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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Heroinabgabe an Süchtige



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milz
09.10.2003, 15:55
Was würdet Ihr von einer Heroinabgabe an Süchtige in Deutschland halten?

Die Schweiz scheint gute Erfolge damit zu erzielen:
http://www.3sat.de/nano/news/10317/
http://www.nzz.ch/2003/06/04/il/page-newzzDGJ4XWZQ-12.html

Interessante Beiträge dazu:
http://www.nzz.ch/dossiers/dossiers1999/abst0613/index_heroin.html

Was ist Heroin?
http://www.netdoktor.de/topic/drogen/heroin.htm

milz
11.10.2003, 23:04
Gut, anscheinend will sich zu diesem Thema niemand äußern. Die bisherige Abstimmung (bisher 4 dafür, 7 dagegen) ist auch nicht repräsentativ, läßt allerdings eine gewisse Tendenz erkennen, die ich nicht nur bedauerlich, sondern sogar sehr bedenklich finde.
Gerade von zukünftigen Medizinern sollte man auch in sozialmedizinisch relevanten Fragen ein Urteil erwarten können, das sich durch ein nüchterne, rationale und ideologisch dekontaminierte Betrachtungsweise vom gemeinen Laienurteil abhebt.
Scheinbar ist dem nicht so. (Dies ist keine Kritik, sondern eine Feststellung.)


Meine Position:

Eine Abgabe von Heroin plus sterilem Injektionsmaterial an Süchtige
-mindert das Überdosierungsrisiko. ("Goldener Schuß").
-mindert das Ansteckungsrisiko für Virushepatitiden und HIV.
-mindert das allg. Infektionsrisiko (lokale Abszesse, Sepsis).
-mindert das Risiko gesundheitlicher Schäden durch toxische Verunreinigungen und Streckmittel im Heroin.
-erreicht diejenigen, die zu einer Substitutionstherapie mit Methadon nicht bereit sind.
-bewirkt ein soziale Stabilisierung, auf der eine weitere Therapie aufbauen kann.
-beseitigt die Motivation zum Anfixen von Neukonsumenten.
-mindert die Beschaffungskriminalität (inkl. Prostitution).
-entzieht der organisierten Kriminalität eine Einnahmequelle.

Daß dies keine Hirngespinste sind, beweist das ausgiebig evaluierte Schweizer Programm.

Und hier ein Interview, um der Sache mal ein individuelles Gesicht zu geben:
Gespräch mit dem Teilnehmer eines Heroinprogramms (http://www.nzz.ch/dossiers/dossiers1999/abst0613/abst990603cb.html)

In Deutschland läuft übrigens ebenfalls seit dem 27.02.02 eine Studie zum Thema.
Näheres siehe unter:
http://www.heroinstudie.de/ und http://www.bmgs.bund.de/deu/gra/themen/praevention/drogen/2396.cfm

airmaria
11.10.2003, 23:46
Jo, es gibt deutlich mehr positive Effekte einer kontrollierten Abgabe, als Negativerscheinungen!

Problem in dieser verbohrten Welt ist einfach, daß Sucht (ob nun Drogen, Alkohol oder sonst etwas) immer als "Sünde" verstanden wird, wie auch immer sie entstanden ist.

Es heißt immer: "selber Schuld..."

... und wenn jemand selbst schuld ist, warum um himmels Willen, sollen wir ihn dann unterstützen und ihm helfen? Nein das geht doch nicht!
Die paar Leute, die dann angefixt, beklaut oder gar ermordet werden, haben einfach Pech gehabt, so einfach ist das... hauptsache wir sind nicht die Betroffenen.

"Mary" airmaria

harlekyn
12.10.2003, 00:26
Original geschrieben von airmaria

Es heißt immer: "selber Schuld..."

... und wenn jemand selbst schuld ist, warum um himmels Willen, sollen wir ihn dann unterstützen und ihm helfen? Nein das geht doch nicht!



Ja lol....das heißt also es gibt für Raucher und Leute mit Übergewicht keien Bypass-ops mehr. Sind ja selber schuld, gehören ja zu den Risikogruppen.
Und wenn wir schon grad dabei sind:
Keine Notfallversorgung bei Frauen mit Lungenembolie, wenn sie Raucher und Pillenutzerin sind, keine Versorgung mehr von schwerverletzten bei Verkehrsunfällen, warum steigen die auch in ein Auto und Geburtshilfe...pppfffffff...hätten es ja nicht machen müßen! Selber Schuld!!!
Also ich bin auch dafür. Die Vorteile liegen klar auf der Hand und die Nachteile sind entweder nicht realistisch oder können beseitigt werden.
Das Gegenargument dass mir dazu immer einfällt wäre, das es mehr Einstieger gibt, aber das stimmt ja net. Es rauchen und trinken ja net alle, obwohl es diese Drogen frei zu erwerben gibt.
Eine Gefahr, die man jedoch nicht so leicht abweisen kann, ist die Entstehung einer offenen Drogenszene, vor kurzem gesehen in Saarbrücken. Die mußte mit Polizeigewalt aufgelöst werden!
Trotzdem ein ganz klares Ja zu diesem Modell.
Mal abgesehen davon, würde ich den Verkauf von Gras erlauben und Staatliche Lizensen für den Anbau und Verkauf vergeben. DA wäre viel Geld zu holen Herr Eichel...

Leelaacoo
12.10.2003, 09:18
Hi Milz! Wollte auch abstimmen, klappt bei mir aber net. Hätte gestimmt für: DAFÜR!!!
Leider ist es so, wie du schon festgestellt hast, daß die meisten Medizinstudenten leider arrogante Obermenschen sind (sorry, mein nicht alle, aber kenne selbst genug von der Sorte und ihr hättet mal die Debatte über dieses Thema in unserem Psychiatriekurs hören sollen...ich dachte, ich müßt gleich aus dem Fenster hüpfen...wären die nur nicht gesichert gewesen :-)) ).
Die meinen, Süchtige sind Asoziale, die es weder verdienen, daß der Staat in irgendeiner Form für sie Geld ausgibt (brillianter Vorschlag eines Mitstudenten: Die sollen selbst die Entgiftung bezahlen....ja klar...super Anreiz...da hat doch jeder Süchtige mal geschwind 3000 € locker, gell *kopfschüttel*) oder sich überhaupt irgendwie engagiert (so zum Beispiel keine ärztliche Hilfe bei Virushepatitiden oder HIV, bei sonstigen Infektionen, bei der Entgiftung oder Substitution, Wohnungsbeschaffung...usw.).
Klasse Einstellung Leute (airmaria hat wirklich recht, wo soll man denn dann mit dem "Schuldprinzip" aufhören???).
So sah das aus...und zwar bei ca. 98 % der lieben Studis, die bisher überwiegend ein nettes Leben mit genügend Geld und keinen Tragödien geführt haben. Es war absolut keine Bereitschaft vorhanden, auch nur ein paar Vorteile der Methode anzuerkennen. Nö, selbst schuld, also mußt halt verrecken. Hippokrates....ist das der in den Ü-Eiern??? Oder wie??? :-peng
Auch ist es bereits nachgewiesen, daß der Entzug vom Substitutionsstoff Methadon wesentlich härter für die Betroffenen ist als der von reinem Heroin, und wir sprechen hier von Wochen und Monaten!!! Da steigt die Rückfallrate rapide an. Das Argument mit dem "anfixen" von Neu-Süchtigen ist Schmarrn...ich bezweifle stark, daß ein Arzt (der ja auch eine Sondergenehmigung dafür benötigt, also geschult sein wird) einem Jugendlichen ne Portion "ausgibt", weil der das mal versuchen will...Leute...das sind Märchen. Und wo kein Gecshäft, da keine Dealer da keine neuen Kunden. Wäre allerdings eine langfristige Sache, mit dem Erfolg würde man wahrscheinlich in 5-10 Jahren rechnen müssen...da lohnt es sich für viele Politiker nicht, solche Aktionen zu starten. Lieber einsperren...nicht das der Nachfolger noch die Lorbeeren erntet...nö, das geht nicht.
Klar haben alle Methoden ihre Nachteile, nur hier liegt der Benefit so auf der Hand, daß ich mich echt um das Geschrei wundere, daß darüber gemacht wird.
Schönen Sonntag noch, LG Lee

Hellequin
12.10.2003, 09:58
Die kontrollierte Abgabe ist sicher eine sinnvolle Sache,
aber ich finde man sollte viel mehr für die Drogenprävention tun.
Denn bei den Entzugstherapien liegen die Rückfallquoten ja
bei > 80%. Würde halt neben den herkömmlichen Entzugstherapien, noch die kontrollierte Abgabe anbieten und
die Prävention verstärken. Langfristig würde sich das vermutlich
sogar für den Staat rentieren, da ja geringere Kosten im Sozialbereich etc. auftreten würden.
Leider sehen halt unsere Politiker in dem Bereich seit Jahren nur
ein riesiges Einsparpotential.
:-meinung

Leelaacoo
12.10.2003, 10:14
....ja, nach dem Motto: "Jeder Tote ein Rentner weniger" hmpf...

milz
12.10.2003, 14:52
Eine Gefahr, die man jedoch nicht so leicht abweisen kann, ist die Entstehung einer offenen Drogenszene, vor kurzem gesehen in Saarbrücken. Die mußte mit Polizeigewalt aufgelöst werden! In SB war das glaub ich nur ne Fixerstube, wo den Süchtigen Spritzenbestecke angeboten wurden ohne Heroinabgabe. Und in diesem Fall ist es klar, daß Anziehungspunkte für "unterversorgte" Süchtige (Nachfrage) auch für Dealer (Angebot) attraktiv sind.
Von daher sicher ein problematisches Modell.


Nochmal zum eigentlichen Thema.
Ein erschreckendes Beispiel dafür, wie weit Vorurteil und Ignoranz das System infiltriert haben, zeigt dieses Beispiel:

Zum Internationalen Tag gegen Drogenmißbrauch und illegalen Drogenhandel am 26.Juni 1998 erklärt der drogenpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Dr. Thomas Zimmermann:

"Forderungen aus den Reihen der SPD und der Bündnisgrünen nach einer staatlichen Heroinabgabe entbehren jeder Logik und würden ein völlig falsches Signal setzen. Der Staat nähme nicht nur den Konsum illegaler Drogen hin, sondern organisierte ihn auch noch. Die CSU-Landtagsfraktion wird sich weiterhin dieser Drogenpolitik entgegenstellen und ihre auf den drei Säulen 'Prävention - Therapie - Repression' beruhende Anti-Drogenpolitik fortführen.

Eine staatliche Heroinabgabe hat nur negative Auswirkungen auf alle Bemühungen in der Prävention. Es ist Jugendlichen schwer zu vermitteln, daß sie weder Haschisch noch Ecstasy - am besten auch kein Nikotin und Alkohol - konsumieren sollen, aber Heroin mit staatlicher Genehmigung erhalten können. Für eine drogenfreie Therapie würde sich kein Abhängiger mehr motivieren lassen, wenn ihm der Staat die Spritze reicht." Quelle: Pressemitteilung der CSU-Landtagsfraktion (http://www.csu-landtag.de/htmlexport/index.html?/htmlexport/1596_1998064.html)

Leelaacoo
12.10.2003, 14:59
Zitat: Eine staatliche Heroinabgabe hat nur negative Auswirkungen auf alle Bemühungen in der Prävention. Es ist Jugendlichen schwer zu vermitteln, daß sie weder Haschisch noch Ecstasy - am besten auch kein Nikotin und Alkohol - konsumieren sollen, aber Heroin mit staatlicher Genehmigung erhalten können. Für eine drogenfreie Therapie würde sich kein Abhängiger mehr motivieren lassen, wenn ihm der Staat die Spritze reicht." Zitatende

:-??? :-??? :-???
Sind die so doof oder stellen die sich nur so an???
Klar, ich geh einfach zu einem Doc und sage: "hey, hätte mal Bock, Methadon auszuprobieren. Reich mir mal welches rüber, Opa."
:-peng
Aber ich war ja immer schon der Ansicht, daß die CSU ihre Mitglieder aus diversen Kuhherden auf der Alm rekrutiert.
Christlich.....pffff....
Mann mann...der Stoiber soll mir mal übern Weg laufen, gelle...
LG Lee

hibbert
12.10.2003, 17:20
Original geschrieben von milz
Gut, anscheinend will sich zu diesem Thema niemand äußern. Die bisherige Abstimmung (bisher 4 dafür, 7 dagegen) ist auch nicht repräsentativ, läßt allerdings eine gewisse Tendenz erkennen, die ich nicht nur bedauerlich, sondern sogar sehr bedenklich finde.
Gerade von zukünftigen Medizinern sollte man auch in sozialmedizinisch relevanten Fragen ein Urteil erwarten können, das sich durch ein nüchterne, rationale und ideologisch dekontaminierte Betrachtungsweise vom gemeinen Laienurteil abhebt.
Scheinbar ist dem nicht so. (Dies ist keine Kritik, sondern eine Feststellung.)


Ich finde die Aussage so aber nicht ganz richtig. Du kannst nicht jeden als engstirnig betrachten, der nicht Deiner Meinung ist. Bei der staatlichen Heroinabgabe gibt es auch gewisse Nachteile. Ich habe mir doch ein paar Gedanken gemacht, als ich dagegen stimmte.... :-meinung

harlekyn
12.10.2003, 22:41
Alos in Saarbrücken gab und gibt es das sogenannte "Cafe Highpy" oder so. Dort können sich Leute ihren Schuss setzten. Außerdem gab es so eine Art Anlaufstelle, an der man für einen Nacht schlafen konnte, wenn man nicht wußte wohin. (Wurde aus Geldmangel geschlossen)
Soweit ich weis, müßen die Junkies bei der Aktion raus auf die Strasse gegangen sein, dort gedealt und gefixt haben und dafür gibt es ja extra das Cafe....

Alles wird gut
13.10.2003, 09:06
Original geschrieben von hibbert


Ich habe mir doch ein paar Gedanken gemacht, als ich dagegen stimmte.... :-meinung


Das, Hibbert, streitet ja auch keiner ab! Aber was sind das bitte für Gedanken, die Dich glauben lassen, dass die Nachteile der Abgabe von Heroin an Süchtige schwerer wiegen als ihre Vorteile?

Sucht ist eine Krankheit, bei der etwas substituiert werden muss! Grade bei Heroin reicht da seltenst der pure Wille, um aufzuhören. Die (bisher) einzig adäquate Therapie ist das allmähliche Absetzen der Droge - und Methadon ist da nur ne Notlösung.

Natürlich ist die Prävention und (ehrliche! Nicht nur: Drugs are bad - don't do drugs Getue) Aufklärung das wichtigste, um zu verhindern, dass noch mehr Menschen süchtig werden aber wenn das Kind doch schon im Brunnen liegt, hilft ein Gitter über der Öffnung auch nichts mehr.....

beckspistol
13.10.2003, 10:49
hmmm... also ich kenne die saarbrücker drogenszene schon ein bisschen, auch vom rettungsdienstlichen, und bin in meiner meinung etwas gespalten... es waren halt dadurch wirklich strassenzüge quasi unbewohnbar geworden (nu**en auf der strasse, mehrmals lief mir einer im rausch vors auto) und ich weiss nicht, ob man damit allen beteiligten einen gefallen tut...

das schlimme ist ja,dass der abhängige freiwillig (!) seine "krankheit" auf sich genommen hat - und das dann auch noch staatliche zu unterstützen, quasi zu legitimieren...

selbstverständlich muss man helfen, aber man muss auch die allgemeinheit schützen können..
und auch in sachen jugendschutz finde ich das (5 jahre alte) csu-zitat eigentlich nicht verkehrt (auch wenn ich politisch eigentlich im ganz anderen lager bin)..wenn man sich das überlegt heisst es doch: das ist zwar verboten, aber wenn du es trotzdem tust kriegst du es vom staat--- komische logik!

grüße

becks

airmaria
13.10.2003, 11:22
Original geschrieben von beckspistol
... komische logik!


Aber wenn diese komische Logik nachweislich und belegbar besser funktioniert, ist ein Umdenken nötig oder nicht?

"Mary" airmaria

hibbert
13.10.2003, 12:00
Original geschrieben von airmaria


Aber wenn diese komische Logik nachweislich und belegbar besser funktioniert, ist ein Umdenken nötig oder nicht?



Da bin ich eben nicht so sicher. Die kontrollierte Abgabe und deren Vorteile sind ja sicherlich schön und gut, aber die Umsetzung ist nicht leicht. In Hamburg gab es den sog. "Fixpunkt" und "Fixstern", dort wurde Methadon und steriles Besteck ausgegeben, ferner war es Junkies hier erlaubt zu spritzen. Nachteil der ganzen Angelegenheit war hierbei, dass sich die gesammte Drogenszene um diese 2 Einrichtungen gruppierte, mit allem was dazugehört, Beschaffungskriminalität, Drogenhandel usw. Des weiteren "konsumierten" Süchtige in diesen Einrichtungen nicht nur das Ausgegebene Methadon, sondern auch noch weiterhin Heroin, welches sie von den Dealern rund um den Fixstern bezogen. Also hieran sehe ich, dass es auch noch eine zweite Seite an der legalen Ausgabe gibt. Auch zahlreiche Razzien der Polizei halfen nichts gegen diese Verlagerung und das Heranströmen Süchtiger aus der halben Stadt.

Also ich muss sagen, dass das doch alles bei meiner Meinungsbildung eine Rolle spielt.

beckspistol
13.10.2003, 12:25
ich glaube man darf sich das eben nicht so schön vorstellen, dass der konsument sich sein zeuchs legal beschafft, anschliessend in seine 2-zimmerwohnung geht und dort mit einer staatlichen gesponsorten spritze eine feine sauber i.v.-injektion vornimmt...

ich befürchte eben auch, dass staatlich-fürsorgliche hilfe die situation nicht entschärft - aber vielleicht beruhigt es ja das gewissen..

Feuerblick
13.10.2003, 12:56
Grundsätzlich bin ich schon für die legale Abgabe von Heroin an Süchtige - in der Hoffnung, daß sich in Sachen Beschaffungskriminalität etwas tut. Auch die Gefahren, die verunreinigter Stoff, Mehrfachbenutzung von Spritzen etc. mit sich bringen, könnten reduziert werden. Allerdings würde ein solches System eine Menge Kontrolle voraussetzen...

Das Problem, das ich allerdings sehe, liegt in der Mentalität der Süchtigen... Wir haben im Psychatrie-Praktikum ein langes (seeehr langes) Gespräch mit einem Junkie geführt, der zum Entgiften (Versuch Nr. ich-weiß-nicht-mehr-wieviel) in unserem PKH war und schon mehrere Entgiftungs- und Substitutionsversuche hinter sich hatte. Was der so erzählt hat - da standen mir schon die Haare zu Berge:
Er war in einem Methadon-Programm. Da es nicht so einfach ist, in ein solches Programm aufgenommen zu werden, möchte man ja eigentlich denken, daß der Süchtige darüber froh und glücklich ist und bereit, wirklich alles was geht zum Gelingen des Unterfangens beizutragen. Denkste!! Er wollte primär in dieses Programm, weil seine "Verdienstmöglichkeiten" nicht mehr ausreichten für die benötigte Dosis...
Zu einem solchen Programm gehört auch, daß keinerlei andere Drogen mehr konsumiert werden dürfen (okay, von Zigaretten und Alk mal abgesehen....). Das interessiert die Junkies allerdings meist nicht die Bohne (har der Knabe unumwunden zugegeben). Da wird fröhlich weiter gekifft etc. und wenn man bei ner Blutprobe mehrmals auffliegt und aus dem Programm geschmissen wird, dann sucht man sich bei Gelegenheit (Deutschland ist groß und Identitätswechsel in diesem Millieu nicht sooo schwer) eben einen anderen Doc. Oder man hat gleich einen von der korrupten Sorte, den das eigentlich null interessiert...
Tscha, und weil man ja netterweise durch das Methadon den Entzugserscheinungen zuvorkommt, kann man seine Zeit problemlos zum Dealen nutzen - und sich davon dann auch mal den einen oder anderen Schuß oder was sich sonst so anbietet gönnen.
Auf diese Art und Weise hat sich dieser nette Herr jahrelang durchgemogelt. Er sagte ganz klar und deutlich, daß Methadon nichts bringt und daß er persönlich auch die Abgabe von Heroin mit ähnlichen Folgen behaftet sieht. Das könne man dann allerdings (wenn mans ein wenig geschickt anstelle) auch noch gut verkaufen...

Ich kenne durchaus auch Junkies, die bei erhaltenen sozialem Netz (sprich sie hatten trotz ihrer Sucht noch Familie und Job) mit dem kontinuierlichen Herunterfahren über die Methadon-Schiene clean wurden. Aber ich denke, wer einmal tief im Sumpf steckt, der wird seine über Jahre antrainierten Überlebensmechanismen nicht so leicht einstellen... Und es ist verdammt blauäugig (ich gebe zu, daß ich genauso naiv war) zu glauben, daß man den Junkies nur die Hand reichen muß, damit sie freudestrahlend die Hand ergreifen und einer besseren Zukunft entgegen gehen.

Prinzipiell bin ich dafür, Heroin an Süchtige abzugeben, um der Kriminalität ein wenig beizukommen. Es gibt ja auch durchaus Anhaltspunkte, die zeigen, daß das System funktionieren kann. Aber ein Allheilmittel dürfte es wohl kaum sein...

Blickchen

milz
13.10.2003, 15:16
@hibbert
Verzeih mir die Polemik! ;-)


Original geschrieben von beckspistol
das schlimme ist ja,dass der abhängige freiwillig (!) seine "krankheit" auf sich genommen hat - und das dann auch noch staatliche zu unterstützen, quasi zu legitimieren...Wie Harlekyn schon gesagt hat. Wo will man die Grenze setzen? Wer sich im Skiurlaub die Hacksen bricht, hat dieses Risiko auch freiwillig auf sich genommen und wer sich 120 Kilo anfrißt und dann irgendwann die Kniegelenke hin sind auch.
Selber zahlen?


selbstverständlich muss man helfen, aber man muss auch die allgemeinheit schützen können..Eben! Wer seinen Stoff vom Staat zu annehmbaren Preisen oder umsonst(?) bekommt, wird beispielsweise mit geringerer Wahrscheinlichkeit unschuldigen Mitmenschen eins überziehen, um die Handtasche zu klauen.
Das wärs mir schon wert.


und auch in sachen jugendschutz finde ich das (5 jahre alte) csu-zitat eigentlich nicht verkehrt (auch wenn ich politisch eigentlich im ganz anderen lager bin)..wenn man sich das überlegt heisst es doch: das ist zwar verboten, aber wenn du es trotzdem tust kriegst du es vom staat--- komische logik! Der Staat verdient einen Haufen Geld mit Zigaretten und Alkohol, duldet Werbung dafür, klagt gegen das EU-Tabakwerbeverbot, duldet "kindgerechte" Kippenautomaten, duldet den Verkauf ab 16 und subventioniert noch die Produktion.
Gute Logik?




Ein Patentrezept ist das Modell natürlich nicht, aber mMn eben ein guter Ansatz.
Im Rahmen meiner Ausbildung hatte ich auch einen Psychiatrieeinsatz und konnte da ein paar Suchtis kennenlernen.
Und mir warn diese Leute -sag ich ehrlich- überwiegend unsympatisch. ZB. wurde man regelmäßig angelogen ("Ich hab nichts getrunken." oder "Ich hab nichts genommen."), obwohl die Fahne nicht zu überriechen bzw. Pupillen- und Verhaltensauffälligkeiten nicht zu übersehen waren. Die Sucht ruiniert halt auch den "Charakter".
Bei Heroinabhängigen kommt noch erschwerend hinzu, daß diese meist schon vor der Sucht einen gehörigen Schatten haben müssen. Während sich zB. eine Alkoholsucht schleichend entwickeln und prinzipiell (fast) jeden treffen kann, braucht es im Gegensatz dazu einiges an pathologischen Persönlichkeitsmerkmalen, um sich (die ersten Male) ein Gift wie Heroin, dessen Gefährlichkeit allg. bekannt sein dürfte, selbst in die Vene zu spritzen. Sowas bringt nicht jeder fertig. ;-)
Die durch die Sucht bedingten Beschaffungsdelikte und Anschluß an entspr. soziale Kreise verstärken den moralischen Zerfall.

Aus besagten Gründen handelt es sich also um sehr problematische Patienten, bei denen man seine Erwartungen an Compliance, Vernunft und Sozialverhalten stark runterschrauben muß. Also sicher kein Zuckerschlecken.

Leelaacoo
13.10.2003, 16:14
Also, was die Compliance angeht...da darf man sich generell keine großen Hoffnungen machen. Ich habe Diabetiker gesehen, die weiterhin ihre Schwarzwälder Torte mampfen, Herzkranke, die ihr Medis nicht nehmen und Asthmatiker, die trotzdem fröhlich pfeifend auf dem Balkon im KH rauchen. Wieso erwartest du von einem Süchtigen, daß er dir die Füße küsst, weil du ihm eine Chance bietest? Wenn man so denkt, dann darf man kein Arzt werden, sonst steigt der Frust ins Unermässliche... Man kann es nie allen rechtmachen und 50% deiner Patienten werden nur mit halbem Ohr auf dich hören. Aber wenns einem von 100 nützt, sollte man die Chance trotzdem ergreifen. Außerdem ist eben, wie bereits gesagt, die Sucht eine besondere Krankheit (und ja, es ist eine, auch wenn hier manche dies nicht einsehen können), bei der das soziale Gefüge vollkommen zerstört werden kann. Der Antrieb, dann noch was an seinem Leben zu ändern, ist dann eher weniger ausgeprägt. Das ist aber ein Symptom und keine Verfehlung, für die man in die Hölle müßte, oder? Ich kenne genug Junkies aus der Psychiatrie und sicher sucht man da lange nach "festen" Charakteren (sonst wärs ja auch garnicht erst so weit gekommen), aber als Arzt sollte man sich über die Antipathie hinwegsetzen und es trotzdem versuchen. Hilfe hat jeder verdient.
Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein...oder so.
LG Lee :-meinung

beckspistol
13.10.2003, 16:42
Wie Harlekyn schon gesagt hat. Wo will man die Grenze setzen? Wer sich im Skiurlaub die Hacksen bricht, hat dieses Risiko auch freiwillig auf sich genommen und wer sich 120 Kilo anfrißt und dann irgendwann die Kniegelenke hin sind auch.
Selber zahlen?

ja selber zahlen.. aber das ist geschichte der krankenkassen, dass diese risikosportarten eben extra abgesichert sein müssen, ebenso prämien für leute, die vorsorgeuntersuchungen ernst nehmen und auf ihre gesundheit achten etc.... bei junkies zahlt doch eh irgendwann nur noch das sozialamt - der skiurlauber ist versichert..
ausserdem bedeutet nicht skifahren = hacksenbrechen, aber heroin = pustekuchen !! und das unausweichlich, und das weiss auch jeder junkie, bevor er anfängt damit !



Der Staat verdient einen Haufen Geld mit Zigaretten und Alkohol, duldet Werbung dafür, klagt gegen das EU-Tabakwerbeverbot, duldet "kindgerechte" Kippenautomaten, duldet den Verkauf ab 16 und subventioniert noch die Produktion.
Gute Logik?

mit den zigaretten gebe ich dir recht, ganz klar - aber ein unrecht kann doch nicht als legitimation für ein anderes gelten??? da versteh ichjetzt auch deine logik nimma...


es geht auch nicht um steine werfen und schuld, es geht um die finanzierung von sucht bei menschen, die eigentlich gar nicht mehr in der freien wildbahn umherlaufen dürften (jeder opa der ähnlichen mist tut wird entmündigt und kommt auf die gerontopsychiatrie). und was feuerblick da erzählt ist doch logisch... wenn ich mir vorstelle, dass den leuten dann auch noch mit methadon eine sozial akzeptierbare existenz vorgegaukelt wird und die dann (wie die berühmte christiane f., die immernoch süchtig ist, nach unzähligen entzügen und inzwischen im methadon-programm drin ist) kinder und die welt setzen... ich weiss nicht....
für meine verhältnisse liegt da einiges im argen...