chirurgie passiert irgendwie lange nichts und dann bewegt man sich wie in einer sich ständig positiv verstärkenden Aufwärtsspirale nach oben. Ist wie ein positiver Teufelskreis.

arbeiter79
12.02.2017, 16:33
Ich hatte in den ersten 2 Jahren etwa 50 Ports, 25 Leistenhernien, nochmal soviel kleine Bauchwand Hernien (Umbilical v.a und sonst alles ohne Netz), "Highlight" war ein Colostoma. Ansonsten paar dutzend kleinerer Sachen wie Abszesse, kleine Amputationen, Wundversorgungen. Laparoskopisch hatte gar nichts gemacht außer Kamera halten. 1. Assistenzen bei paar wenigen offenen Darmops und vielen kleinereren Eingriffen.
Problem war das ich genau auf dem Niveau (plus Gallen und Appendektomien) weitergemacht hätte, bis zum Oberarzt..

Fr.Pelz
12.02.2017, 21:46
Ich hatte in den ersten 2 Jahren etwa 50 Ports, 25 Leistenhernien, nochmal soviel kleine Bauchwand Hernien (Umbilical v.a und sonst alles ohne Netz), "Highlight" war ein Colostoma. Ansonsten paar dutzend kleinerer Sachen wie Abszesse, kleine Amputationen, Wundversorgungen. Laparoskopisch hatte gar nichts gemacht außer Kamera halten. 1. Assistenzen bei paar wenigen offenen Darmops und vielen kleinereren Eingriffen.
Problem war das ich genau auf dem Niveau (plus Gallen und Appendektomien) weitergemacht hätte, bis zum Oberarzt..

Meinst du wirklich? Meist ist es doch so, dass wenn man erstmal FA ist, man dann auf einmal (zumindest im Dienst) auch größere OPs machen muss. Zumindest Ileus-OPs, inkarzerierte Hernien etc - und der FA Allgemeinchirurgie beinhaltet ja auch ein bisschen Trauma.
Bei uns ist es auch so eine Aufwärtsspirale. Im Common Trunk krebst man mit ein paar Abszessinzisionen rum und dann gehts je nach Rotationen weiter... Bei uns ist es so aufgeteilt, dass man die OPs assistiert und lernt, die man gerade stationär betreut. Also man geht in der gefäßchirurgischen Rotation nur in den Gefäß-Op, in der traumat. Rotation nur in die Trauma-Säle etc. Das hat den Vorteil, dass man sich auf ein Gebiet gut konzentrieren kann und nicht zwischen 2 Hernien soviel Zeit liegt, dass man immer nur das Vergessene wieder aufholt und nicht richtig besser wird.

Kackbratze
12.02.2017, 22:27
Die Weiterbildung ist in jeder Klinik anders organisiert und wenn man nicht vorankommt kann man weinen und es im Forum regelmäßig kundtun oder etwas ändern und die Klinik wechseln.
Wenn man vorankommt, gibt es weniger Gründe die Klinik zu wechseln.

anignu
13.02.2017, 20:02
Die Frage ist nur ob man mit ständig wechseln auch vorankommt...

Ich wein mich da lieber regelmäßig im Forum aus, bekomm dafür Antwort von "meinem" Brutus und dann gehts mir wieder besser.
Denn letztlich: auch wenn mich immer mal wieder alles ankotzt, auch wenn mir meine Kolleginnen inzwischen eine Hass-Liebe mit meinem Chef titulieren... ich weiß schon was ich an dieser Stelle hab.

Fr.Pelz
13.02.2017, 22:17
Ja, ich höre auch immer mal wieder Schauergeschichten aus anderen Häusern. Da muss ich sagen, dass bis auf eine bestimmte Person bei uns noch alles relativ ok läuft. Es könnte definitiv schlechter sein. Und was nützt mir ein tolles Klima und nur nette Kollegen, wenn ich 8-10 Dienste im Monat machen muss? Klar, muss die WB einigermaßen hinhauen, aber andere Bedingungen halt auch. Und die eierlegende Wollmilchsau gibt es nirgends. Plus Wechsel werfen einen auch immer erstmal wieder um die Einarbeitungszeit zurück.

John Silver
14.02.2017, 05:20
Bei uns operieren auch Anfänger regelmäßig. Zum Facharzt meldet man sich regelmäßig mit 60-80 Gallen an. Trotzdem glaubt jeder, viel zu wenig zu operieren.
In einer Abteilung allerdings, in der es nur einen Assistenten gibt, müsste, zumindest mit der Zeit, einiges rumkommen. Falls nicht, fehlt es offenbar am Willen. Dann ist ein Wechsel manchmal unvermeidlich, denn jahrelang nichts operieren kann man überall.