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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erste Hilfe auf Technoparty



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Rudiologe
13.05.2017, 21:13
Hallo zusammen,

ich war gestern auf einer Technoparty und selbst relativ nüchtern (3 Bier bis dahin). Gegen halb zwei hab ich auf einer Treppe sitzend und von zwei Freundinnen und dem Türsteher umringt ein junges Mädchen gesehen, das offensichtlich einen sehr schlechten Tripp hatte. Pupillen nur noch schwarz, offensichtlich halluzinierend, auf Ansprache hat die auch nicht mehr adäquat reagiert und sie war völlig verängstigt. Ich hab mich dann als Arzt zu erkennen gegeben und erstmal dafür gesorgt, dass sie in einen ruhigen Raum auf ein Sofa gelegt wird und dass ihre Freundinnen ihr nicht zu viel Wasser eintrichtern. Dann hab ich den Puls gemessen (140) und hab ihre Freundinnen zu überzeugen versucht, den Rettungswagen zu rufen, aber da war nichts zu machen. Da ich nur 2 Minuten von dem Club entfernt wohne bin ich letztendlich nach Hause gefahren, hab eine Packung Tavor geholt (hatte ich noch über von meinem letzten Langstreckenflug) hab ihr 2 mg gegeben und bin erstmal im Raum geblieben. Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde hat sie sich dann merklich entspannt. Ich habe ihr dann noch Salzstangen aufgezwängt undletztlich wurde sie von ihren Freundinnen nach Hause gebracht. Hab da heute noch ein paar mal drüber nachgedacht und mich gefragt, ob ich nicht doch gegen den Willen der Freundinnen den RTW hätte rufen sollen. Und ob das überhaupt in der Situation und für mich als Arzt "außer Dienst" in Ordnung war, ihr das Tavor zu geben.

Coxy-Baby
13.05.2017, 21:27
Ich glaub ich hätte den Rettungswagen gerufen und hätte mir die Tavor gespart.

Fr.Pelz
13.05.2017, 21:39
Na du bist ja mutig. Weiß nicht, ob die Versicherung sowas abdeckt, denn ob das als erste Hilfe zählt ist ja fraglich. Du hattest ja keine Ahnung, was sie da eingeworfen hat, hätten ja theoretisch schon Benzos sein können oder was anderes Atemdepressives und du legst noch was drauf...

Ich hätte auch den RTW gerufen. Das wäre mir an der Stelle sowas von egal, was da irgendwelche Freundinnen sagen. Ob das wirklich Freundinnen waren, kannst du ja von außen auch nicht beurteilen.

Rettungshase
13.05.2017, 21:42
Ich hätte in jedem Fall den RTW gerufen. Keine Diskussion. Nach welcher Grundlage musst du diese Freundinnen denn "überzeugen"? Welches Recht haben die, über den Gesundheitszustand und die Behandlung ihrer Freundin zu entscheiden?
Du bist der Arzt, manchmal muss man eben wie einer auftreten.
Hätten sie aktiv versucht, dich davon abzuhalten, darf noch der Türsteher, die Polizei oder notfalls überbrückend ein breitschultriger Partybesucher dazukommen.
Das hätte dich auch davor bewahrt, dir jetzt einen Kopf darüber machen zu müssen.

Auf gar keinen Fall hätte ich ihr die Tavor gegeben. Bei Erbrechen oder Atem- und/oder Kreislaufinsuffizienz, was bei vorhergehendem (Misch)Intox nicht so unwahrscheinlich ist, hättest du gar nicht schnell genug fluchen können, weil du ja überhaupt nichts dabei hattest.



Ich verstehe, dass das eine richtig blöde Situation für dich war und als Arzt will man natürlich helfen; das heißt aber nicht, dass du das allein lösen musst.

Feuerblick
13.05.2017, 21:47
*unterschreib*

Absolute Arrhythmie
13.05.2017, 22:00
Aus einem anderen Blickwinkel gesehen hast du einer hilflosen jungen Frau ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht... Nicht unbedingt sooo eine gute Idee, oder?
Ich denke auch, RTW rufen wäre gut gewesen. Aber egal, hätte, hätte, Fahrradkette... Hauptsache überhaupt geholfen.

Rudiologe
13.05.2017, 22:12
Ihr habt absolut recht, den RTW zu rufen wäre die vernünftige und vor allem sichere Wahl gewesen. Laut den Freundinnen, die ziemlich vernünftig wirkten, hatte das Mädchen nur MDMA genommen und keinen Alkohol getrunken. Daher hab ich mir bei dem Tavor keine größeren Gedanken gemacht. Wenn es eine unbekannte Intox gewesen wäre, hätte ich ihr das nicht gegeben. Aber natürlich müssen die Freundinnen auch nicht unbedingt wissen, was die sonst noch so getrieben hat über den Abend.

Coxy-Baby
13.05.2017, 22:31
Achso die Freundinnen haben erzählt dass es "nur" MDMA war, na dann ..... muss das wohl stimmen.
Wenn man sich schon als Arzt zu erkennen gibt und hilft dann konsequent, und irgend nem Mädel mal eben 2mg Tavor rein knallen, welches man zu Hause hat (?)...sportlich wie schon geschrieben.

WackenDoc
13.05.2017, 22:31
Manche werden schon durch 2mg Tavor ausgeknocked.
Die gehören mit sowas nicht nach Hause.

Ja, RTW rufen (lassen). In so einem Fall interessiert mich weder ob der Patient das will noch ob die Feundinnen das wollen.

pottmed
13.05.2017, 22:57
Achso, die Gute hatte "nur" ein wenig MDMA genommen und die Freundinnen wollten keinen RTW.... warum wollten sie den wohl nicht, wahrscheinlich weil sie Schiss hatten, dass irgendwie die Pol ins Spiel kommt und es doch Ärger geben könnte.

Dein Einsatz in allen Ehren, aber wenn dir das Ding hochgegangen wäre, hätte jeder Richter dir grobe Fahrlässigkeit attestiert. Mehr habe ich nicht hinzuzufügen, das korrekte Vorgehen wurde schon mehrfach aufgeschrieben und ist nicht diskutabel.

Philip_MHH
13.05.2017, 23:10
Unverantwortlich .. mehr kann man da nicht mehr hinzufügen

Coxy-Baby
13.05.2017, 23:35
Wir waren alle mal jung, und ich denke jeder hat schonmal irgendwas gemacht, was sich hinterher nicht als schlauste Idee rausgestellt hat ;-) in diesem Sinne, Leben und Leben lassen.

Bille11
14.05.2017, 12:29
Das gemeine ist, Rudiloge, der Rettungsdienst und der Notarzt hätte vermutlich nichts anderes gemacht.
Aber: mit der offiziellen Berechtigung/Garantenstellung zur Hilfeleistung.
Du hingegen hast es als Privatperson (mit Approbation, also berechtigt zum Verordnen der Benzos) getan, was Dich in eine schwierige Position bringt, sollte es nicht gut gegangen sein..

Wie kannst Du vor Gericht beweisen, dass Du es gut gemeint hast? Dass es kein Versuch zur Beeinflussung und ggf Ausnutzen der Hilfsbedürftigkeit der Person, die Du unmittelbar zuvor erst kennengelernt hast, ist. Dass Du keine Möglichkeit des Monitorings/erweiterte medizinische Voraussetzungen geschaffen hast. Damit stellst Du dich in die gleiche Ebene wie jemand, der der Person mutwillig schaden will.

So nervig Einsätze in solchen Bereichen sind, aber genau dafür sind zB die Medizinischen Hilfsdienste vor Ort da. Zuführen, betreuen lassen (gegen dabei bleiben spricht ja nichts), aber sehr sehr gut drüber nachdenken, ohne offizielle Garantenstellung (bewusstseinsbeeinflussende) Medikamente weiterzugeben.

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14.05.2017, 15:22
Anmerkung:
Ich hätte mich nicht mal als Arzt zu erkennen gegeben.
Im schlechtesten Fall ist man mit so einer diffusen (unberechtigten) Erwartungshaltung konfrontiert...

Rettungsdienst rufen ist primär auch Aufgabe von Security/Veranstalter. Bescheid sagen, dass es jmnd. nicht gut geht, ist ein feiner Zug und reicht IMO.


Alles andere wurde ja schon dezidiert kommentiert ;-)

Brutus
14.05.2017, 22:58
Rettungsdienst rufen ist primär auch Aufgabe von Security/Veranstalter. Bescheid sagen, dass es jmnd. nicht gut geht, ist ein feiner Zug und reicht IMO.
Du kennst aber schon die Mutwilligen, die oftmals auf solchen Festivals den San-Dienst übernehmen? ;-) :D :-))

Bille11
15.05.2017, 12:12
Du kennst aber schon die Mutwilligen, die oftmals auf solchen Festivals den San-Dienst übernehmen? ;-) :D :-))

Das ist das Problem des San-Dienst-Betreibers, der hoffentlich noch 1-3 richtig ausgebildete und vernünftige unter seine Leute mischen kann. IdR werden richtige Härtefälle von denen ja dann auch zügig übernommen & der Grossteil widmet sich wieder dem Pflasterkleben, heroische Geschichten erzählen und - ja, auch! - Betreuen.

WackenDoc
15.05.2017, 13:27
Sagen, dass man Arzt ist, Patient betüddeln und Notruf veranlassen finde ich schon ok.

Relaxometrie
15.05.2017, 13:50
Was kann man als Ersthelfer eigentlich bei einer eingeklemmten Person machen?
Die Frage kam mir, nachdem ich vergangene Woche zwei Stunden im Stau auf einer Autobahn verbracht habe. Es war wohl zu einem Auffahrunfall (Auto auf kleineren LKW) gekommen, wobei der auffahrende Fahrer eingeklemmt und schwerstverletzt wurde.
Da habe ich mich gefragt, was ich gemacht hätte, wenn ich Ersthelfer gewesen wäre.
Klar: Eigensicherung, Unfallort absichern, Rettungsdienst alarmieren. Und dann? Bei einer eingeklemmten Person hat man als Ersthelfer ja nicht so viele Möglichkeiten. Wenn der Verletzte bei Bewusstsein ist: beruhigend mit ihm reden, im Gespräch herausfinden, was man tun kann. Evtl. Blutungen an erreichbaren Körperteilen abbinden. Anamnese erheben (Vorerkrankungen, Allergien, Medikamente).
Was sind an einem solchen Unfallort, also bei stark zerstörtem Fahrzeug, die genauen Gefahren? Abgesehen davon, daß jede Unfallstelle natürlich gefährdet ist, daß weitere Autos hineinfahren? Wie ist das nochmal mit den Airbags? Können die auch nach dem Unfall noch auslösen? Oder Brände?

WackenDoc
15.05.2017, 13:55
Airbags, Feuer und andere Fahrzeuge.

Machen kannst du nicht viel:
Absichern, ggf. nochmal detailierte Infos an die Leitstelle.
Schauen ob er atmet ggf. mit nem Esmarch Atemwege frei machen (geht aber schon über EH-Level hinaus- die kennen das ja nur bei liegenden Patienten im Rahmen der Reanimation), Blutungen stoppen, ggf. Knochenbrüche ruhigstellen, Wärmeerhalt!!! und Betreuung- ja Anamnese ist gut.
Vitalparameter erheben- erleichtert dem RD die Einschätzung.

Rudiologe
15.05.2017, 14:21
Ich danke euch allen für die Kommentare. Eigentlich hatte ich nach den ersten Kommentaren, wohl zu Recht, schon dermaßen Bauchschmerzen bekommen, dass ich den Rest gar nicht mehr weiterverfolgen wollte. Ich fand (und finde) die ganze Situation extrem belastend und mir ist wieder vor Augen geführt worden, warum ich nicht in die akute und direkte Patientenversorgung gehen bzw. mich dafür für nicht besonders geeignet halte. Ich funktionere irgendwie nicht in Notfallsituationen am Patienten.