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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitsmedizin: Eure Erfahrungen



Lara1987
07.03.2017, 19:05
Guten Tag alle miteinander!
Nach zwei Jahren in der Inneren Medizin spiele ich mit dem Gedanken in die Arbeitsmedizin zu wechseln. Gern würde ich hierzu ehrliche Erfahrungsbericht hören.

1. Warum habt ihr euch für Arbeitsmedizin entschieden?

2. Wie läuft eure Weiterbildung, Betreuung etc.?

3. Wer hat Erfahrungen mit den "Großen" (BAD, TÜV etc.) und wer kann etwas über Mittelständler oder einezelne Dienstleistermit einem einzige WB-Assi berichten?

4. Ist jemand vielleicht nach einem Ausflug in die Arbeitsmedizin wieder zurück in die Klinik gegangen?

5. Man hört immer wieder, dass Arbeitsmediziner nur Mediziner 2.Klasse sind und von den Arbeitgebern die Assis meist nur ausgenutz werden. Auch soll das Gehalt sehr schlecht sein. Dem gegenüber stehen die Versorechungen von Headhunters, welche von guten Verdienstmöglichkeiten, Dienstwagen etc. sprechen. Was ist Mythos?Was ist wahr?

6. Was würdet ihr einem Neueinsteiger in die Arbeitsmedizin als Tipp mit auf den Weg geben?

Ich würde mich freuen, wenn es vielleicht jemannden gibt, der mir zu meinen Fragen ein paar Zeilen schreibt.

Bonnerin
07.03.2017, 20:30
Ich kann zwar nicht aus Arzt-Sicht berichten, habe allerdings meine Berufsfelderkundung bei einer arbeitsmedizinischen Praxis gemacht. (Waren die Arbeitsmedizinier der städtischen Angestellten + Beamten).

Schlecht ging es da keinem. Die meisten Ärzte fanden die entspannten Arbeitszeiten halt angenehm. Auch die Stimmung im Team war gut.

Eine Ärztin hatte mal erwähnt, dass es ihr persönlich in der Arbeitsmedizin auf die Abwechselung ankommt. Eine Tätigkeit bei der Deutschen Post (hat wohl ein Bekannter gemacht) wäre nichts für sie, da diese ihr zu eintönig wäre. Stattdessen war sie beim TÜV, bevor sie in die Praxis gewechselt ist. Da mochte sie halt die Abwechselung, vor allem in der Form von Arbeitsplatzbegehungen ect.

Wenn ich das richtig im Kopf habe hatten die meisten in der Praxis in der ich war den FA für Innere Medizin und zusätzlich danach dann den FA Arbeitsmedizin gemacht/bzw. sie leisteten da die Assisstenzarzt-Zeit ab.

hebdo
07.03.2017, 21:04
Eine Kollegin wechselt nach 4 Jahren Klinik zu einem großen Arbeitsmedizinunternehmen.
Das Grundgehalt enspricht dem Klinikgehalt, geregelte Arbeitszeit, keine Dienste, Firmen-PKW wird gestellt.

Ein ehemaliger Kollege ist in ein großes Chemieunternehmen in die Arbeitsmedizin gewechselt. Er ist Facharzt Innere, bekommt ein sechsstelliges Gehalt, allerdings bei 1-2 BD/Monat (bei denen man aber so gut wie nie etwas zu tun hat), kein Firmenwagen.

Ich denke, dass das Gehalt wie üblich in der freien Wirtschaft verhandelbar ist. Die Work-Life-Balance ist im Vgl. zur Klinik unschlagbar. Ob einem die Arbeit gefällt, muss jeder selbst entscheiden. Mediziner 2ter Klasse ist man bestimmt nicht. Man ist eben Spezialist; wer ist das heutzutage nicht?

vosd_franziska
19.03.2017, 11:01
Hallo,

ich interessiere mich derzeit auch für den FA Arbeitsmedizin. Bei der Internetrecherche bin ich nun auch einige Male draufgestoßen, dass die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin häufig gefordert wird. Was habt ihr so für Erfahrungen gemacht? Ist es ein großer Nachteil, wenn man sie nicht hat? Wisst ihr ob es realistisch ist, die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin in den geforderten 2 Jahren Innere zu machen? Oder spielen da die Chefs meist nicht mit?
Freue mich schon auf eure Erfahrungen.
Danke und viele Grüße!

Pflaume
19.03.2017, 11:25
Die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin neben zwei Jahren Innere zu machen dürfte im allgemeinen zu schaffen sein. Bedeutet doch nur, daß man innerhalb der ersten 2 Jahre für 1/2 Jahr auf Intensiv gewesen sein muß. Kann man sich ja auch direkt im Arbeitsvertrag zusichern lassen. Daß man die 50 Notarzteinsätze mindestens zum Teil in seiner Freizeit sammeln muß, ist allerdings relativ üblich.

Insgesamt sind im Bereich Arbeitsmedizin so viele Stellen offen, daß man sicher auch eine Weiterbildungsstelle ohne die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin findet. Große Industrieunternehmen können sich ihre Betriebsärzte allerdings aussuchen, verlangen neben Notfallmedizin und praktischer Erfahrung als Notarzt auch oft einen zusätzlichen Facharzt (Allgemeinmedizin, Innere Medizin).

Der Arbeitsmarkt im Bereich Arbeitsmedizin könnte sich durch die aktuell laufende Verwässerung der Weiterbildungs-Anforderungen in den nächsten Jahren etwas ändern... in Bayern kann man bereits jetzt Arbeitsmediziner werden, ohne jemals in der Inneren gearbeitet zu haben (ein Gebiet der "direkten Patientenversorgung" reicht aus), andere Ärztekammern werden vermutlich nachziehen.

Emigrant
28.09.2017, 14:54
Hallo an euch alle. Rein zur Information:


"In Bayern kann man bereits jetzt Arbeitsmediziner werden, ohne jemals in der Inneren gearbeitet zu haben (ein Gebiet der "direkten Patientenversorgung" reicht aus), andere Ärztekammern werden vermutlich nachziehen.

Es wurde in Hessen und der Rheinland-Pfalz auch bereits angepasst. 24 Monate in der unmittelbaren Patientenversorgung sind dort mittlerweile ausreichend. Vielleicht hofft man so mehr Kandidaten zu finden. Kandidaten, welche früher diese Option direkt wieder hätten fallen gelassen (=> fehlende Innere Medizin).

@Unmittelbare Patientenversorgung:

Weiss jemand von euch, warum man die Arbeitsmedizin bei der Ärztekammer Berlin zur unmittelbaren Patientenversorgung zählt?:

=> https://www.aerztekammer-berlin.de/10arzt/15_Weiterbildung/16_Fragen_Antworten/17_01Allgemeine-Fragen/index.html#09

Würde mich interessieren.

mbs
17.04.2021, 20:07
Wenn man längere Zeit in einem anderen Fach als Innere Medizin gearbeitet hat, aber noch keinen FA hat ist es dann sinnvoll diesen zu erzwingen? Oder wäre es sinnvoller dann einfach gleich das geforderte Jahr Innere Medizin zu machen und notfalls auch noch mit Mitte dreißig den FA in Betriebsmedizin direkt anzustreben falls man sich für das Fach interessiert?

Denke immer mehr über Alternativen zur Klinik nach und frage mich bis zu welchem Alter man sinnvoll wechseln bzw. "aussteigen" könnte.

WackenDoc
17.04.2021, 20:16
Facharzt für Arbeitsmedizin und Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin ist es. Wobei die Zusatzbezeichnung schon in mehreren Bundesländern abgeschafft wurde.
Je nach dem, ob du in deiner ÄK noch die Zusatzbezeichnung machen kannst, kann es sinnvoll sein, zunächst den anderen Facharzt fertig zu machen.
Und je nach anrechenbarer Weiterbildungszeit kann sich die Weiterbildung für den Facharzt Arbeitsmedizin von 2 auf 2.5 Jahre verlängern, wenn du den anderen Facharzt vorher abschließt.

Arbeitsmedizin ist ein klassisches Quereinsteigerfach, so dass es relativ viele ältere Weiterbildungsassistenten gibt. Die meisten älteren haben aber eher einen anderen Facharzt. Kann halt zu Fragen beim Bewerbungsgespräch führen, warum man in höherem Alter noch kein Facharzt ist. Je nach Arbeitgeber kann die Bewerberlage aber völlig unterschiedlich sein.

daCapo
17.04.2021, 20:17
ist ja theoretisch ne gute Nachricht, dass ÄK nun auch andere Fächer zulassen für die klinische Erfahrung in der Arbeitsmedizin.

Auf der anderen Seite ist dieses sich die Weiterbildung "selbst" zusammensuchen meiner Ansicht nach das falsche Konzept.
Besser wäre: Fach XY, Rotation A mit Testat o.ä. und dann Rotation B usw. nach festen Plan anstatt Stellenwechsel mit neuem Arbeitsvertrag und auf das Gutdünken vor Ort hoffen. Tja, die guten ÄK und die Politik. Schade, gerade für so wichtige Fächer wie Allgemeinmedizin. Die Artikel/Umfragen ziehen sich über einen Zeitraum >10 Jahre.

https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Assistenzaerzte-zeichnen-duesteres-Bild-der-Weiterbildung-252720.html
https://www.aerzteblatt.de/archiv/63757/Aerzte-in-der-Weiterbildung-Gefordert-aber-nicht-gefoerdert
https://www.aerzteblatt.de/archiv/54226/Nachwuchsmangel-Schlechte-Strukturierung
https://www.zeit.de/2013/12/weiterbildung-mediziner-facharzt-interview
https://news.doccheck.com/de/197067/allgemeinmedizin-ist-zum-kotzen/

mbs
20.04.2021, 22:32
@ waken doc:
Danke für deine Antwort.
Da in den Sternen steht wann ich den FA für Chirurgie überhaupt machen könnte, wie ich die noch notwendigen Eingriffe zusammenkriegen soll, wäre es unter Umständen gar kein so großer Zeitverlust auch jetzt noch nen anderen FA anzustreben. Vor allem in einem Fachgebiet das jetzt nicht so übersäht ist von Leuten mit großen Karriereambitionen wie vielleicht andere Fächer. In beliebten Gebieten mag es ohne FA vielleicht schwieriger sein, aber ein Musterbewerber wäre ich sowieso nicht.
Wobei jeder der flexibel genug ist was den Ort angeht vermutlich früher oder später irgendeine Stelle finden würde - oder nicht?

WackenDoc
21.04.2021, 06:47
Der ORT ist in der Arbeitsmedizin meist nicht soo das Problem. Das ist eher relevant wenn du die bei einem zentrumsbasierten überbetrieblichen Dienst bewirbst. Da kann es dir passieren, dass die Stellen an deinem Wunschstandort einfach besetzt sind. Anders als in den Kliniken haben die arbeitsmedizinischen Zentren meist nur wenige Weiterbildungsstellen (vergleichbar einem MVZ).
Dafür gibt es mehr verschiedene Anbieter- von der kleinen Praxis, mit nur einem Jahr Ermächtigung für die Zusatzbezeichnung (und die in der Regel die Kurse nicht bezahlt) bis zum großen Industriebetrieb mit voller Ermächtigung (dort ist oft ein Notarztschein gefordert).
Dadurch dass jetzt in einigen Bundesländern nicht nur Weiterbildungszeiten angegben sind, sondern auch Stunden, wurden Teilzeitweiterbildungen und sogar berufsbegleitende Weiterbildungen erleichtert. Aber Obacht- dann wird man halt auch ewig nicht fertig.

Ja, Stelle findet man auf jeden Fall. Schwierig ist eher eine gute Stelle zu finden. Es ist nicht unüblich nach dem Facharzt den Arbeitgeber zu wechseln oder sich selbständig zu machen.

mbs
21.04.2021, 19:00
Wie schätzt du die Lage ein falls man trotz mehrjähriger Klinikerfahrung noch immer keinen FA hat obwohl man längst irgendeinen haben müsste von der Zeit her? Und noch nicht in der Inneren war?

denkstdu
21.04.2021, 19:10
Wenn du kein Problem mit einem Umzug hast dann komm nach Bayern da brauchste für den FA keine Innere mehr!!!! Auch wenn ich Innere sehr sinnvoll finde, musst halt EKGs, Ergos, Lufus interpretieren können.

WackenDoc
21.04.2021, 19:26
Es soll Dienste geben, die jeden einstellen, der sich bewirbt.
Ohne Innere oder Allgemeinmedizin ist schwierig, aber nicht unmöglich. Du wirst dann einfach mehr Lücken schließen müssen,als andere.

Arbeitsmedizin sollte man als Fach echt nicht unterschätzen.

wie denkstdu schon schrieb- Lufu, EKG, Ergo- das bringen die meisten mit Innereerfahrung halt mit.
Dazu kommen aber noch Hörtest, Sehtest, Perimetrie.
Interpretation von Laborbefunden incl. Biomonitoring.

Impfungen.

Die Fragestellungen (Eignungen oder Beratungen) sind oft internistisch zu kardialen Erkrankungen, Lunge, Diabetes.

KoffeinJunkie
17.05.2021, 09:14
Ich bin aktuell in einem "patientenfremden" Fach an einer Uniklinik, leider aber sehr unglücklich damit, obwohl ich es mein ganzes Studium über präferiert habe (eventuell liegt es an den Arbeitsbedingungen, wer weiß :-nix).

Meine 2. Wahl war immer die Arbeits/Betriebsmedizin. Meine Überlegung ist nun erstmal in die unmittelbare Patientenversorgung zu rotieren - erste Überlegung war 24 Monate in die Allgemeinmedizin zu wechseln.

Ist das sinnvoll? Oder doch lieber direkt in den sauren Apfel beissen und an der Uniklinik in die Innere? Oder Anästhesie?

Bin mir leider etwas unschlüßig. Nach neuer WBO in meinem Bundesland muss man lediglich 24 Monate in die "Unmittelbare Versorgung". Da fällt inzwischen fast so gut wie alles rein (außer mein aktuelles Fach :-peng)

mbs
18.05.2021, 20:59
Meines Wissens nach sind 1-2 Jahre in der Inneren Medizin für fast alles (Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin und einige andere) verpflichtend. Hab mir auch schon öfter überlegt das einfach mal zu machen damit man sich alle Optionen offen hält - und diese wahrscheinlich eher unangenehme Zeit hinter sich hat. Andererseits weiß ich auch nicht wie lange so was "gültig" wäre um es sich auf einen anderen FA anrechnen zu lassen.

Wo man das macht spielt wahrscheinlich auch nicht so eine große Rolle. Wenn die wissen dass man das sowieso nicht dauerhaft machen will wird man vermutlich nirgends wirklich groß für irgendwas gepusht oder in eine attraktive Rotation gesteckt werden, sondern überwiegend die Aufgaben bekommen die keiner machen will.